Mickimicki

Meine Herrn Betriebsleiter! Oder soll ich in diesem Fall sagen, meine Herrn Filialleiter?
Eben war ich mal schnell noch bei Lidl um die Ecke. Milch, Toast, Käse zum Abendessen.
Bei Lidl hatte ich vor einer Weile schon mal ein Parfum gekauft, und zwar das weltberühmte Suddenly Madame Glamour, denn im Internet war zu lesen, das röche ja genau wie Coco Mademoiselle.
Zunächst einmal für mich kein Verkaufsargument, denn ich mag Coco Mademoiselle und ihre vielen Schwestern überhaupt nicht besonders. Andererseits begab es sich eines Tages, daß die Kassenschlange bis zum Kosmetikregal reichte, und vor lauter Langeweile investierte ich die 4,29 (oder so).
Ganz manchmal habe ich es auch benutzt; wenn ich irgendwo aus irgendwelchen Gründen einen unauffälligen Eindruck machen wollte, oder auch mal auf Gardinen und Polstermöbeln (damals habe ich noch geraucht). Und jetzt steht hier das Zeug herum und harrt einer irgendwie sinnvollen weiteren Verwertung.
In der Zwischenzeit habe ich viele der Lidl-Düfte interessehalber getestet. Man steht ja oft genug dort herum. So richtig überzeugt hat mich nichts, obwohl einer der Herrendüfte (X-Men oder so?) anscheinend ein Dupe von irgendetwas ist, das ich schon hundert Mal gerochen habe, aber nicht ganz ohne Reiz finde.
Ansonsten, bäh. Meistens Dupes von Dingen, die ich nicht mag (Light Blue, Sun), oder die ich nicht wissen will.
Letztens tauchten wieder mal zwei Kandidaten auf, die ich noch nicht kannte. Aber wie des öfteren keine Tester zu sehen. Auch egal. Doch heute, lange Rede, kurzer Sinn: Heute sah ich eine aufgerissene Packung Suddenly Woman I, und machte routinehalber den Test. Auf einen Deo-Karton, man weiß ja nie. Und vor mir erhob sich ein Ausrufezeichen, und noch eins, und ein Fragezeichen hinterher:

Denn das Zeug ist gut!

Na klar, ein Dupe. Aber von was?

Und richtig gut!

Das Stück Pappe vom Karton abgerissen, noch eine Ladung draufgesprüht und mir den Kopf gekratzt: was ist das denn noch gleich? Das kenne ich doch in- und auswendig. Schon ewig!

Dann muß es wohl aus den 80ern stammen? Aber dafür riecht es irgendwie nicht unzeitgemäß genug. Nicht schwer genug. Diese Leichtigkeit, diese Spritzigkeit, dieser samtige, seidige Charme - was, wann, woher?

Lange Minuten stand ich mit meinem Pappstreifen in der Schlange, schnüffelte, runzelte die Brauen und erntete amüsierte Blicke. Der Duft wollte und wollte nicht eklig werden. Ganz im Gegenteil, er blieb außergewöhnlich köstlich. Und immer noch so wohlvertraut. Ja Menschenskind, wie viele Düfte kenne ich denn überhaupt so gut?

Und dann zuhause beim n-ten Schnuppern fiel endlich der Groschen. Bzw. der Fünfer (haha). In Zeitlupe!
"Aldehyde. Seife. Seife? Klingt nach No. 5. Aber das kann ja nicht sein. Ist es also Tosca? Aber nein, riecht nicht wie meine Tante Elisabeth. Also kein Tosca. Dann müßte ja doch No. 5 sein.

Das IST No. 5!

Haha, absurd. Bei Lidl. Das würden sie nicht wagen. Nicht hinkriegen. Und vor allem, das würden sie nicht machen, heutzutage, oder? Die machen Coco Mademoiselle, Light Blue, Jil Sander Sun..."

Doch, sie wagen es, sie machen es, und nachdem ich meinen ungeheuerlichen Verdacht hier im Forum bestätigt finde, können sie es sogar. Wenn also meinem Stück Pappkarton in den nächsten paar Stunden keine unangenehmen Überraschungen entströmen, wird diese "No. I" (haha) ganz "Suddenly" bei mir einziehen. Schon allein um meinen Hut vor Lidls Chuzpe zu ziehen.
Und natürlich: zum Benutzen! (Man kommt doch irgendwie nie dazu, endlich mal ein No. 5 zu kaufen, obwohl man schon immer dachte, man sollte doch welches im Haus haben.)

Nachtrag...
heute habe ich dann meinen Sohn zum Essenkaufen geschickt, damit ich nicht zugreife... Denn ich bin im Souk über einen Wunschlistenkandidaten gestolpert, der einfach sein mußte. Also bleiben die 5 Euro für die Lidl-Nr. 5 vorerst im Sparstrumpf. Vorsichtshalber werde ich aber den Verlauf des Abverkaufes im Auge behalten...

