Forschungszentrum Geruch in Dresden - Interview mit Prof. Hummel

Professor Thomas Hummel ist Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Riechen und Schmecken des Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Dieses Interdisziplinäre Zentrum forscht in Sachen Geruchs- und Geschmackssinn und hat z.B. Bahnbrechendes über das VNO, ein Evolutionsüberbleibsel zur Wahrnehmung von Pheromonen, das nicht mit dem Hirn verbundenen ist, geforscht.

Heute steht er Parfumo für ein Interview zur Verfügung:

Louce: Guten Morgen, Prof. Hummel. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Durch unsere Beschäftigung mit Parfum entstehen immer wieder spannende Fragen zum Geruchssinn. Z.B. die Sache mit den Unterschieden: Es gibt Unterschiede in der Wahrnehmung von Gerüchen. Parfum wird, bei allem Objektiven, durchaus leicht unterschiedlich, manchmal sogar stark unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt drei Hauptverdächtige für das Machen dieses Unterschieds: Die Haut, die Nase und das Gehirn. Während die individuellen Unterschiede der Haut gerne überschätzt werden, ist ganz klar, dass die individuellen Gehirne dagegen sehr unterschiedlich funktionieren bei der Perzeption. Aber wie ist das mit der Nase? Haben alle Menschen dieselben Rezeptoren auf der Riechschleimhaut? Von allen Sorten gleich viele? Ist das, was die Sinnesorgane aufnehmen, immer das Gleiche und wird erst im Hirn ein Unterschied gemacht?

Prof. Hummel: Die Menschheit verfügt über einen Grundbesatz an Riechrezeptoren –das sind etwa 400 Stück. Davon bildet aber jeder Mensch wahrscheinlich nur einen Teil aus, der von Mensch zu Mensch verschieden sein kann.

Riechen hat sehr viel mit Lernen zu tun. Die Rezeptoren sind zwar die Voraussetzung für das Riechen, aber was wir riechen hängt zu einem großen Teil von unseren Erfahrungen ab.

Louce: Wenn die Zahl und Art der Rezeptorzellen also variabel ist, dann kann das auch trainiert werden. Also nicht nur das Gehirn trainieren durch Erfahrung, sondern auch die Nase? Geht das?

Prof. Hummel: Das scheint zu gehen. Es gibt Hinweise beim Mensch und beim Tier, dass Übung entweder die Anzahl der Rezeptoren vermehrt oder die Anzahl der Riechzellen!

Louce: Aber wie ist das mit Anosmie? Anosmie ist doch das Fehlen von bestimmten Rezeptoren. Da kann mit Training doch sicher nichts gemacht werden, oder?

Prof. Hummel: Gute Frage. Wenn Menschen ihren Geruchssinn verlieren, dann kann dieser sich u.U. aber wieder regenerieren. Dabei kann Training nützlich sein.

Louce: Echt? Wow! Eine Communityfreundin (Nickname Turandot) ist offenbar anosmisch für viele Moschusverbindungen. Es gibt Moschus-fokussierte Parfums, von denen sie so gut wie nichts wahrnimmt. Was würden Sie ihr raten?

Prof. Hummel: Hmmm. Sie könnte evtl. versuchen, für die nächsten 4 Monate jeden Morgen und jeden Abend nicht an Mischungen, sondern an 3 reinen Moschusverbindungen zu riechen, jeweils 10 Sekunden an jeder Flasche. Möglicherweise erhöht das die Sensitivität für diese Duftstoffe.

Louce: Das werde ich ihr ausrichten! Aber wie entstehen Anosmien überhaupt?

Prof. Hummel: Anosmie beschreibt die Abwesenheit eines Riechvermögens. Das gibt es häufig altersbedingt, durch chronische Nasennebenhöhlenentzündungen, durch akute Infekte der Nase, durch Schädel-Hirn-Traumen. Selten sind sie angeboren, manchmal als Frühzeichen eines M. Parkinson.

Louce: Beim Schmecken kennen wir diese Zonen auf der Zunge, wo Rezeptoren sitzen, die für die 5 unterschiedlichen Geschmacksrichtungen zuständig sind. Wie ist das beim Riechen? Gibt es solche Genres der Rezeptoren?

