Klischee

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6 - 10 von 16
Klischee vor 9 Jahren 7 1
Springvibes
Wenn Ben Gorham, seinerseits Gründer des skandinavischen Nischenlabels Byredo, zur Premiere einer Neulancierung bittet, stehen Duftliebhaber weltweit gerne in erster Reihe parat. Sein neuester Streich hört auf den verheißungsvollen Namen Flowerhead und soll eine Hommage an die bunten und pompösen Hochzeiten Indiens sein. Ein prunkvolles Blumenbouquet, dass uns dank zahlreicher Nuancen die lebendigsten Bilder ins Gedächtnis ruft:

Traditionell werden indische Paare bei der ehelichen Zeremonie vom Bruder des Bräutigams mit Unmengen von Blüten überschüttet. Dieses Ritual soll sinnbildlich einen spirituellen Schutz über die Liebenden legen. Die Jaimala-Blumenketten übergeben sich Mann und Frau als Zeichen und Anerkennung des gegenseitigen Respekts. Diese Inszenierungen grenzen beinahe an ein Theaterstück und strahlen so viel Lebensfreude aus, dass das schwedische Superhirn Mister Gorham, völlig inspiriert von dieser Leitidee, kurzum einen Duft kreierte. Was klingt wie eine Odyssee geradewegs durchs Paradies, ist mal wieder ein Geniestreich aller erster Güte. Die Kopfnote aus Preiselbeere, Angelika und Zitrone verleiht dem Parfum seinen unaufdringlichen, beinahe flüchtigen Charakter, der durch die pochende Herznote in seiner Intensität jedoch wieder bestärkt wird. Hier harmonieren Rose, Jasmin und Tuberose perfekt miteinander und machen Flowerhead zu einem Statement, ja fast zu einer Ankündigung. Weiche Basisnoten wie Ambra und Wildleder hinterlassen eine holzige, subtil wahrnehmbare Wärme, die den Träger noch Stunden nach dem Auflegen zumindest in olfaktorischer Hinsicht in ein farbenfrohes Blumenfeld verwandelt. Für mich ist Flowerhead ein absoluter Frühlingsduft und erinnert mich wahnsinnig an das reich blühende Tulpenmeer in Amsterdam. Das Parfum wirkt niemals aufdringlich, obgleich es absolut existent ist. Am liebsten trage ich es im Haar, was seiner dezenten Anmut grandios gerecht wird. Möglicherweise die große Schwester des Klassikers La Tulipe, für Fans definitiv einen Gang zur nächsten Parfümerie wert!
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Klischee vor 9 Jahren 16 8
Eine opulente Liebe
Beginnt man, sich mit der Welt der Düfte und all ihren Schätzen ein wenig intensiver zu beschäftigen, so kommt man an einem Exemplar wohl kaum vorbei: Tom Fords Black Orchid. Es ist ein Klassiker, den man nicht unbedingt mögen, aber erlebt haben muss. Ein bisschen so wie Goethes Faust oder Shakespears Macbeth.
Ein Duft, der zur olfaktorischen Allgemeinbildung gehört und der die Geister scheidet. Doch dass diese Kreation im Gedächtnis bleibt, das können wohl auch die ärgsten Kritiker nicht leugnen.

Schon der schwarze Flakon ist ein Statement, veredelt mit einer goldenen Plakette driften die Erwartungen ins Unermessliche. Obwohl ich mich schon länger mit der Materie auseinandersetze, roch ich bewusst erst letzten Monat bei KaDeWe an Black Orchid, als ich schnurstracks an den besagten Counter lief.
