LadyDi80

Dieser Duft ist das Gegenteil von dem was ich mir vorgestellt hatte. Und das muss nicht zwingend etwas negatives sein.
Im ersten Moment als ich den Duft roch dachte ich puh oh ne genau die Art von harzig, herbem Duft, die ich nicht mag. Erwartet hatte ich etwas süßes,leicht würzig, blumiges. Doch dann habe ich mal 3 Minuten gewartet, die Augen geschlossen und noch einmal gerochen und tausende Erinnerungsbilder flogen schillernd und glitzernd durch meinen Kopf und haben mir ein Gefühl der Geborgenheit aus der Kindheit zur Weihnachtszeit transportiert, die mit so viel Zauber und Sinneswahrnehmungen verbunden war. Nicht die Art von Weihnachtserinnerungen an Lebkuchen und Schokolade. Sondern diese Art von Weihnachtserinnerung, wie sie oft in alten Filmen und auf alten Fotos transportiert wird. Es laufen leise Weihnachtslieder im Hintergrund, gesungen von Chören, ich liege auf dem warmen Teppich neben dem Weihnachtsbaum ganz nah an den harzig duftenden Nadeln und dem manchmal noch harzendem Stamm, neben mir all die schön verpackten Geschenke, in mir diese schöne Vorfreude und Spannung auf das was darin schönes auf mich wartet. Aus der Küche weht immer wieder der Duft der Gewürze herüber, ein Räuchermännchen verströmt den Duft einer kleinen Duftpyramide und der mit Zimtstangen bestückte Adventskranz ziert den mit Süßigkeiten bespickten Wohnzimmertisch.
In meinem Bauch wird mir wohlig warm, wenn ich diesen Duft rieche.

Es ist 1995, Ich bin 14 Jahre alt und freudig aufgeregt. Gleich habe ich sturmfreie Bude. Meine Mama hat mich jung bekommen und ist noch wild drauf. Sie ist mitte 30 und ich alt genug alleine zu bleiben. Sie will auf die Piste, wie sie es nennt. Aus unserer großen Küche klingt lautes Lachen. Sie macht Fotos mit ihren Freundinnen, alle sind aufgestylt mit Tonnen an Haarspray in ihren Fönfrisuren, sie tragen taillenkurze Lederjacken mit goldenen Schmuckknöpfen, hautenge Stretchjeans und Nietengürtel, sie rauchen und trinken Bacardi Cola. Ich finde das toll, so will ich auch mal später auf Piste gehen ( und oohhhh ja das habe ich getan,mit weniger Haarspray und anderem Style aber mit vollem Genuss ) . Es ist lange her, was bleibt sind ein paar Standbilder in Erinnerung. Es ist 2022, Ich gehe mit meiner Mama shoppen, sie ist über 60, an sich fit, aber deutlich gealtert und leider fast komplett erblindet. Sie ist noch viel draußen, aber auf Piste schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir sind verabredet zum Duftshoppen und schnuppern uns Stunden durch die Regale und auf einmal sagt sie „oh man riech mal, riecht das nicht genau wie ich früher?“ Ich rieche und in Bruchteilen von Sekunden steht sie vor mir, meine Mama, bereit auf die Piste zu gehen, in kurzer Lederjacke, knallengen Jeans, nach Vanille duftend, total aufgestylt und aufgedreht, lachend mit ihren Freundinnen in der Küche. Ich habe mir den Duft dann hier im Souk gekauft, nichts riecht so gut wie Erinnerungen.

Ich bin im Urlaub, in der Sonne, den ganzen Tag scheint die Sonne auf meine Haut. Ich springe ins Meer, schmecke das Salz, trockne in der Sonne am Strand. Die Haut riecht gebräunt, ist gebräunt. Nach einem wundervollen Sonnentag geht es am Nachmittag zurück ins Hotel. Etwas ausruhen, den Tag in Gedanken noch einmal erleben. Dann geht es unter die Dusche. Das Salz und der Sand werden weggespült, was bleibt ist ein wunderbar erholtes, frisches Gefühl und warme, gebräunte Haut mit Bikinistreifen. Ich ziehe mir ein langes Sommerkleid an, lege Schmuck an und trage mein Parfum auf. Bois doré . Für einen Abend mit warmem Sommerwind, gutem Essen, gutem Wein und einem nächtlichen Strandspaziergang. Das ist das schönste Gefühl, diese entspannten Sommerabende im Urlaub. Wenn ich diesen Duft rieche fühle ich genau das, erinnere mich an genau das. Dieser Duft transportiert Gefühle. Für mich die großartigste Entdeckung seit es Düfte gibt. Es ist so viel mehr als ein Parfum. Es ist ein Gefühl zum Riechen. Das schönste Gefühl zum Riechen

Ich stehe vor diesen riesigen Regalreihen in einem edlen Parfumhaus. Ich weiß was ich will, Van Cleef&Arpels Santal Blanc. Ich musste so oft an ihn denken seit ich ihn getestet habe. Die Art wie er sich entwickelt, so sanft und weich, ich war verliebt und wollte ihn besitzen. Die Verkäuferin sagt „wenn sie mögen wie zart er sich entwickelt und wie weich er ist, dann probieren sie bitte auch mal Orchidee Vanille „ . Mein Nein Danke kam wie aus der Pistole geschossen und ich erkläre ihr gerade dass ich Vanille schwer und unangenehm finde, es mir zu orientalisch ist und ich Kopfschmerzen davon bekomme und während ich noch rede habe ich den Probestreifen schon unter der Nase und OH MEIN GOTT, was bist denn du für ein zarter Schoko Schmetterling mit Flügeln aus Puderzucker ?! Ich bin entzückt, das gibt es doch nicht. Ich warte, warte das es schwer wird, dass ich sagen kann „naja hab ja gleich gesagt Vanille ist nicht meins“ , aber es kommt nicht. Im Gegenteil. Mein Entschluss steht fest , wenn ich mir mal einen Vanilleduft zulege, dann diesen. Ich gehe Glücklich mit meinem weißen, sanften, ruhigen Santal Blanc nach Hause. Und ja es passiert, was zuvor bei Santal Blanc passierte, ich konnte nicht mehr aufhören an Orchidee Vanille zu denken. Was soll ich sagen, nun sitzen wir hier am Schminktisch, wir drei und sind glücklich miteinander. So etwas gourmandiges, ohne jede Schwere, ohne jede Klebrigkeit. Jeder Vanilleskeptiker sollte diesen Duft testen, er ist ein wahres Wunderwerk.

Wie ich schon in meinem kleinen Statement geschrieben habe, habe ich nach dem ersten Sprühen und Schnuppern direkt original den Duft des Clynol Pumphaarsprays gerochen, welches wir damals im Salon zu Hauf geleert und verkauft haben, weil alte Damen darauf schwörten. Auch der Geruch war sehr beliebt. Ich fand ihn immer unangenehm, da er für mich einfach das Bild von weißem Haar alter Damen darstellte. Eine schwere Moschus Wolke. Aber nach dem Drydown muss ich sagen, entwickelt der Duft sich doch lieblicher als besagtes Haarspray. Es entwickelt sich eine pudrige Süße, wie in Puderzucker gestippte Wattebäusche. Fein und fluffig, nicht klebrig oder schwer. Ganz hübsch eigentlich. Wie ein parfümiertes Körperpuder in einer hübschen antiken Dose, die auf einem Schminktisch aus vergangenen Zeiten steht. Ein nostalgischer Duft von Körperpflege und Kosmetik Artikeln.