Zenkido hat den Duft schon treffend beschrieben - bis auf die Kopfnote. So richtig konnte ich sie zwar auch erst im 2. bis 3. Anlauf (auf wohlgecremter Haut) würdigen, aber dann umso mehr.

Johannisbeere und Grapefruit kann ich zwar auch nur mit Fantasie tentativ isolieren, aber auf jeden Fall beginnt dieser Duft eminent eßbar und fruchtig. Um dann "vor meinen Augen" bzw. meiner Nase via quittenähnlichem Loukhum/Rosengelee/sonstigen raffinierten Orientalischen Leckereien ins Geranien-Blumige zu morphen. Und das, wie Zenkido schon lobend erwähnte, ohne ein Gramm Zucker zu viel, und in einwandfrei "männlicher" Gewürz- und Holzbegleitung.
Schade nur, daß diese charmante Kapriole so schnell vorbei ist! Ich habe schon einige Male nachgelegt, weil es mir so viel Spaß macht. Ich glaube fast, das ist irgendwie "für Frauen gedacht", im einen oder im anderen Sinne. Riecht gut am Manne, aber gut tragbar für "Frauen, die gern Herrendüfte tragen". Wenn Ihr versteht, was ich meine.

Die Holz/Vetiver Basis ist nicht weiter spektakulär, aber geschmackvoll, trocken und transparent. Zwischendurch fand ich sie auch mal etwas dünn, doch das dürfte auch dosis- und wetterabhängig sein, bzw. meinem Aufmerksamkeitsdefizit geschuldet... und soll nicht etwa fade oder langweilig heißen.

Sondern freundlich und sauber. Nicht seifig oder pudrig, sondern einfach "frisch gewaschen". Keine Spur von aufgebohrter Dauerfrische. Das Nadelgehölz (Tannenbalsam laut Noten) ist maßvoll dosiert und drängt sich nicht auf. Und es wartet auch keine künstliche Holz- oder Amber-Keule oder sonstige Migränequellen, die einem den Drydown vermiesen können.

Wenn ich nicht wüßte, daß das ein italienischer Duft ist, würde ich wahrscheinlich auch nicht erraten, aber da ich es weiß, finde ich, ja, das paßt. Sommergeeignet, frisch, ein Schuß Nadelholz; mit Leichtigkeit elegant, auch klassisch in dem Sinne, daß dieser Duft nirgends unangenehm auffallen würde. Und dazu die augenzwinkernde Kopfnote, die man einfach gernhaben muß. Das nennt man dann wohl Bella Figura!

Ich weiß nicht, wen ich mehr liebe, Lolita selbst (Le Premier Parfum), oder ihren Bruder Au Masculin. (Bruder? Liebhaber? Gatte? Vermutlich ist es wie bei den Whites... sie wissen es selbst nicht so genau, oder jedenfalls verraten sie es nicht).

Das ist auch ganz egal, den Au Masculin ist für mich einer der unisexesten Düfte, die ich kenne. Und dabei äußerst sexy, was ich mit der heftigen Lebkuchen-Note ganz besonders beachtlich finde, fallen solche Gebäcke doch eher unter "good clean family entertainment". Aber das hier ist ab 18, dafür sorgt schon ein wohldosierter Schuß Rum, und darunter spätestens ab der Herznote etwas erdiges, ungeheuer Verruchtes, das mich latent in Gefahr bringt, mir in der Öffentlichkeit konspirativ am Unterarm zu schnuppern. Mich dann auch noch in Veilchen zu verlieren und zum n-ten Mal zu fragen, wie ein "Herren"-Parfum so dermaßen cool sein kann.

(Ein Edit: Die Lebkuchen werden wahrscheinlich mit Absinth-und-Rum-Punsch in einer zweisamen Berghütte verzehrt, in der es nach kaltem Zedernrauch duftet; der Hausherr verwendet Veilchen-Aftershave. Beispielsweise.]

Eigentlich wurde alles zu diesem Duft hier auch schon gesagt... aber ich kann nicht anders, als mit allen anderen Verliebten noch ein weiteres Loblied anzustimmen.

Der erschwingliche Preis tut ein Übriges, damit man diesem Genuß reichlich frönen kann!

Und übrigens, nicht nur preislich schlägt AM seinen "Mitbewerber" A*Men für meine Nase um Längen, wenn es um die Krone der männlichen Gourmand-Urgesteine geht. Im direkten Vergleich schmiert der Mugler sang- und klanglos auf einer Pfütze geschmolzener, schon etwas älterer Schokolade ab...

[Noch ein Nachtrag... beim A*Men möchte ich mich entschuldigen... hatte doch ein bißchen schlechtes Gewissen ob meiner Behauptung, habe mal wieder getestet, und spreche den Drydown wieder frei. Er ist auch echt lecker. Aber anders. Und nur bis 23° Celsius!]

Zu meiner großen Freude ist eine Abfüllung des neuzeitlichen Baghari bei mir eingezogen.

