Kellner

Kellner

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 30
Kellner vor 3 Jahren 4 2
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Fans und Perlen
"Un homme" von Charles Jordan baut die Brücke zwischen den 70ern und den 80ern des letzten Jahrhunderts. Tolle Sillage, tolle Haltbarkeit. Die tolle harzigholzige Kraft, die uns in den 80er-Düften immer wieder begegnet, finden wir hier auch. Gleichzeitig ist aber auch die Vielschichtigkeit der 70er-Düfte vorhanden. Hier begegnet uns auf dem ersten Schritt eine fast honighafte Note, die von einem deutlich wahrnehmbaren Hauch Anis unterstützt wird, aber nicht das stechende Prickeln wie bei Lemickas "Au masculin parfum intense", eher das Gefühl des angenehmen Films eines Hustenbonbons im Hals. Dann tritt Anis zurück, verwebt sich mit den anderen Bestandteilen. Es entfaltet sich langsam ein sehr charaktervolles Gebilde. Der Duft verbindet seine einzelnen Komponenten so unangestrengt, dass der Genuss vor der Analyse kommt. Ich möchte sagen: mein Herz jubelt.
Die Duftentwicklung schreitet sanft voran, bleibt sehr dicht, fast balsamisch, hier besteht eine Ähnlichkeit zu "Ho Hang" von Balenciaga.
Der Duft geht seinen eigenen Weg. Zur Mitte hin melden sich holzige Noten; die bleiben körpernah, während in der Sillage die Kräuter vorherrschen.
Schließlich meldet sich tatsächlich das Leder. Ich gebe zu, zuerst dachte ich dass diese Note auf das Alter, das Kippen des Duftes zurückzuführen sei. Aber der Duft bleibt stabil, die Kräuter, die Würze sind über lange Zeit neben dem Leder präsent. Die Ähnlichkeit zu "Ho Hang" sei noch einmal bemüht. Der "Un homme" bleibt auch so intim wie "Ho Hang", wird nicht so laut wie "Azzaro". Trotz der unglaublichen, scheinbaren Nähe, trennen beide Düfte Welten. "Azzaro" für die Bubis und die jungen Kerle, die die Nachbarschaft auf sich aufmerksam machen wollen. Bei "Un homme" ist die Reife, die Qualität, das Statement. Ein Duft für´s Büro und zum klassischen Konzert.

"Azzaro", der Laute, den gibt es heute noch, der hat noch immer seine Fans; "Un homme" wird zum Märchen, davon erzählen die Älteren, die ihn noch kennen.
Wem dieser Duft in einigermaßen intakter Form über den Weg läuft, der soll zugreifen.
2 Antworten
Kellner vor 5 Jahren 12 2
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Horor vacui II
Wir sind häufig auf der Insel. Immer sehr gerne. Da empfand ich es Verpflichtung, mir auch von der kleinen lokalen Parfumerie in La Oliva derewn erste eigene Kreation anzuschaffen, ganz egal wie sie riecht. Wir haben den Duft in einer großen Parfumerie in Corralejo gekauft. Die Werbebilder drumrum implizierten einen aquatischen Duft. Ist klar, was sonst. Im Urlaub selbst habe ich den Duft nur kurz einmal aufgesprüht. Enttäuschung, ein ganz einfacher frischer Duft, sofort verflogen. Der Flakon landete erstmal im Koffer und zu Hause schließlich im Regal mit vielen anderen. Dann blieb der Duft erstmal ungenutzt. Verständlich bei all den tollen Düften, die ich zur Auswahl habe.
Niemand hat diesen Duft hier auf den Schirm, er taucht in keiner Merk- oder Wunschliste auf, es gibt kein Statement, kein Kommentar, keine Bewertung. Diese Lücke möchte ich schließen. Anschließend bin ich natürlich König dieser Seite. Klar soweit?
Erstmal: Duft benutzen. Hier herrschen gerade hochsommerliche Temperaturen. Da kommt ein Aquate recht. Vor allem, da in mein Büro die Sonne rein knallt und und die Temperatur um zehn Uhr morgens an der 30 Grad-Marke kratzt. Also erstmal ordentlich eingedieselt. Ich weiß ja, der Duft ist recht seicht. Ach ja, beim ersten Sprüher erinnere ich mich: der Sprühaufsatz ist klasse. Er produziert einen wundervollen, absolut feinen Nebel. Ich werde geradezu in einen Erfrischungsnebel gehüllt. Wie wunderbar. Und der Duft ist schön. Das schon mal als erstes Urteil, das hatte ich gar nicht mehr so im Kopf. Dann zurück an den Schreibtisch, Mails beantworten und so weiter. Schließlich muss ich mich selber auf den Weg machen, mit einer Kollegin reden. Ich komme in ihr Büro, das erste was sie sagt: Mensch richen Sie heute gut. Ich weiß, ich rieche jeden Tag gut. Nur sagen tut das keiner. Wenn jemand etwas sagt, dann hat das eine Bedeutung. Ich reiche ihr einen Ausdruck rüber. Sie: "Jetzt riecht hier alles so lecker." Zugegeben, drei vier Sprüher waren es. Aber das wars dann auch. Ehrlich. Nicht mehr. Die Sillage des Duftes wird also ganz anders wahrgenommen, als ich es vermutete.
