07.10.2021 - 17:54 Uhr
Intersport
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Wer hat's erfunden?
Françoise Caron. Françoise Caron, 1990 während ihrer Anstellung bei Roure Bertrand Dupont, sagt zumindest das kürzlich erschienene Buch 'The Handbook of Great Italian Perfumery: Fifty Years of Exceptional Scents' (2021) der Italienischen Autorin und Parfum-Bloggering Marika Vecchiattini. Bei den Namen Françoise Caron denke ich erstmal an das gleichnamige Haus, dessen Poivre und Le 3e Homme de Caron formatierende Eindrücke bei meinen jugendlichen Begegnungen mit Parfum ausmachten. Ob Françoise mit Caron verwandt ist, unklar, ihr Name taucht aber auch immer wieder als Mitautorin von Le 3e Homme auf. Bei Françoise Caron denke ich auch an Eau d'Orange Verte (1979) und Cuiron pour Homme (2002). Identitäten von Parfumeuren kamen – abgesehen von Fällen wie Guerlain, da war klar: Familienunternehmen, die Parfumeure könnten ja auch gleich die Guerlain's sein – erst in den 70'er 80'er Jahren wieder ins Gespräch, Jean François Laporte's Projekte wie Artisan und später Maitre Parfumeur sind geläufige Beispiele für Autorenparfumerie dieser Zeit. Frédéric Malle's Konzept ab 2000, die Parfumeure als Autoren nochmal ins Rampenlicht zu holen hat schnell Schule gemacht, mittlerweile ist es zumindest bei fine fragrances eher eine Besonderheit wenn der Parfumeur nicht namentlich erwähnt wird.
Bei Moschino Pour Homme war mir über 32 Jahre nicht klar wer dahintersteckt. Wie bei vielen Italo releases, aus der nebulösen Zeit der Ende der 80'er Anfang der 90'er Jahre. Eine kurzer Moment der für mich eine peak-time Italienischer Herrendüfte darstellt. Allesamt krautig-medizinisch und bereits leicht experimentell, industriell, auch kitschig, die l'air du temps der späten 80'er. Post-Italodisco-Zeitgeist, handwerklich-solide, ein bisschen modern. Aber es war ja auch egal wer es erfunden bzw. entworfen hat, wir sprechen von Designer Düften: Versace (Versus Uomo), Trussardi (Action Uomo), oder eben Moschino - die Marke stand im Rampenlicht.
Wie gesagt, ich habe über die Zuschreibung Françoise Caron's zu Moschino Pour Homme nicht durch einen Datenbank Eintrag erfahren, Vecchiattini's Buch enthält einen Eintrag (1 Seite, zwei Spalten) zu Moschino Pour Homme. Italo (Herren) Parfums aus dem Ende der 80'er Jahre faszinieren mich; sie setzten sich oft deutlich von Veröffentlichungen aus anderen Ländern ab, verbinden gerne kräuterlastiges, leicht konservatives mit verspielten Einschlägen, was an anderen Orten vielleicht gleich als reinste Häresie galt. Das erwähnte Versus und auch Action Uomo zählen dazu, oder die Krizia Triologie Uomo, Moods und Spazio. Nur: bis dato konnte ich wenig über die raison d'etre dieser Unterschiede rausfinden, noch dazu, da wie im Falle von Moschino Pour Homme oder bei Romeo Gigli's Uomo - nicht Italienische Parfumeure beteiligt waren. Kurz, mit einem 'Handbook of Great Italian Perfumery' erhoffte ich ein paar Hintergründe zu erhalten. Von dem Buch habe ich erstmals durch eine Rezension des umtriebigen Miguel Matos gehört. Matos, dessen Arbeit mich bis dato noch nicht erreicht hat - zu retro-realistisch, ähnlich wie Bands, die wie Joy Divsion aber besser klingen möchten, verkörperte für ich dennoch einen potentiellen Garant, wegen seinen bestimmt akribisch ausgeführten Vintage Studien und Bekenntnissen zu Italo Klassikern wie Action Uomo. Leider weit gefehlt, wer sich Einblicke in 70'er 80'er und frühe 90'er Parfumerie in Italien erhofft wird hier enttäuscht. Das Buch erstreckt sich in einer Historie über Renaissance, Medici Italo-Frankreich connections, Klösterliches und fruehes 20Jhd - also durchaus die essentiellen Grundlagen für die Basis – wird aber, je näher es sich zum 'jetzt' vortastet, dünner und bleibt da teilweise im common sense von Marketing-Sprache stecken. Neben der hier relevanten Information zu Moschino Pour Homme, ist der schönste Teil ein Index zu Italienischen Parfums von 1970 - 2020, der aber auch fragwürdige Lücken aufweist, eine ikonische Marke wie Santa Maria Novella wird nur mit wenigen Einträgen abgehandelt, andere, weit kommerziellere werden mit allen Flankern und Weihnachsteditionen berücksichtigt. Ein guter Index ist eine Sisyphusarbeit, ein Handbuch für ein so weites Feld eine noch komplexere - die angebene Produktionszeit war mit gut 2 oder 3 Jahren vielleicht einfach zu knapp.
