Pinkdawn

Pinkdawn

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Pinkdawn vor 3 Jahren 12 7
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Duft
"Schön dekadent" oder doch nur platte Verschwendungssucht?
Sie kommt von weit her. Von einer fernen Galaxie. Sie reitet direkt aus dem samtigen, mit silbernen Sternen bestickten Firmament auf mich zu. Die kleinen Glöckchen am Zaumzeug ihres Rappens klingeln leise und silbrig. Noch ist sie ganz klein. Aber ihre Präsenz ist schon deutlich zu spüren. Allgegenwärtig. Stark, faszinierend, aber auch gefährlich. Denn die stolze Göttin ist launisch. Und mächtig. Eine Mischung, die selten gut ausgeht. Schließlich ist Atalja („fremde Frau“), Tochter der ebenfalls berüchtigten Isebel, die Königin von Juda im 9. Jahrhundert vor Christi, Alleinherrscherin und will das auch bleiben. Mit Empathie erreicht sie da nicht viel. Zweckdienlicher erscheint es ihr, alle KonkurrentInnen – selbst ihre eigenen Enkel -, die Anspruch auf ihren Thron erheben könnten, ermorden zu lassen. Nach 6-jähriger Diktatur rächt sich das Volk an der verhassten Baals-Anbeterin. Sie wird im Rahmen eines Putsches verraten und nimmt nun selbst ein blutiges Ende.

La Belle Dame sans Merci. Verführerische Schönheit und todbringende Grausamkeit waren immer schon Ingredienzien, die Künstler inspirierten. Racine und Händel sind nur zwei von ihnen, die sich von der Tragödie der kaltblütigen Atalja zu Kunstwerken anregen ließen.

Ataljas Hinrichtung wird mit Pferden in Verbindung gebracht, womit wir wieder bei Parfums de Marly sind. Denn diese haben nicht nur zwei sich aufbäumende Rösser als Logo, sondern pflegen auch ihre Düfte nach historischen Pferdepersönlichkeiten zu benamsen.

Athalia ist der dritte Duft von Perfums de Marly, den ich getestet hab. Keiner von ihnen hat mir so gefallen, dass ich meine Kreditkarte zücke und - wie im Fall von Athalia – ca. € 218,- für 75 ml ausgeben würde.

Bei Perfums de Marly frage ich mich oft, was zuerst da war: die Leidenschaft, eine Reihe neuer edler Düfte zu kreieren oder ein wohlkalkuliertes Marketingkonzept. Immer wieder lese ich, die Parfums de Marly duften „teuer“. Wahrscheinlich ist auch genau dieser Effekt beabsichtigt. Reiche Menschen werden kaum je auf die Idee kommen, dass etwas „teuer“ riecht. Und wenn, werden sie es bestimmt nicht kaufen, weil sie lieber auf niveauvolles Understatement setzen. Außer es sind Neureiche, die Stil und Geschmack nicht in die Wiege gelegt bekamen. Ich bin nicht reich, aber der Umstand, dass ein Parfüm „teuer“ riecht, würde mich niemals veranlassen, einen Duft zu erwerben. Das ist für mich kein begehrenswertes Kriterium. Ich hab mich in diesem Sinn gefragt, was es ausmacht, dass ein Duft „teuer“ wirkt. Zunächst muss der Preis eine gewisse Höhe haben. Nicht zu hoch, aber hoch genug, damit die Zielgruppe das Gefühl hat, dass der Kauf finanziell ein bisschen weh getan hat. Das ist unabdingbar, wenn man ein Statussymbol begehrt, das Luxus und Eleganz auf den Besitzer / die Besitzerin übertragen soll. Das Image der Marke muss natürlich dem entsprechen. Bei Parfums de Marly ist es das Höfische, Royale, allerdings aus einer historischen Epoche kommend. König Ludwig XV. wird bemüht, verkörpert er doch verfeinerte, kostspielige Lebensart, Reichtum, Prunk und einen verschwenderischen, verspielten, dekadenten Lebensstil. Das Rokoko ist nicht meine Zeit. Und ich kann Ludwig XV. mit seiner Faszination für Pferde und Düfte, die sich bis hin zu Duftbrunnen und Duftzimmern steigerte, nicht bewundern, ohne dass sich mir moralische Bedenken aufdrängen, wie immer, wenn Herrscher ihren Reichtum zur Befriedigung ihres Narzissmus ausgeben, während ihre Untertanen darben. Aber gut, diese Zeiten sind weitgehend vorbei. Parfums de Marly will königliche Verschwendungssucht zumindest olfaktorisch aufleben lassen. Von Düften, die dieses Gefühl auf diejenigen, die sich gern mit ihnen schmücken, übertragen wollen, darf man sich daher nichts wirklich Innovatives erwarten. Natürlich gab es exzentrische Monarchen wie Kaiserin Elisabeth von Österreich, ihren Cousin Ludwig II. von Bayern und andere. Ludwig XV. zählt meines Wissens nach nicht zu ihnen. Denn Exzentrizität bedarf einer entsprechenden Veranlagung und viel kreativer, ästhetischer Fantasie. Der Technik begeisterte Ludwig II. konstruierte einen Flugwagen in Pfauenform, in dem er durch die Lüfte schweben wollte. Und er pflegte seine geliebten „Leibreitpferde“ mit einem Lift hoch auf das Dach seiner Münchner Residenz hieven zu lassen, um sie im dortigen Garten zu reiten.

