Louce

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6 - 10 von 132
Louce vor 10 Jahren 11
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Eigensinnlichkeit
Coven ist grün.
Coven ist schwarz.
Coven ist bitter, saftig, erdig, holzig, harzig, rauchig.
Und Coven ist die olfaktorische Tür zu dem, was dahinter liegt.

Der Auftakt ist fast schmerzhaft grün. Ein unversöhnliches Grün, das keinen Raum bietet für romantische Interpretationen. Diese Natur ist nicht die der grünen Wiese, Ort für zärtliche Küsse und fühlige Gedichte. Nichts blüht hier und nichts ist mild, friedlich oder gutartig. Es ist vielmehr die reine, satte, rücksichtslose Lebenskraft. Natur ohne alles Humane… echte Natur. Die, die ohne ein Ego zu besitzen, dennoch oder gerade deshalb maximal egoistisch sein kann.
Das Grün ist ein sticheliges Nadelholzgrün mit etwas geschnittenem Gras. Ich tippe auf Tanne, Pinie und Gras, aber wie auch immer die natürlichen und synthetischen Noten heißen mögen, die diesen Grünakkord hervorbringen, er ist so konfrontativ und konsequent, dass er zunächst richtiggehend abstößt. Das Grün wehrt sich gegen die Einnahme durch Menschennase und -hirn, die es doch schön finden wollen. In dieser grünen Unzugänglichkeit ist es aber paradoxerweise reizvoll.
Geruchliche Bitterkeit kommt auf. Die Coven-Bitterkeit erinnert sehr an die von „Eau de Gentiane Blanche“ und deren unempfindliche Härte. Wo jedoch Ellena vermittelnde Pudrigkeit und entgegenkommende Blumigkeit bemüht, ist Maack, bzw. der/die von Maack beauftragte/r Parfumeur/in, nicht so konziliant, sondern lässt Coven weiter einen sehr eigensinnigen Weg gehen: recht bald kommt neben dem kompromisslosen, bitteren Grün ein Geruch tiefschwarzer Erde auf. Die Erde, an die man beim Riechen denkt, ist nass, frisch und voller Insekten. Wie Walderde unter der Schicht aus Laub und Moos, wenn man nach Regen ein paar Zentimeter tief gräbt.
Und dann, ab der Herznote, kommt dieser eindrucksvolle Kniff mit dem Whisky, der das ganze nicht unbedingt freundlicher und gefälliger macht, aber immerhin einen ausgleichenden, tröstlichen Effekt bringt. Der Whisky ist extrem torfig (erinnert an die Islay-Whiskyart) und sehr rauchig. Ein großer Anteil daran wird von Weihrauch ausgemacht und Weihrauch ist es auch, der dieses Parfum weiter in die lange andauernde Basis trägt. Der Weihrauch ist zunächst von frischem und dann langsam dunkler werdendem Grün geprägt, dann mehr und mehr von einem tiefdunklen und schwer wirkenden. Der Pinienweihrauch wird fließend zum Eichenmoosweihrauch, begleitet von frisch geronnenem, erst leicht angetrocknetem Harz. Dazu eine geschwärzte Holzigkeit. Ich erkenne Zeder, aber sie hat hier nichts Leichtes, Helles, sondern eine dunkle Massivität - es ist eher ein Zedernwurzelholz.
Dieser Weg in immer dichter und undurchdringlicher werdende Dunkelheit, in lücken- und lichtlose Finsternis, lässt dann überraschenderweise doch wieder Raum für menschliches Assoziieren und Projizieren von Gefühl:
Das ist Mystik.
Olfaktorische Mystik, geheimnisvoll, rätselhaft und unergründlich. Dabei durchaus beunruhigend, vielleicht gefährlich. Faszinierend, anziehend und auf eine unheimliche Art erotisch.