Natürlich spielte mein Kopf auch hier zuvor mehrere Runden fantasiereiches Kopfkino mit mir und ich malte mir eine schwere Komposition aus, die mich beim ersten Schnuppern schon aus den Latschen hauen würde. Irgendwas wie Patchouli, Ylang Ylang, Weihrauch oder Vanille musste sich in diesem edel anmutenden Fläschen doch verbergen, etwas, das einem die Luft zum Atmen nimmt und definitiv zu viel des Guten ist. Heute frage ich mich, wie ich eigentlich zu diesem Vorurteil kam. Ist es tatsächlich das schwarze Glas, das königlich und ein wenig angsteinflößend zugleich wirkt? Oder sind es die 50/50 Meinungen in den virtuellen Weiten, die einfach keine eindeutige Rezension zulassen wollen? Im Endeffekt glaube ich, dass es mit dem Namen zu haben muss. Black Orchid, das klingt nicht plump, aber irgendwie endgültig, Interpretationsraum scheint hier unerwünscht. Wahrscheinlich ist es eine psychologische Strategie, denn was mir in diesem Augenblick in die Nase stieg, war alles andere als erwartet. Als Verfechter von eher frischen und leichten Düften (vorzugsweise mit grünem Tee oder Minze versetzt), war Black Orchid sicher kein Griff zum Gewohnten. Auf Beschreibungen à la holzig-orientalisch springe ich höchstens nach mehrmaligen Freudengesängen von Kennern an, weil mir diese Parfums nicht selten Kopfschmerzen bescheren. Die Komposition aus schwarzer Johannisbeere, Trüffel, Ylang Ylang (da lag ich immerhin ein kleines bisschen richtig), Bergamotte, Nelke, Pfeffer und schwarzer Orchidee ist gewagt, keine leichte Kost und ganz sicher nicht jedermanns Geschmack. Aber es muss wohl auch ein Hauch Magie mitschwingen, denn dieser Duft ist so anders und entwickelt sich immer weiter. Er kommt animalisch raus und bei mir persönlich nach ein paar Stunden etwas zitrisch, die Kreation erinnert mich an wirklich gar nichts, was ich jemals zuvor gerochen habe und eröffnete mir völlig neue Sphären. Das mag sich übertrieben anhören, aber genau das ist es, was Black Orchid für mich ausmacht. Es ist diese hypnotische Übertreibung, derer ich mich kaum entziehen kann und die mich gänzlich in ihren Bann zieht, ich fühle mich ein bisschen wie im Delirium, wie benommen. Beim ersten Aufsprühen empfinde ich den Duft als gar nicht sonderlich stark, es ist die Zeit, die ihn so wunderbar macht. Mit jeder weiteren Tragestunde wird er wärmer, holziger und fast einvernehmend. Alltagsdüfte riechen anders, man muss definitiv in einer ganz besonderen seelischen und körperlichen Verfassung sein, um ihn mit Würde zu tragen. Doch jedes Mal, wenn ich ihn mir voller Stolz und Selbstbewusstsein aufsprühte, erntete ich haufenweise Komplimente. Und das Besondere daran: niemand kam auf die Idee, dass es ein Parfum war, nachdem der Raum plötzlich roch. Es ist ein Nebel der besonderen Art, niemals erdrückend, aber so vielschichtig, dass es mich manchmal umhaut. Es ist ein Duft zum Nachdenken, man entdeckt immer wieder neue Seiten an ihm und ich würde fast behaupten, dass man in olfaktorischer Sicht an ihm wächst. Die Kleider riechen noch Tage nach Black Orchid und hinterlassen eine Spur von Zauber, die es heute wohl nur noch in Flakons gibt. Wer sich und seine Umwelt auf eine ganz besondere Art und Weise (heraus)fordern will, der sollte sich diesen Klassiker nicht entgehen lassen! Ein Liebhaberstück, das Aufmerksamkeit und ein wenig Intelligenz zum Verstehen verlangt. Ein Duft, über den geredet wird. Wie eine rabenschwarze Nacht, die dich in ihrer Stille gefangen hält und dir trotzdem ein unheimliches Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Like a trip.
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Klischee vor 9 Jahren 20 4
Partynights ohne Glitzer
In Ambre Gris von Balmain war ich schon lange heimlich verliebt, aber - Schande über mich - nur der Ästhetik wegen. Der puristische Flakon in rauchigem Grau mit einer goldenen Discokugel zum Verschluss und dem stilvollen Retroetikett aus Papier, ja diese Kombi hatte sich in mein Herz gebohrt. Als ich mich letzten April durch die erlesenen Duftregale Berlins schnupperte, fiel mir das Fläschen in die Hände. Ich wusste nicht, was mich erwartete, bekannt war mir nur, dass die geheimnisvolle Zutat Ambra eine wachsartige Substanz aus dem Bauch der Pottwale ist. Doch seien wir ehrlich, deliziöse Illusionen weckt dieses Wissen nicht gerade im imaginären Gedankenparadies der Damen, oder?
Ambre Gris ist kein Wässerchen zum bloßen Aufsprühen, es ist viel mehr eine Erfahrung, wie der Soundtrack einer bestimmten Lebensphase, doch beginnen wir von vorne.