Wer je Schloss Neuschwanstein besucht hat, kann sich von der Verschwendungssucht, aber auch der Märchenwelt des meist in der Nacht lebenden Regenten ein Bild machen. Seine realitätsferne Baulust wurde dem „Mondkönig“ schließlich zum Verhängnis. Er wurde entmachtet, weil man ihm - ohne fachärztliche Untersuchung - eine psychische Erkrankung unterstellte und beging Suizid im Würmsee, wobei bekanntlich auch sein Begleiter, der Psychiater von Gudden ums Leben kam.

Immerhin zieht der angeblich geistig beeinträchtige Monarch durch seine charismatische Persönlichkeit und seinen ausufernden Schlösserbauwahn heute noch unzählige gewinnbringende Touristenströme nach Bayern.
Ludwig XV. scheint nicht mehr so viele Fans zu haben.

Aber zurück zu Athalia. Einmal aufgesprüht, entwickelt der Duft rasch seine Potenz. Er entfaltet eine Opulenz, die mir von Beginn an zu stark ist – nicht zuletzt weil er so betörend ist. Es ist ein dunkler, nächtlicher Duft, getragen von Würde und Stolz, elegant, majestätisch und unnahbar, gleichzeitig warm und kühl, distanziert, kraftvoll und majestätisch. Man spürt einen Hauch von Orient – süß, rauchig, weich und sehr weiblich. Ich sehe diesen Duft aber eher an älteren Frauen. Denn er ist nicht jugendlich, sondern sehr erwachsen und ernst.

Eine große Wandlungsfähigkeit weist Athalia nach meinem Empfinden nicht auf. Ich kann eigentlich nur Weihrauch und Orangenblüte wahrnehmen, nachdem sich die Bitterorange in der Kopfnote verflüchtigt hat. Diese Kombination verbindet sich zu einer sehr einheitlich wirkenden Duftmischung. Das ist nicht weiter schlimm, wenn man Weihrauch und Orangenblüte mag. Ich hab damit eher Probleme. Ich ertrage beide nur in geringer Dosierung und mit anderen Duftnoten. Aber hier gibt’s die volle Dröhnung. Das ist mir zu viel. Und so bekommt der Duft bald für mich etwas Provokantes, Aufdringliches.
Ich würde jetzt nicht sagen, dass das ein Parfum für Königinnen oder Göttinnen ist, aber es passt wohl vor allem zu sogenannten „rassigen“ Frauen, die dunkelhaarig und sinnlich sind. Oder gepflegte, ältere Damen in ihren goldenen Jahren beim Bridge.

Über die Duftpyramide wird viel spekuliert. Ich las von Rose, Iris, Wildleder, Cashmeran, Amber und Vetiver. Ich vertraue mehr der Webseite von Parfums de Marly, die in der Kopfnote nur Bitterorange und Weihrauch anführt, in der Herznote ausschließlich Orangenblüte und in der Basis Moschus und Vanille. Das entspricht auch meinem Empfinden.

Ich habe in den letzten Tagen Athalia einige Male aufgetragen und finde es inzwischen nicht mehr so „gefährlich“ wie beim ersten Mal. Allerdings auch nicht außergewöhnlich oder exklusiv. Es ist ein vor allem betörender, süßer, orientalischer Duft. Opulent, aber tragbar, weil sich die Haltbarkeit in Grenzen hält. Alles in allem durchaus konventionell. Als Nischenduft oder sophisticated würde ich ihn nicht bezeichnen. Man wird damit niemanden vor den Kopf stoßen, außer man verwendet zu viel davon. Für mich ist es trotzdem ein Parfum, das mehr für den Abend geeignet ist als fürs Büro oder einen Besuch beim Zahnarzt. Dazu wäre es mir zu intensiv, zu betörend und zu süß.
7 Antworten
Pinkdawn vor 3 Jahren 11 6
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Haltbarkeit
6.5
Duft
Im falschen Duft?
Manche Düfte sprühst du auf und fühlst dich sofort „zu Hause“, auch wenn es ein Orientale oder ein Räuchermännchen ist. Andere bleiben neutral oder führen dich in ein fernes Land, in dem du gern hin und wieder weilst. Schwierig ist es mit den Parfums, die vor allem „fremd“ wirken und in dir das Gefühl auslösen, im falschen Film – äh – Duft zu sein.

