Meinesonne85

Blindkauf. Laut Reviews "Sexy, verrucht und dabei besonders, nischig": Da konnte ich nicht widerstehen, auch wenn ein leise Stimme im Hinterkopf schon zu Bedenken gab, dass ich Orangenblüte eigentlich gar nicht mag, weil sich eine Wolke davon gerne als Migräne mit Kopfschmerz und Übelkeit manifestiert (Hallo Armani Code, du Trauma!). Und Pfeffer war doch auch noch nie mein Lieblingsgewürz...

Aufgeregt ausgepackt, erster Sprüher in die Luft und schon Nasenkräuseln: Das ist aber ordentlich orangenblütig und irgendetwas beißt da. - Ist das der Pfeffer? Aber gut, das Zeug ist bezahlt, also ab damit auf das Handgelenk. Die Enttäuschung setzt sich fest. Der Pfeffer ist spannend, hilft der Orangenblüte aber dabei, ihr Kopfschmerzpotenzial zu entfalten. Der vanillige Reis in der Basis ist toll - außergewöhnlich und überhaupt nicht mainstreamig-gourmandig. Ob das ausreicht, mich die weißen Blüten ertragen zu lassen?

Na gut, kommt erst einmal in die Sammlung, wir können uns ja später noch einmal miteinander beschäftigen. Diverse Schnüffler am Flakon und Luftsprüher steht fest: Nicht wirklich schlecht, aber Freunde werden wir nicht mehr. Ab damit ins Aufbrauch-/Verschenkkörbchen.

Und dann kam er, der kalte Frühlingstag, an dem ich zur Rechtfertigung diverser Neukäufe mal wieder etwas "aufbrauchen" wollte, verschenken konnte ich ihn in den Wochen davor dann doch irgendwie nicht. Und was geschah? Während eines stressigen Arbeitstages kamen mir immer wieder ein cremiger, leicht pudriger, sehr femininer und im positiven Sinne ausgefallener Duft mit Wiedererkennungswert entgegen. Kein Kopfschmerz, keine Übelkeit, kein Stechen! Der Pfeffer kratzt plötzlich nicht mehr in der Nase, sondern gibt dem Vanillereis Tiefe. Kein netter Kuschelgourmand, sondern selbstbewusste, stilvolle Sexyness mit etwas Feuer, guter Haltbarkeit und einer Sillage, die nicht den ganzen Raum einnimmt, aber für diejenigen, die trotz Corona näher an mich heran dürfen, deutlich wahrnehmbar ist. Auch der nächste und übernächste gemeinsame Tag haben die Enttäuschung vom ersten Mal mehr als wett gemacht, fiese Migräneorangenblüte hat sich nie wieder eingestellt.

Zurück vom Körbchen in die Sammlung... Du bleibst mein!

In der rechten Ecke (am rechten Arm): Lancômes "Ôud Bouquet" (OB). Links der Herausforderer "Shaghaf Oud" (SO), gehandelt als das perfekte Dupe.

Fazit vorneweg:
Kein vollkommenes Dupe, die Unterschiede sind aber auf meiner Haut nur im direkten Vergleich zu erschnuppern. Aber die beiden Ouds sind sich sehr ähnlich, sodass SO als wesentlich preisgünstigere Alternative mit ebenbürdiger Haltbarkeit und Sillage durchgehen kann. In beiden Fällen zieht man den gleichen, deutlich wahrnehmbaren Dufttrail hinter sich her...

Bei SO ist das "Medizinische" des Oud im ersten Moment präsenter, bei OB kommt gleich pudrig-vanillige Rose mit, die das Oud schon in der Kopfnote weicher macht und schneller zurücktreten lässt. Insgesamt ist OB in meiner Nase etwas feiner, runder, süßer, gourmandiger, SO dagegen eindimensionaler mit leicht prägnanterem Oud und mehr Rauch. Auch wenn eine ungeübte Nase vermutlich kaum Unterschiede herausriechen kann, gefällt mir OB dann doch besser. Auf keinen Fall braucht man beide, wenn man OB schon sein Eigen nennen darf. Sollte man dagegen noch ein olfaktorisches Upgrade zu SO suchen, kann ein Proberiechen an OB lohnen.

Side Effect und Rehab sind auf meiner Haut fürchterlich stechend und leider übelkeitserregend, Blessed Baraka ist gewöhnungsbedürftig und in Oud for Greatness muss ich mich noch mehr 'reinriechen, sodass ich wenig hoffnungsvoll bei Atomic Rose war, zumal ich eigentlich überhaupt kein Rosenfan bin. Da Delina und Delina Exclusif aber für mich vollkommene Überraschungen in diesem Jahr waren und mein Herz im Sturm erobert haben, musste ich dann doch der "älteren Schwester" eine Chance geben.

Und siehe da, das ist der bisher einzige Initio, der mich voll überzeugen konnte. Am Anfang kommt auf meiner Haut sehr deutlich die Delina-DNA raus, sodass ich ihn schon fast abtun wollte, weil ich nicht noch die Nummer 3 in meiner Sammlung brauche. Aber in der Basis wird Atomic Rose ganz anders als der pudrig-vanillige Drydown Delina Exclusif, den ich auch sehr mag, nämlich in meiner Nase eine Spur "salzig", aber nicht "Meer"-salzig, sondern würzig-salzig und sehr addictive. Erinnert mich ein bisschen an Schubecks Vanille-Salz in meiner Gewürzschublade. Haltbarkeit und Sillage sind spitze, aber dazu haben meine Vorredner*rinnen schon zu genüge ausgeführt.

Fazit: Man braucht bestimmt nich alle drei aus der Familie, aber wirklich "brauchen" tut man Parfum sowieso nicht. Für mich als Parfumjunkie haben die drei Rosen ihren berechtigten Platz in meiner Sammlung und ich habe für jede ein ganz bestimmtes "Einsatzszenario", eine Stimmung, in der ich sie tragen will. Atomic Rose ist die erwachsenste von allen dreien, ähnlich sexy wie Delina Exclusif, dabei aber stilvoller, etwas weniger kuschelig, dafür aber tiefgründiger.

Ich war wirklich gespannt und total happy, als ich die Abfüllung von einer lieben Parfuma nach nicht einmal 24 Stunden in den Händen halten durfte. Aber kurz nach dem Aufsprühen entwickelt sich auf meiner Haut eine fast schon stechende, süße Kaugummi-Note, die alles dominiert. Kein Lavendel (den ich liebe und auf den ich gehofft habe), ein bisschen Sandelholz, aber vor allem süße, braune Kaugummistreifen wie in den ersten Sekunden im Mund. Oh weh... :-(