In nicht wenigen Reviews wird der Duft als orientalisch-schwer betitelt, ich würde ihn einfach nur dunkel nennen. Aber nicht auf diese Art, wie es Oudkreationen oder Weihrauchmixturen sind. Ambre Gris verhält sich beispielsweise gänzlich anders als Tom Fords Black Orchid, der Königin unter den schweren Parfums. Balmains Werk bleibt subtil im Hintergrund, während es durchgängig die Hauptrolle spielt. In der Kopfnote versprühen rosa Beeren und Zimt eine wohlige Wärme, ein florales Bouquet sorgt für eine Prise Weiblichkeit. Die Herznote ist hier die am komplexesten gestaltete aller Noten. Eine Mischung aus Immortellen, Honig, Kaffee, Tabak und Tuberose führen zu Irrungen und Wirrungen, nach etwa ein bis zwei Stunden überfordert mich der Duft an manchen Tagen dank seiner facettenreichen Struktur, befinde ich mich jedoch in der richtigen Tagesform, kann ich kaum genug davon kriegen und entdecke stetig neue Nuancen. Die Basisnote klingt holzig und derb aus, Myrrhe, weißer Moschus und geräuchertes Gujakaholz bilden einen Abschluss, den ich als unisex deklarieren würde. Ambre Gris ist kein Frauenparfum, es ist eine Attitude. Perfekt für die allblackeverything-Anhängerin, die es mysteriös und still mag und trotzdem gerne im Mittelpunkt steht. Für mich persönlich ist es kein Alltagsduft, ich trage ihn nur zum Ausgehen. Und dann am allerliebsten zu deepen Beats von Porcelain Raft, Tropic of Cancer oder Isolée.
Eine Stimmung wie in Trance, olfaktorischer Techno, der die Sinne dressiert. Eine Flucht aus der omnipräsenten Hektik. Anspruchsvoll, aber dezent. Eine Kreation, die unter die Haut geht und im Gedächtnis bleibt.
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Klischee vor 9 Jahren 14 2
Stilvolle Intimität
Es gibt sie, die paar Düfte unter tausend anderen, die so voller Emotionen stecken. Dass Bois Satin der Japanerin Keiko Mecheri ein solches Exemplar ist, wusste ich bereits vor unserm ersten Aufeinandertreffen, denn das folgende Zitat hatte sich völlig in meinen Kopf eingebrannt: "Bois Satin ist kein Duft, es ist viel mehr eine Attitude. Genau so muss eine Frau in intimen Momenten riechen." Diese Momente erlebt wohl jeder von uns ganz individuell und ich finde es nach wie vor ein wenig schwierig, diese Erlebnisse in einem Parfum zu pauschalisieren. Da stellen sich mir automatisch Fragen wie: wie riechen intime Momente? Was ist überhaupt intim? Und will man währenddessen wirklich spezifisch nach etwas duften? Aber weil ich für mich schon vor geraumer Zeit beschlossen habe, niemals voreingenommen oder gar negativ einem neuen Duft gegenüberzutreten, gab ich dieser Kreation in einem stillen Augenblick die Chance, seine Extravaganz, ja seine Attitüde, unter Beweis zu stellen. Die Worte hallten noch subtil in meinen Ohren, die Augen waren längst geschlossen. Denn Düfte erlebt man, sie sind nicht immer greifbar oder für jeden verständlich, doch beinahe immer wahrnehmbar. Wichtig ist nur, dass man bereit ist, sich darauf einzulassen. Egal wie die finale Kritik nun ausfallen mag. Der Spritzer auf meinem linken Handgelenk ist schön und gut aber irgendwie so obligatorisch und das war der falsche Ansatzpunkt bei diesem Kunstwerk. Also öffnete ich mein Haar und lies den sanften Sprühnebel sachte Platz nehmen. Hinterm Ohr oder im Nacken wäre sicher auch eine willkommene Alternative gewesen, doch fürs Erste schien mir dieser Ort recht standesgemäß.