Erst eine bedingungslos natürlich wirkende, radikale Absage an kultürliche Interpretation, dann jedoch die Öffnung eines tiefen, magischen und unbegrenzten Lands der dunklen Träume und Bilder.
Coven ist ein Kulturwolf im Naturschafspelz: Das Parfum kommt für erstes Riechen und Erfahren als unbequemer und unfügsamer Naturduft daher, ist aber gleichsam ein Ausbreiten von Leinwand, Projektionsfläche und Platz für Fantasie und Gefühl.
Ich bin dem Zauber erlegen, auch wenn oder gerade weil es ein böser ist.
11 Antworten
Louce vor 10 Jahren 8
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Quantenaldehyd
Chamarré habe ich 2 mal intensiv getestet mit anderthalb dazwischen liegenden Jahren. Beide Male gemeinsam mit Ronin und ohne Blick auf die Angaben der Duftpyramide.
Wir rochen einen faszinierenden, betörenden Duft, der nicht Muster von Bekanntem wiederholt, sondern auf eine schöne, wenngleich seltsame Art eigen ist und beide Male rätselten wir ob der Kopfnote und der sich aus ihr ergebenden, die komplette Komposition bestimmenden Hauptnote.
Was ist das?
Irgendwas Quasi-Zitrisches…? Mit Ingwer, aber nicht so spitz betont, wie Ingwer das häufig fordert, sondern breit und gedämpft? Clementine statt Mandarine, weil nicht so süß und ebenso breiter in der gerochenen Textur? Mit lavendeligem Kraut dabei, aber auch dieses nicht pointiert in Szene gesetzt, sondern gewissermaßen „flach“? Eine Seifigkeit ist da auch, aber woher kommt die? Und diese wächserne Wirkung? Nicht wie Bienenwachs, sondern deutlich an Paraffinkerzen erinnernd.

Mona di Orio kann mich nicht mehr schockartig überraschen, dachte ich.
Immer wieder staunen lassen schon, so kenne und schätze ich ihre Parfums. Ich habe gelernt, ihnen (und mir mit ihnen) Zeit, richtig viel Zeit zu geben und die Überraschung paradoxerweise zu erwarten. Ihre Düfte musste ich mir immer erschließen, mich auf einen Weg begeben, mich gewissermaßen riechend bewegen und jedes Mal begegnete ich beim Kennenlernen ungewohnten Wendungen und Kombinationen sowie neuartigen Lösungen. Aber die erschütternde, aufrüttelnde und umwälzende Wahrnehmungsüberraschung erwartete ich nicht mehr. Dazu kenne ich ihre Handschrift zu gut… dachte ich.

Die völlige Verblüffung erlebten wir, als wir die Pyramide sahen: ALDEHYDE?
Da sind Aldehyde drin?
Und wir haben sie nicht erkannt, nicht mal erahnt?
???
Aber klar… mit dem Wissen um dieses eine Wort „Aldehyde“ wurde alles, was wir wahrgenommen hatten, logisch. Das Wächserne mit der seifigen Spur: Klar! Das flächig und glatt Anmutende bei einer gewissen Breite ohne Spitze: Klar!
Nur dass die althergebrachte, von Chanel No. 5 und anderen Klassikern bekannte Bezogenheit auf das kanonisierte Blumenbouquet diesmal umgangen wurde… DAS war die unvermutete Lösung!
Die wichtigen Parts von Rose und Iris wurden sozusagen ausgelagert… sie kommen ab der Herznote hinzu, sind aber nicht Kern der Aldehydkombo, sondern Akzente, gleichsam von außen auf die Aldehyde wirkend. Ein gut erkennbares, liebliches Veilchen gesellt sich neben die Iris und macht das Blumige schön soft und matt. Der notorisch in Aldehyd-Blumen- Modellen auftauchende Jasmin ist hier komplett weg gelassen.
Aber was ist dann dieser „Aldehydkern“, wenn mit den stilmäßigen Kandidaten so anders umgegangen wurde?
Ich glaube, dass die Ingwer-Clementinen-Idee beschreibend ziemlich nahe kommt und der gedimmte krautige Aspekt dabei von einem starken Lavendel und Muskatellersalbei geliefert wird.
Eine ganz fremde, erneuerte, aufregende und außergewöhnliche Art Aldehyde zu riechen!

