Millefiori

Der hat es aber eilig!!
Noch bevor man das Wort K e n z o buchstabiert hat, ist er schon auf und davon!

Ein flüchtiger Blick, ein schwach angedeutetes, mit bloßem Auge kaum wahrnehmbares kühles Lächeln - und schon ist er davon geeilt! Mag er mich nicht? Auf jeden Fall ist er sehr distanziert.

Kurz und Gut?
Nein, eher kurz und schmerzlos.

Hier ist nichts, was mich wirklich stört.
Die Mandarine kullert leicht süß-fruchtig vorbei, die Minze versteckt sich, von Pfeffer bei mir leider keine Spur. Die Lotosblüte wirft dem unreifen Pfirsich ein scheu-niedliches Kusshändchen zu, bevor sie auf einem weichen Stück Zedern-Treibholz den Bach hinunter dümpelt.

Nach nicht einmal einer Stunde ist schon alles gesagt. Nur -- was?
Meine Haut spricht wohl kein aquatisch.

Danke an Peanut für diese zart - flüchtige Dufthauch-Bekanntschaft!

ist in der römischen Mythologie die Göttin der Blüte, der Jugend und des fröhlichen Lebensgenusses. In allegorischen Darstellungen der vier Jahreszeiten verkörpert sie den Frühling.

Flora von Gucci startet fruchtig-süß. Sehr süß. Ich nehme sehr deutlich frisch geschälte Mandarine wahr, sehr reif, sehr lecker, doch schon nach ein paar Minuten wird das Fruchtaroma überlagert von einem muffig-stechenden Geruch, der mich an stundenlang-in-einer-Plastiktüte-vergessene Mandarinenschalen erinnert.
Diese Note begleitet den Übergang zur Blumigkeit, die nun mit der schweren Süße von Osmanthus einsetzt. Ich muss allerdings gestehen, ich habe noch nie an Osmanthusblüten gerochen, ordne ihnen aber diese etwas stickige Süße zu, da ich Rose und Pfingstrose kenne, diese beiden hier aber gar nicht wahrnehmen kann.
Über mehrere Stunden verharrt der Duft nun, bleibt süß-schwülstig auf meiner Haut, immer noch untermalt von etwas muffig-fruchtigem.
Erst in der Basis -ich habe lange darauf gewartet - nimmt das Sandelholz dem Süßen die Schwere. Und jetzt, endlich, darf die Rose ihre fein-herbsüße Pudrigkeit besänftigend zum Duftausklang beisteuern.

Auf meiner Haut ist die Haltbarkeit (zu) gut, vielleicht kommt es mir auch nur deshalb so vor, weil mich hier einiges stört. Die Eindimensionalität in der Duftentwicklung mag der Grund für den etwas synthetischen Eindruck sein, den "Flora" bei mir hinterlässt. Insgesamt würde ich mir für einen "Blüten-Göttinen-Duft" mehr echte Blumigkeit wünschen.

Dieses Parfum war das Geschenk eines guten Freundes. Flora und ich, wir sind keine Freundinnen geworden. Der gute Freund aber ist zum Glück immer noch einer!

Was für ein Tag!
Arbeit, Arbeit, Arbeit, mit quietschenden Reifen nach Hause, schnell andere Klamotten an, Käsebrot auf die Hand, was liegt da? Der Götterbote war da - so schnell - auch er muss außer Atem sein!
Mit zitternden Fingern, schnell, die Zellophanhülle runter, Karton auf, Flakon, ooohhh soo wunderschön, jetzt nur nicht fallen lassen, aber nein, der fällt nicht runter, so ein Handschmeichler, man möchte ihn nie wieder loslassen! Soll ich - so in Eile, ein Frevel, aaber jaaa, ich will, nein, ich MUSS - jetzt - SOFORT!! Metalldeckel ehrfurchtsvoll hochheben, 3 Sprüher - hoffentlich---hhmmm- jaaa- herrlich - ich wusste es! Ein Volltreffer! (Ein Blindkauf! Euren wunderbaren Kommentaren sei Dank!)
Schuhe an, es klingelt, voilà meine Freunde, ins Auto, los geht's.
Die knapp 100 km nach Köln - mhhh dieser Duft, berauschend - ich bemerke sie kaum.
Blue Shell, ein Konzert von Yodelice.
Viele Menschen, in dem blauen Licht etwas fremd, drängen sich vor der Bühne, um mich herum überwiegend französisch, es scheint, als ob sämtliche französischen Austauschstudenten heute Abend hier sind. Rumeur füllt den Raum, ein Rumoren, diese ganz spezielle Geräuschkulisse, die entsteht, wenn Menschen in freudig gespannter Erwartung angeregt miteinander plaudern.
Da kommt er, Maxim Nucci mit seiner Band -- der erste Gitarren-Akkord -- eine Klarheit und Direktheit, zauberhaft, behutsam, Bass und Schlagzeug setzen ein, kraftvoll, faszinierend, in perfekter Harmonie.
Es wird immer enger vor der Bühne, wärmer, die Mädchen zwirbeln sich die langen Haare im Nacken hoch, der Rhythmus lässt einen nicht still stehen, die Musik geht durch den ganzen Körper - Schnappatmung---und dann, ganz am Ende, endlich, spielt er dieses Lied...
Ich hole ganz tief Luft -- und dann stockt mir der Atem - stehe da wie gebannt - um mich herum verschwimmt alles - da ist nur diese Stimme, sanft und gleichzeitig fordernd - dieses Lied, zärtlich-sehnsuchtsvoll, untermalt von Gitarre und Cello, trifft mitten ins Herz, sein Bann hält mich gefangen:

