Hab ich schon erwähnt, dass ich durch Werbung manipulierbar bin? Als ich die gar nicht so wenigen Rezensionen und Statements über Mukhallat las, dachte ich sofort: Den muss ich haben! Der Duft schien optimal zu mir zu passen. Synthetischer Erdbeerkaugummi mit Vanille, Moschus und Mandeln – das klang für mich so kitschig, dass es schon wieder schön ist. Nein. Ich erwartete mir einen frechen, exzentrischen Duft, der sozusagen eine Idealisierung des künstlichen Aromas billiger Erdbeerkaugummis sein würde. Ein banales Thema aus dem pinken Barbiepuppenzimmer, das durch große Parfumeurskunst zum elitären Duft jenseits jedes Girlie-Images wird. Ich war gespannt auf die Lösung, die Montale für diese Gleichung gefunden hat. Ich freute mich auf Mukhallat, zumal mir auch der charakteristische schneeweiße Metallflakon sehr gefällt.
Dann war das Paket aus der Onlineparfümerie endlich da. Stimmt, der Duft sieht bereits von außen edel und besonders aus: goldener Karton, stylischer Aufbewahrungsbeutel, der verspielte Goldverschluss des Sprays …
Das Ritual beginnt mit dem hastigen Entfernen der Zellophanhülle. Ich bin neugierig. Nun wird gesprüht. Erstmal etwas vorsichtig. Manche bezeichnen das Parfum ja als unerträgliche Duftbombe. Prinzipiell hab ich mit laut, süß und ausgefallen keine Berührungsängste, wenn die Qualität überzeugt. Ich liebe es, Düfte nach Anlässen, Stimmung, Jahres- und Tageszeiten zu variieren.
Mandeln, Vanille, weißer Moschus, Walderdbeere und Perubalsam – mag ich alles. Was kann da noch schief gehen?
Der Duft ist schon ein bisschen intensiv, gleich von Anfang an. Was heißt ein bisschen? Ich will jetzt nicht von penetrant sprechen, aber er hat eine - sagen wir es einmal freundlicher - enorme Präsenz. Deutlich, süß, laut … Naja, das hab ich ja erwartet. Nur eben in Richtung Walderdbeere oder Erdbeerkaugummi. Doch davon nehme ich nichts wahr. Auch nicht von Mandeln oder Vanille und so.
30 Minuten später: Ich warte immer noch auf das versprochene Erdbeeraroma. Aber es kommt nicht. Dafür erscheint mir der starke Blütenduft immer bekannter. Meine kleinen grauen Zellen beginnen zu arbeiten, checken alle möglichen tropischen oder exotischen Düfte. Gab es da nicht einmal ein Duftöl Monoi de Tahiti von Yves Rocher? Bingo! Mir war der Duft damals viel zu stark und süß. Das Duftöl steht heute noch ungenutzt irgendwo herum. Und inzwischen fällt mir auch die Pflanze ein, die dem aus den französisch-polynesischen Inseln stammenden Schönheitsmittel ihren Duft verleiht: Gardenia Tahitensis, die Tiare – eine weiße, große Blüte mit einer fast synthetisch anmutenden Süße, die ich eigentlich aufdringlich empfinde. Natürlich ist das Geschmacksache. Ich mag intensive Düfte, aber wenn sie dann auch noch dieses gewisse „Betörende“ haben, wird es mir zu viel – für ein Parfum, das ich an mir trage. Und Mukhallat ist so ein betörender Duft. Schwer, süß und warm katapultiert er mich mitten hinein in eine zauberhafte Tropennacht auf Tahiti. Oh wait, wieso nennt er sich dann Mukhallat? Diesem arabischen Namen nach hätte ich eher etwas Orient erwartet. Wurde hier eine falsche Fährte gelegt?
Eine Stunde später. Von Erdbeere noch immer keine Spur. Der Duft hat sich nicht verändert. Er erinnert mich an Heliotrop und Ylang-Ylang, vielleicht etwas Gardenie; ist also weiterhin betörende Tropennacht. Ich bin enttäuscht. Ich hatte etwas ganz Anderes erwartet und bin verwundert über die Duftpyramide. Denn ich erschnuppere keine Erdbeere, keine Mandeln, kein gar nichts – außer die Tiare, die angeblich gar nicht drinnen ist. Wenn da wenigstens etwas Gourmandiges wäre …
Ein paar Tage später gebe ich Mukhallat noch eine Chance. Fast fürchte ich mich aber vor dem Schwall an süßer Tropennacht, der mich sofort umfangen, um nicht zu sagen erdrücken wird. Oder? Leider nein … Da ist sie wieder, die Tropennacht. Ganz großes Drama: süß, schwülstig, dominant, ein starker, exotischer Blütenduft, für den ich offenbar zu mitteleuropäisch bin. Wann, wo und zu welchem Anlass soll frau denn diese aufdringliche exotische Blumenmischung tragen? Ich weiß es nicht. Vielleicht ein sommerliches Südseefest? Aber sonst?
Mukhallat wird sicher nicht mein Lieblingsduft werden. Das Freche, Lustige, Übermütige, von dem so oft die Rede ist und auf das ich mich gefreut hab, finde ich hier nicht. Natürlich hätte man mit kitschigem Melodrama, Südseeromantik und magischer Tropennacht ironisch spielen können. Aber das ist offenbar nicht gelungen oder war auch gar nicht geplant.
Ich bin enttäuscht. Mit diesem Duft kann ich nicht viel anfangen. In gewisser Weise ist er sogar recht banal, weil er wenig zu bieten hat: nichts wirklich augenzwinkernd Schockierendes, keine Emotionen, die mich berühren, keine Rätsel oder Geheimnisse, die es zu ergründen gilt, kein interessanter Duftverlauf, nichts, was mich inspiriert. Keine Herausforderung, bestenfalls die übertriebene Leidenschaft eines Groschenromans. Aber selbst das klingt vielversprechender, als es ist.
Falls jemand diesem ungewöhnlichen, luxuriösen Duft mit seiner wirklich überdurchschnittlichen Sillage und Haltbarkeit ein Zuhause schenken will, wo er mehr geachtet wird, bin ich gern bereit, ihn zwar nicht zu verschenken, aber ziehen zu lassen. Einfach bei mir melden.