Plainsong

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1 - 5 von 16
Plainsong vor 9 Jahren 21 5
7
Duft
Die angenehme Totalverweigerung eines Statements
Manchmal ist es ja die größere Kunst, auf etwas zu verzichten, zurückzutreten, stilvoll zu schweigen, als Dinge gut, schön oder unterstützenswert zu finden. Es ist leicht, zu brüllen, euphorisch zu jubeln und sich permanent in der Mitte der Welt zu fühlen. Zurückhaltung, einfach mal nichts sagen, in sich selbst ruhen – das bleibt dann ja wohl selten bei anderen hängen.
Genau dieses Understatement fängt Aigner black aber ganz wunderbar ein. Staubig-trocken eröffnet es, sehr ernst und würdig, im ersten Moment erweckt es Erinnerungen an das vollkommen humorlose Encre Noire von Lalique, mit einer Schwermütigkeit, die förmlich nach Kafkas „Prozess“ riecht – als Bleistiftnote in vorangegangenen Kommentaren beschrieben. Wächsern, starr, streng – genau so eröffnet Aigner black.
Erfreulicherweise konterkariert es sein Anti-Bekenntnis schnell. Wo Encre noire humorlos bleibt und endlos über Verwaltungsakte, Zivilprozessordnung und die Notwendigkeit nachhaltiger Entwicklung leblost, entwickelt Aigner black schnell eine Cremigkeit, wird geschmeidig und sogar ein bisschen kuschelig. Ganz wunderbar unprollig bleibt es dabei, mäandert mehr mit der Geduld eines mittleren Alpengletschers durch den Raum als in irgendeiner Form laut, aufdringlich oder oktoberfestig zu werden.
Und die Wärme bleibt dann auch. Keine schwülstige Überhitztheit, keine Eile, in fünf Sekunden Nasenkontakt vereinnahmen zu müssen, keine ultramaskuline Hormonwallung, die durch übertriebene Süße ins Gegenteil verdreht werden müsste – Aigner black muss man tragen können, weil man auf vieles verzichten kann. Oder es einfach nicht nötig hat.
5 Antworten
Plainsong vor 9 Jahren 18 6
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Basically unterbewertet
Ich bin nicht in Bayern großgeworden, ich lebe nur dort. Und wenn sich hier eines durch viele Haushalte durchzieht, die ich bisher kennen lernen durfte, dann sind das: Holzöfen. Die habe ich wirklich erst hier zum ersten Mal in Aktion gesehen, und ich bewundere jeden, der mit gesammelter Konzentration und voller Hingabe Holzscheite in den Ofen schiebt. Wie unglaublich männlich: Ich bin ein Mann, ich habe Feuer gemacht.
Genau nach diesem Holzscheite-in-den-Ofen schieben riecht 1881 Black. Für die Namensgebung sollte man die Verantwortlichen in den Herrgottswinkel nageln – ich hätte bei der allzunahen Verwandtschaft mit Cerruti 1881 an ähnlich spülwasseriges gedacht – aber die vereinzelten, euphorischen Kommentare hier haben mich in Verbindung mit dem Spottpreis zu einem Blindkauf verleitet. Und was für ein Blindkauf!
Vom ersten Moment an umweht einen ein zartrauchiges Aroma – so richtig kann ich einen Duftverlauf gar nicht ausmachen. Die Basisnote umspielt von Anfang an recht dominant den Hals und die Nase, drängt sich aber nie auf - Marzipoud ist eine reichlich gelungene, weil dezente Kombination.
Vom Dunklen, Schwarzen fühle ich mich ja ohnehin sehr angezogen. Aber 1881 Black ist neben Body Kouros der einzige Duft, der den Reiz daran mit Seele füllt. Black sun von Salvador Dali ist reiner Etikettenschwindel, Aigner Black und Encre Noire sind humorlose Gesellen, deren staubige Trockenheit ich an wenigen Tagen im Herbst unersetzlich schätze – aber Schattenhaftes mit Seele zu füllen, gelingt nur wenigen. Und 1881 Black gelingt das spielend. Schwere Süße in Verbindung mit einer Bastion umsorgender Männlichkeit - ein wundervoller Kontrapunkt zur Nasenkirmes. Wenn ich nicht aufpasse, macht mich dieser Duft aus Versehen noch konservativ.
6 Antworten
Plainsong vor 9 Jahren 16 1
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Elfenpfeffersteak
Florale Noten in Männerdüften – das kennt und mag man (oder nicht) aus Fleur du mâle von JPG, Versaces The Dreamer oder Sculpture homme. Ein bisschen belanglos kommen sie daher, alle drei, unverbindlich, spielerisch. Grillen riecht anders.
NRFH riecht vor allem am Anfang nicht weniger blumig, Lavendel und Veilchen (das bei mir sehr stark im Vordergrund steht) geben dem Auftakt eine tänzerische Leichtigkeit. Aber wo Jean-Paul Gaultier die Orangenblüten von Hand pflückt, hat Narciso Rodriguez den Rasentraktor eingesetzt: Riecht nach Elf, aber dengelt wie Zwerg.
Und wehe, wenn er losgelassen: Dann fährt der Rasentraktor rüber zum Nachbarn. Das Moschus riecht zwar artig, aber nichtsdestotrotz nach Revierabsteckung – mein Tanzbereich, Dein Tanzbereich. Patrick Swayze wäre begeistert und würde Legolas nach überstandener Prügelei zum nachbarschaftlichen Grillen einladen. Pfeffersteak im Veilchenversteck auf Lavendel des Marktes an Moschusmousse, und nach dem dritten Blütenlikör verbrüdert man sich vielleicht doch noch mit einem Pils – ein Abend mit NRFH hat mehr Stil als Eier.
