31.03.2020 - 14:22 Uhr
Palonera
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Palonera
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59
"Das bist du!"
Er galt als das Enfant terrible der italienischen Haute Couture und teilte sich diesen Titel über Jahre hinweg mit dem Franzosen Jean Paul Gaultier – Franco Moschino, Ausnahmetalent und Revoluzzer, selbstironischer "Hofnarr" und Botschafter zugleich, der mit seinen außergewöhnlichen, provokativen und dennoch stets tragbaren Creationen dem Establishment Stirn und Spiegel bot.
Moschino, der bei Versace gelernt und gearbeitet hatte, wehrte sich zeit seines kurzen Lebens dagegen, den Gesetzen der Modeindustrie zu folgen - er warf ihr vielmehr Dekadenz und Groteske, bedingungslose Profitgier und Seilschaften vor und wurde doch, je mehr er sie schalt, nur umso heftiger geliebt, gelobt und rauschend gefeiert.
Und in seltener Aufrichtigkeit zutiefst betrauert, als er, nur 44jährig, im September 1994 an den Folgen einer HIV-Infektion verstarb.
Zu jenen, die trauerten, gehörte auch ich.
Ich hatte ihn gemocht, diesen wilden Jungen, der Freddy Mercurys Geschwist hätte sein können, so frappierend erschien mir auf manchen Bildern ihre Ähnlichkeit.
Ich mochte das Lässig-Unernsthafte seiner Kleider, das augenzwinkernde Lausbubengrinsen, die mit Friedenssymbolen und Herzen bedruckte Jeansjacke, für die ich mehr Geld hatte ausgeben müssen, als ich mir eigentlich leisten konnte.
Ich mochte den Gürtel mit den goldenen Lettern, der seinen Namen trug, den eine Handvoll Freunde mir zum Geburtstag geschenkt hatten und der noch heute in meinem Schrank liegt, obwohl er mir längst nicht mehr paßt.
Und am liebsten, am allerliebsten mochte ich seinen Duft, den ersten, den einzigen, der jemals so etwas wie Signatur war, den ich wieder und wieder nachkaufte über die Jahre hinweg.
Ich war 19, als wir uns begegneten, "Moschino" und ich.
Es war die Zeit in meinem Leben, in der fast alles grün-weiß-rot war, ein Kaffee nur gut, wenn er Espresso hieß oder Cappuccino, die Kekse dazu Cantuccini, Amarettini vielleicht noch.
Pizza und Pasta waren Grundnahrungsmittel, ein Duft per se beachtenswert, wenn er nur aus dem Stiefel kam.
Meine Stilikone war einen Kopf kleiner, gebürtige Venezianerin mit einem Faible für High Heels, in denen ich nicht einmal stehen, geschweige denn in ihrem Tempo laufen konnte.
Eines Tages brachte sie ihn mit in Giuseppes winzige Trattoria, in der wir uns häufig trafen, stellte ihn vor mir auf den Tisch und sagte: "Das bist du!"
Und damit, schien es, hatte sie nicht unrecht.
Nie zuvor und selten danach sprach man mich so oft auf einen Duft an, verband man mich so sehr mit ihm wie an den ungezählten Tagen, an denen ich hernach "Moschino" trug.
"Das Täubchen ist da!" hieß es zwei geöffnete Bürotüren weiter, wenn ich morgens nach dreißig Minuten Fußweg den Schreibtisch erreichte, zerzaust vom Wind, frisiert vom Wetter.
"Moschino" war, wiewohl kein Vorschlaghammer, kraftvoll und beständig, er blieb vom frühen Morgen bis in die späte Nacht.
Er hüllte mich in warmes Glimmen, in altes dunkles Gold, in Samt, Brokat und Terracotta.
Er richtete den Rücken und die Schultern in die Gerade, stellte meine Füße fest auf jeden Untergrund.
Ein Duft wie ein Palazzo, zeitlos, edel, von morbider Eleganz – bröckelnde Fresken, blätternder Putz, an der Decke ein alter Michelangelo.
"Moschino" schmiegt sich an, doch kuscht nicht, kuschelt nicht – die Wärme, die er ausstrahlt, täuscht nie hinweg über Ecken, Spitzen, Kanten, über Widerwort und Eigensinn.
