Kellner

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11 - 15 von 30
Kellner vor 7 Jahren 9 6
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Rummel-Bummel
Seit einiger Zeit habe ich ein Duft-Proben-Paket von "biehl. kunstwerke". Ich habe mich nach und nach durch alle acht Düfte geschnuppter. Im Verlauf der Zeit habe ich das Gefühl bekommen, mehr als nur ein kurzes Statement darüber schreiben zu müssen. Jetzt bin ich beim letzten Duft des Paketes (the male collection) angekommen und es ist die richtige Gelegenheit für eine Rückschau.
Die Düfte tragen einige, interessante Ideen in sich. Ich wünsche mir oft mehr Wumms, mehr Kraft, mehr Durchschlag oder einen "Jetzt-bin-ich-sprachlos-Effekt". Aber das funktioniert hier nicht.
Die Düfte tragen keine eigenen, sprechenden Namen. Sie sind mit Initialen und einer Nummerierung versehen. Nach eigenem Verständnis wollen die Düfte als Kunstwerke betrachtet werden. Die Autorenschaft wird durch die Initialen besonders betont. Das muss der Rezipient, der Träger der Düfte beachten. Es reicht nicht aus, festzustellen: der Duft gefällt mir, gefällt mir nicht. Das ist zu wenig.
Dem recht preiswerten Päckchen ist neben einem kleinen Stapel Probestreifen auch noch ein kleines Blatt mit Erklärungen aller Duftproben beigefügt. Das ist wie eine kurze Anleitung zum Verstehen der Kunst. Wir erhalten kleine Hinweise zur Interpretation des Werkes.

Die Düfte rasen mit dem Träger in Sekundenschnelle an andere Orte, auf eine Terasse an einem Sommerabend in Venedig (gs02), in einen Dschungel voller grüner und reifer Früchte (pc01), zu einem Picknick im Frühsommer in einem lichten Birkenwäldchen (al03) oder in die Oper (eo02). Oder eben auch mitten auf einen Rummel (pc02). Da steht der Zuckerwattenstand direkt neben der Maronenbude und karamellige Süße verbindet sich mit verwehtem Rauch.
Während ich hier sitze und schreibe, habe ich mir, nach und nach, alle von meiner Nase erreichbaren Stellen meiner Arme mit den einzelnen Düften besprüht. Ich schnuppere mich immer wieder von einem Duftflecken zum nächsten. Das ist auch eine Form von Rummel-Bummel. Auf meinem Weg von einem Flecken zum anderen, geistern meine Gedanken ganz frei umher. Mir kommt noch eine andere Assoziation.
Die acht Düfte in dem Probenpaket sind wie eine Koje einer Kunstmesse, der leider nicht mehr statt findenden Art fair in Köln. Dort haben junge Galerien ihre Künstler ausgestellt. In jeder Koje gibt es Experimentelles, Bewegendes und der Betrachter wird gefordert.
Kunst kostet Geld. Wenn man ordentlich Geld hingeblättert hat, für ein Kunstwerk, dann hängt man es sich auch an die Wand. Und dann soll das Ding gefällist das tun, wofür es da ist: Gefallen, Provozieren oder was der Käufer sonst für eine Absicht hat. Mit den Probenpaketen haben wir eine tolle zusätzliche Chance: wir können Neuland entdecken.
Ich freue mich auf meinen nächsten Rummel-Bummel, meinen nächsten Galeriebesuch, das nächste Probenpaket.
6 Antworten
Kellner vor 7 Jahren 14 5
6
Flakon
9
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Brieftaschenschoner
Zu Beginn der ersten vorsichtigen Sprüher gibt es den für 80er Jahre-Düfte oft typischen, stechenden Auftakt. Ist ok, denkt sich der geneigte Benutzer. Das habe ich schon oft genug gerochen, davon habe ich etliche Flaschen in meiner Sammlung. Die Stärke von "Vermeil pour homme" wird aber erst viel später deutlich.
Die Duftpyramide verspricht schwarze Johannisbeere. Sie ist identifizierbar. Dabei darf man nicht an die kraftvolle Frucht von "Opium pour homme" denken. Zwischen der Auftakt-Bergamotte und einigen würzigen, warmen Bestandteilen sorgt sie hier vermutlich für etwas Ausgewogenheit, sehr lecker.
Die Auftakt-Schärfe mildert sich dann zunehmend ohne cremig zu werden. Ein dichtes, fröhliches Blumenbouquet meldet sich zu Wort. Nach einiger Zeit nehme ich hautnah aber deutlich einen Tabakakkord wahr, eine würzige, männliche Tabaknote (Deshalb das Flakondesign?). Und gute zwei Stunden später hat sich die Basisnote schön entwickelt. Es entsteht ein frischer, leicht strahlender Eindruck. Würde man vielleicht nicht erwarten. Trotzdem gewinnt das Vetiver mit seinen Grundeigenschaften die Herrschaft über Holz und Moos. Es gibt ein wenig Ähnlichkeit mit "Cacharel pour Homme" in der Basisnote. Eichenmoos und Vetiver treffen aufeinander: Das finde ich hier toll.

