Magineer

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1 - 5 von 8
Magineer vor 4 Jahren 15 3
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Flakon
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Haltbarkeit
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Duft
Ein bisschen mehr Gravitas bitte...
Zuallererst mal ein riesiges Dankeschön an FRAGranTIC, die so wundervoll selbstlos Proben dieses nun wirklich brandneuen Dufts großzügig unter den Parfumos verlost hat und dafür wirklich viel viel mehr Feedback verdient gehabt hätte. Dadurch bin ich zeitnah an diese langerwartete Neuerscheinung gekommen und konnte mir damit selbst ein Bild machen.

YouTuber-Düfte sind ja so ein Ding für sich. Vor allem wohl Jeremy Fragrance hat dieser speziellen Extra-Nische unter den Nischenparfüms mit "Office" und "Date" zum Durchbruch verholfen, und obwohl seine Releases sicherlich Geschmackssache bleiben dürften (und mir zum Beispiel viel zu glattgeleckt mainstreamig geraten sind), hat sein Beispiel Schule gemacht und in Zukunft werden wir uns schon mal auf viele weitere Kreationen bekannter Influencer einrichten müssen. Der britische YouTuber Dan Naughton alias Mr. Smelly ist da keine Ausnahme und hatte im vergangenen Jahr mittels einer Kickstarter-Kampagne recht schnell genügend Geld eingesammelt, um sich der Mitarbeit der echten englischen Klassikernase John Stephen zu versichern - und so entstand mit "Gravitas pour Homme" die erste Duftkollaboration des Hauses Naughton & Wilson.

Nun ist Mr. Smelly natürlich kein Jeremy und könnte von dessen exaltiert-überdrehter Art nicht weiter entfernt sein. Seine unaufgeregten Reviews haben Hand und Fuß, und wer ihn in der Vergangenheit aufmerksam verfolgt hat, dürfte schon gemerkt haben, dass seine Vorliebe dem klassischen Gentleman-Duft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gilt. Und so konnte man von "Gravitas" schon durchaus einen Gegenentwurf sowohl zur angestrengten modernen Duschgel-Aquatik als auch zur derzeit grassierenden Gourmand-Schwemme erwarten. Dementsprechend reiht sich Naughtons Vision auch tatsächlich nahtlos in die in diesem Jahr wieder erstarkte Retro-Welle ein - und wirkt vielleicht dadurch wiederum auf einmal gar nicht mehr so einzigartig.

Man möchte "Gravitas pour Homme" nur das Beste wünschen, nicht nur wegen seiner engagierten Macher. Das fängt bereits bei der Verpackung an: Ein wertiger Flakon, ein schwerer goldener Deckel, ein edles Etikett und ein ehrfurchtgebietendes Wappen geben schon mal klar die Marschrichtung vor und sichern dem Duft sicherlich einen Ehrenplatz im Regal vieler Sammler. Durchaus verdient, und hier löst Mr. Smelly schon mal sein Versprechen ein. Aber letztlich kommt es darauf an, was "Gravitas pour Homme" kann, sobald man das Biest aus der Flasche lässt - und dazu kommen wir jetzt.