Dabei hat mich der Name so angesprochen. Velvet Haze – ja, vielleicht ist das ein wenig kitschig, aber es schürt auch Erwartungen, weil es geheimnisvoll klingt, wie immer, wenn es um Nebel geht. War nicht die mythische Insel Avalon stets von Nebel umhüllt?
Velvet Haze startet etwas kühlherb in der Kopfnote, wird jedoch im Nu süß und sehr cremig. Mir erscheint der Duft zudem blumig. Woher die Blumen kommen, ist mir unklar. Denn keine einzige ist in der Duftpyramide zu finden. Also muss das Ambrette und Kokoswasser sein. Eher Ambrette. Denn hier dominiert eine gewisse Schärfe mit – sorry – Anklängen an gewisse synthetische Mottenmittel.

Kokos? Ich erinnere mich an Zeiten, in denen so gut wie alles, was duften konnte, nach Kokos roch: Parfums, Shampoos, Cremen, Weichspüler, Lippenstifte. Allerdings war das damals ein ausgesprochen tropischer Kokosduft, der ein Feeling von Urlaub in der Südsee, Palmen, weißen Sandstränden und türkisblauem Meer vermittelte. Ich geb zu, ich hatte etwas ähnliches erwartet, natürlich in moderner Neuauflage. Da die Kokosduftmode längst abgeebbt ist und auch ich schon zu viel Kokos in Düften erlebt hab, hätte ich wohl kaum freiwillig zu einem EdP gegriffen, das damit punkten möchte.

Inzwischen scheint es allerdings im Trend zu liegen, dass Parfums genau nicht nach den Rosen oder sonstigen Ingredienzien duften, die sie angeblich enthalten. Vielleicht will man bewusst überraschen, in die Irre führen, keine konventionellen Erwartungen bedienen. Das ist ja auch löblich. Die Zeiten ändern sich. Und auch die Rosen- und Kokosdüfte.

Enttäuschend finde ich es nur, wenn Rose aufgelistet ist und man nichts davon merkt. Mir ergeht es hier so mit dem Kokos. Ich nehme nichts dergleichen wahr.

Da ist etwas irritierend Süßes, das mich an Strohblumen erinnert. Calluna etwa. Ich schaffte es nie, die Lüneburger Heide zu besuchen, ohne ein Heidekörbchen mitzunehmen. Ob es die heute noch gibt? Von der Heide ist es nur ein kleiner Assoziationsschritt zu einem alten Volkslied. Es dunkelt schon in der Heide, nach Hause lasst uns gehen …

Die Abendstimmung in der Heide trifft schon mehr die Seele des Duftes als Tropeninseln, Palmen und Südseerauschen.

Ich warte auf den Patchouli, der normalerweise nicht leicht zu überriechen ist. Doch der Abend legt ein Tuch aufs Land – und alles verschwindet in einer diffusen Duftcremenebel, aus dem ich nur Ambra und Moschus wahrnehme. Weich, sanft, samtig, pudrig und von trockener Süße. Der Duftnebel ist dezent, elegant und feminin. Fast ist das alles schon zu zart und wird zunehmend zarter. Wer das als schwächelnde Haltbarkeit interpretiert, ist auf dem richtigen Weg.

Nachdem Kokos und Patchouli ausgelassen haben, könnte nur noch Kakao Absolue etwas Farbe ins Spiel bringen. Er hätte zweifellos das Potenzial, Velvet Haze doch zu etwas Besonderem zu machen. Doch die Kakao-Sensation mit der erwarteten gourmandigen dunklen Bittersüße hält sich leider ebenfalls zurück. Der Duft bleibt blass. Keine Exzesse, keine Leidenschaft, nicht einmal Sinnlichkeit stören den Abendfrieden überall. Auch dieses Konzept lass ich mir einreden. Ich liebe die ruhige Abendstimmung, wenn die Sonne untergeht und die Dämmerung anbricht, die Farben sanfter werden, der Tag leiser. Doch wenn man diesen Effekt erzielen möchte, muss das – nicht nur durch den Nebel im Namen – deutlicher sein. Ich konnte Filme, in denen das Ende offenbleibt, noch nie leiden. Kriegen sie sich jetzt? Wird er fallen? Bekommt ihr Leben doch noch einen Sinn, wenn der Sohn endlich zurückkommt? Wird er den Krebs überleben? Wird sie das Sorgerecht bekommen? Keine Antwort. Lass dir gefälligst selbst was einfallen! So leicht kann man es sich machen, als Autor oder Filmemacher. Die bildende Kunst hat es da freilich etwas schwerer …