Ich wünsche mir von Düften immer ordentlich lange Haltbarkeit und ordentlich kräftige Sillage. Viel zu selten werden diese Wünsche erfüllt. Hier schon. Der Duft haftet gut und lange auf der Haut. Und man ist auch bei relativ bescheidener Nutzung selbst noch in der Basisnote von einer schönen Duftwolke umhüllt. Diesen schönen Duft kann man seinen Mitmenschen zumuten.

Von Beginn an ein klarer Herrenduft, selbstbewußt und klar in seinem Ausdruck. Man kann "Vermeil pour homme" vorhalten, als Ausdruck der 80er und mit fougereartigem Charakter heute nicht mehr zeitgemäß zu sein. Das mag für die erste halbe Stunde vielleicht gelten. Aber die schöne, frische Basisnote ist fast schon elegant und zeitlos. Der früheste Hinweis, den ich auf "Vermeil pour homme" gefunden habe, ist aus 1997. Internet halt. Wo die Wurzeln verankert sind, riecht man jedoch deutlich.

Der Flakon ist wirklich eher grenzwertig. Was soll die Spielerei? Das Feuerzeug-Design stellt man in die Raucherecke. Und deshalb würde man heftigen Rauch, Tabak etc. erwarten. Nix da, kein Rauch und nur sanfter Tabak. Verpackung und Duft bringe ich nicht richtig zusammen. Aber man darf ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen. Schließlich sorgt der fantastisch niedrige Preis dafür, dass man über diesen Makel großzügig hinweg sehen kann und noch einen halben Extrapunkt vergibt. Das nenne ich Brieftaschenschoner.
5 Antworten
Kellner vor 7 Jahren 11 5
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Die Sonne kommt wieder!
Die Bandbreite von zitrisch-frisch ist riesig. Die Skala startet auf der einen Seite mit Bergamotte und Zitrusfrüchten, die gemeinsam in der Kopfnote signalisieren: Der Erfrischungsstand steht hier. Mit Green walk erleben wir so ziemlich das andere Ende, das unerfrischende Ende der Skala. Das ist aber das interessantere Ende. Statt Austauschbarkeit bekommt man hier Charakter geboten. Zitrone und Holz. Die Zitrone zieht sich schnell zurück. Es bleibt bzw. folgt eine bittere Zitrusnote, möglicherweise Grapefruit (Neroli ist süsser?), und ein Schwung sanfte Blüten. Ein grüner, zurückhaltender Begleiter, dieser Duft. Das Holzige ist ganz schlicht, eher eine Erinnerung an Getreide, vielleicht unpolierten Reis. Alles ist sehr natürlich. Und grün.
Dieser Duft ist nicht ein Ablauf von Einzelteilen, sondern bildet an sich etwas Einheitliches, Neues. Da ist das Ganze mehr als die Summe der Einzelteile. Klingt vielleicht albern, aber in meinem Kopf schwirrt der Vergleich: bittere Orangenschalen mit gekochten Haferflocken herum. Jetzt bitte nicht bei dieser Vorstellung schütteln. Hafer riecht sehr lecker. Und der Geruch verändert sich beim Kochen und erinnert mehr an Reis, sogar Milchreis. Ich versuche zu umschreiben, dass Holz hier nur sehr gemäßigt, fast cremig auftaucht. Also gar kein Vergleich zu "Dark Forest" von Woods Colletion, ein ganz anderes Kaliber. Green Walk ist viel sanfter. Ganz sicher ein Unisex-Duft. Mir gefällt der Duft, weil er für sich steht. Die bitteren, noch ziemlich grünen Orangen bleiben prägnant. Das "sanfte Holz" schwingt mit, zeigt sich im Laufe der Zeit deutlicher und verliert in meiner Vorstellung die Verbindung zu Getreide. Green Walk wirkt sehr natürlich.