Er trägt die Handschrift seines Schöpfers, seines Namensgebers – trotz aller Eulenspiegelei und aller Kapriolen legte Franco Moschino stets sehr viel Wert auf wahren Wert, nicht nur den monetären, sei es bei seinen Kleidern, sei es bei diesem Duft.
Und vielleicht ist es nun, gut drei Jahrzehnte später, an der Zeit für Flacon Nummer Sechs.
Moschino, der bei Versace gelernt und gearbeitet hatte, wehrte sich zeit seines kurzen Lebens dagegen, den Gesetzen der Modeindustrie zu folgen - er warf ihr vielmehr Dekadenz und Groteske, bedingungslose Profitgier und Seilschaften vor und wurde doch, je mehr er sie schalt, nur umso heftiger geliebt, gelobt und rauschend gefeiert.
Und in seltener Aufrichtigkeit zutiefst betrauert, als er, nur 44jährig, im September 1994 an den Folgen einer HIV-Infektion verstarb.
Zu jenen, die trauerten, gehörte auch ich.
Ich hatte ihn gemocht, diesen wilden Jungen, der Freddy Mercurys Geschwist hätte sein können, so frappierend erschien mir auf manchen Bildern ihre Ähnlichkeit.
Ich mochte das Lässig-Unernsthafte seiner Kleider, das augenzwinkernde Lausbubengrinsen, die mit Friedenssymbolen und Herzen bedruckte Jeansjacke, für die ich mehr Geld hatte ausgeben müssen, als ich mir eigentlich leisten konnte.
Ich mochte den Gürtel mit den goldenen Lettern, der seinen Namen trug, den eine Handvoll Freunde mir zum Geburtstag geschenkt hatten und der noch heute in meinem Schrank liegt, obwohl er mir längst nicht mehr paßt.
Und am liebsten, am allerliebsten mochte ich seinen Duft, den ersten, den einzigen, der jemals so etwas wie Signatur war, den ich wieder und wieder nachkaufte über die Jahre hinweg.
Ich war 19, als wir uns begegneten, "Moschino" und ich.
Es war die Zeit in meinem Leben, in der fast alles grün-weiß-rot war, ein Kaffee nur gut, wenn er Espresso hieß oder Cappuccino, die Kekse dazu Cantuccini, Amarettini vielleicht noch.
Pizza und Pasta waren Grundnahrungsmittel, ein Duft per se beachtenswert, wenn er nur aus dem Stiefel kam.
Meine Stilikone war einen Kopf kleiner, gebürtige Venezianerin mit einem Faible für High Heels, in denen ich nicht einmal stehen, geschweige denn in ihrem Tempo laufen konnte.
Eines Tages brachte sie ihn mit in Giuseppes winzige Trattoria, in der wir uns häufig trafen, stellte ihn vor mir auf den Tisch und sagte: "Das bist du!"
Und damit, schien es, hatte sie nicht unrecht.
Nie zuvor und selten danach sprach man mich so oft auf einen Duft an, verband man mich so sehr mit ihm wie an den ungezählten Tagen, an denen ich hernach "Moschino" trug.
"Das Täubchen ist da!" hieß es zwei geöffnete Bürotüren weiter, wenn ich morgens nach dreißig Minuten Fußweg den Schreibtisch erreichte, zerzaust vom Wind, frisiert vom Wetter.
"Moschino" war, wiewohl kein Vorschlaghammer, kraftvoll und beständig, er blieb vom frühen Morgen bis in die späte Nacht.
Er hüllte mich in warmes Glimmen, in altes dunkles Gold, in Samt, Brokat und Terracotta.
Er richtete den Rücken und die Schultern in die Gerade, stellte meine Füße fest auf jeden Untergrund.
Ein Duft wie ein Palazzo, zeitlos, edel, von morbider Eleganz – bröckelnde Fresken, blätternder Putz, an der Decke ein alter Michelangelo.
"Moschino" schmiegt sich an, doch kuscht nicht, kuschelt nicht – die Wärme, die er ausstrahlt, täuscht nie hinweg über Ecken, Spitzen, Kanten, über Widerwort und Eigensinn.
Er trägt die Handschrift seines Schöpfers, seines Namensgebers – trotz aller Eulenspiegelei und aller Kapriolen legte Franco Moschino stets sehr viel Wert auf wahren Wert, nicht nur den monetären, sei es bei seinen Kleidern, sei es bei diesem Duft.
Und vielleicht ist es nun, gut drei Jahrzehnte später, an der Zeit für Flacon Nummer Sechs.
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