Ein bisschen Iso-Sternengefunkel hätte schon geholfen, die Abendstimmung zu vertiefen. Oder wenn das Patchouli schön samtig-dunkel aufgegangen wäre.
Aber nein. Wollte man nicht oder konnte man nicht? Der Vorsatz mag da gewesen sein. Doch mit der Umsetzung der Stimmungsübertragung hapert es. Anders gesagt: Der Duft ist meiner Nase nach nicht ausbalanziert. Er weist kaum Stabilität auf. Naja, Nebel halt ...

Ob das Moschus in der Basis noch „abliefern“ kann? Dazu müsste es allerdings animalischer daherkommen. Tut es jedoch nicht. Es ist ein durch und durch zahmes white Musk wie aus der Drogerie. Nichts Provokantes, nichts Aufregendes.

Mich überzeugt der Duft nicht. Am besten gefällt mir Velvet Haze noch in der Anfangsphase, wenn man überrascht bemerkt, dass er weit weniger gourmandig ist, als man sich das mit Kokos und Kakao vorgestellt hat. Aber das ist zu wenig.

Was bleibt, ist ein weicher Moschus-Ambra- bzw. Ambrette-Duft mit einem warm-würzigen Drydown. Für mich ist es ein alles in allem doch recht konventioneller Duft mit einem gewissen Retro-Touch, der wohl dem leisen Patchouli geschuldet ist.

Wem der Duft zu synthetisch-süß ist, braucht keine Angst zu haben: Die Haltbarkeit ist gering.

Velvet Haze ist das erste Parfum von Byredo, das ich getestet hab. Das Nischen-Dufthaus, das auch exklusive Duftkerzen, Seifen und andere pflegende Kosmetik im Portfolio hat, wurde 2006 von Ben Gorham in Stockholm gegründet. Statt skandinavischer Minimalistik besinnt sich Gorham bewusst auf seine indische Herkunft. Klingt spannend, aber vielleicht rührt mein „Fremdheitsgefühl“ auch von daher. Ich werde sicher noch weitere Byredos testen, aber nicht als Blindkauf. Dazu sind mir die Düfte, die meist so € 190,- (100 ml) kosten, doch zu teuer.

(Mit Dank an NatRocks)

6 Antworten
Pinkdawn vor 3 Jahren 15 7
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Duft
Love strikes like cold steel
Der Vorhang geht auf. Auftritt Rose. Es ist ein großer Auftritt. Die Rose ist sofort präsent, fast kitschig süß und schwer wie in manchen orientalischen Parfums. Ich bin ein Fan von Rosendüften. Aber das ist mir zu intensiv. Schnuppert man näher hin und lässt den Duft nach dieser Überdosis reifer Rose sich entwickeln, kommt er bald erstaunlich frisch und grün, fast zitrisch daher – und lässt aufhorchen. Mich zumindest. Denn ich mag diese moderne Art von Rose. Doch kaum beginne ich, mich über die unerwartete Frische zu freuen, zieht eine dunkle Wolke in Form einer ebenfalls unerwarteten metallischen Schärfe auf. Wo die plötzlich herkommt? Keine Ahnung. Aber sie ist da. Möglicherweise ist das Geranium, das in die Rosenidylle einbricht.

Selbst wenn bei Parfumo keine Geranie in der Duftpyramide aufscheint, in den meisten anderen Quellen wird sie genannt. Für mich ist sie jedenfalls deutlich merkbar.
Geranium und Rose treffen einander ja öfter in Parfums. Einerseits, um das teure Rosenöl zu strecken, andererseits, um den Duft haltbarer zu machen. Nichts gegen die zarte, weiße Blüte, doch ich bin kein Fan ihrer blumigen Süße. Ich mag ungerecht sein, aber in Geranium sehe ich immer die billige „Ersatzrose“ geringer Güte, die mir jeden Rosenduft verdirbt.
Hier ist es etwas anders. Ich erkenne das Konzept. Love Kills ist eine Parabel auf die Vergänglichkeit der Liebe. Man könnte auch sagen: das Leben einer Rose als Allegorie auf die Kurzlebigkeit von romantischen Beziehungen.

