Fixpunkte; Schreiben als Katharsis & der Duft von Wörtern
Ruhige Samstagvormittage, eine Tasse Cappuccino, eine Schüssel Porridge mit Beeren und den Laptop auf dem Schoß. Der Himmel bleibt ein grauer schwer Teppich, eine "Sleepy-Hollow"-Kulisse da draußen. Der Januar ist ein Monat, der wie ein wildes Tier auf der Stelle tritt und ist gleichzeitig unheilvoll vor sich hin dämmernd wie ein verlassener, dunkler Kirchplatz. Es passiert nichts, aber es will ganz viel passieren.
Ich schreibe viel. Habe in den letzten 2 Jahren viel geschrieben und mich bei einer Literaturagentur mit meinem Manuskript beworben. Der erste Schritt eines mühsamen Weges, doch ich war beflügelt, als ich den unterschriebenen Agenturvertrag bei der Post eingeworfen habe in Zeiten, die größtenteils aus Unberechenbarkeit und Einschränkungen bestanden und bestehen.
Das ist der Ist-Zustand; warten auf Resonanzen von Verlagen, die die Literaturagentur mir weiterleitet...bangen...hoffen...zeitweilig resignieren. Etwas Neues Schreiben. Ich lebe gern in meinem Kopf, in meiner Gedankenwelt, und das ist vielleicht der Grund, warum ich meine Kreativität am Laufen halten kann, warum mir trotz allem nicht langweilig wird und die Welt nicht ins Stocken gerät; weil die eigene innere Welt stärker ist als alle Umstände und Widrigkeiten da draußen.
Meine Schreibdüfte für meine Schreibtage: Replica - Whispers in the Library; kein 100% tatsächlicher Buchduft für mich, aber ich rede mir die Stimmung recht erfolgreich ein. Placebo-Effekt. Casamorati - Bouquet Ideale Eau de Parfum ; dieser leicht staubige würzige Papiergeruch im Auftakt, der mich an altehrwürdige Bibliotheken denken lässt und gleichzeitig an ferne Länder, früher, als man noch mit Schiffen verreiste.
Black Tie; ein schöner, fein komponierter Puderduft, bei dem nichts sticht, perfekt, um ungestört zu schreiben.
Dazu Musik, die mein kreatives Schreiben untermalt:
Phoebe Bridgers, Lana del Rey und der Soundtrack von "Lost in Translation". Die Songs lösen etwas in mir aus, weil ich den Film und Tokio selbst hinreißend finde und liebe. Es ist grundsätzlich Musik, in denen melancholische Menschen traurige Geschichten erzähle, die eine poetische Stimmung erzeugen, die ich beim Schreiben irgendwie brauche.
Besonders der April war in den letzten beiden Jahre der schaffensreichste Monat; oft habe ich im April Urlaub, um über meinem Geburtstag wegzufahren/ wegzufliegen, was in den letzten Jahren aufgrund der Corona-Bestimmungen/ des Infektionsgeschehen, das sich immer in dieser Zeit nochmal zuspitzte, nicht möglich war. Also nutzte ich die Zeit produktiv, um zu schreiben. Auf dem Balkon, da das Wetter im April gut mitspielte. Nachmittags durch Wälder und Schlossgärten spazieren, wo Menschen jeden Alters einander verschwörerisch wie Komplizen zunickten. Der Wald wurde der neue Karibikstrand für jedermann. Nach der Zusage der Literaturagentur überarbeitete ich das Manuskript für den Literaturagenten. Konzentriertes korrigieren und optimieren, Sonnenbrille auf, eine dünne Decke um den Körper, falls der Wind auffrischte, einen Café au lait oder einen Matcha dazu. Über mir schrie ein Vater regelmäßig sein Kind an, eine Gruppe junger Leute traf sich zum Kartenspielen auf dem Balkon. Ich hörte ihr Gelächter, ihre Dancepop-Music, das Klirren von Gläsern. Draußen hielten Lieferando- Autos, um Pizza, Döner oder chinesisches Essen zu bringen, Kinder schossen Fußbälle gegen Hauswände, dicke Tauben versteckten sich gurrend in der Tanne vor meinem Balkon.
2021: Wandern und schreiben, lesen und an mir schnüffeln, Yoga, meditatives Dehnen und Workout im Wohnzimmer. Am Ende des Urlaubs sein überarbeitetes Werk hinausschicken, nie zufrieden sein, nervöses Bangen, Warten auf Resonanzen, Emails von der Literaturagentur nicht öffnen wollen. Regelmäßig im Supermarkt Lebensmittel für spannende Rezepte einkaufen und Zuhause doch nichts kochen wollen. Sich darüber echauffieren, dass es bei anderen Schreiberlingen, besonders die, die beispielsweise New Adult schreiben, viel schneller zu funktionieren scheint.
Netflixserien anfangen und mich doch nicht drauf konzentrieren können, weil mich nichts genug fesselt. Bin dagegen gefesselt von einigen Büchern: "New York Ghost" von Ling Ma, "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottessa Moshfegh, "Writers & lovers" von Lily King, "Hitze" von Raven Leilani. Ich verschlinge Bücher in der Badewanne, auf dem Balkon, auf dem Sofa. Ordere Abfüllungen, trage sie stundenlang Probe und mache mir Notizen. Schaue zum 2. Mal "Little women", den ich im Kino gesehen habe, bevor es mit der Pandemie so richtig losging. Bin nach wie vor fasziniert von der widerspenstigen Romanheldin Jo, die Schriftstellerin werden will, die ich schon als Kind verehrte.
All das lenkt mich gedanklich ab von der Frage, ob mein Manuskript etwas taugt, vom Angewidertsein darüber, wie sehr man oft von der Gunst anderer abhängig ist.
Einen Zoomtermin mit dem Literaruragenten gab es, in der Küche am Bildschirm statt reales Treffen da draußen. Geschminkt und vernünftig zurechtgemacht war ich trotzdem, ich saß vor einer neutralen weißen Wand an meinem Tisch, Reden von Bildschirm zu Bildschirm ist anstrengend, die berufliche Online-Fortbildung davor hatte mich schon angestrengt. Wie bewusst man sich seiner Mimik wird, jedes Lächeln, jedes Blinzeln kontrollieren will. Immerhin war die WLAN Verbindung Zuhause stabil.
Und so geht es weiter. Das Testen interessanter Düfte. Entdecken neuer Bücher, das Erfreuen an neuen Geistesblitzen am Laptop, das leicht panische Warten auf Mails, die durchaus brachial negative Kritik bereithalten können. Hoffen auf erfrischende Trips im neuen Jahr, Tagträumereien von Orten, die man gerne mal bereisen wollte; Taiwan, Andalusien, Island, Westkanada, vielleicht nochmal Mexiko, endlich mal Lissabon. Das Hoffen auf motivierende Resonanzen, Vorankommen.
Warten auf den Frühling.
Leise säuselt Phoebe Bridgers in "I know the end" in meine Ohren: "Either way, we're not alone I'll find a new place to be from A haunted house with a picket fence to float around and ghost my friends no, I'm not afraid to disappear the billboard said, "the end is near" I turned around, there was nothing there Yeah, I guess the end is here"
Eine süße Sirene, die von Zerstörung und Neubeginn erzählt.
Ich schreibe und trage Mojave Ghost Eau de Parfum aus meiner Abfüllung; leicht und amorph und geisterhaft.