24.11.2020 - 11:04 Uhr

FvSpee
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FvSpee
Top Rezension
52
Das Interdikt
Auf diesen wunderbar femininen Duft L'Interdit (Intense) bin ich, ganz wie es sich gehört, durch drei sehr geschätzte Damen aufmerksam geworden.
Zunächst hat hier vor einem Monat Runa (über deine großartigen Fotos und erfrischenden Texte freue ich mich immer - schön dass du dabei bist!) einen leidenschaftlichen 10 (bzw. 12-) Punkte-Punkte-Kommentar verfasst. Als nächstes hat vor zwei Wochen Edda (du weißt ja, dass ich ein Fan von dir und deinen Haiku-Statements bin!) hier eine fast ebenso begeisterte Kurzrezension abgesetzt. Und letzten Freitag hat meine verehrte Lieblingskollegin mir ein Pröbchen des Dufts, das sie in der Parfümerie kostenlos bekommen hatte, mit der Bemerkung übergeben: "Für deine Tauschkiste. Der macht nur Kopfschmerzen." Das macht neugierig.
Ich komme später zum eigentlichen Duft und schleiche mich zuerst über die Akzidentialia an. Der Duft heißt nicht "Interdit" (verboten), sondern "L'Interdit", was der spannendere und vieldeutige Name ist. "L'Interdit" kann auch das Interdikt sein, eine milde Form des Kirchenbanns (als Strafe für Verbrechen oder Ketzerei). Auch wenn das vermutlich nicht gemeint ist, schwingt für den französischen Hörer diese Bedeutung aber sicher unbewusst mit. Die Hauptbedeutung ist "Verbot", aber auch "Tabu". Ich finde den Namen für diesen spannungsvollen, traumwandlerisch-elegant auf Messers Schneide tänzelnden Duft ganz angemessen.
Aufhorchen lassen auch die Parfumeure. Dominique Ropion ist einer der ganz Großen, und er hat schon oft mit Anne Flipo zusammengearbeitet. Als Koproduktionen haben sie schon su berühmte (und heterogene) Düfte wie Acqua di Gioia, Invictus und Lady Million kreiert. Ohne Anne Flipo zeichnet er für Unmengen weiterer Mainstream- und Nischendüfte verantwortlich, von Krazy Krizia, La Vie Est Belle und Alien EdP bis zu Portrait of a Lady, Oud Malaki und Vetiver Extraordinaire. Flipo wiederum hat den hochinteressanten La Chasse aux Papillons geschaffen. Als dritte kommt hier Fanny Bal ins Spiel. Lustig ist dabei, dass Acqua di Gioia einer der Lieblingsdüfte meiner Lieblingskollegin ist...
Die Marketingfarbe dieses Duftes ist schwarz, und das legt eine falsche Fährte. Denn der Dufteindruck ist es nicht. Denn emotional ist es kein düsterer Duft, sondern zwar wach und vielleicht auch erotisch gespannt, aber zugleich auch schmeichelnder, besänftigend und sogar tröstend. Synästhetisch nehme ich den Duft als vieltönig grau und braun wahr, eine Sinfonie in Anthrazit, Asche, Ocker, Siena, Chamois und Sepia.
Haptisch ist L'Interdit für mich ganz fest und dicht gewebt, so wie ein Stoff, der wärmt und Sicherheit gibt, nie zu reißen, und dennoch zugleich lind und leicht ist. Im Ganzen ist L'Interdit Intense edel, aber unprätentiös; sinnlich, aber kühl; materiell bis zur Essbarkeit, aber zugleich distanziert und abbildhaft.
Auf Stoff entfaltet sich dieses "Verbot" in eine ein wenig herbe, fast grüne, fast fruchtige Richtung, ich muss hier entfernt an Creeds Vetiver Original denken, allerdings weicher, safranartiger.
Auf meiner Haut nehme ich eine vollkommen andere Duftentfaltung wahr (und es bleibt die für mich offene Frage, wie der Gesamteindruck wäre, wenn ich eine Dame begleitete, die den Duft auf Haut und Kleidung angelegt hätte). Hier nehme ich den Duft schichtartig war, wie einen Blätterteig oder eine geologische Formation, wobei die einzelnen Schichten, in den oben beschriebenen Ocker- und Grautönen, wie ein Vexierbild mit dem Betrachter spielen:
Da sind, nach einer unverwechselbaren, höchst markanten Eröffnung, die in mir eine Erinnerung wachruft, die ich aber nicht zu fassen bekomme, ganz leicht süßliche Linien, pudrig-mehlig, Kakao, oder eher Sojamehl, die dann ihre Süße verlieren und doch vielleicht zerriebener Ton sind. Da ist eine prickelnde, klare, feinstoffliche Schärfe, ein grau trockenes Knistern, das aber dann wieder samtig auf weicher Haut ausgleitet. Da sind weit, weit entfernte Ahnungen eines weichen Saffianleders, die sich, kaum das man es greifen will, zu Bitterschokolade verwandeln.