Okay, man muss nicht in alles etwas hineingeheimnissen. Mich stört an solchen Metaphern auch die rigorose Apodiktik. Denn nicht alle Liebesgeschichten enden als Drama oder sind kürzer als ein Rosenleben. Oder? Doch hier geht es um die Endlichkeit von Liebesbeziehungen – sei es durch den Alltag, der die schwärmerischen Gefühle tötet, Betrug, Enttäuschung, Eifersucht, gestrandete Hoffnungen oder was auch immer - und die Melancholie, die ihr naturgemäß innewohnt.

Für mich ist die Botschaft klar: Am Anfang steht die noch grüne Rose mit ihrer verheißungsvollen Frische. Dann blüht sie zu einer wunderschönen, samtigen Blüte auf und entwickelt einen so schweren, dunkelsüßen Duft, dass er fast zu intensiv ist, um ihn noch als angenehm genießen zu können. Doch während man sich fragt, ob so viel Rose in einem Duft oder an einem Menschen erlaubt ist, erobert die Geranie die Szene. Ihre zitrische Würzigkeit macht den Unisex-Duft für Männer tragbar, bringt aber auch diese fast schmerzliche metallene Schärfe ins Spiel, als schneide ein Schwert die wunderbare Rose entzwei.

Die Geranie ist hier also ein bewusst eingesetzter Player, der olfaktorisch zeigen soll, wie die unschuldig-himmlische Liebesbeziehung erste Risse bekommt. Und die frühe Tragik bleibt. An dieser Stelle entwickelt der Duft eine gewisse Sauberkeit und Gepflegtheit, die sich im Spiel dieser Allegorie nicht ganz eindeutig interpretieren lässt. Ich würde sagen: Die Leidenschaft ist nun draußen aus der Beziehung. Noch bleibt man zusammen, aber unter anderen Voraussetzungen.

Die Assoziation zum Song „Love Kills“ von Freddie Mercury aus 1984 drängt sich auf. Es ist nicht einer seiner besten, auch wenn es sein erster Solotrack ist. Doch da ist diese Textzeile: „Love strikes like cold steel, scars you from the start. Love kills.“
Freddie scheint also ebenfalls keine allzu guten Erfahrungen mit der Liebe gemacht zu haben.

Ob Caroline Dumur, die diesen Duft kreiert hat, an Freddie und seinen Song gedacht hat, als sie „Love Kills“ zusammenmischte? Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Die Botschaft ist – zufällig oder nicht - die gleiche.

Auch wenn dieser Duft mein Herz jetzt nicht gerade im Sturm erobert hat, muss man ihm Respekt zollen. Hier wollte man keinen gefälligen Blütenreigen schaffen. Der Duft erzählt eine – äußerst dramatische - Geschichte und ist eine interessante, abwechslungsreiche Komposition mit spannendem Duftverlauf, die im Gedächtnis bleibt. Aber er spielt sich sehr in den Vordergrund. Man muss ihn mögen, seine Stimmung teilen. Dann passt er. Er wird sich dir nicht angleichen oder „deine Persönlichkeit unterstreichen“, wie man es von Parfums so gern erwartet. Dazu ist er selbst viel zu stark. Eine „alles oder nichts“-Sache. Keine Kompromisse, keine Toleranz, keine Harmonie. Es geht eher um Macht und Dominanz. Ist man bereit, diese Stärke zu akzeptieren, wird man sich in dem Duft wiederfinden. Mir ist er zu intensiv und in seiner Botschaft letztlich doch zu vordergründig. Programmmusik, nennt man das bei musikalischen Kompositionen. Außerdem bin ich nicht bereit, mir den destruktiven Duftverlauf von der Rosenknospe bis zur toxischen Beziehung aufdrängen zu lassen. Mag die Story auch wahr sein – ich will nicht ständig an die tödlich sein könnende Macht der Liebe erinnert werden.

Wer die düstere Rose-Patchouly-Mischung aushält, wird mit einem literarisch anmutenden Duft belohnt, der einen abwechslungsreichen Verlauf zeigt, eine bemerkenswert starke Sillage und Haltbarkeit besitzt und sehr extrem ist. Nichts für Oberflächliche, nichts für Mauerblümchen, Büromenschen oder Status-Leute. Eher etwas für ExistenzialistInnen, Mutige, Neugierige und Depressive.