Der Auftakt startet vielversprechend, wenn auch nicht sonderlich aufregend für den erwarteten Fougere-Duft: Natürlich bahnen sich Bergamotte und vor allem der Lavendel als erstes ihren Weg ins entzückte Riechorgan, und hier hat Stephen ganz clever getrickst - indem er einer sehr frischen Mandarine (die so gesehen auch eine Limette sein könnte) die Vorfahrt lässt, schafft er eine größere Fallhöhe, weil "Gravitas" unverhofft schnell und frisch startet und dabei fast ein wenig zu schäumen beginnt. Das ist toll, auch ein bisschen anders, und im ersten Moment vor allem auch ungewöhnlich fruchtsüß für ein Gentleman-Wässerchen. Hübsch, aber natürlich hat eine derartige Komposition chemisch bedingt keine allzu lange Haltbarkeit, und deswegen legt sich der zitrische Jubelschrei relativ schnell in Hautnähe schlafen und schickt eine pudrige Wolke als Vertretung, in der hauptsächlich Pfeffer dominiert. Koriander meldet sich zaghaft als Ergänzung, der ebenfalls aufgeführte Kardamom bleibt scheu im Hintergrund. In dieser Phase kann man tatsächlich die unten erwähnte leichte Ähnlichkeit zu "Dior Homme Intense" erahnen, obwohl der Büroklassiker natürlich sein Augenmerk auf einen völlig anderen Verlauf legt. "Gravitas" blendet die Süße schnell aus und bettet sich dann zur Nachtruhe auf ein Lager aus Eichenmoos und einem sehr zarten Patchouli-Hauch, der passend ist für einen Fougere, allerdings auch völlig unspektakulär. Bald schon wird es ruhig auf der Haut. Fast zu ruhig.

Tja. Ich hätte "Gravitas pour Homme" gern bedingungsloser geliebt, weil mir die Richtung, die Mr. Smelly mit seiner Schöpfung hier einschlägt, naturgemäß mehr zusagt als die vieler anderer Versuche der letzten Zeit. Außerdem nötigt allein schon die Präsentation jede Menge Respekt ab, und ich glaube durchaus, dass "Gravitas" auf dem überfüllten Markt eine echte Chance hat. Nur nicht bei mir. Für einen ganzen Flakon reicht mir das, was hier abgeliefert wird, einfach bei weitem nicht. Sicherlich hat das auch mit einer erhöhten Erwartungshaltung zu tun, aber wenn ich Fougere mit einem modernen Twist will, dann greife ich zu Tom Fords weitaus gelungenerem "Beau de Jour", der zwar auch das Rad nicht neu erfindet, aber die echte Würzigkeit dieses Genres sehr viel mutiger bedient, selbst auf die Gefahr hin, als old school verspottet zu werden. Will ich Klassiker, dann stehen da immer noch Houbigant's Ur-Fougere, Penhaligon's "Sartorial" oder sogar Creed's portugiesisches Wäldchen zur engeren Wahl. Allen diesen Düften ist übrigens gemeinsam, dass sie länger halten und stärker projizieren als "Gravitas pour Homme", was umso enttäuschender ist, weil es sich hier tatsächlich um ein Extrait de Parfum handeln soll. Hätte Mr. Smelly das nicht auf den Flakon gedruckt, hätt' ich's nicht geglaubt. So ist es schade um eine tolle Idee und eine gelungene Auftaktüberraschung, die in viel zu kurzer Laufzeit ihre Identität nahezu vollständig verliert. Mag sein, dass es sich hier um das berühmte britische Understatement handelt, aber einen zu mir passenden Duft, eine zweite Haut, möchte ich länger genießen können als nur einen flüchtigen Augenblick. Schade, dass im letzten Moment der Mut gefehlt hat.

Es ist schon eine besondere Ironie: Das, was "Gravitas pour Homme" am dringendsten bräuchte, ist ein bisschen mehr Gravitas. In der Zwischenzeit warte ich weiterhin gespannt auf den zweiten Wurf von Dan Naughton und John Stephen und hoffe, dass das sympathische Duo aus seinen Erfahrungen lernt. Zu wünschen ist es ihnen nach wie vor...
3 Antworten
Magineer vor 4 Jahren 11 9
6
Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
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Duft
Long Live The New Leather
Die Bilder im Kopf sind hier alle schon erwähnt worden:

Sportwagen aus den 60ern. Das endlos lange Asphaltband der Route 66, das sich, flirrend vor Hitze, mitten durch die staubige Wüste schneidet. Das Gummi der Räder, das nach einem Kavaliersstart als deutliche Spur ein Muster über die Straße legt. Trockenes Gras am Wegesrand, wirbelnd in den benzingetränkten Auspuffgasen, die hinter den sich schnell entfernenden Rücklichtern zurückbleiben. Drin streichelt der Fahrer selbstverliebt über das hellbraune Leder seiner Sportsitze. Der Sonne entgegen. Die Freiheit ist grenzenlos.

