Interview mit Ulrike Knöll - Bloggerin des
Ulrike Knöll ist hauptberufliche Bloggerin des "Duft-Tagebuchs", dem Duft-Blog von "Aus Liebe zum Duft". Auf der GAoP ergab sich die Gelegenheit für ein spannendes und informatives Interview mit ihr.
Ulrike plauderte so erfrischend und sympathisch über Trends, Passionen und aus ihrem ganz privaten Duft-Nähkästchen, dass es eine große Freude war mit ihr zu sprechen.
Mit welchem Duft fing bei Dir alles an und wie begann Deine große Duft-Leidenschaft?
Jean Charles Brosseaus Ombre Rose L'Original könnte man als meine Einstiegsdroge bezeichnen, angefangen hat meine Duftleidenschaft aber schon wesentlich früher – natürlich mit Mainstreamern. Ich war schon immer parfumbegeistert und hatte stets viele Düfte. Auf die Nische brachte mich dann allerdings eines Tages eine gute Freundin, die mit einem ganz besonderen Duft mein Interesse weckte und so das Feuer für Nischendüfte in mir entfachte. So landete ich alsbald in der Stuttgarter Schlossparfümerie bei den Wolffs. Von diesem Moment an hatte ich Blut geleckt – auf Brosseau folgte Quelques Fleurs L'Original von Houbigant und Duft Nummer Drei war dann Piguets Bandit, es ging also quasi sofort ab in die düsteren Gefilde.
Welche Düfte oder Gerüche Deiner Kindheit prägten Deine späteren Duftvorlieben?
Ich liebe den Geruch von Holz, egal in welchem Zustand. Ob nass, trocken, angezündet, abgefackelt, poliert oder gewachst. Ebenso den Duft von Linde. Lindenblüten vermögen es, mich in meine Kindheit zurück zu versetzen. Besondere Erinnerungsmomente verknüpfe ich dabei mit für mich als Kind heilen Urlauben auf einem bestimmten Bauernhof, den ich als Kind sehr liebte. Jahrelang haben wir das als Familie meinetwegen praktiziert – ich muss meiner Mutter mit diesen ständigen Wiederholungen ziemlich auf die Nerven gegangen sein ;-) Ich mochte es aber sehr und habe es genossen den ganzen Tag mit irgendwelchem zu bekrabbelndem Viehzeugs unter den Bäumen zu sitzen, unter anderem auch unter den dortigen Linden.
Wann und wie entstand bei Dir die Idee und der Wunsch, Dich als Duft-Bloggerin in die wundervolle Welt der Düfte einzubringen?
Das war eher Zufall als Vorsatz – ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Die Idee dazu entstand bei einem Foren-Treffen bei "Aus Liebe zum Duft" in Bruchsal aus einem Gespräch mit Georg Wuchsa heraus – ich war damals als normale Kundin anwesend. Hernach entwickelt sich alles recht zügig: Ich übernahm das Blog, das damals mit mehr oder weniger informativen Pressetexten gefüttert wurde. Ich habe dafür ein neues Konzept erstellt und mit der Zeit entwickelte sich das Blog zu dem, was es heute ist. Die Idee dahinter ist schlicht und einfach die, dass das Blog Ausdruck unserer Firmenphilosophie sein soll und diese adäquat transportiert. Man soll sehen und spüren, dass ALzD von Menschen getragen wird, die Düfte lieben! Das Dufttagebuch verleiht so unserer Firma ein Gesicht, macht sie persönlich und stellt einen Kontakt zu unseren Kunden her – in dem Falle durch mich sowie meinen Mitredakteur Dr. Harmen Biró. Bedingt durch diese Herangehensweise hat das Dufttagebuch ein gewollt intimes Moment – deshalb schreibe ich auch nicht ausschließlich über Düfte, sondern versuche, mich mit einzubringen, ein Stück Privatheit, einen Teil meiner Person, meines Hintergrundes.
Wie darf man sich den Alltag einer hauptberuflichen Duft-Bloggerin vorstellen? Wie gehst Du vor, wenn Du ein Parfum oder eine Marke vorstellst und was sind dabei Deine Prioritäten?