Der seltsame Name "III-III Love Kills", der mich irgendwie entfernt an X Æ A-XII Musk erinnert,
soll übrigens so etwas wie III. Aufzug, III. Szene bedeuten, hab ich irgendwo gelesen, was den dramatischen Charakter dieses Parfums unterstreicht.

(Mit Dank an NatRocks)
7 Antworten
Pinkdawn vor 3 Jahren 31 12
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9
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5
Duft
Der süße Brei
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die Hypes nur deshalb kritisch gegenüberstehen, weil sie Hypes sind. Ganz im Gegenteil. Ein Duft, der von vielen hochgejubelt wird, weckt mein Interesse. Nicht, weil ich meine, so viele können einfach nicht irren, sondern weil ich wissen möchte: Wie hat ein Duft zu sein, der so gefällt? Dabei erlebe ich natürlich meine Überraschungen – teils positiv wie bei manchen Kurkdjians, aber auch negativ wie bei Montale Mukhallat.

Kürzlich weckte ein ebenfalls sehr gehypter Duft meine Neugierde: Delina von Parfums de Marly, das es als Eau de Parfum, Exclusif und La Rosée gibt. Nach der Zusammensetzung erschien mir das EdP am besten für mich geeignet zu sein. Ich war gespannt auf die Kombination der fruchtig-säuerlichen Noten Litschi, Rhabarber und Bergamotte mit Rose. Rosig-fruchtig stellte ich mir diesen Duft vor, also sehr reizvoll für mich. Bei den Guerlain Aqua Allegorias spricht mich diese Zusammenstellung auch immer an, wobei es dort aber meist um Schwarze Johannisbeere geht. La Rosée passt wegen seiner aquatischen Noten nicht so sehr in mein Beuteschema.

Da Fehlkäufe bei Parfums über der 200-Euro-Grenze doch eher schmerzen, bestelle ich mir erstmal zwei Proben im Souk (vielen Dank, NatRocks!) – eine vom EdP, die andere vom Exclusif, das mir aber, so dachte ich, zu elegant und pompös sein würde mit Amber, Oud und Moschus. Dazu auch noch die süße Birne …

In den Rezensionen wird Delina mit Frühlingsgefühlen, Sommergarten, Lebensfreude, Optimismus und Luxus assoziiert. Das macht Lust auf diesen Duft. Aber irgendwo findet sich auch, ganz versteckt unter der vielen Euphorie, ein Statement, das mich aufhorchen lässt:
„Wer eine Rose erwartet, die alle Sinne umhaut, wird enttäuscht sein.“

Eine Warnung, die mir zu denken gibt. Denn ich erwarte tatsächlich einen wunderbaren Rosenduft. Nichts Nostalgisches, Seifiges, etwas Neues, Frisches, Faszinierendes, eine zeitgemäße Interpretation von Rose, die verzaubert.

Doch was entdecke ich nach dem Aufsprühen? Einen sehr weiblichen, blumigen Duft, der kurzfristig fruchtig und grün aufblitzt, dann aber gourmandig wird und ein wenig an Karamell erinnert. Ich bin etwas irritiert: Will Delina jetzt blumig sein, gourmandig oder grün? Einzelne Blüten wie Maiglöckchen oder Pfingstrose – beide normalerweise nicht zu überriechen – kann ich nicht erkennen. Der Duft wird für mich rasch zu einer Kombination von Düften, die als solche ihren eigenen Charakter entwickelt und behält. Delina duftet elegant, sehr elegant, süß, sanft, harmonisch. Das Rosendufterlebnis stellt sich bei mir jedoch nicht ein. Mir erscheint der Duft eher gourmandig, cremig wie ein süßer Brei.

Parfums de Marly lässt sich bei ihren Parfums vom 18. Jahrhundert inspirieren. Spätbarock, höfischer, üppiger Prunk, Luxus, verspielte Ornamente, Rüschen, Spitzen, aufwendige Perücken, auf dem Reißbrett konstruierte Gärten, die kaum noch etwas mit Natur zu tun haben, Prestigeschlösser wie der Königspalast von Versailles. Besonders Louis XV. und seine höfische Welt hat es ihnen angetan: die verschwenderische Pracht von seinem Refugium Schloss Marly und seiner Märchenwelt aus Pastellfarben, Blumenornamenten und adeligen Damen, die ganze Landschaften in ihren hochaufgetürmten Haaren trugen.

Louis XV. ist bekannt für seine Liebe zu edlen Rössern und seine Verschwendungssucht bei Düften. Er beduftet seine Zimmerfluchten in Versailles mit kostbaren Parfums aus Blumen, Tieren und Früchten. Allein seine berühmten Duftbrunnen verschlingen Unsummen, während große Teile der Bevölkerung darben.