"Talk to Me"

An diesem Abend habe ich mich verliebt. In Yodelice? Mais oui - vor 20 Jahren bestimmt.
Nein, ich habe mich in einen Duft verliebt. Ein Duft voller Poesie und Klang.
"Talk to Me"---RUMEUR, ja dieser Duft spricht zu mir.

Ein frischer Morgen im Mai des Jahres 18..
Sonnenstrahlen brechen durch den Frühdunst und tauchen die Straßen des südfranzösischen Ortes in ein goldgelbes Licht. Junge Mädchen haben körbeweise Blütenblätter auf das Pflaster gestreut, es leuchtet in allen Farben, weißer Jasmin, zartgelbe Rose, blaues Veilchen, rosa Magnolie.

Erwartungsfroh drängen sich die Menschen am Straßenrand, um SIE zu sehen, die junge Kaiserin. Dann kommt sie endlich, eine anmutige Gestalt, gekleidet in hellrosa Musselin. Ihre Bewegungen sind geschmeidig und graziös, bei jedem Schritt schwingt der Saum ihres duftigen Kleides, wirbelt hunderte von Blütenblättern in die Luft, ihr berauschender Duft füllt die engen Gassen. Vor der Kirche reichen Kinder ihr einen Korb voller duftender Früchte, lächelnd nimmt sie sich einen Pfirsich.

Dieser sehr romantische Duft ist ein zartes Gebilde aus Blumen- und Fruchtakkorden, die ich im Einzelnen gar nicht deutlich herausfiltern kann, doch der Gesamteindruck ist wunderbar harmonisch, sanft, charmant, lieblich und klar. Sein Strahlen ist nicht glamourös im Sinne von "spektakulär", eher unterstreicht er die natürlich-dezente Eleganz seiner Trägerin. Bei jeder Bewegung spürt man diesen zarten Dufthauch, nach vielen wunderbaren Blütenstunden untermalt von weichem Sandelholz und cremiger Vanille.

Die Rose in diesem Theaterstück ist keine zarte Knospe, die nervös lächelnd, lieblich und noch unerfahren, zögerlich die Bühne betritt, um in ihrer ersten Nebenrolle ein paar Erfahrungen zu sammeln.
Diese Rose spielt die Hauptrolle! Sie weiß das.
Sie nimmt den ganzen Raum ein, ihre große gelbe Blüte zieht alle Blicke auf sich, sie sagt:"Hier bin ich, Rose, liebt mich oder hasst mich! Ein Dazwischen gibt es nicht!" mit ihrer klaren und eindringlichen Stimme. Sie will nicht gefällig sein, sie ist was sie ist: der unangefochtene Star des Ensembles. Ihre Präsenz ist magisch. Die anderen Duftspieler haben allenfalls Statistenrollen, sind nur dafür da, SIE noch mehr strahlen zu lassen. Sie wissen das.
Dennoch ist sie nicht eitel, muss niemandem, und am allerwenigsten sich selbst, etwas beweisen. Sie ist ganz sie selbst.
Die Besetzungsliste ist irreführend: Miss Charming ist eine Misses. Die Catherine Deneuve unter den Rosen.
Um diesen Duft tragen zu können, muss man Rosen lieben. Dann wird man, nach einem sehr kurzen fruchtigen 1. Akt, die ganze schöne Vorstellung hindurch, und auch noch bis in die späte Nacht, von einem wunderschönen, intensiven und authentischen Rosenduftschleier umgeben.

Nachtrag 8.3.12: Jeden Tag könnte ich Misses Charming nicht um mich haben. Denn auch zwischen uns Beiden ist die Rollenverteilung klar: SIE begleitet nicht mich. Ich begleite SIE. Dieser Dominanz (ich hatte wohl die Pistole in dem Stück übersehen!) kann man nur an einigen starken Tagen standhalten.