Stimmt alles. Zuerstmal vielen Dank an X57deadsoulx, meinen Helden, der mich unermüdlich an neue Duftrichtungen heranführt und der mir netterweise auch die Abfüllung von C&C überlassen hat. Das war der Auslöser dafür, mich näher mit den Düften der Imaginary Authors zu beschäftigen, einem US-Indie-Dufthaus, dessen Konzept, spannende Geschichten auf Papier mit einer olfaktorischen Reise im Kopf zu verbinden, bei mir offene Türen eingerannt hat. Zu einigen weiteren IA-Düften werden demnächst mit Sicherheit noch einige Kommentare von mir erfolgen - an dieser Stelle jedoch zurück zu "The Cobra and The Canary", zu dem schon viel gesagt wurde. Ich kann da gar nicht soviel Neues dazu beitragen und fasse mich deshalb kurz, aber die Imaginary Authors haben hier wirklich jede Erwähnung verdient, die ihnen zuteil wird.

Die erste Geruchsbegegnung mit "The Cobra & The Canary" lässt mich kurz etwas züruckprallen, denn mir knallt für ein paar Sekunden ein stechend chemischer Geruch durch die Nase direkt ins Großhirn, bei dem ich erst ein Lederreinigungsspray assoziiere, bevor es sich schnell als ziemlich frische Zitrone herausstellt. Der oben genannte und erwartete Asphalt hält sich vorerst noch zurück, aber schnell mündet das Zitrische in den vertrauten Geruch hellen (Kunst-)Leders, und in diesem Moment kommt mir tatsächlich der Tom-Ford-Immergeher "Tuscan Leather" in den Sinn. Nur ganz kurz, denn während der Klassiker sich als frisch geöffneter Schuhkarton aus einer italienischen Edelboutique präsentiert, stellt sich C&C als trotziger kleiner Rebell heraus, dem nichts über seine Freiheit geht, in der Kerle in Lederjackets und Frauen im Petticoat bis ans Ende aller Zeiten sehnsuchtsvoll über den Highway cruisen. Dazu gesellt sich Straßenstaub und sonnengetrocknetes Gras, bevor der aufgemotzte Sportwagen eine leichte Ölspur auf den Asphalt rotzt und sich ins nächste Abenteuer begibt. Hier in dieser Phase erinnert C&C am Rande übrigens ein bisschen an Guerlains unterschätzten "Cuir Intense".

"The Cobra and The Canary" hat Charakter, und davon nicht wenig. Wer bis jetzt nicht auf ungebändigtes Leder stand, wird sich auch von der IA-Interpretation wohl eher nicht umstimmen lassen, obwohl der Duft nach einer Weile sanfter und gefälliger wird. Auch die Fraktion, die ihr Leder lieber richtig dreckig mag, wird von der nach starkem Auftakt fehlenden Konsequenz enttäuscht sein und weiterhin auf Francesca Bianchis "The Lover's Tale" oder Diors "Leather Oud" zurückgreifen. Wer jedoch eine Spur Alltagskompatibilität bei seinen Abenteuern schätzt und trotzdem nicht als glattgebügelter Mainstreamer im Büro oder im Club aufschlagen will, der sollte C&C beim nächsten Parfümeriebesuch eine Chance geben. Die Projektion ist sehr ordentlich, daher die Sprühstöße nicht übertreiben, und wenn sich der Duft irgendwann nach 7 bis 8 Stunden auf Hautnähe zurückzieht, bleibt er hier noch eine ganze Weile kleben, dieser sehnsuchtsvolle Duft nach Freiheit. Go for it!