Jetzt also zum Duft: wenig fruchtig, frisch zu Beginn, sehr fein und leicht und ein wenig blumig. Orange, aber nicht wie in "Orange sanguine", Zitrone auch, aber nicht wie in "Lemon line". Keine erfrischend säuerlichen, keine süssen Früchte. Ganz sanft, wie mit Wasser verdünnt, genau genommen Meerwasser, sehr authentisch. Hätte man in der Duftpyramide angegeben "ein Tag am Meer", dann wäre das passend gewesen. Der Duft wird innerhalb einer Stunde recht körpernah und trocken. Tatsächlich erinnert mich der Geruch an den Duft der Insel, wenn man zum Beispiel in einer der zum Merr gerichteten offenen Lavablasen in der Bucht am rot und weiß gestreiften Leuchtturm von El Cotillo sitzt. Es riecht nach Meer und trockenen Pflanzenteilen und dem warmen Sand am Flag Beach. Ich bin etwas verblüfft, wie gut der Duft zu meinen Urlaubserinnerungen passt, wie gut die Insel in diesem Duft wiedergegeben ist. Selbst die künstliche Farbe des Parfums entspricht dem Meer an manchen, strandnahen Abschnitten. Ich habe Urlaubsfotos, die das belegen.
Nicht die flüchtige Kopfnote mit dem Erfrischungseffekt ist das Geheimnis, sondern der feine, leicht holzige Meeresduft in der Basis. Maßgebend daran beteiligt ist ein samtiges, zimtiges Patchouli.
Ein Jahr lang steht der Duft in meinem Regal. Und jetzt habe ich ihn kapiert. Weiße Meeresgischt, türkises Wasser, auf der Haut, am Strand unter Afrikas Sonne getrocknet.
2 Antworten
Kellner vor 5 Jahren 11 6
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Horror vacui
Was ist denn hier los? Gähnende Leere. Außer mir, niemand da?!?! Kein Kommentar, kein Statement, noch nicht einmal eine Bewertung. Niemand hat den auf seiner Wunschliste? Noch nicht einmal auf der Merkliste. Da kommt selbst der "Boris Becker" besser weg. Will hier niemand etwas mit zu tun haben? Alle in Sommerfrische? Kein Vernichter unterwegs? Kein Gibt-es-schon-tausendfach-Sager da? Kein Ich-weiß-es-besser-als-die-Duftpyramide-Riecher verfügbar? Keine verstörrenden Bewertungen parat? Keine Einhorn-Geschichte? Keine Urlaubserinnerungen? Bleibt das jetzt alles an mir hängen?
Nun gut, ich mache mich an die Arbeit. Gähnende Leere kann weder der Spießer noch der Buchhalter in mir ertragen. Ja, da gibt es einen Unterschied. Also, an die Arbeit!
Im rotbraun-gold bedruckten Karton, voller arabisch anmutender Dekore und dekorativer Schriftzeichen, landet der Flakon, von schwitzendem Boten gebracht, Leute, draußen sind 30 Grad im Schatten, auf meinem Schreibtisch. Ein roter Glasflakon mit braunem Holzschild, goldfarbenem Plastikdeckel und Holzapplikation. Ja, nett, aber nicht spektakulär. Ich stehe mehr so auf die dicken Glasklunker. Egal. Aufgesprüht. Erster Eindruck: frisch. Hoppla. Frische Rose. Hab´ ich jetzt nicht mit gerechnet, bei diesen Temperaturen. Frische Rose und was Grünes. Und etwas Pfeffer. Kann man tragen. Auch bei 30 Grad. Hey, macht sogar Spaß. Also, schnell mal eingenebelt und raus zur Eisdiele. Gehört zum Test. Melde mich später wieder.
