Palonera

Palonera

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6 - 10 von 467
Palonera vor 4 Jahren 26 16
8
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8
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7
Duft
Eindruck. Ausdruck.
Der erste Eindruck und auch noch der zweite:
ein Herrenduft wie allzu viele heute,
ganz frisch geduscht und frei von jedem Mief.
Beinahe stündlich hab' ich ihn gerochen
und täglich wird er hier und dort besprochen,
bewertet nie zu hoch und nie zu tief.

Dann wird er herber, krautig-kühl und klar,
ganz leicht anisig, heuig, wunderbar
wie wildes Land unter dem Sonnenglast.
Ich rieche Pfeffer, Lorbeer, trock'nes Holz,
seh' einen alten Mann, gebeugt, voll Stolz.
Ein Esel trägt des Alten schwere Last

durch die Macchia, über Stock und Stein.
Bald bricht die Abenddämmerung herein,
deckt über Land und Licht ein dunstig' Tuch.
Ich bin im Haus, vor mir der alte Tisch.
Die Bleistiftmine ist gespitzt ganz frisch,
füllt Seit' um Seite mit mir in dem Buch.

Ein Feuer knistert drüben im Kamin.
Sein Rauch vermischt sich mit dem Rosmarin
und all den Kräuterbündeln im Gebälk.
Mein Blick geht aus den Fenstern in die Nacht.
Ein Hauch von Weihrauch. Eine Kerze wacht.
Die Hand in meiner ist ein wenig welk.

Und so bleibt der Duft auf meiner Haut,
wird mir Stund' um Stunde mehr vertraut,
bleibt den Tag und auch den Abend noch.
Ich empfinde ihn als maskulin,
pfeffrig, holzig, wenig feminin
und für Herren alltagstauglich – doch!


PS: Aava - danke!
16 Antworten
Palonera vor 4 Jahren 57 29
9
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
"Das bist du!"
Er galt als das Enfant terrible der italienischen Haute Couture und teilte sich diesen Titel über Jahre hinweg mit dem Franzosen Jean Paul Gaultier – Franco Moschino, Ausnahmetalent und Revoluzzer, selbstironischer "Hofnarr" und Botschafter zugleich, der mit seinen außergewöhnlichen, provokativen und dennoch stets tragbaren Creationen dem Establishment Stirn und Spiegel bot.

Moschino, der bei Versace gelernt und gearbeitet hatte, wehrte sich zeit seines kurzen Lebens dagegen, den Gesetzen der Modeindustrie zu folgen - er warf ihr vielmehr Dekadenz und Groteske, bedingungslose Profitgier und Seilschaften vor und wurde doch, je mehr er sie schalt, nur umso heftiger geliebt, gelobt und rauschend gefeiert.
Und in seltener Aufrichtigkeit zutiefst betrauert, als er, nur 44jährig, im September 1994 an den Folgen einer HIV-Infektion verstarb.

Zu jenen, die trauerten, gehörte auch ich.
Ich hatte ihn gemocht, diesen wilden Jungen, der Freddy Mercurys Geschwist hätte sein können, so frappierend erschien mir auf manchen Bildern ihre Ähnlichkeit.
Ich mochte das Lässig-Unernsthafte seiner Kleider, das augenzwinkernde Lausbubengrinsen, die mit Friedenssymbolen und Herzen bedruckte Jeansjacke, für die ich mehr Geld hatte ausgeben müssen, als ich mir eigentlich leisten konnte.
Ich mochte den Gürtel mit den goldenen Lettern, der seinen Namen trug, den eine Handvoll Freunde mir zum Geburtstag geschenkt hatten und der noch heute in meinem Schrank liegt, obwohl er mir längst nicht mehr paßt.
Und am liebsten, am allerliebsten mochte ich seinen Duft, den ersten, den einzigen, der jemals so etwas wie Signatur war, den ich wieder und wieder nachkaufte über die Jahre hinweg.

Ich war 19, als wir uns begegneten, "Moschino" und ich.
Es war die Zeit in meinem Leben, in der fast alles grün-weiß-rot war, ein Kaffee nur gut, wenn er Espresso hieß oder Cappuccino, die Kekse dazu Cantuccini, Amarettini vielleicht noch.
Pizza und Pasta waren Grundnahrungsmittel, ein Duft per se beachtenswert, wenn er nur aus dem Stiefel kam.
Meine Stilikone war einen Kopf kleiner, gebürtige Venezianerin mit einem Faible für High Heels, in denen ich nicht einmal stehen, geschweige denn in ihrem Tempo laufen konnte.
Eines Tages brachte sie ihn mit in Giuseppes winzige Trattoria, in der wir uns häufig trafen, stellte ihn vor mir auf den Tisch und sagte: "Das bist du!"