Eine echte Gänsehaut krabbelt immer wieder über Arme und Schultern, wenn ich diese merkwürdige und ungewohnte Aldehydnote rieche.
Und jetzt ist das ganz klar: natürlich (!) rieche ich da Aldehyde, kann mir gar nicht mehr vorstellen, das jemals verkannt zu haben.
Mona di Orio hat mir mal wieder die Fassung geraubt.
Und das mit einem bestrickend schönen, noblen, weich-emotional daher kommenden und herzergreifend berührenden Duft.
Die Basis ist sonnig warm, dabei aber ganz zart bleibend und nicht in Schwere abgleitend, deutlich und schön ambriert mit einem süßlich-milchigen Cashmerantouch und einem pudrigen, leicht harzigen, typischen Opoponax (der wieder das Lavendelige vom Anfang aufnimmt). Die Aldehyd-Hauptlinie bleibt lange erhalten, nur etwas abgeschwächt und in kleinen Schrittchen immer verhaltener werdend.

Jetzt kann ich nicht mehr sagen, ich könnte mit Aldehyden nichts anfangen.
Mona di Orio hat mir einen Quantensprung des Aldehydduftes gezeigt und gegeben.
Meine Güte, war die gut!
8 Antworten
Louce vor 10 Jahren 12
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
9
Duft
Talentprobe
Die ganze Bandbreite von Iris wird gekonnt und genüsslich durchexerziert in diesem Parfum, so dass man es treffend als parfumistische Talentprobe bezeichnen kann: als Studie, die das ganze Iris-Iron-Ionon-Prisma ausbreitet, um zu zeigen wie der Bogen über die möglichen Facetten verläuft. Dieses begabte Entfalten des Irispotenzials lässt die Idee aufkommen, Rosine Courage (von der man sonst nichts kennt) habe Nirmal als Abschlussprojekt ihrer Parfumeurinnenausbildung vorgelegt, womit sie zeigte, was für ein gutes Verständnis des ganzen Iron-Segments sie sich erworben hat und mit welchem Fingerspitzengefühl sie damit umgehen kann.
Gleichzeitig ist Nirmal aber auch ein sehr tragbares, schmeichelndes Parfum, das gutlaunig und unaufdringlich (dabei aber immer wieder bemerkbar) begleitet und die Trägerin oder den Träger nicht als beliebige Leinwand für Duftkunst benutzt, sondern recht „persönlich“ riecht: Es unterstreicht Individualität statt zu überschreiben. Bei allen gezogenen Parfumkunstregistern Raum zu lassen für Menschliches sowie eine gewisse Leichtigkeit und Helligkeit zu bewahren geht ganz hervorragend mit Iso-E-Super - und davon ist auch eine gehörige Menge drin.
Nirmal ist so richtig unisex. Nicht ein bisschen mehr dies oder das, sondern tatsächlich genau in der Mitte. Dennoch möchte ich es mit Nachdruck den Herren zum Test empfehlen, die bislang in der Irisecke für sich noch nichts richtig Passendes gerochen haben und den quadrierten Kreis nicht in der Iris-Vanille-Lösung von Dior Homme finden.
Auch alle (Geschlecht egal), die die Karottigkeit natürlicher Iriswurzel oder die Stahligkeit synthetischer Iris jeweils alleine nicht richtig mögen oder für die die herkömmlichen pudrigen Irisinterpretationen zu „platt“ sind, sollten mal an Nirmal riechen.