Ich bin gerade so die Treppe runter, da meldet sich das Holz. Ist ok. Das Frische bleibt. Wird wohl das Vetiver sein. Bis zur Eisdiele bleibt da aber dann doch nicht mehr viel von. Habe es vielleicht auch ein wenig übertrieben mit dem Frischenebel. Komische Blicke von den Menschen um mich rum. Egal. Stärkt das Selbstbewusstsein.
Wieder zurück von der Eisdiele. Will jemand wissen, wie es war? Cool. Und Selbstbewusstsein enorm gesteigert. Der Duft hat sich eingepegelt auf schweissiges Tabak-Leder. Steht nicht in der Duftpyramide? Ist aber so. Gut, der Schweiß, das ist jetzt eher meine Zutat. Aber das mit dem Leder und dem Tabak, das stimmt! Egal, was in der Pyramide steht. Warum schreiben die dann Tonka drauf? und Vanille? Und das Oud? Gehört sich so, für einen Araber.
Muss man den Duft jetzt haben? Neeee. Stört aber auch nicht. Und ist ganz nett. Warum habe ich mir den Duft gekauft? War ein Blindkauf. Also jetzt nicht ich, sondern der Kauf. Mir geht es gut. Auch mit Leder und ohne Tonka.
Und jetzt noch in eigener Sache: lieber Honk, da ich nun der König von Parfumo bin, kannst Du gar nichts dazu sagen!
6 Antworten
Kellner vor 6 Jahren 32 16
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Monodend II
Jetzt erzähle ich keine lange Geschichte, wie ich auf den Duft gestoßen bin. War ein Blindbuy, nachdem ich den Kommentar von Meggi gelesen habe. "Monodend", stand dort. Irgendwie war mir klar, den Duft muss ich haben. Ich stehe nicht nur auf Düfte. Ich finde auch das ganze Drumrum toll: die Flakons, die Farben, die Verpackungen. Ich will kein Chichi. Es ist das stimmige Ganze, das mich anspricht. Der Flakon auf dem Foto hat mich in seiner minimalistischen Art sofort angesprochen. Da passt auch "Monodend".
Bei "Tanoke" war schon das Auspacken für mich ein Fest. Kein einfacher Karton, sondern ein Schuber, wie bei einem wertvollen Buch. In dem Schuber, eingebettet in einem dicken Schaumstoffblock lag der Flakon. Toll. Der Aufdruck auf dem Schuber, der Aufdruck auf dem Flakon, der kleine Rabe, der Flakon selbst, alles ist so stimmig, durchdacht, konzentriert. Toll.
Das war bis dahin der teuerste Duft, den ich mir gekauft habe. Kann ein Duft so viel wert sein, habe ich mich gefragt und den Igel in meiner Tasche gefüttert. Kann ein Duft so etwas besonderes sein, dass ich nur für das Ausprobieren so viel Geld ausgebe. Mein erster Nischenduft. Eine Marke, von der ich vorher noch nie gehört hatte.
Und dann habe ich den Duft ausprobiert. Ein Sprüher "Tanoke" durch die Luft auf meinen Arm. In diesem Augenblick haben alle tollen Düfte, die ich bis dahin kannte wenigstens für diesen einen Moment ihren Glanz verloren. Der letzte Baustein fiel an seinen Platz, jetzt machte alles noch mehr Sinn. Der Name, der Rabe, die Farbe. In meinem Kopf spielte eine verlorene Melodie aus "Vertigo" und ich war in der Szene, in der die wunderbare Kim Novak und James Stewart in dem leeren Sequoienwald zwischen den Baumsäulen spazierten. So hat es dort gerochen. Alter Weihrauch, ein bisschen kühl ist die Luft. Und es blüht etwas, das sich fruchtig dazwischen mischt. Der Wald erhebt sich, so alt, so riesig. Ganze Zeitalter sind über ihn hinweg gewandert und er ist immer der gleiche geblieben, hat sich langsam nur, über Jahrhunderte, ausgebreitet. Und Tanoke ist der älteste von allen, viertausend Jahre alt. Manchmal schlägt bei den Gewittern nahe der Küste ein Blitz in die hohen Bäume. Brennende Äste fallen zu Boden. Ein kleiner Waldbrand entsteht. Den Bäumen selbst können die Flammen kaum etwas anhaben. Aber in der Gluthitze des Brandes, die oft noch durch den Wind vom Ozean angefacht wird, verbrennen auf den Boden abgeworfenen Zapfen und Nadeln. Der Brand erlischt dann und in den nächsten Jahren werden Schicht um Schicht neue Nadeln angehäuft. So bewahrt sich, auch Jahre nach dem Brand, der Duft nach Weihrauch in der kühlen Luft unter den hohen Bäumen.