Und damit, schien es, hatte sie nicht unrecht.
Nie zuvor und selten danach sprach man mich so oft auf einen Duft an, verband man mich so sehr mit ihm wie an den ungezählten Tagen, an denen ich hernach "Moschino" trug.
"Das Täubchen ist da!" hieß es zwei geöffnete Bürotüren weiter, wenn ich morgens nach dreißig Minuten Fußweg den Schreibtisch erreichte, zerzaust vom Wind, frisiert vom Wetter.
"Moschino" war, wiewohl kein Vorschlaghammer, kraftvoll und beständig, er blieb vom frühen Morgen bis in die späte Nacht.
Er hüllte mich in warmes Glimmen, in altes dunkles Gold, in Samt, Brokat und Terracotta.
Er richtete den Rücken und die Schultern in die Gerade, stellte meine Füße fest auf jeden Untergrund.
Ein Duft wie ein Palazzo, zeitlos, edel, von morbider Eleganz – bröckelnde Fresken, blätternder Putz, an der Decke ein alter Michelangelo.

"Moschino" schmiegt sich an, doch kuscht nicht, kuschelt nicht – die Wärme, die er ausstrahlt, täuscht nie hinweg über Ecken, Spitzen, Kanten, über Widerwort und Eigensinn.
Er trägt die Handschrift seines Schöpfers, seines Namensgebers – trotz aller Eulenspiegelei und aller Kapriolen legte Franco Moschino stets sehr viel Wert auf wahren Wert, nicht nur den monetären, sei es bei seinen Kleidern, sei es bei diesem Duft.
Und vielleicht ist es nun, gut drei Jahrzehnte später, an der Zeit für Flacon Nummer Sechs.
29 Antworten
Palonera vor 4 Jahren 66 31
6
Sillage
6
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8
Duft
Summer of Twenty-Three
Novembergrau stand draußen vor den Fenstern – der Himmel wolkenschwer, die Scheiben reich beperlt.
Den ganzen Tag hindurch hatte er geweint, der Himmel, hatte meine Haut gefröstelt, meine Seele schließlich auch.
Auf der Suche nach ein wenig Wärme, nach Licht und Tröstemich fand ich weiche Wolle, Kuschelsocken, ganz unerwartet schließlich auch noch dich: ein kleines, flaches Fläschchen, unberührt, gefüllt, so schien es mir, mit Sonnengold.
"L'Instant de Guerlain", 16 Jahre alt.

Es war der heißeste Sommer seit Menschengedenken, seit Täubchengedenken – nie zuvor, soweit ich mich erinnern konnte, wurden im Ruhrgebiet Werte gemessen wie jene im Sommer 2003.
Sie ließen die 30-Grad-Marke unbeeindruckt hinter sich, umtänzelten die 40, drehten den Schweißtropfen eine Nase und killten die Klimaanlage in jenem ICE, der mich zu ihm brachte, zu ihm, dem Unbekannten und mir doch so Nahen, nach Berlin.

Wir waren einander begegnet vier Monate zuvor, begegnet in irgendeinem Chat, fremd noch, neu noch, hatten "Hallo!" gesagt und "Wie geht's Dir?", was man so sagt halt am Anbeginn der Zeit.
Ich war nicht auf der Suche, nicht nach mehr als nur ein wenig Zeitvertreib, einem Schwätzchen hier und da.
Und nun, an diesem Morgen, war ich auf dem Weg zu ihm - sein Bild in meinem Kopf, das Herz im linken Schuh.

Blau waren seine Augen, türkisblau wie der Himmel über der Lausitz, wie das Wasser im Baggersee.
Wir lagen Hand in Hand dort auf dem Rücken, die Haut verklebt von Sonnenmilch, paniert vom Sand.
Wir fütterten einander mit kandierten Früchten, mit Aprikosenmarmelade, kleckerten und küßten sie dann fort.
Er vergrub seine Nase in Cocos "Mademoiselle", mein Kopf lag auf dem Sonnengold seiner Haut.
Wir sahen die Sonne untergehen in Bernstein und Apricot, hüllten uns in den schwarzen Samt der Nacht, erzählten uns von den Sternen und den Steinen unserer Zeit.
Wir teilten Stunden, Tage, Wochen – zwei ganze Jahre lang.
Als er ging, trug ich "Allure".