Ich brachte nie viel Sympathie auf für den barocken Lebensstil der französischen Könige, der mir immer auf unverständlich menschenverachtende Weise dekadent erschien. Aber ich würde diese Antipathie nie auf einen Duft übertragen.

Kurz erinnert mich Delina an eine Mischung aus Un Jardin Sur Le Toit und Baccarat Rouge 540. Beide Düfte schätze ich sehr. Doch ich würde sie nie layern. Das ist aber für mich das Problem von Delina. Nicht das Layern, sondern die Verbindung der beiden unvereinbaren Gegensätze fruchtig-grün und gourmandig. Solche Experimente können funktionieren, wenn man mutig genug und innovativ ist. Hier wollte man offenbar einen Designerduft schaffen, der aber auch vom Mainstream akzeptiert wird. Kann das gelingen? Jein. Von der Beliebtheit her und dem Verkaufserfolg ist der Versuch eindeutig geglückt. Der Duft ist gefällig, aber für mich zu sehr bemühtes Konstrukt, das als solches sogar synthetisch wirkt.

Ich hatte mir einen Duft mit einer schönen Rosennote erwartet. Von Rose nehme ich aber nichts wahr. Auch nichts von Maiglöckchen, Litschi, Rhabarber und Vanille. In diesem Orchester gibt es keine Solisten. Ich finde nur ein synthetisches Konglomerat, das so gut wie keinen nennenswerten Duftverlauf zeigt. Am stärksten spüre ich das Gourmandige, das aber nicht so idyllische Empfindungen auslöst wie Baccarat Rouge 540.

Sehr inspirierend finde ich Delina nicht. Je länger ich das EdP trage, desto mehr reduziert sich der Duft auf eine diffuse, synthetische Süße. Ich versuche immer wieder, noch etwas Sensationelles, Besonderes an Delina zu finden, aber es gelingt mir nicht. Ich bin enttäuscht. Hab ich zu viel erwartet? Rose statt undefinierbarer Süße?

Die Haltbarkeit ist wenigstens gut. Dass die Intensität im Lauf der Zeit abnimmt, stört mich nicht. Delina ist kein Duft für mich. Das Marketing mit der Hommage an Louis XV. und die Zeit des Spätbarocks ist überzeugend und professionell – vom Quastenflakon bis zur dominanten Süße des Parfums. Aber ich bin kein verschwendungssüchtiger Barockmensch am Hof von Versailles, das zum Glück jetzt ein Museum ist.

Der Duft will elegant sein. Mir ist er dafür jedoch zu süß. Aufgrund des Hypes hätte ich mehr Genialität und Kreativität erwartet.

12 Antworten
Pinkdawn vor 3 Jahren 14 11
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Großes Drama in der Tropennacht
Hab ich schon erwähnt, dass ich durch Werbung manipulierbar bin? Als ich die gar nicht so wenigen Rezensionen und Statements über Mukhallat las, dachte ich sofort: Den muss ich haben! Der Duft schien optimal zu mir zu passen. Synthetischer Erdbeerkaugummi mit Vanille, Moschus und Mandeln – das klang für mich so kitschig, dass es schon wieder schön ist. Nein. Ich erwartete mir einen frechen, exzentrischen Duft, der sozusagen eine Idealisierung des künstlichen Aromas billiger Erdbeerkaugummis sein würde. Ein banales Thema aus dem pinken Barbiepuppenzimmer, das durch große Parfumeurskunst zum elitären Duft jenseits jedes Girlie-Images wird. Ich war gespannt auf die Lösung, die Montale für diese Gleichung gefunden hat. Ich freute mich auf Mukhallat, zumal mir auch der charakteristische schneeweiße Metallflakon sehr gefällt.

Dann war das Paket aus der Onlineparfümerie endlich da. Stimmt, der Duft sieht bereits von außen edel und besonders aus: goldener Karton, stylischer Aufbewahrungsbeutel, der verspielte Goldverschluss des Sprays …

Das Ritual beginnt mit dem hastigen Entfernen der Zellophanhülle. Ich bin neugierig. Nun wird gesprüht. Erstmal etwas vorsichtig. Manche bezeichnen das Parfum ja als unerträgliche Duftbombe. Prinzipiell hab ich mit laut, süß und ausgefallen keine Berührungsängste, wenn die Qualität überzeugt. Ich liebe es, Düfte nach Anlässen, Stimmung, Jahres- und Tageszeiten zu variieren.