Well done, Josh Meyer. Mögen deine erträumten Geschichten uns auch in Zukunft zuverlässig durch den grauen Alltag begleiten. Can't wait for the next adventure...
9 Antworten
Magineer vor 4 Jahren 6 7
6
Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Oh süßer Wald...
Dank der geradezu göttlichen Serafina (danke nochmal, wirklich) bin ich in den Besitz einer kleinen "Coven"-Abfüllung gekommen, mit der ich ohnehin schon länger geliebäugelt habe. Als Grün-Liebhaber stand natürlich auch Andrea Maacks Waldinterpretation schon länger in der Top 10-Liste meiner nächsten Einkäufe, und angetreten ist der kleine Grüne letztlich gegen "07 Tanoke" von Odin New York, der seit einiger Zeit mein Verständnis von waldgeschwängerten Düften prägt und den ich absolut großartig finde. Einen direkten Vergleich beider Düfte gibt es dann in der schon lange überfälligen Tanoke-Kommentierung, aber darauf verweisen möchte ich natürlich hier schon, um zumindest "Coven" einigermaßen klar einordnen zu können.

"Coven" startet gänzlich anders als Odins Spitzenwurf, nämlich nicht mit einer unverschämt großzügigen Fichtennadel-Ladung - sondern überraschenderweise als wundersam friedlicher, geradezu blumiger Laubwald. Die feine Süße ist anfangs allgegenwärtig, macht dann aber nach einer Zeit einer würzigen Note Platz, die nacheinander einige aromatische Kräuter auf sonnendurchtränkter Lichtung durchdekliniert, bevor sie sich auf Erkundungstour in weichwarme Erde begibt (während Tanoke's Herz immer noch etwas höher in den nadligen Wipfeln verweilt). Ein schöner und fantasievoller Duftverlauf, dem naturbedingt etwas früher die Luft ausgeht als seinem doch sehr ausdrucksstarken Fichtenpendant, aber der durch seine weniger widerborstige und insgesamt sanftere Art im Unisex-Bereich eher Richtung feminin tendiert. Andrea Maack hat die im hellen Grün oftmals dominierende Heu-Duftspur vermieden und schafft damit Distanz zu den gezähmteren Vertretern, u.a. aus Hermés' Gartenreihe ("Un Jardin sur le Toit"). Was sie sich ein bisschen mit dem bekannteren Dufthaus teilt, ist die schnell nachlassende Projektion, hautnah hält sich die Gute aber dennoch ganz wacker.

Kernig ist anders (dafür erneut der Verweis auf den "07 Tanoke", auf den ich bald nochmal genauer eingehe), aber wer die sanft-geschmeidige Tour der isländischen Duftkünstlerin zu schätzen weiß und einen Alltagsbegleiter sucht, der seinen Träger mit etwas subtilerem Nachdruck trotzdem zuverlässig durchs Büro bringt, der dürfte mit "Coven" durchaus zufrieden sein. Hätte Frau Maack etwas mehr von der köstlichen Kopfnote ins Herz gerettet, wäre auch im Hause Magineer ein Flakon fällig gewesen - so reicht mir wahrscheinlich hin und wieder eine Abfüllung. Dennoch (sehr) gute 8 Duftpunkte.
7 Antworten
Magineer vor 4 Jahren 19 6
7
Flakon
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Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Der Traum vom kommenden Frühling
Meine erste Begegnung mit Hermés' Garten-Reihe hatte ich seinerzeit mit "Un Jardin sur le Nil" - damals noch ohne zu wissen, dass ich irgendwann mal zum Fraghead mutieren könnte. Ich mochte den Duft sehr und ließ mich damals zu stark von der Verkäuferin verunsichern, die meine Recherche (Unisex!) recht brüsk mit den Worten abtat, dass der nun wirklich nur für Frauen geeignet wäre. Der Nilgarten blieb mir jedoch immer im Hinterkopf, und als mir nun das Schicksal in Form einer superlieben Parfuma (danke dir, Serafina!) eine Probe von "Un Jardin sur le Toit" in die Hände spielte, war ein sofortiger Test nahezu unumgänglich. Und, um es vorwegzunehmen, ich wurde positiv überrascht!