Wo oder wann würde ich den Duft tragen? Der Duft ist für Gelegenheiten, bei denen die Wirkung auf andere Menschen keine Rolle spielt. Eher für Momente, in denen man sich selbst etwas Gutes tun will. Ja, gerade an grauen Tagen kann man ihn tragen, an denen die Seele Aufhellung braucht, aber auch das Gefühl von Authentizität. Green Walk ist wundervoll passend zu einem nachmittäglichen Spaziergang durch den nächsten Park, am Samstag, wenn der Regen nachgelassen hat. Oder an einem frühen Montag Morgen, wenn man sich müde aus dem Bett quält und nur eine lange Arbeitswoche winkt. Dann gibt Dir Green walk ein Versprechen: Die Sonne kommt ganz sicher wieder.
5 Antworten
Kellner vor 7 Jahren 13 5
4
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Sex sells
"Sex Appeal. Jetzt musst Du nicht damit geboren sein. Diese provokante und stimulierende Mischung aus seltenen Gewürzen und Kräutern wurde kreiert von Männern, nur zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit von Frauen zu erregen. Absichtlich. Mann kann nie genug davon haben."
Soweit die Anleitung auf der Umverpackung von Jovans "Sex Appeal". Das ist deutlich.

Vor wenigen Tagen probierte ich "Musc for men" von Coty. Der Werbefilm zum Duft spielt deutlich auf instinktive Begierden an. Der Duft kann das unausgesprochene Versprechen leider nicht einlösen. Das soll angeblich mit "Sex Appeal" wesentlich besser funktionieren. Hier wird der Zweck des Duftes in drei Sprachen programmatisch auf die Umverpackung gedruckt. Sex sells, worldwide.
Also: den muss ich dann auch ausprobieren.
Welche Einzelteile sich im Duftspektrum tummeln, kann man in den bereits vorhandenen elf Kommentaren nachlesen; hier sei der von @Sniff besonders erwähnt. Ich bemerke in diesem Sammelsurium von unterschiedlichen Duftnoten etwas Animalisches, ein Hauch von Biebergeil? Oder eher Ziebt oder doch Klippschliefer? Vermutlich einfach nur eine feine prise Muschus, die für Jovan obligatorisch zu sein scheint. Da ist eine feine Schicht zwischen dem Würzigen und dem Orientalischen, die dem Duft einen zusätzlichen Dreh gibt, einen verruchten Dreh.
Der Duft hat einen sanften Verlauf, der nach etwa einer Stunde von allen Gewürzen einer Spur von Pfeffer den Vorzug gibt. Dominiert wird der Verlauf aber zu keiner Zeit von einer Komponente. Die Würze erinnert ich ein bisschen an "Epices" von L. T. Piver. Zunehmend wird auch Muschus identifizierbarer. Ein schöner männliche Duft, heute wunderbar tragbar.