Mandeln, Vanille, weißer Moschus, Walderdbeere und Perubalsam – mag ich alles. Was kann da noch schief gehen?

Der Duft ist schon ein bisschen intensiv, gleich von Anfang an. Was heißt ein bisschen? Ich will jetzt nicht von penetrant sprechen, aber er hat eine - sagen wir es einmal freundlicher - enorme Präsenz. Deutlich, süß, laut … Naja, das hab ich ja erwartet. Nur eben in Richtung Walderdbeere oder Erdbeerkaugummi. Doch davon nehme ich nichts wahr. Auch nicht von Mandeln oder Vanille und so.

30 Minuten später: Ich warte immer noch auf das versprochene Erdbeeraroma. Aber es kommt nicht. Dafür erscheint mir der starke Blütenduft immer bekannter. Meine kleinen grauen Zellen beginnen zu arbeiten, checken alle möglichen tropischen oder exotischen Düfte. Gab es da nicht einmal ein Duftöl Monoi de Tahiti von Yves Rocher? Bingo! Mir war der Duft damals viel zu stark und süß. Das Duftöl steht heute noch ungenutzt irgendwo herum. Und inzwischen fällt mir auch die Pflanze ein, die dem aus den französisch-polynesischen Inseln stammenden Schönheitsmittel ihren Duft verleiht: Gardenia Tahitensis, die Tiare – eine weiße, große Blüte mit einer fast synthetisch anmutenden Süße, die ich eigentlich aufdringlich empfinde. Natürlich ist das Geschmacksache. Ich mag intensive Düfte, aber wenn sie dann auch noch dieses gewisse „Betörende“ haben, wird es mir zu viel – für ein Parfum, das ich an mir trage. Und Mukhallat ist so ein betörender Duft. Schwer, süß und warm katapultiert er mich mitten hinein in eine zauberhafte Tropennacht auf Tahiti. Oh wait, wieso nennt er sich dann Mukhallat? Diesem arabischen Namen nach hätte ich eher etwas Orient erwartet. Wurde hier eine falsche Fährte gelegt?

Eine Stunde später. Von Erdbeere noch immer keine Spur. Der Duft hat sich nicht verändert. Er erinnert mich an Heliotrop und Ylang-Ylang, vielleicht etwas Gardenie; ist also weiterhin betörende Tropennacht. Ich bin enttäuscht. Ich hatte etwas ganz Anderes erwartet und bin verwundert über die Duftpyramide. Denn ich erschnuppere keine Erdbeere, keine Mandeln, kein gar nichts – außer die Tiare, die angeblich gar nicht drinnen ist. Wenn da wenigstens etwas Gourmandiges wäre …

Ein paar Tage später gebe ich Mukhallat noch eine Chance. Fast fürchte ich mich aber vor dem Schwall an süßer Tropennacht, der mich sofort umfangen, um nicht zu sagen erdrücken wird. Oder? Leider nein … Da ist sie wieder, die Tropennacht. Ganz großes Drama: süß, schwülstig, dominant, ein starker, exotischer Blütenduft, für den ich offenbar zu mitteleuropäisch bin. Wann, wo und zu welchem Anlass soll frau denn diese aufdringliche exotische Blumenmischung tragen? Ich weiß es nicht. Vielleicht ein sommerliches Südseefest? Aber sonst?

Mukhallat wird sicher nicht mein Lieblingsduft werden. Das Freche, Lustige, Übermütige, von dem so oft die Rede ist und auf das ich mich gefreut hab, finde ich hier nicht. Natürlich hätte man mit kitschigem Melodrama, Südseeromantik und magischer Tropennacht ironisch spielen können. Aber das ist offenbar nicht gelungen oder war auch gar nicht geplant.
Ich bin enttäuscht. Mit diesem Duft kann ich nicht viel anfangen. In gewisser Weise ist er sogar recht banal, weil er wenig zu bieten hat: nichts wirklich augenzwinkernd Schockierendes, keine Emotionen, die mich berühren, keine Rätsel oder Geheimnisse, die es zu ergründen gilt, kein interessanter Duftverlauf, nichts, was mich inspiriert. Keine Herausforderung, bestenfalls die übertriebene Leidenschaft eines Groschenromans. Aber selbst das klingt vielversprechender, als es ist.

Falls jemand diesem ungewöhnlichen, luxuriösen Duft mit seiner wirklich überdurchschnittlichen Sillage und Haltbarkeit ein Zuhause schenken will, wo er mehr geachtet wird, bin ich gern bereit, ihn zwar nicht zu verschenken, aber ziehen zu lassen. Einfach bei mir melden.
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