Ich bin glücklicherweise mit dem Luxus gesegnet, mir frei einteilen zu können, wann ich schreibe und auch was ich schreibe. Das heißt, ich habe hinsichtlich des Blogs keinerlei Vorgaben von Seiten des Geschäfts, weil ich die Konzeption komplett alleine gestalte. Diesbezüglich bevorzuge ich hinsichtlich der Duftrezensionen eine ausgewogene Mischung aus Neulancierungen sowie älteren Düften und lasse natürlich auch aktuelles Tagesgeschehen, meinen eigenen Alltag, saisonale Motive oder ähnliches mit einfließen. Meist fallen mir die Ideen zum nächsten Text auch einfach so in den Schoß – meine Inspirationsquellen sind vielfältig: ein soeben gelesenes Buch, Musik, Filme oder auch ein Thema, das mich gerade während meiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt, ich verwende alles, wozu ich Bezüge herstellen kann. Sobald ich eine klare Idee habe, beginne ich mit der ersten Testphase. Diese fällt meist auf den Abend, da ich sehr gerne abends teste. Einerseits habe ich dann Ruhe, kann mich ganz auf den Duft konzentrieren und bekomme so intensiv den ganzen Verlauf mit. Andererseits kann ich auch sehen, was am nächsten Morgen vom Duft noch übrig bleibt. Wenn ich über Düfte blogge, dann werden Neulinge natürlich mehrfach getestet. Nicht nur abends, sondern auch während des Schreibens, auf der Haut und auch auf dem Teststreifen, damit ich einen objektiven Eindruck bekomme und diesen auch vermitteln kann. Außerdem teste ich selten alleine, einer meiner Katzen testet meist mit :-)
Was sind für Dich die schönsten Momente Deines Arbeitslebens, wofür brennst Du?
Ganz klar: Das Suchen und Finden eines neuen Holy Grail! Der Weg ist hierbei das Ziel, wie auch im Leben. Ich hoffe bei jedem Duft, den ich zur Hand nehme, dass er die große Offenbarung ist. Wieder einmal. Natürlich gab es davon schon einige... (schmunzelt)
Mit welcher Erwartungshaltung bist Du hierher auf die GAOP gekommen?
Meine Erwartung war es, Innovationen und Neuigkeiten zu entdecken und zu erleben, neue und alte Bekannte zu treffen, zusammengefasst also Austausch, Inspiration und Kommunikation.
Ist dieser Besuch auf der GAOP für Dich als hauptberufliche Bloggerin von "Aus Liebe zum Duft" eher lästige Pflicht oder erfreuliche Kür?
Nein, nein, selbstverständlich erfreuliche Kür! Da ich ja von Zuhause aus schreibe und arbeite, bin ich komplett auf mich alleine gestellt. Das hat natürlich auch seine Schattenseiten und stellt doch ein recht einsames Tageswerk dar. Somit ist solch eine Messe immer eine willkommene Abwechslung. Dieses Entfliehen aus meinem Elfenbeinturm tut ab und an recht gut und macht natürlich auch Spaß!
Welcher Duft oder welche Marke ist Dein ganz persönliches Highlight?
Ich habe mich sehr gefreut über das hochvergnügliche Gespräch mit François Hénin von Jovoy sowie das ebenfalls sehr inspirierende Gespräch mit Gilles Thévenin von Lubin - das waren beides echte Highlights!
Dufttechnisch DIE Entdeckung für mich: der Aedes de Venustas-Duft, der künftig sicherlich die Rhabarber-Referenz sein wird. Rhabarber-Düfte sind ja eh nicht so häufig vorzufinden und ich denke, dass hiermit ein neuer Standard gesetzt wurde.
Hals über Kopf verliebt habe ich mich in die neue Oud Stars Collection von Xerjoff. Ich bin ein leidenschaftlicher Oud-Liebhaber und diese mutige und exzellent gemachte, arabisch inspirierte Kollektion hat es mir ganz besonders angetan. Vor allem auch der Duft "Fars", weil darin eine Ingredienz enthalten ist, die ich sehr mag, welche aber nur sehr selten anzutreffen ist. Es handelt sich dabei um Nagarmotha-Öl. Ich bin großer Fan von Montales "Steam Oud", dort kommt eben diese Note auch äußerst prägnant zum Tragen, das mag ich sehr.
Gefallen hatte mir auch die gesamte Kollektion von Maison Dorin. Bisher ging diese Marke leider komplett an mir vorbei, wofür ich mich fast schon ein wenig schäme, zumal die Kollektion ja nicht gerade klein ist. Die Düfte sind allesamt sehr französisch und durch die Bank auf einem hohen Qualitätsniveau. Und die Familie dahinter war einfach nur zauberhaft.
Dann hat mir es noch "Cuir Fauve" aus der neusten "Bespoke"-Kollektion von Keiko Mecheri sehr angetan.
Was ist Dein heißer Insider-Tipp für die kommende Saison, welches Parfum sollte man sich beim Testen auf keinen Fall entgehen lassen?
Den Aedes-Duft, und zwar aus vier Gründen:
1.) Ein Chypreparfum ist und bleibt eine charaktervoller Option für eine Frau, besonders wenn es zeitgemäß umgesetzt ist. Davon gibt es leider sehr wenige, der Aedes-Duft ist meiner Meinung nach eine glänzende und moderne Ausnahme.
2.) Rhabarbernoten in Düften sind selten und eigentlich so herrlich
3.) Aedes de Venustas hat einen sehr ambivalenten Charakter: Er verkörpert Licht und Dunkel in einem, wie es Chandler Burr einmal so treffend überBigarade Concentrée von Frédéric Malle gesagt hat. Eine sehr seltene Eigenschaft.