Prof. Hummel: Diese Zonen gibt es beim Schmecken nicht – Sie nehmen überall auf der Zunge süß, sauer, salzig, umami und bitter wahr, mit Ausnahme des Zungenrückens. Sie sind nur an verschiedenen Orten verschieden sensibel für Schmeckstoffe.

Louce (ihr Schulwissen mit einem weiteren Fragezeichen ausstattend): Aha.

Prof. Hummel: Beim Riechen scheint es so zu sein, dass verschiedene Rezeptorfamilien auch beim Menschen in bestimmten Zonen in der Nase auftauchen und hier sind wieder an bestimmten Orten größere Reaktionen z.B. auf unangenehme Düfte aufzufinden als an anderen Orten. Das deutet darauf hin, dass beim Menschen schon auf Rezeptorebene bis zu einem gewissen Grad vorsortiert wird, ob ein Duft eher angenehm oder unangenehm ist. Hinter all dem steht aber dann natürlich noch die persönliche Erfahrung.

Louce: Ein anderes Thema, das Duft und Duftwahrnehmung betrifft, sind Pheromone. Ihr Zentrum hat da fundamental Wichtiges erforscht, wie z.B. dass es keine Verbindung zwischen dem Wahrnehmungsorgan VNO (das nur ca. die Hälfte der Menschen überhaupt ausgebildet besitzen) und dem Gehirn gibt und dass die Pheromonwahrnehmung zur Riechschleimhaut gewandert ist. Da stellt sich die Frage: Wie wichtig ist überhaupt die Kommunikation via Pheromon für den Menschen?

Prof. Hummel: Die Anwendung des Begriffs Pheromon beim Menschen ist problematisch, es gibt ernstzunehmende Fachkollegen, die sagen, Pheromone gibt es beim Menschen nicht – auf jeden Fall sind Pheromone bis heute noch nicht identifiziert. Davon unbenommen ist, dass Menschen über Düfte kommunizieren, und diese Effekte sind wahrscheinlich unterschätzt.

Louce: Sollten wir demnach misstrauisch sein, wenn an sich seriöse Parfummarken damit Werbung machen, dass in ihren Düften Pheromone enthalten sind? Und dann die ganzen Produkte, die von Sex-Shops verkauft werden: Taugen die was als „Lockmittel“?

Prof. Hummel: Genau, diese Angebote sind mit Vorsicht zu genießen.

Louce: Riechen ist ein so dermaßen spannendes Thema! Wir hier bei Parfumo haben nicht den medizinischen Blickwinkel, sondern den rein genießerischen.

Prof. Hummel: Wir interessieren uns stark für Menschen, die ihren Geruchs- oder Geschmackssinn verloren haben. Dabei wollen wir verstehen, was hier geschieht und dann, wie geholfen werden kann.

Louce: Wir können so viel von Ihrer Arbeit lernen! Prof. Hummel, vielen Dank für das Interview!