Zurück zu Moschino. Von experimentellen Ansätzen ist dieses Parfum weit entfernt, und gerade darin lag sein Unterschied. Franco Moschino war zeitweise der Italienische
Counterpart des enfants terribles, wie es gerne fuer Gaultier bemüht wurde. Aus heutiger Sicht vielleicht für das was Vetements oder Balenciaga mit sampling versuchen. Das sublabel Moschino's nannte sich 'Cheap & Chic', es gab Peace Zeichen, Copyright Symbole, Acid House Smileys, Slogan's wie CONDOME, kurz, es vereinte selbst erzverfeindete Armani Hardcore Minimalisten und Versace Barock Anhänger in einem gemeinsamen Feinbild. Moschino Pour Homme war dafür ein ausgesprochen klassisches Eau de Toilette, eine Art Leder-Chypre, das zu gerne mit Bel Ami verglichen wird - für mich hat das nie funktioniert, das ist wie eine Hermes Seidenkrawatte oder Pferdedecke aus den 80'er Jahren (Bel Ami Cocktail times) gegen ein Moschino Kostüm von 1990 abzuwiegen. Does not compute. Klar, es gibt überschneidende Inhalte, aber Verarbeitung, Produktion, Wirkung und Message sind grundverschieden. Dabei ist Moschino Pour Homme ganz und gar nicht cheap, vielleicht nicht einmal tres chic: es ist ledrig-blumig, durch die Bank weitaus würziger als etwa Bel Ami, leicht chyprig und mit einem schillernden aldehydischen Auftakt und balsamischen drydown ausgestattet. Flakon und Verpackung waren weit näher den Moschino'schen Grundsätzen: Gestanztes Goldpapier, Ying&Yang, Spielkarten Motive, Spray, Schütt sowie eine 'vice-versa' Version die erstmals Spray und Schüttmechanismen verbinden sollte. Zuletzt musste ich bei Je suis un homme oder Eau de Gloire - wenn auch mit deutlich wahrnehmbaren Differenzen, dieses Moschino denken. Manchmal sehe ich den Duft auch noch in Apotheken, die irgendwo in der untersten Reihe noch Aftershaves und Eau's haben, eingestaubt, aber überraschend gut konserviert: Françoise Caron's wunderbares Moschino Pour Homme.
Bei Moschino Pour Homme war mir über 32 Jahre nicht klar wer dahintersteckt. Wie bei vielen Italo releases, aus der nebulösen Zeit der Ende der 80'er Anfang der 90'er Jahre. Eine kurzer Moment der für mich eine peak-time Italienischer Herrendüfte darstellt. Allesamt krautig-medizinisch und bereits leicht experimentell, industriell, auch kitschig, die l'air du temps der späten 80'er. Post-Italodisco-Zeitgeist, handwerklich-solide, ein bisschen modern. Aber es war ja auch egal wer es erfunden bzw. entworfen hat, wir sprechen von Designer Düften: Versace (Versus Uomo), Trussardi (Action Uomo), oder eben Moschino - die Marke stand im Rampenlicht.