Ohne Zweifel hat der Duft eine stark blütige Seite. Bisweilen wirkt diese dicht und schwer, Flieder und Hyazinthen kommen in den Sinn. Den Parfumeuren gelingt es aber, diese Schwere so zu durchbrechen und aufzulockern, dass L'Interdit Intense nie drückend oder altmodisch wirkt, sondern bei aller Behaglichkeit innovativ und leicht. Den Duft von geröstetem Sesamöl, den ich gut kenne, vermag ich nicht wahrzunehmen, dafür ein wunderbares sanftes benzoeartiges Nasenkitzeln.
Die Haltbarkeit und Projektion ist durchaus markant, aber für einen "Intense"-Duft überraschend zurückhaltend. Das passt gut zum Wesen des Duftes, der zwar intensiv und lebendig ist, aber nicht besoffen in den Straßen rumgrölt, der emotional ist, aber dabei auch klar und präzise; geheimnisvoll, aber dabei nicht verworren. Ich liebe solche zweideutigen, nicht-festgelegten Düfte.
Derzeit habe ich eine großzügige Phase bei der Punktevergabe, was sich u.a. darin äußert, dass ich ab und zu entgegen meiner Gewohnheit alte Bewertungen mal etwas raufsetze. Also vielleicht sind 9,5 auch ein ganz klein bisschen der Begeisterung des Augenblicks geschuldet. Aber ein ungewöhnlich schöner Duft ist es, ganz ohne Frage.
Ob L'Interdit zu den Damendüften gehört, die ich mir auch an mir selbst vorstellen könnte, weiß ich noch nicht. Vollkommen abwegig erscheint mir der Gedanke nicht, aber vorerst würde ich ihn ganz den schönen Damen meiner virtuellen und realen Umwelt überlassen wollen. Mit Ausnahme meiner Lieblingskollegin, der ich natürlich alles andere als Kopfschmerzen wünsche.
Zunächst hat hier vor einem Monat Runa (über deine großartigen Fotos und erfrischenden Texte freue ich mich immer - schön dass du dabei bist!) einen leidenschaftlichen 10 (bzw. 12-) Punkte-Punkte-Kommentar verfasst. Als nächstes hat vor zwei Wochen Edda (du weißt ja, dass ich ein Fan von dir und deinen Haiku-Statements bin!) hier eine fast ebenso begeisterte Kurzrezension abgesetzt. Und letzten Freitag hat meine verehrte Lieblingskollegin mir ein Pröbchen des Dufts, das sie in der Parfümerie kostenlos bekommen hatte, mit der Bemerkung übergeben: "Für deine Tauschkiste. Der macht nur Kopfschmerzen." Das macht neugierig.
Ich komme später zum eigentlichen Duft und schleiche mich zuerst über die Akzidentialia an. Der Duft heißt nicht "Interdit" (verboten), sondern "L'Interdit", was der spannendere und vieldeutige Name ist. "L'Interdit" kann auch das Interdikt sein, eine milde Form des Kirchenbanns (als Strafe für Verbrechen oder Ketzerei). Auch wenn das vermutlich nicht gemeint ist, schwingt für den französischen Hörer diese Bedeutung aber sicher unbewusst mit. Die Hauptbedeutung ist "Verbot", aber auch "Tabu". Ich finde den Namen für diesen spannungsvollen, traumwandlerisch-elegant auf Messers Schneide tänzelnden Duft ganz angemessen.
Aufhorchen lassen auch die Parfumeure. Dominique Ropion ist einer der ganz Großen, und er hat schon oft mit Anne Flipo zusammengearbeitet. Als Koproduktionen haben sie schon su berühmte (und heterogene) Düfte wie Acqua di Gioia, Invictus und Lady Million kreiert. Ohne Anne Flipo zeichnet er für Unmengen weiterer Mainstream- und Nischendüfte verantwortlich, von Krazy Krizia, La Vie Est Belle und Alien EdP bis zu Portrait of a Lady, Oud Malaki und Vetiver Extraordinaire. Flipo wiederum hat den hochinteressanten La Chasse aux Papillons geschaffen. Als dritte kommt hier Fanny Bal ins Spiel. Lustig ist dabei, dass Acqua di Gioia einer der Lieblingsdüfte meiner Lieblingskollegin ist...