"L'Instant de Guerlain" beamt mich zurück in dieses Jahr, in diesen Sommer, zu diesem Mann.
Sechzehn Jahre sind seither vergangen – der Duft läßt sie mich überbrücken mit nur einem Atemzug.
Er trägt die Sonne jener Tage in sich, ihren Duft und ihre Wärme, unbeschwert und sinnlich und entschieden feminin.
Ein Duft, verschwistert mit den Chanels, geprägt vom Aufbruch in die neue Zeit – nicht unbekannt mit seinen sonnenwarmen Früchten, mit seinem Bouquet dichter, reicher Blüten, mit seinem Honigharz, jedoch nicht laut mehr, nicht machtvoll-opulent wie "Roma" und "Venezia", wie meinetwegen auch "Laguna".
"L'Instant de Guerlain" ist sanfter, leiser, weicher auch, getupft zumindest, nicht gesprüht auf meiner Winterhaut.
Und tröstlich.
So sehr tröstlich wie der Freundin warmer Arm.
Nicht nur an jenem Tag, an dem die letzte Rose brach.
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Palonera vor 5 Jahren 51 25
5
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6
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8
Duft
L'île des fleurs et des rochers roses - oder: Dialog mit Nase
"Feige!" sagt meine Nase und hebt irritiert die benachbarten Brauen. "Hattest du nicht etwas von Sandelholz gesagt?"
"Eigentlich schon", überlege ich und beäuge kritisch den Sprüher.
"Santal 33" steht darauf.
Er kommt von Le Labo wie all die anderen Sprüher auch, mit denen wir uns schon beschäftigt haben, Nase, Haut und ich.
Meist ist drin, was drauf steht, zumindest ungefähr.
Diesmal jedoch: "Feige – immer noch. Das Holz, das Blatt, die Milch. Aber kein Fruchtfleisch, kein süßer Saft. Und Meeresluft – kann das sein? So wie damals auf der Île de Bréhat, weißt du noch?"

Ja, ich weiß es noch – rauhe, salzige Meeresluft, zerklüftetes Geklipp, der Wind, der mir die Haare ins Gesicht weht, an meinen Kleidern zerrt, wüst und wild.
Dabei wirkt sie so friedlich, die Insel, unten im Süden, mit ihren abertausend Bienchen und Blümchen rund um Saint Michel, die alte Kapelle, mit den fast schon kitschig grünen Wiesen, wo direkt vor unseren Augen eine Kuh ihr Kalb gebar.
Und den Feigenbäumen, den ungezählten Feigenbäumen mit ihrem holzig herben Grün, das bitter ist in seinem Duft und doch den Saft im Mund zusammenzieht.

"Hör auf zu träumen!" reißt mich Nase aus den Erinnerungen. "Hast du wieder die alte Lederjacke an? Die braune wildlederne, deren Ärmel mal beim Inder in die Soße kam?"
Nein, habe ich nicht – aber ich weiß ganz genau, was meine Nase meint.
Leder ist da, samtig-wildes Leder, ein bißchen angekleckert offenbar von würzig-dunklem Saft, wer weiß woher.
Und Rauch, etwas holzig, etwas harzig, heilig nicht so sehr – ein bißchen aber doch, ganz weit hinten, eingebildet vielleicht nur.
"Hast du Holz gesagt?" fragt Nase, plötzlich helläugig geworden.
Ja, Holz ist da, ganz sicher – dunkles, weiches, anpoliertes Holz.
"Sandelholz?!"
"Würde ich nicht sagen – so weich ist es nun auch nicht, balsamisch gleich gar nicht, viel zu dunkel noch dazu. Zeder…? Ja, doch – ein bißchen Bleistift käme hin, nur ohne Mine", überlege ich, die Nase dicht am Handgelenk, langsam atmend und behutsam, "und Puder – mauvefarben-glatter Puder, ganz wenig nur, ganz fein. Was sagst du, Nase? Hab' ich recht?"
"Hast du", läßt mich Nase nicken, "und Salzlakritz ist da, lugt manchmal um die Ecke, spielt Versteck. Und irgendwas aus deiner Küche, das du in die Orientgerichte tust, irgendwas mit K."
"Kubebenpfeffer?"
"Weiß nicht – kann sein. Vielleicht auch Kardamom oder Koriander. Frag mal die Zunge, die weiß sowas besser."
Doch die Zunge hält sich heraus und schweigt.