In virtuellen Duftreviews ist die Rede von einem unwiderstehlich femininen und samtigem Parfum, das die edle Aura der Vanille als seinen Fokus auserkoren hat. Vanille und ich, das geht selten gut. Oft drohen mir Kopfschmerzen ob der Süße der beliebten Essenz, ich ertrage sie (leider) nur in ihrer hochwertigsten Ausführung. Und bis heute staune ich darüber, dass ich keine klassische Vanille herausriechen kann. Es ist ein warmer Schleier, dabei niemals pudrig, der sich wie eine Lieblings-Cashmeredecke um mich hüllt. Dieser Nebel ist keinesfalls erdrückend, ich fühle mich eher geborgen und ein wenig oh là là. Diesen Effekt habe ich in der Kopfnote Safran und Mandarine zu verdanken, die die Schwere der Vanille bremsen. Die Herznote aus Rose, Wildleder und Jasmin kommt bei mir nur schwach zur Geltung, ledigilich die Ledernuancen sind gut wahrnehmbar und das ist bekanntlich sowieso voll mein Ding. In der Basisnote bleiben Patchouli und Ambra, die ich bis zur nächsten Dusche deutlich wahrnehme. Doch eigentlich, und das ist wirklich erstaunlich, ist und bleibt Bois Satin ein Rätsel für mich. Manches redet man sich ein und ich weiß nicht, ob obiges Zitat bloß zu tief in meinem Kopf festsitzt, aber die Japanerin lässt mich durch ihre einzigartige Komposition wirklich anders fühlen. Diese dekadente Transparenz, die niemals in einer Affektiertheit endet, ist sowas von angenehm, dass es mir fast paradox erscheint. Bois Satin ist ein orientalischer Duft, eher schwer und solche Wässerchen rauben mir nicht selten die Luft zum Atmen. Vielleicht ist es die japanische Geradlinigkeit, die diese opulente Mischung so wundervoll macht, vielleicht sind es aber auch Fantasien, die der schwarze Flakon in mir auslöst und nach denen ich mich sehne. Es ist kein Duft, den ich jeden Tag tragen möchte. Aber es ist ein Duft, nach dem ich in intimen Momenten riechen will.
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Klischee vor 9 Jahren 11
Mein Kardamomsommer
Un Jardin après la Mousson ist keiner dieser typischen Sommerdüfte à la Kokosnusswasser und aquatischen Salzwasserfloskeln, aber trotzdem hitzig und niemals unterkühlt. Ein Tag am Meer und fröhliche Spaziergänge über bunt blühende Blumenfelder erscheinen mir auf meiner imaginären Assoziationsreise definitiv nicht. Jean-Claude Ellena himself beschreibt den Duft als "ein ausgeglichener, heiterer Ausdruck der nach dem Monsunregen neu erwachenden Natur". Dazu inspiriert hat ihn seine Indienreise, die sich auch in der Zutatenliste wiederspiegelt. Ingwer, Kardamom, Pfeffer, Koriander und Vetiver machen aus dem auf den ersten Blick recht unscheinbar wirkenden Duft ein absolutes Fest der Gerüche! Am stärksten nehme ich den Vetiver und Kardamom wahr, zwei Komponenten, die sich in sehr vielen meiner Lieblingsdüfte finden und oftmals ein Garant für einen neuen Favoriten sind. Der Clou: in Un Jardin après la Mousson befindet sich echtes indisches Wasser, das aus dem Monsunregen gefiltert wird! Einige Beautys schwören auf die Aufbewahrung im Kühlschrank, das soll den erfrischenden Effekt noch verstärken. Doch was ist das Parfum nun, wenn es weder an das klassische Meererlebnis, noch an Mandarineneis to go erinnert? Es ist eine Reise. Eine Reise ins Verborgene, in die Welt der uns Europäer teilweise unbekannten Düfte und eine würzige Auszeit der omnipräsenten Sonnencreme-Koketterie. Ich sehe mich selbst in einem kleinen indischen Dorf, fernab von Großstadtlärm und Hektik, auf einer reich bewachsenen Veranda sitzen. Es ist bereits spät abends, der laue Wind weht mir durchs Haar und dabei nehme ich immer wieder zarte Akzente des Parfums wahr, das so besonders und einfallsreich ist, das mir manchmal die Worte dafür fehlen. Die Pfeffernoten unterstreichen die scharfen Nuancen des Duftes perfekt, ein Eindruck der bleibt. Für mich wird der Sommer 2015 im indischen Dschungel stattfinden, ganz ohne Kokos, Pampelmuse und Aquapower! Ein Meisterwerk, Herr Ellena und schon jetzt ein Dauerbrenner auf meiner Kommode.
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