Die Marketingfarbe dieses Duftes ist schwarz, und das legt eine falsche Fährte. Denn der Dufteindruck ist es nicht. Denn emotional ist es kein düsterer Duft, sondern zwar wach und vielleicht auch erotisch gespannt, aber zugleich auch schmeichelnder, besänftigend und sogar tröstend. Synästhetisch nehme ich den Duft als vieltönig grau und braun wahr, eine Sinfonie in Anthrazit, Asche, Ocker, Siena, Chamois und Sepia.
Haptisch ist L'Interdit für mich ganz fest und dicht gewebt, so wie ein Stoff, der wärmt und Sicherheit gibt, nie zu reißen, und dennoch zugleich lind und leicht ist. Im Ganzen ist L'Interdit Intense edel, aber unprätentiös; sinnlich, aber kühl; materiell bis zur Essbarkeit, aber zugleich distanziert und abbildhaft.
Auf Stoff entfaltet sich dieses "Verbot" in eine ein wenig herbe, fast grüne, fast fruchtige Richtung, ich muss hier entfernt an Creeds Vetiver Original denken, allerdings weicher, safranartiger.
Auf meiner Haut nehme ich eine vollkommen andere Duftentfaltung wahr (und es bleibt die für mich offene Frage, wie der Gesamteindruck wäre, wenn ich eine Dame begleitete, die den Duft auf Haut und Kleidung angelegt hätte). Hier nehme ich den Duft schichtartig war, wie einen Blätterteig oder eine geologische Formation, wobei die einzelnen Schichten, in den oben beschriebenen Ocker- und Grautönen, wie ein Vexierbild mit dem Betrachter spielen:
Da sind, nach einer unverwechselbaren, höchst markanten Eröffnung, die in mir eine Erinnerung wachruft, die ich aber nicht zu fassen bekomme, ganz leicht süßliche Linien, pudrig-mehlig, Kakao, oder eher Sojamehl, die dann ihre Süße verlieren und doch vielleicht zerriebener Ton sind. Da ist eine prickelnde, klare, feinstoffliche Schärfe, ein grau trockenes Knistern, das aber dann wieder samtig auf weicher Haut ausgleitet. Da sind weit, weit entfernte Ahnungen eines weichen Saffianleders, die sich, kaum das man es greifen will, zu Bitterschokolade verwandeln.
Ohne Zweifel hat der Duft eine stark blütige Seite. Bisweilen wirkt diese dicht und schwer, Flieder und Hyazinthen kommen in den Sinn. Den Parfumeuren gelingt es aber, diese Schwere so zu durchbrechen und aufzulockern, dass L'Interdit Intense nie drückend oder altmodisch wirkt, sondern bei aller Behaglichkeit innovativ und leicht. Den Duft von geröstetem Sesamöl, den ich gut kenne, vermag ich nicht wahrzunehmen, dafür ein wunderbares sanftes benzoeartiges Nasenkitzeln.
Die Haltbarkeit und Projektion ist durchaus markant, aber für einen "Intense"-Duft überraschend zurückhaltend. Das passt gut zum Wesen des Duftes, der zwar intensiv und lebendig ist, aber nicht besoffen in den Straßen rumgrölt, der emotional ist, aber dabei auch klar und präzise; geheimnisvoll, aber dabei nicht verworren. Ich liebe solche zweideutigen, nicht-festgelegten Düfte.
Derzeit habe ich eine großzügige Phase bei der Punktevergabe, was sich u.a. darin äußert, dass ich ab und zu entgegen meiner Gewohnheit alte Bewertungen mal etwas raufsetze. Also vielleicht sind 9,5 auch ein ganz klein bisschen der Begeisterung des Augenblicks geschuldet. Aber ein ungewöhnlich schöner Duft ist es, ganz ohne Frage.
Ob L'Interdit zu den Damendüften gehört, die ich mir auch an mir selbst vorstellen könnte, weiß ich noch nicht. Vollkommen abwegig erscheint mir der Gedanke nicht, aber vorerst würde ich ihn ganz den schönen Damen meiner virtuellen und realen Umwelt überlassen wollen. Mit Ausnahme meiner Lieblingskollegin, der ich natürlich alles andere als Kopfschmerzen wünsche.
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