Wie gesagt, ich habe über die Zuschreibung Françoise Caron's zu Moschino Pour Homme nicht durch einen Datenbank Eintrag erfahren, Vecchiattini's Buch enthält einen Eintrag (1 Seite, zwei Spalten) zu Moschino Pour Homme. Italo (Herren) Parfums aus dem Ende der 80'er Jahre faszinieren mich; sie setzten sich oft deutlich von Veröffentlichungen aus anderen Ländern ab, verbinden gerne kräuterlastiges, leicht konservatives mit verspielten Einschlägen, was an anderen Orten vielleicht gleich als reinste Häresie galt. Das erwähnte Versus und auch Action Uomo zählen dazu, oder die Krizia Triologie Uomo, Moods und Spazio. Nur: bis dato konnte ich wenig über die raison d'etre dieser Unterschiede rausfinden, noch dazu, da wie im Falle von Moschino Pour Homme oder bei Romeo Gigli's Uomo - nicht Italienische Parfumeure beteiligt waren. Kurz, mit einem 'Handbook of Great Italian Perfumery' erhoffte ich ein paar Hintergründe zu erhalten. Von dem Buch habe ich erstmals durch eine Rezension des umtriebigen Miguel Matos gehört. Matos, dessen Arbeit mich bis dato noch nicht erreicht hat - zu retro-realistisch, ähnlich wie Bands, die wie Joy Divsion aber besser klingen möchten, verkörperte für ich dennoch einen potentiellen Garant, wegen seinen bestimmt akribisch ausgeführten Vintage Studien und Bekenntnissen zu Italo Klassikern wie Action Uomo. Leider weit gefehlt, wer sich Einblicke in 70'er 80'er und frühe 90'er Parfumerie in Italien erhofft wird hier enttäuscht. Das Buch erstreckt sich in einer Historie über Renaissance, Medici Italo-Frankreich connections, Klösterliches und fruehes 20Jhd - also durchaus die essentiellen Grundlagen für die Basis – wird aber, je näher es sich zum 'jetzt' vortastet, dünner und bleibt da teilweise im common sense von Marketing-Sprache stecken. Neben der hier relevanten Information zu Moschino Pour Homme, ist der schönste Teil ein Index zu Italienischen Parfums von 1970 - 2020, der aber auch fragwürdige Lücken aufweist, eine ikonische Marke wie Santa Maria Novella wird nur mit wenigen Einträgen abgehandelt, andere, weit kommerziellere werden mit allen Flankern und Weihnachsteditionen berücksichtigt. Ein guter Index ist eine Sisyphusarbeit, ein Handbuch für ein so weites Feld eine noch komplexere - die angebene Produktionszeit war mit gut 2 oder 3 Jahren vielleicht einfach zu knapp.
Zurück zu Moschino. Von experimentellen Ansätzen ist dieses Parfum weit entfernt, und gerade darin lag sein Unterschied. Franco Moschino war zeitweise der Italienische
Counterpart des enfants terribles, wie es gerne fuer Gaultier bemüht wurde. Aus heutiger Sicht vielleicht für das was Vetements oder Balenciaga mit sampling versuchen. Das sublabel Moschino's nannte sich 'Cheap & Chic', es gab Peace Zeichen, Copyright Symbole, Acid House Smileys, Slogan's wie CONDOME, kurz, es vereinte selbst erzverfeindete Armani Hardcore Minimalisten und Versace Barock Anhänger in einem gemeinsamen Feinbild. Moschino Pour Homme war dafür ein ausgesprochen klassisches Eau de Toilette, eine Art Leder-Chypre, das zu gerne mit Bel Ami verglichen wird - für mich hat das nie funktioniert, das ist wie eine Hermes Seidenkrawatte oder Pferdedecke aus den 80'er Jahren (Bel Ami Cocktail times) gegen ein Moschino Kostüm von 1990 abzuwiegen. Does not compute. Klar, es gibt überschneidende Inhalte, aber Verarbeitung, Produktion, Wirkung und Message sind grundverschieden. Dabei ist Moschino Pour Homme ganz und gar nicht cheap, vielleicht nicht einmal tres chic: es ist ledrig-blumig, durch die Bank weitaus würziger als etwa Bel Ami, leicht chyprig und mit einem schillernden aldehydischen Auftakt und balsamischen drydown ausgestattet. Flakon und Verpackung waren weit näher den Moschino'schen Grundsätzen: Gestanztes Goldpapier, Ying&Yang, Spielkarten Motive, Spray, Schütt sowie eine 'vice-versa' Version die erstmals Spray und Schüttmechanismen verbinden sollte. Zuletzt musste ich bei Je suis un homme oder Eau de Gloire - wenn auch mit deutlich wahrnehmbaren Differenzen, dieses Moschino denken. Manchmal sehe ich den Duft auch noch in Apotheken, die irgendwo in der untersten Reihe noch Aftershaves und Eau's haben, eingestaubt, aber überraschend gut konserviert: Françoise Caron's wunderbares Moschino Pour Homme.
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