Ich besaß schon seit längerem eine mehr oder weniger "vintage" Miniatur. Leider habe ich keine Ahnung, wie alt sie ist, und welche Konzentration, für ein EdT kommt es mir sehr intensiv vor. (Habe ein Bild hochgeladen, wäre toll, wenn jemand die Mini altersmäßig einordnen könnte.) Der Mini hat jedenfalls die klassische "gekippte" Kopfnote. Nach wenigen Minuten kommt dann etwas höchst aldehydiges zum Vorschein, No. 5 läßt selbstverständlich grüßen - aber nicht nur.
Ich habe kein gutes Näschen für Noten, mein Geruchssinn kann nur die Harmonien oder Duftakkorde unterscheiden und vergleichen, und in diesem Sinne ist (altes) Baghari für mich eine perfekte Kombination von Damen- und Herrenseife - und zwar aus einem längst vergangenen Jahrzehnt. In ausgeschmückter und polierter Edelversion, selbstverständlich: einmal Lux (bzw No.5), einmal Gewürzseife (bzw. Old Spice) in der Schublade. Oder auch einen klassichen Tabac Original... Und dazu geben wir noch etwas Pflaumenmus für mehr Würze und Süße.
[Zusatz: Zunehmend drängt sich etwas süßes, trocken-orangiges in den Vordergrund, Orangeat oder vielleicht italienische Orangen-Geleefrüchte.]
Das ganze hat einen pudrigen, cremigen Schmelz, der mich vielleicht im Geiste an Habanita erinnert, und darunter unabsehbare Tiefe, in der man sich durchaus verlieren kann.
Was der Duft nicht ist: modern!

Nun ist also der neue da.
Mein allererster Eindruck: Den wird mein Sohn lieben!
Warum? Weil er ein ganz großer Fan von Räucherhütchen ist. Es ist ganz leicht, ihm im Winter eine Freude zu machen, man muß nur eines anzünden.
Genau das ist für mich der bestimmende Charakterzug des neuen Baghari. Räucherhütchen - und zwar die Dinger, die im Advent für Räuchermännchen verkauft werden, NICHT die typischen mehr oder weniger asiatischen Räucherstäbchen!)
Dazu heißes Kerzenwachs, kaum gesüßter Glühwein und Früchtebrot, auch das nicht zu süß - und das ganze eingebettet in ein aldehydig-seifiges, pudriges Rosenparfum.

Wo mein altes Baghari schwer, orientalisch-amberig daherkommt, wirkt das neue leichter, transparenter, wie Räucherwerk, das sich wegpusten läßt. Das alte zieht in die Tiefe, das neue in die Höhe.

Und ich möchte das unbedingt mal an einem Mann riechen, der sich darauf einläßt. Im Winter könnte das unwiderstehlich sein!

Die Kommentare zur früheren Inkarnation dieses Duftes sind recht verheerend, die Bewertungen auch. Fast hätte ich ihn überhaupt nicht probiert! Dann griff ich beim Online-Schlussverkauf doch zu und kaufte unter einer Handvoll 10ml-Sprays zum halben Preis auch diesen. Denn Geschmack ist halt Geschmackssache, und ich "leide" oft genug unter ein bißchen Exzentrik.

Wie beim Essen: ich habe manchmal das Gefühl, ich bin die einzige Person auf Erden, die keinen Thunfisch mag, kein Hähnchen, und auch keine Buttercreme - und (so ist es nun mal) z.B. auch die einzige Person über 13, die von Fondant-Eiern fast nicht genug bekommen kann...
Und, um zum Thema zu kommen, auch nicht von Gelee-Bananen.

Hier ist das erste, was man riecht, ebenfalls vordringlich Banane. Nicht im Stile künstlicher Bananenaromen, eher tatsächlich wie eine schon ziemlich schwarz angelaufene übriggebliebene in der Obstschale. Vermutlich zum lieben oder hassen? Ich liebe natürlich, auch wenn das zwar gut, aber nicht direkt nach Parfum riecht.

Wenn sich die Bananenwolke dann etwas gelüftet hat, erscheint ein ganz entzückendes kleines Gedicht. Cremig aber nicht erstickend, ein bißchen harzig, und fruchtig, aber überhaupt nicht süß. Würzig-fruchtig, ich stelle mir einen Garten voller tropischer Früchte vor, die so reif sind, daß schon einige herabgefallen sind und auf dem Boden vor sich hingären.
Wohingegen die restlichen Noten enorm elegant sind. Die Kamille hätte ich nicht erkannt, weil ich mir Kamille in so einer prickelnden, verführerischen Rolle nicht hätte vorstellen können. Sie spielt da mit irgendeiner anderen Zutat ein fantastisches Duett, und ich wollte, jemand von den Supernasen könnte mir erklären, was da eigentlich was ist, und was dazwischen vorgeht -

jedenfalls ist das ein Duft, den ich schon etliche Male mit großer Freude benutzt habe, und der mir jedesmal ein Lächeln entlockt. Ich kann nur hoffen, daß ich noch einmal an Nachschub komme, denn Lush hat das Zeug wohl jetzt wirklcih nicht mehr im Programm.