Tanoke, der älteste der Sequoien, ist mit menschlichen Maßstäben nicht zu messen. Das größte, das schwerste Lebewesen auf diesem Planeten, und das älteste. Er streckte seine Nadeln schon in den Himmel, da hat es noch keine Götter gegeben. Tanoke ist archaisch.
"Tanoke" ist ein Meisterwerk und Meilenstein. "Tanoke" ist der älteste, lebendige Waldduft.

Um einen Eindruck von der ganz besonderen Stimmung zu gewinnen, die ich mit "Tanoke" verbinde, empfehle ich, einen Meilenstein der Filmmusik von Bernard Herrmann: www.youtube.com/watch?v=Spx0NthRoVc
Wer nicht riechen will, soll wenigsten hören!
Ich bedanke mich bei Meggi für seinen Kommentar.
16 Antworten
Kellner vor 6 Jahren 14 6
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Siegertreppchen oder Sporthalle?
Diesen Duft durfte ich vielleicht 1987 oder 1988 kennen lernen. Ich war etwa 23 Jahre alt und absolvierte meinen Zivildienst in einer Sonderschule für geistig Behinderte. Das war eine aufregende Zeit, eine tolle Zeit. Ich habe eine Menge Menschen kennen gelernt. Ich habe auch eine Menge über mich selbst gelernt. Die meiste Zeit war ich integriert in einer Schulklasse mit einem festen Lehrerinnenteam, drei Frauen, die ziemlich cool waren. (Was die damals schon geleistet haben. Da ist die Emanzipation von heute eine Witz.) Und von denen habe ich den Duft, einen 100 ml-Splash-Flakon und das gleiche noch als Duschgel zu Weihnachten geschenkt bekommen. Klar, wenn ich heute den Duft nutze, dann ist das sofort eine Zeitreise. Damals hatte ich den Duft ziemlich rasch aufgebraucht. Für das Duschgel brauchte ich etwas länger, weil mich die erstmalige Nutzung mit einer anaphylaktischen Reaktion auf die Kacheln warf. Nach ein paar Monaten habe ich mich zu einem zweiten Versuch aufraffen können. Und dann hat es nicht lange gedauert, bis das Duschgel ebenfalls aufgebraucht war.
In der Duftpyramide mag stehen, was will. Der Duft an sich ist ein Ganzes. Da muss man nichts auseinander nehmen. Der Duft ist, wie er ist, ein robuster Begleiter für den ganzen Tag. In seiner Komplexität findet der Duft eine eigene Sprache. Das ist Weltklasse zu einem damals niedrigen Preis, dafür olympisches Gold. Darüber will ich auch nichts schreiben.
Heute öffnet der Duft einen Blick in die Vergangenheit. Vielleicht machen sich manche Menschen über diesen Sportduft lustig; ist ja nur ein Sportduft. Aber dieser einfache Sportduft ohne besondere Entwicklung ist so viel mehr als die ganze weichgespülte Mainstreamplörre, die heute unablässig auf den Markt geworfen wird. "Adidas" wird immer noch auf auf Versteigerungsplattformen gehandelt als "Adidas Classic". Nicht weil er so heißt, sondern weil er so ist: ein Klassiker. Nach über dreissig Jahren hat er nahezu jede vergleichbare Konkurrenz weit hinter sich gelassen.
Will sich jemand heute noch das ursprünglich Original besorgen, dann bitte auf den zweigeteilten Druck des Kartons achten, oben blau und unten weiß. Der ursprünglich Flakon hatte eine blaue Kunststofffassung an der Seite, in der gleichen Farbe wie der Deckel.
Wozu dieser Kommentar? Um "Früher war alles besser!" zu trompeten. Es war nicht alles besser. Aber einiges. Der erste Adidas-Duft ist so viel mehr beständiges Statement, fern von jeder Turnhalle, als Düfte, die heute von amerikanischen Schauspielern beworben werden und nur Ausdruck eines recht niedrigen gemeinsamen Nenners sind. Wo ist der große Unterschied zu den Düften der 80er? Ich wage die These, dass man damals Ausdruck geschaffen hat, individuellen Ausdruck. Heute geht es eher darum, den allgemeinen Ausdruck zu wiederholen. Damals wollte man erkannt werden, z. B. am Duft. Heute reicht es meist, nicht aufzufallen: Dufte so, dass es niemand bemerkt. Liegt das nun an den Menschen oder an der Industrie?
Zum Glück gibt es Parfumo. Zum Glück gibt es hier die Gelegenheit auf diesen Glücksfallduft aufmerksam machen zu können. Dafür diesen Kommentar.
6 Antworten
1 - 5 von 30