So leicht lasse ich mich nicht entmutigen. Auch wenn mein erster Versuch, mit Alyssha Ashleys Essence de Patchouli einen guten Patch für den Herbst zu finden, leider ein Flop war. Es gibt ja unzählige Patch-Düfte, die nur darauf warten, von mir entdeckt zu werden. So etwa Patchouli N‘ Roses von Reminiscence, auf den ich bei meinen Recherchen immer wieder stoße – bis ich ihn schließlich blind bestelle.
Ich geb zu, mir gefällt schon seine ansprechende Verpackung – das Bild von den rosa-grau-violetten Rosenblättern auf weißem Grund, die zu explodieren scheinen. Der schwungvoll konkave Flacon mit dem quellwasserhellen Parfum bestätigt, dass wir es hier mit etwas erfrischend Trendigem zu tun haben.
Und diesmal ist alles ganz anders. Gleich beim Öffnen der Cellophanverpackung strömt mir ein Patch entgegen, der seinesgleichen sucht. Erdig natürlich, aber fein, nicht muffig, deutlich, jedoch nicht penetrant – beste Qualität!
Ich gebe zu, die Kombination mit Rose ist nicht neu, überzeugt allerdings durch eine außergewöhnliche Komposition. Hier ist alles, wie es sein soll, doch eben nicht im altbekannten Sinn, sondern überraschend aktuell. Außerdem wollte ich ja einen Patch en rose.
Ich kann es kaum erwarten, das EdP aufzusprühen. Das Rosa Rossa von Guerlain, das ich an diesem Tag trage, zieht sich sofort verschreckt zurück und versteckt sich bis zum Unwahrnehmbaren, wozu es dank seiner geringen Sillage und Haltbarkeit ohnehin nicht viel bedarf.
Ich spüre den Duft im ganzen Zimmer. Nicht erdrückend, sondern angenehm, inspirierend.
Ein Touch von Halloween ist schon dabei. Keine Frage. Ich stehe als Einzige, die noch übriggeblieben ist von uns, vor unserem Familiengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof, nächst der schönen Jugendstil-Kirche des Heiligen Borromäus. In Wien freilich nur Luegerkirche genannt, ist doch Karl Lueger, der damals sehr beliebte Wiener Bürgermeister, in ihrer Gruft bestattet. - Es ist Allerheiligen. Die Gräber sind frisch geschmückt. Überall flackern Kerzen. Es ist kalt. Aber der alte Rosenstock trägt noch eine letzte blassrosa Knospe. Sie wird sich nicht mehr öffnen. Der Frost hat sie bereits zu Tode geküsst. Sie ist in Schönheit gestorben. Eine Allegorie der Vergänglichkeit. Meine Großmutter hat den Rosenstock nach dem Tod meines Großvaters neben den Grabstein gepflanzt. Das ist lange her. Es wird Zeit, dass der Gärtner ihn vor dem Winter noch etwas zurückschneidet und vor der Kälte schützt.
Wenn jemand etwas von Patch versteht, dann Reminiscence. Die Pariser Marke hat erstaunlich viele Patch-Parfums im Angebot, sozusagen für jeden Geschmack eines. Angeblich haben sie sogar den Originalpatch kreiert, den die Hippies in den 70er Jahren so liebten - und verkaufen ihn immer noch.
Etwas ungewöhnlich finde ich, dass dieser Patch auch wirklich mit Patch startet und sich die Rose erst in der Herznote leise meldet – weich, sanft, tröstlich, mit einer zarten, wehmütigen Süße. Patchouli spielt trotzdem weiterhin die Hauptrolle, bleibt omnipräsent, aber lieblich. Die bekannte Duftkombi beginnt anderweitig meist mit einem starken Rosen-Oeuver.
Sie verstehen einander gut, die letzte Rose und der Patch.
Ich bin überzeugt von diesem Duft. Das ist Herbst in seiner schönsten Form. Melancholisch, verhalten, wärmend, gut tragbar, auch tagsüber, ohne zu konventionell zu sein. Kraftvoll, modern, frisch-würzig, floral-erdig - und immer elegant.
Was den Duft zu etwas so Besonderem macht, sind die vielen Ingredienzien jenseits von Rose und Patchouli. Fabrice Pellegrin hat dem Patch gekonnt Zentifolie, Damaszener Rose, Pfeffer, Iris, Zedernholz, Vanille, Eichenmoos, Vetiver und Moschus zur Seite gestellt. Diese Nuancen machen den Chypre interessant und lebendig. Es bleibt also spannend.
Die Kopfnote beginnt frisch mit einer Provence-Rose, die so zart ist, dass man sie kaum wahrnimmt. Erst der Patchouli in der Herznote, gemeinsam mit dem satten Duft einer voll erblühten Damaszener Rose, die ich in ihrer runden, vielblütigen Kompaktheit förmlich sehen kann, erweckt Aufmerksamkeit. Doch dabei treiben sich auch noch Iris und Pfeffer herum und setzen interessante Akzente. So bleibt dieses EdP abwechslungsreich.
Die Damaszener Rose macht den Duft jetzt pudrig, was ihm Eleganz schenkt.
Zuletzt hat das Zedernholz seinen etwas herben Auftritt, begleitet von reichlich, aber nie zuviel Eichenmoos, Vetiver und immer noch Iriswurzel. Damit der herbstliche Waldspaziergang aber nicht zu sehr ins Erdige, Würzige, Kraftvoll-Männliche mutiert, sorgen Vanille und Moschus für ein sehr feminines, liebliches Happy End, das sich jedoch viel Zeit lässt. Der Duft ist gut haltbar – vor allem auf Textilien, scheint mir. In meinem Schal spüre ich ihn tage- bis wochenlang – angenehm wie einen alten Freund, ohne dass er muffig geworden wäre.
Das Geheimnis des Dufts besteht vielleicht darin, dass der Patch nicht zu dunkel daherkommt. Er ist erdig, wie er sein soll, aber nicht gruftig-düster, sondern eher hell, frisch und sauber. Weißer Patchouli, würde ich es nennen. Elegie mit Charme. Eine gewisse wehmütige Schwere ist schon vorhanden, doch sie hat nicht das letzte Wort, zieht einen nicht hinunter in die Melancholie. Dazu ist der Duft einfach zu schön, zu sehr Rose, zu sinnlich. Denn das ist er absolut. Ich nehme zeitweise eine feine, orientalische Oud-Wärme wahr, die jedoch dezent bleibt.
Der Duft ist nicht ganz billig. Preislich bewegen sich 100 ml so etwa zwischen 50 und 100 Euro bzw. sogar darüber. Doch dafür bekommt man auch einen sehr sorgfältig komponierten Patch, der sich eine leise Mystik bewahrt hat, ohne „Gruftie“ zu sein.
Der Duft ist nun über 3 Jahre auf dem Markt. Ich wundere mich, dass es bisher hier weder Kommentare noch Fotos zu Patchouli N‘ Roses gibt. Diese stiefmütterliche Behandlung hat der Duft, den ich jetzt nicht unbedingt als „Nischenduft“ bezeichnen würde, meiner Meinung nach nicht verdient. Wer mit Patch etwas anfangen kann und weichen, samtigen Rosenduft mag, wird diesen edlen, abwechslungsreichen und raffinierten Damenduft, der für mich besonders gut zum Herbst passt, sicher lieben.