"Sex Appeal" ist ein Cologne. Ich würde eher etwas Frisches und Kurzlebiges erwarten. Das ist hier nicht der Fall. Ganz erstaunlich lange hält der Duft auf der Haut und verbreitet sich auch im Raum. Leider ist die Flasche ähnlich billig und uninspiriert gestaltet wie beim eingangs erwähnten "Musc for Men". Auch der Umkarton ist sehr unprätentiös. Mit den Texten auf Vorder- und Rückseite und dem riesigen Aufdruck auf den Seiten stelle ich mir einen Verkauf Mitte der 70er schwierig vor. Handelt es sich wirklich um ein Parfum oder um ein Produkt, dass man eher bei Beate Uhse vermuten würde. Sehr schade. So ein schöner Duft wurde vom eigenen Marketing offenbar nicht genug wertgeschätzt. Das ist sicher auch dem niedrigen Preis geschuldet. Aber einen etwas stylischeren Druck hätte ich mir gewünscht. Vielleicht sollte/konnte gerade das damals den Verkauf ankurbeln?
Auf "Sex Appeal" haben mich @shaunBaker und @globomanni aufmerksam gemacht. Vielen Dank dafür. Beide haben recht. Der Duft bringt es.
Bitte unbedingt durch die wirklich schönen Kommentare schmökern und dann sofort ein Fläschchen ordern!
Ach ja: und bitte auch hier den Werbefilm ansehen. Das sind 27 Sekunden Kult von Richard Williams, der 2016 für seinen unglaublichen Kurzfilm "Prologue" für einen Oscar nominiert war!
5 Antworten
Kellner vor 7 Jahren 4 2
4
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
6.5
Duft
Animalische Begierde
Der Werbefilm zum Parfum (Link siehe oben) weckt die Erwartung und die Erinnerung an archaische Instinkte der Menschen. "Musk for Men" legt die Messlatte hoch: ein erotischer Duft für Kerle. Pheromone umschwirren ihn und lassen die Damenwelt tausendmal erzittern. So die Werbung.
Hier die Wirklichkeit: Der Auftakt ist etwas seifig. Bitte nicht die alte Seife erwarten, die ewig in Schubladen herumlag um Wäsche zu "beduften". Hier ist die Seife neu und cremig. Bitte auch nicht enttäuscht sein, wenn sich nicht sofort die animalische Seite in Form eines Großtiergeheges mit Herden wilder Tiere zeigt. Es handelt sich um ein Cologne. Es bleibt freundlich. Nein, animalisch ist hier eher nichts. Der Duft durchläuft nahezu keine Entwicklung. So wie er nach wenigen Minuten auftritt, so bleibt er bis zum Schluss. Auch die Frische vom Start hält sich recht lange. Eine Weile mag man holzige Anklänge finden. Diese wandeln sich aber recht zügig in eine blumige Richtigung. Moschus rundet den Duft ab, tritt aber nicht schwer oder süß zu Tage. Das alles bleibt recht oberflächlich, der Duft gewinnt über die Zeit keine Tiefe oder an Strahlkraft. Das Richtige also für Tage, an denen man nicht mit einem Statement herumlaufen möchte. Durch die denzente Blumigkeit empfinde ich den Duft eher unisex. Auch wenn der Duft "Musk for man" heißt, und aus einer Zeit stammt, die eine lautere Duft-Sprache in braune Flaschen füllte (Balafre brun), deutet die pudrige Lilie/Jasmin im Hintergrund in eine andere Richtung.
Die Sillage ist nicht sehr üppig. Und die Flasche sieht leider auch recht billig aus. Insgesamt kein Duft, den man haben oder testen muss. Leider: animalische Begierde wird nicht geweckt und nicht befriedigt. Allerdings gibt es ein MUSS! Leute, seht euch das Video zum Parfum an. Das ist großes Kino!
2 Antworten
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