Der "Dachgarten" trägt seinen Namen völlig zu Recht. Im Auftakt schüttet der Duft zwar noch ein paar Blumenkörbe aus, wechselt aber recht schnell zu seinem wundervoll hellgrünen Herz, dass tatsächlich etwas weicher (und damit per definitionem weiblicher) daherkommt, aber diese sanfte Note mit anständigem Selbstbewusstsein verteidigt. Ob nun Dachgarten oder Balkon im Zentrum der Projektion stehen, bleibt letztlich der eigenen Fantasie überlassen, aber Grünliebhaber, die ihre Waldszenarien gern öfter mal durchwechseln möchten, machen hier auf keinen Fall etwas falsch. Das Szenario führt uns zwar aus finsteren Forsten und üppig überwucherten Dschungeln heraus in eine stärker domestizierte Umgebung, doch das allgegenwärtige frische Gras verbindet sich schnell mit ein paar hübsch würzigen Akzenten - einige Gartenkräuter mischen sich ein, im Hintergrund wabert etwas Gurke und sehr wohldosierter Pfeffer. Das Obst (die hier angeführten Äpfel und Birnen) bleiben für meine Nase sehr leise und kaum relevant, vielleicht tragen sie auch nur unauffällig zum großartigen Gesamtkonzept des Duftes bei.

Was Jean-Claude Ellena hier gemacht hat, verdient vollsten Respekt. Mag sein, dass es eine Frage der Jahreszeit ist: Inzwischen haben wir Mitte März, und nach etlichen verregneten und stürmischen Wochen liess sich in den vergangenen Tagen erstmals wieder die Sonne blicken. Sehnsucht nach Licht, nach Wärme und Frühling, endlich hat sie wieder einen Hoffnungsschimmer. "Un Jardin sur le Toit" frisch aufgesprüht trägt diese Sehnsucht nach draußen, und ein tiefer Atemzug an der benetzten Haut bewahrt die Hoffnung auf den baldigen Frühling vor Rückschlägen aus der Realität. Einmal riechen, und ich bin fort aus dem viel zu frühen Aprilwetter hier in Deutschland, angekommen irgendwo am Mittelmeer oder meinetwegen sogar als Lebenskünstler auf den Dächern von Paris. Dabei wagt "Un Jardin sur le Toit" nichtmal den Ausbruch aus der typischen Duftpyramide, eckt nicht an, bleibt immer als angenehmer und sehr klassischer Duft wahrnehmbar. Was das für dich selbst bedeutet, hängt ganz von deiner eigenen Fantasie ab - für mich hat der Duft trotz eines konservativen Kerns das Zeug zum Ausbruch aus der typisch-türkisen Drogerie-Tristesse...

Der kleine Wermutstropfen zum Schluss: Typisch für die Gartenserie hält sich auch "Un Jardin sur le Toit" mit der Projektion eher zurück und verweilt auch auf der eigenen Haut nicht länger als unbedingt nötig. Nach vier bis fünf Stunden ist der faszinierende Teil des Dufts vorbei, die Basis verhält sich geradezu unauffällig. Da Hermés für diese Reihe aber auch nicht allzu gierig die Hand aufhält, ist Nachsprühen (fast) kein Thema, und so bleibt "Un Jardin sur le Toit" (neben dem nahezu uneinholbaren "Un Jardin sur le Nil") auf jeden Fall ein Tipp für all diejenigen, denen es im Frühling genauso vor der Invasion der Aquaten graut wie mir. Make a difference! :-)
6 Antworten
Magineer vor 4 Jahren 8 2
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Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Heuschober statt Drogenhöhle
Wie der Name schon verrät, hat sich Mark Buxton bei "Enter the Void" vom gleichnamigen Film des französischen Regie-Enfant Terrible Gaspar Noé inspirieren lassen. Das ist in gewisser Weise etwas kontraproduktiv, denn Noé war schon immer gut darin, urbane Ist-Zustände aufzuzeigen, hat mit ländlicher Idylle nach landläufiger Interpretation in der Regel jedoch wenig am Hut. Sein Film, auf dem das Parfüm basiert, ist eine psychedelische Reise in die Abgründe menschlicher Natur, und der einzige Akzent, der im Duft an diese doch recht spektakuläre Absichtserklärung erinnert, ist der legendäre Stinktier-Akkord - den man so auch nur deswegen wahrnimmt, weil er recht prominent in der Beschreibung der Kopfnote thront.