Nirmal beginnt mit dem was in der Pyramide ein wenig augenzwinkernd-kaltschnäuzig einfach „Karotte“ genannt wird: Im ersten Moment bergamottig flankiert, kommt da eine natürlich anmutende Irisnote mit der vollen Möhre, die reale Iriswurzel haben kann. Es riecht nicht wirklich gemüsig… aber auch nicht blumig. Frischer Karottensaft riecht seltsam dicht, eng gepackt, gehaltvoll, aber gleichzeitig bemerkenswert frisch. Er riecht gewissermaßen „jung“. Diesen Aspekt lässt Nirmal zur Geltung kommen, ohne Süße dazu zu addieren.
Dann wandelt sich die Iris: Der Karottenschein wird weniger und dafür kommt etwas auf, das deutlich nach der synthetische Irisnote riecht, die man von vielen Parfums kennt. Klarer, schlanker und merklich kühler.
Das Kühle wird durch irgendeinen Kniff betont und pointiert heraus gestellt. Ich komm nicht drauf, was es sein könnte, irgendwas Grünliches.
Nachdem dieses etwas herbere, schattig-frische Muster herausgestellt ist, wandelt sich die Iris erneut: Sie wird blütiger und bekommt eine gewisse Lieblichkeit. Die Schnittmenge zwischen Iris und Veilchen wird nun ausgebreitet. Ohne den niedlich-holden Versuchungen der mädchenhaften Veilchennote zu erliegen, spannt Nirmal den Bogen zu einer sanften, breiter werdenden Blumigkeit.
Die angelegte Iris-Pudrigkeit wird – in allen verschiedenen Stadien - nicht voll ausgespielt, sondern bleibt immer nur angedeutet.
Nachdem dieses Irispanorama nun spannend und kunstfertig ausgefächert wurde, kommt der ganze Duft runter zu einer leise-charmanten Basis mit einer deutlichen moschusaufgehellten Ledernote. Das angelegte Puderpotenzial wird aufgefangen in einer flaumig-weichen Wildledrigkeit, die sacht ambriert und nur ganz leicht wärmer anmutend, den Duft bis zu seinem Ausklingen trägt.

Man kann nun diesen versiert und feinfühlig komponierten, schlau gemachten Duft tragen und sich ständig freuen an den Etappen, die er durchläuft, mit der erfahrenen Nase immer wieder nachriechen und sich fragen, wie das gemacht wurde und warum es jeweils so gut gelingt, den einen oder anderen Aspekt hervorzubringen. Das macht Spaß.
Man kann aber auch einfach ein reizvolles Parfum tragen, das bei zufälliger Selbstwahrnehmung freut, weil es vielschichtig und dabei trotzdem aufgeräumt ist, weil es durchaus Strahlkraft hat, aber nicht Aufmerksamkeit heischend laut wird und weil es keinem bekannten Parfumklischee entspricht.
Nirmal flirtet mit einem und spricht immer wieder an.
Das macht noch mehr Spaß.
12 Antworten
Louce vor 11 Jahren 1
5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Aaaalaaavandarh!
Der Schweizer Tauer hat mir bereits ein paar wundervolle Duftgeschenke gemacht und mit Le Maroc pour elle das Herz gebrochen (ich reagiere kopfschmerzig), aber bei Rêverie au Jardin wähnte ich mich testend auf der sicheren Seite, denn ich mag allermeistens keinen Lavendel und flüchtiges erstes Schnuppern ergab: Hardcore-Lavendel!
Lavendel bringt mich nicht direkt zum „Wäh!“-Schreien, Davonrennen, Abwaschschrubben oder Weinen,… ich mag ihn einfach nicht, habe bisher genau zwei lavendellastige Düfte kennen lernen dürfen, die mich „kriegen“ konnten („Esquel“ und „Jicky“), ansonsten ist Lavendel ein gutes ALM (Anti-Louce-Mittel).
Entsprechend abschreckend wirkt die Kopfnote von RaJ auf mich: Sie ist superlavendelig und frischkrautig grün. Der nadelspitze Startlavendel hat enorm Kraft und Saft, wird begleitet von einer fiesen, kalten Bergamotte und einem Schwapp Latschenkiefermuskeleinreibzeugs. Mir schaudert.
Aber halt,.. da passiert was mit diesem Lavendel! Nach der ALM-Startphase geschieht etwas absolut Riechenswertes: der zuerst neongrüne RaJ wird langsam schattig grün, dann dunkelgrün und zuletzt finstergrün mit violetten Einsprengseln und goldenen Tupfern, immer schwerer, süßer und breitflächiger wirkend. Rose blitzt auf. Kein frischjunges Rosaröschen, sondern eine volle, überreife dunkle Rose. Räucheraromen werden immer kräftiger, geben dem Duft eine luftige Trockenheit und führen später zu einem mattsanften, schummerigen Amber. Gehaltvolle Süße flirtet mit einer leicht bitteren Note (hier habe ich eine Winz-Ahnung vom Tauertypischen) und fluffig-waldmeisterig-nussig-vanillige Tonka kleidet zusammen mit dem Amber die Basis mit hochflorigem Samt aus. Eine ordentliche Cremigkeit macht den Duft noch unkantiger. Ich kann kein Iris-Puder riechen, aber diese Falten glättende Creme schreibe ich Iriswurzel zu. Zuletzt kommt eine ruhige, friedliche Holzigkeit hinzu.
Mit dem späten Drydown bemerke ich angenehm überrascht diesen Hautduft, der von anderen Rezensierenden unten beschrieben wird.