"Warst du in der Sauna?" fragt mich Nase ein paar Stunden später. "Du riechst nach Wellness, nach ätherischen Ölen, nach Kampher, Eukalyptus - irgendwie gesund!"
Recht hat sie, denke ich und atme tiefer.
Kühl und warm zugleich ist das, was nun von meiner Haut aufsteigt, mich umgibt wie eine Aura, hell und dunkel, blättrig holzig, rauchig und zugleich doch ätherfrisch, geriebenes Gewürzkorn neben grünem Felsenmeer.
Jeden Tag ein wenig anders, mal eher grün, mal eher braun, stets kraftvoll untermalt von einem stumpfen, satten Grau.
Ein wenig bitter, herb und spröde – nicht wirklich greifbar und von tiefer Faszination.
Wie L’île des fleurs et des rochers roses.


PS: Ergoproxy - danke!
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Palonera vor 5 Jahren 40 14
8
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10
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8
Duft
kein halber Hahn
"Kann ich den haben?" hatte er gefragt, der Mann an meiner Seite.
"Kann ich den haben, wenn Du mit Testen fertig bist?"
Hoffnungsvoll klang das, nach Habenwill klang das – ich mußte nachfragen, um sicher zu gehen, ihn richtig verstanden zu haben.
"Doch, doch, der ist toll!" sagte der Mann, der sich selten begeistert für die Düfte, die ich teste, die ich trage – "Ferragamo pour Homme" hatte es ihm angetan vor vielen Jahren, irgendwann gefolgt von "Tuscan Leather", "Fields of Rubus" - sehr viel mehr gibt meine Erinnerung nicht her.
Und nun das.
"Kokorico", den Hahn, den wollte er haben.
Ausgerechnet den.

Dabei ist es nicht so, daß ich ihn nicht verstünde.
Keineswegs.
Der Duft mit dem albernen Namen ist schön.
Wirklich schön.
Dann, wenn man Düfte dieser Machart mag.
"Kokorico" ist ein warmer, weicher, dunkler, samtiger, dabei durch und durch maskuliner Duft, den frau trotzdem und ohne Bedenken tragen kann.
Wenn sie ein wenig achtgibt bei der Dosis – weniger ist hier entschieden mehr.
Das mußte ich erkennen am allerersten Tag, als der Schwall aus dem Apo-Tropfer doch zu groß war.
Da wurde er laut, der Hahn, sehr laut – zuviel Ambroxan, zuviel Testosteron stiegen auf von der sonnenwarmen Septemberhaut, vernebelten meine Sinne und drückten etwas heftig auf den Bauch.
Das war mir eine Lehre, die folgenden Tage ging es behutsamer ans Werk.

Was immer uns die Pyramide auch erzählen mag: Vollständig ist sie nicht.
Ambroxan wird unterschlagen, da bin ich ziemlich sicher, und vermutlich auch laborielles Oud.
Anders kann ich mir die warme Würze, das dunkeldichte Tief, das zarte Kratzen nicht erklären, das "Kokorico" auf meiner Frauenhaut verströmt nach einem kaum zwei Wimpernschläge langen Auftakt aus wässrig-hellem Grün, latenter Frucht.
Das kann Feigenblatt sein, keine Frage, aber auch das Blatt an beinah' jedem Baum, der Früchte trägt im Süden wie im Westen.
Sie ist so schnell dahin, die Frische, daß ihre Funktion, ihr Sinn und Zweck sich nicht erschließt – vielleicht ist es der junge Morgen, der anbricht vor dem ersten Hahnenschrei, mag sein.

Nach diesem kurzen Hauch von Frische wird es auch schon (wieder) dunkel – Harze und geweihter Rauch verbinden sich mit Bleistiftzeder und einem feinen Süß, das eher schokoladigem als gruftigem Patchouli zu entstammen scheint.
Kakao als solchen kann ich nicht erkennen, nicht den bitter-öligen, den meine Nase kennt.
Dafür – ich schrieb es schon - viel Ambroxan, viel Holz, viel Oud.
Ein bißchen Salbei vielleicht auch.
Nicht mehr.
Und ganz gewiß nicht weniger.

"Kokorico" erscheint mir als Vorreiter von Düften wie Sentifiques "Testostérone", Diors "Sauvage" und all den Kraftpaketen, deren Virilität oft ganze Busse, Bahnen, Supermärkte überspült.
Hier jedoch hat man sich zurückgenommen, geht noch nicht nach dem Motto "viel hilft viel", sofern der Sprühkopf mit Bedacht getätigt wird.
Ein Tropfen aus dem Apo reichte aus, mich einzuhüllen in eine transparente Aura, gut wahrnehmbar auch noch am nächsten Morgen, doch nicht erschlagend, nicht zu dicht.
Und ihn zu wecken, den Haben-will-Reflex beim Mann von nebenan, der groß ist, dunkel, maskulin.
Und ganz gewiß kein halber Hahn.
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