4.) Aedes de Venustas ist der perfekte Frühling/Sommerduft und dabei von solch beeindruckender Persönlichkeit, dass er weit davon entfernt ist, eines jener identitätslosen Wässerchen für die heißen Tage zu sein.
Gab es auf der GAOP einen klaren Trend in Sachen Parfums oder Raum-Parfums zu beobachten?
Der Oud-Trend ist ungebrochen und hält immer noch an. Viele sind von diesem Motiv bereits gelangweilt, aber ich muss natürlich gestehen (ALzD-Blogleser werden es wissen), dass ich selbst ein großer Oud-Fan bin und so schnell die Nase davon nicht voll bekommen kann.
Für mich waren diese Messe und die Oud-Düfte, die hier vorgestellt wurden, ein klares Signal dafür, dass da noch jede Menge Luft nach oben und Raum für Innovationen ist. Die neuen Oud-Linien von Dorin, XerJoff, und Histoires de Parfums bestehen alle drei aus komplett unterschiedliche Oud-Interpretationen, die meines Erachtens so noch nicht da waren und dadurch sowohl besonders als auch innovativ sind.
Ein anderer Trend ist auf jeden Fall das Raumduft als solches. Ich denke, diesbezüglich wird in nächster Zeit noch sehr viel mehr passieren, der Bereich boomt und ist noch ausbaufähig.
Welche "Verrücktheiten" könnte der Markt uns noch bescheren in Zukunft? Düfte fürs Essen? Parfum für die Schuhe?
Ich denke prinzipiell, dass sich da noch einiges tun kann und wird. Der Mensch strebt nach Fortschritt, Luxus und Bequemlichkeit, wie es schon Platon in seiner Politeia ausführte. Darüber hinaus galt der Geruchssinn jahrelang kulturwissenschaftlich betrachtet als Sekundärsinn genauso wie der Tast- und der Geschmackssinn. Das änderte sich erst in der heutigen Zeit, den letzten Jahrzehnten, unter anderem auch durch die Ergebnisse hirnphysiologischer Forschung. Düfte laufen ja als Reiz nicht erst über den Thalamus, wie es jede andere Sinneserfahrung tut, sondern landen direkt in der Amygdala, die für Emotionen eine gewichtige Rolle spielt. Diese Erkenntnis wird man künftig sicherlich in jeglicher Hinsicht auch für die Wirtschaft nutzen. Duft wird in mittelfristiger Zukunft meiner Meinung nach ein essentieller Bestandteil von Corporate Identity sein und auch in der Verkaufspsychologie wird man noch mehr damit arbeiten. Darüber hinaus werden Düfte natürlich auch zum Beispiel im Auto an Bedeutung gewinnen - „In-Car-Living“ heißt der Trend, wir verbringen immer mehr Zeit in Autos sagen die Prognosen, und diese möchte man uns natürlich ganzheitlich gemütlich machen. Maybach verfügt bisher über die einzige fest eingebaute Flüssigraumbeduftungsanlage und hat damit den Standard gesetzt. Andere Firmen sind hier sicher schon mitten in der Entwicklung... Ich denke, es bleibt spannend und es wird bestimmt noch viel Neues auf uns zukommen.
Wenn Du einen Wunsch bei einer Duft-Fee frei hättest, was würdest Du Dir für ein Parfum wünschen und welche "Nase" sollte es kreieren?
Bertrand Duchaufour hat ja nun bereits „meinen“ Rhabarber-Duft gemacht, sonst wäre er mein Wunschkandidat gewesen. Ansonsten dürften auch gerne Francis Kurkdjian oder Pierre Bourdon für mich tätig werden. Bourdon vielleicht mit einen richtig femininen Leder-Duft, und bei Kurkdjian wär es eigentlich völlig egal, weil ich ohnehin alles mag, was er macht.
Wenn Du die Möglichkeit dazu hättest, welchem Parfümeur würdest Du gerne mal für einen Tag über die Schulter schauen?
Wahrscheinlich dem Herrn Buxton. Auch, weil ich ihn persönlich kenne und er ein Garant für einen vergnüglichen und spannenden Tag ist. Außerdem hat er schöne Kooperationen mit Comme des Garçons und Lagerfeld gemacht, da würde sich vielleicht noch die eine oder andere nette Begegnung ergeben.
Verrätst Du uns noch Deinen ganz persönlichen Lieblingsduft und was Du an diesem besonders liebst?
Einen Lieblingsduft gibt es für mich nicht. Ich wechsle nach Lust, Laune und Anlaß, das war aber jetzt nicht die gewünschte Antwort ;-) Also von mir aus, zumindest ein paar davon:
1. "Iris Poudre" von Malle: Anmut, Erhabenheit und Weiblichkeit.
2. "Lady Vengeance" von Juliette Has a Gun: So sehe ich mich.
3. "Carillon pour un ange" von Tauer: Herzzereißende Melancholie in Form des einzigen Maiglöckchens, das ich wirklich liebe!
Liebe Uli, ich danke Dir ganz herzlich für das informative und spannende Interview und dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast!
Das Interview führte Inala