Bei diesen Metamorphosen bleibt der Lavendel präsent, ist immer auszumachen… aber er verändert sich stark.
Und irgendwie lande ich bei meinen Versuchen, diesen Duft zu beschreiben beim Wort „orientalisch“.
Dieser Lavendelduft ist sehr weit weg von Fougere (trotz Eichenmoos plus Cumarin) und noch weiter weg vom Lavendelduftsäckchen im Kleiderschrank. Die süßschwere Entwicklung zu Gehalt und Hall auf einer harzigen, warmdunklen und sehr reichhaltigen Basis kann ich höchstens mit „orientalisch“ halbwegs treffend beschreiben…. und wenn wir diesen Garten aus Mitteleuropa oder Südfrankreich ein gutes Stück weiter südlich versetzen, wird auch die Gartenträumerei des Namens stimmiger.
Kein Parfum, das ich unbedingt brauche, aber ein spannendes Dufterlebnis, das eine weitere – sogar für mich sehr reizvolle – Facette von Lavendel zeigt.
1 Antwort
Louce vor 11 Jahren 11
5
Flakon
10
Sillage
10
Duft
Der vergoldete Mann
Ambre Doré ist die Einlösung des Versprechens, das uns "Amber Oud" von by Kilian gab, aber nicht (auch nicht halb) hielt.
Weiterhin ist es ein Duft, der sich nicht der grimmen Oud-Dominanz beugt, sondern Amber folgt und es schafft, dass sich sogar das selbstherrliche Oud überraschend diszipliniert nach dem Takt des Ambers wiegt.
Und es ist der männlich-erotische Amber, der unter den vielen süß-harmonisch-gemütlichen, häufig eher weiblich duftenden Amberparfums markant und verdammt anziehend hervorsticht.

Amber und Oud sind Noten, die ich gut kenne und oft selbst trage. Bei beiden interessiere ich mich für die generellen Entwicklungen und Ausprägungen, die sie in den letzten Jahren erfahren haben und schon länger hatte ich die Parfumidee, oder vielmehr den Parfumwunsch, mal diese beiden mächtigen, großen Orientalen in einem Duft vereint riechen zu können.
Mit großer Erwartung also testete ich letztes Jahr „Amber Oud“ von by Kilian… und war enttäuscht. Calice Becker hat die Aufgabe gelöst, indem sie beide Stoffe runter gedimmt hat bis zur übersoften Breiigkeit. Alle reizvollen Kanten, alle provokanten und attraktiven Ecken beider Powerdüfte wurden so lange geglättet, bis die zwei kastrierten Protagonisten so nett und harmlos waren, dass sie mit ein wenig zusätzlich besänftigender Vanille bedenkenlos zusammen gemischt werden konnten.
Ganz anders hier:

Unmittelbar nach dem ersten Sprühen ist ohne Zweifel klar: Das hier ist ein Amberduft!
Eine trockene, aufgefrischt-süßliche Ambernote nimmt sich Raum und zeigt bald eine zunächst sehr dünne, dann langsam etwas stärker werdende herbe Schokoladigkeit. Sie erinnert deutlich an den Amber von „Ambre Précieux“ und passt zu der Aussage von Jean-Paul Millet Lage im Parfumo-Interview, dass es einen speziellen „Hausamber“ gibt, seinen Lieblingsamber, mit dem er grundsätzlich in der Amberrichtung arbeitet.
Nachdem man den charaktergebenden Amber kennen gelernt und sich im Duft etwas orientiert hat, ist da plötzlich etwas anderes zu bemerken: Ein harter, klarer, kräftig und richtig rabiat wirkender Oud-Impuls stellt sich gegen den vorgegebenen Strich. Huch! Irritierend und rebellisch kommt da etwas auf gegen die dunkel-trockene Weichheit der Hauptnote.
Jeder angelegten Süße wird jetzt widersprochen.
Das harmonische Fließen, dem man bisher riechend folgte, stockt.
Schluss mit Kuschellaune…. alle Antennen werden ausgerichtet, alle Aufmerksamkeit konzentriert.
Und jetzt beginnt eine stufenweise Harmonisierung. Langsam findet eine fortschreitende Versöhnung statt, ein Mischen und Glätten, bis der Oudaspekt gemäßigt ist. Das Mildern und Beruhigen, das Zähmen des Oud ist aber keine Unterdrückung. Kein Kampf, der mit der Unterlegenheit des einen Gegners endet, sondern eine ganz sanfte, zärtliche Entwaffnung.
Die beiden, auch hier eingesetzten, notorischen Oud-Begleiter, Safran und Koriander sind nämlich auch ganz hervorragende Amberpartner und grundsätzlich gewillt, überzulaufen. Sie bilden so eine Anknüpfungsstelle und verbinden die beiden Akkorde. Eine süße-herbe Myrrhe kann ich riechen, die hinzukommt und hierbei unterstützt.
Mit dem Drydown ist es erreicht: Der Oud-Anteil fügt sich der Ambermelodie. Noch erkennbar Oud, aber in einer nachgiebigen und fügsamen Art, die man sonst nicht kennt.
Und nun, nach der Befriedung des Oud, entfaltet der Duft seine ganze Pracht: Er glänzt golden.
Die Vergoldung des Ambers im Namen „Ambre Doré“ ist nicht nur ein hübscher Produktname, sondern tatsächlich Programm. Ein sondergleichen warmer, schwerer Glanz, ruhig, aber sehr kraftvoll, durchzieht jetzt den Duft.
Ambre Doré wird rund und wohlproportioniert. Ausbalanciert. Dennoch ist Oud immer noch ein erkenn- und identifizierbarer Aspekt. Allerdings kein eigener mehr, sondern perfekt integrierter Teil eines Ganzen.
Tief, warm, dunkel und sehr amberig beeindruckt dieser schöne Duft jetzt bis er vergeht, wobei die gute Haltbarkeit nicht durch ein Auseinanderfallen des Duftes begrenzt ist, sondern das Ende einfach ein schwächer und immer schwächer Werden ist.

Ambre Doré erzählt die spannende Geschichte von der Mäßigung des Oud und seiner Unterordnung unter Amber, um dadurch einen wundervollen sinnlichen Goldglanz hervorzubringen.
Diese Geschichte von Zähmung, von Härte und Kraft, die sich in Widerspruch zu Weichheit und Anmut erst aufstemmen und dann ganz langsam durch Zärtlichkeit und weiche Bindung schrittweise korrumpiert werden, bis das Oud in ein Ganzes eindringt und darin aufgeht, passt ausgezeichnet zu Bildern von Männlichkeit, so dass ich den Duft eher männlich nennen möchte, bzw. den vollen Genuss dabei habe, wenn ich ihn nicht an meiner, sondern der Haut des Liebsten rieche.
In dieser Kombination fordert und bekommt Ambre Doré all meine Aufmerksamkeit.
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