14 Antworten
SeeroseSeerose vor 7 Jahren
2
Herr Prof. ist Hummel ist Wissenschaftler. Wer hier im Forum Wissenschaftler ist, studiert hat oder/und wissenschaftliche Artikel liest, sich für Wissenschaft interessiert weiß, dass in der Wissenschaft immer vorsichtig, knapp im Konditional veröffentlicht wird. Es wird nichts behauptet/spekuliert,was nicht vollständig und vorläufig vermutlich eindeutig bewiesen, durch viele Tests Kontrollversuche verifiziert ist. Unter diesen Aspekten entspricht das Interview wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit.
GerryGerry vor 7 Jahren
2
.. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das Lesen dieser Artikel (siehe auch den über „Hautchemie“) etwas am inhaltlichen Verlauf thematisch betreffender Diskussionen ändern würde. Mir kommt es vor, dass es vielen einfacher erscheint, an ihrem olfaktorischen Weltbild als Scheibe festzuhalten.
GerryGerry vor 7 Jahren
2
Dieses Interview erneut auf der Hauptseite zu präsentieren, war notwendig und ich ärgere mich ein wenig, diesen Artikel, wie auch so viel anderes von Louce und Ronin, nicht mit einem Permalink im Forum angepinnt zu haben, als ich es noch konnte. Diese vor Jahren geschriebenen Artikel sind den Neumitgliedern halt nicht bekannt, weil sie quasi versteckt auf den Profilseiten der Verfasser liegen. ...
LilienfeldLilienfeld vor 7 Jahren
1
@Anosmia, ich habe schnöd Google befragt: https://tinyurl.com/yaj37ogw / https://tinyurl.com/y8eveloh / https://tinyurl.com/ybzd4d9t / https://tinyurl.com/y7g7xd8x
AnosmiaAnosmia vor 7 Jahren
1
Kleine Korrektur: Die Anosmie im Rahmen von Parkinson tritt später auf. Angeborene Anosmie kommt beim Kallmann-Syndrom vor. Oder einfach so:)
TooSmell27TooSmell27 vor 7 Jahren
Hier war doch keiner weg, Lolle! Louce, Ronin, ich....
Nur Marty fehlt!
PersephonePersephone vor 7 Jahren
1
Danke, Louce! Diese Seite dreht sich um Sinneseindrücke, die schwer objektivierbar sind. Sich die Spielarten der Wahrnehmungsspektren vor Augen zu führen, heißt (ein bissl) zu wissen, worüber man hier redet. Hoffentlich allgemeines Interesse. Und offensichtlich auch manchem neu.
Außerdem guckt der Prof so neckisch. Coco Mademoiselle hinterm Ohr?
FrauHolleFrauHolle vor 7 Jahren
Louce ist zurück! < 3
GerdiGerdi vor 7 Jahren
Seid nett zueinander! ... und benehmt Euch!
TooSmell27TooSmell27 vor 7 Jahren
Es geht hier um grundsätzliche Fragen, die gerade bei den neuen Mitgliedern immer wieder zur Diskussion stehen.
Floriental, halt mal den Ball flach! Diese Fragen fallen alle Nase lang im Forum an.
GerdiGerdi vor 7 Jahren
Psst.... ich fand es auch seltsam diese Geschichte zu lesen, die zwar nicht uninteressant war, aber auch merkwürdige postings hatte. Der link (Querverweis) ist nicht mehr aktuell!
Meine Empfehlung wäre, dass diejenigen, die das Thema interssiert, direkt die Uni Dresden anzuwählen.
Die Ansicht von @Floriental teile ich übrigens.
LilienfeldLilienfeld vor 7 Jahren
Du bist gerade einmal ein halbes Jahr hier, und befleißigst Dich eines Tones, der mehr als unangebracht ist! Geradezu >neben der Spur< ...
LouceLouce vor 12 Jahren
1
Hallo!
Am besten ist da bestimmt, sich an das Interdisziplinäre Zentrum für Riechen und Schmecken in Dresden zu wenden: http://www.uniklinikum-dresden.de/hno/riechen
Die Behandlung von Anosmien ist etwas für spezialisierte Medizin und erlebt gehörigen Fortschritt - vielleicht kann man da mehr rauskriegen (und sogar ändern), als bei der Untersuchung vor 20 Jahren.
Viel Glück bei der Re-Nosmisierung!
ExUserExUser vor 12 Jahren
Send geehrte Damien and Herren,

Ich bin 60 Jahre alt und kann seit ca. 40 Jahren nicht mehr riechen. Vor 20 Jahren habe ich mich intensiv untersuchen lassen. Das Ergebnis: Die Reseptoren sei angeblich weg also, keine Hoffnun mehr. Jedoch, manchmal nehme ich z.B. ganz, ganz leicht Zigerettenrauch wahr, was mir Hoffnung macht.

Gibt es zwischenzeitlich was neues diesbezüglich? Ich wäre bereit alles mitzumachen, um meinen Geruchssinn wieder zurück zu bekommen.

Danke für Ihre Meinung im Voraus!

Mit freundlichen Grüssen
Peter Devitt (hoffnungslos) - Peter Devitt

Weitere Artikel von ParfumoBlog