"Enter the Void" startet als hellgrüner Heuhaufen, bei dem im Hintergrund durch eine leicht faule Note eine Vergänglichkeit suggeriert wird, die sich im Duft dann gar nicht weiter manifestiert. Stattdessen verbindet sich die süßliche Verdorbenheit mit dem frisch-fruchtigen Kick saurer Beeren (Johnannisbeere, sagt zumindest die Beschreibung) und bringt etwas Leben in den Duft. Das ist ganz nett und erinnert (wahrscheinlich nicht von ungefähr) an die Herangehensweise der Zoologist-Düfte, ohne die schon unangenehm animalische Brunst der Basisnote von "Macaque" oder den schwelgerischen Dschungel in "Elephant" im Detail einzufangen. "Enter the Void" bleibt in dieser Stoßrichtung vorsichtiger. Kompromissbereiter. Unscheinbarer. Sein Grün ist bei weitem nicht unangenehm, aber Aufsehen erregt er damit gar nicht. Das Stinktier ist schon lang verschwunden, die Johannisbeere fährt den Kick zurück, es folgt leichtes, helles Holz. Eher Gestrüpp. Selbiges bleibt dann tatsächlich auch noch enttäuschend hautnah, und es stellt sich die Frage, wen Mark Buxton damit erreichen wollte - die Grün-Fans sind nach einer Stunde raus und die, denen es nicht animalisch genug sein kann, werden weiterhin auf Victor Wongs tierische Innovationen setzen. "Enter the Void" ist Konsens. Und wer will den schon?

Bleibt immer noch der Name. Eine Fehlentscheidung. Gaspar, mit dem ich mehrfach beruflich zu tun hatte, ist privat ein recht bescheidener und ruhiger Mensch. Müsste ich ihm ein Parfüm schenken, wäre es ein Leder-Duft, und wahrscheinlich würde ich auf Christian Dior's Privee-Schmuckstück "Leather Oud" zurückgreifen. Damit würde ich mehr auf die schwül-bedrohliche Sexualität von "Irreversibel" anspielen, während ich für "Enter the Void" (den Film) eher CdG's "Concrete" aks passend empfinde - dieser frische Beton, der in meiner Nase ist, wenn sich Gaspars entfesselte Kamera durch den städtischen Zerfall verlebter Wohnsilos windet. Niemals, wirklich niemals, hätte ich geglaubt, dass man in all der wirbelnden Paranoia einen Heuhaufen finden könnte. Mark Buxton anscheinend schon.

Abschließend beurteilt ist "Enter the Void" für mich ein grüner Duft. Ich mag grüne Düfte. Sehr. Aber in diesem Bereich ist die Konkurrenz (und Vielfalt) inzwischen so groß, dass man die Zaghaftigkeit eines unentschiedenen Akkordvorstoßes wirklich nicht braucht. "Enter the Void" tut nicht weh. "Enter the Void" stink(tier)t auch nicht. "Enter the Void" bleibt hautnah, die Nase hält man trotzdem noch gern dran. "Enter the Void" ist angenehm. Wirklich. Und eine Abfüllung geht ganz bestimmt. Ein ganzer Flakon dagegen?

Nein, da gibt es Besseres.
2 Antworten
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