Nicht geeignet für: Disco-Draufgänger und Gelegenheitstester. Das Ding hat das Understatement eines Markus Weinzierl, die Unterschwelligkeit eines Teppichbodens und die Zurückhaltung eines Models am Kuchenbuffet, irritiert dabei wie Glühwein im Sommer (ohne danach zu riechen) und… hält leider durch wie ein zweitklassiger Formel 1-Pilot mit Motorschaden. Das ist der einzige Schwachpunkt eines Parfüms, das in diesen Kreisen weit mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Es würde hier seine Liebhaber finden: komplex trotz einfacher Noten, erlesen in der Qualität (der Moschus ist tatsächlich elegant und nie prollig) und eine absolut ungewöhnliche Stilblüte in jedem Büro – in positiver Hinsicht. Wenn man nachsprüht.
1 Antwort
Plainsong vor 9 Jahren 6
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Bist Du noch sauer, Kraut?
Mit Blindkäufen ist das ja so ne Sache – man will sie schon aus Prinzip eine positive Überraschung finden, sonst würde man ja zugeben, dass einen die eigene Intuition getäuscht hat.
Von hinten durch die Brust in die Nase finde ich Ferré pour homme auch eine positive Überraschung. Ich hatte noch ein paar Euro Budget, und es war ohnehin mein Vorhaben, mich zeitnah den Powerhouse-Düften und unverfälschter Männlichkeit zuzuwenden. Das wird sich in den nächsten Tagen vermutlich hier bemerkbar machen.
Am Anfang stand allerdings erstmal der Zitrusschock. Der Drops, den man da lutschen muss (und der laut Felix Magath schon seit Jahren noch lange nicht gelutscht ist (wiewohl nach Felix Magath schon seit Jahren kein Hahn mehr kokoricot)), ist nämlich heftig sauer. Mit den gelben Nimm 2 hat das nichts zu tun, eher mit Viss-Scheuermilch oder den gelben Plastikbollen, in denen konzentrierte Zitronensäure rumschwimmt, und die man im Zeitalter der Entstehung dieses parfümgewordenen Brunftschreis zur Aromatisierung von Marmorkuchen genutzt hat.
Aber Kopfnoten sind ja neben dem Blenden von Laufkundschaft auch dazu gemacht, schnell zu verfliegen und dem eigentlich Kern eines Parföngs Platz zu machen. Und da schlägt Onkel Ferré aber mal so richtig in die Vollen: Ein ganzer Kräutergarten ergießt sich über Haut, T-Shirt und gleich das ganze Bad. Übrigens habe ich im dritten Abschnitt eine Doppelklammer benutzt, das erste Mal seit dem Mathe-Abi. Und weiter unten steht ein Wort mit voller Absicht zweimal hintereinander. Wehe, wenn die Zitrone mal verflogen ist: Dann ist Vollgas angesagt. Nasenkirmes statt Kirmesduft, Motorenöl statt Karriereschmiere, sechster Gang auf der Landstraße statt Spielstraße mit halb getretener Kupplung.
Wäre ich Vladimir Putin und müsste zu irgendeinem Gipfel… sagen wir G20… das wäre meine Wahl. Freunde findet man damit keine, aber wer das trägt, der will das auch nicht. Aber alleine damit kann man wahrscheinlich brasilianische Präsidentinnen dafür gewinnen, dass sie sich für ein Foto neben einen setzen, damit man nicht so alleine wirkt. Und wahrscheinlich noch die eine oder andere andere Frau.
Für diejenigen, die es kurz, knapp und austauschbar mögen: Sehr ausgeprägte Zitrus-Kopfnote, nach heutigem Maßstab eher synthetisch. Der Übergang zum Leder-Akkord schwächt den dominanten Wacholder etwas ab und macht ihn bürotauglicher als Drakkar Noir. Die Vielfalt an Kräutern in der Herznote sorgt dafür, dass einem Frauen hinterherschmachten. Sillage ordentlich, Haltbarkeit auch.
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Plainsong vor 10 Jahren 8 1
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft
Waldspaziergang mit Folgen
Mit den Jahreszeiten ist es ein bisschen so wie mit den glatten und den lockigen Haaren: Man will immer das, was man nicht hat. Brütet man in der Sommerhitze, sehnt man sich nach etwas mehr Kühle, Frische und Schnee. Und ist es Winter, krallen wir uns am Glühwein fest, essen gebrannte Mandeln und hätten ganz wahnsinnig gerne etwas Sommersonne.
212 stillt die Sehnsucht nach kälteren Tagen im Sommer durchaus gelungen. Und weckt im Herbst schon die Vorfreude auf den Frühling. Er duftet nach Waldspaziergang im Frühjahr, frisch und wachsend. Die einzelnen Komponenten sind wirklich intelligent miteinander verwoben, hier hat nicht alles seine Zeit, ein Verlauf ist praktisch nicht auszumachen. Tritt man auf das Laub, das vom letzten Jahr noch übrig ist, dann schlagen einem sofort junge Äste entgegen, und etwas Blütenstaub kitzelt in der Nase. Dabei bleibt 212 aber ein Leisetreter, klare Bekenntnisse oder gar etwas Brachiales sucht man hier nun wirklich vergeblich. Man könnte es harmlos nennen, oder nachhaltig.
Unter die blühende Frische mischt sich jedoch auch etwas Kühles. Nicht aggressiv, nicht aufdringlich, aber doch präsent. So, als ob sich im Frühjahr die Wolken schnell zusammenziehen und spürbar machen, dass der Sonne noch die massive Kraft fehlt.
212 bleibt recht körpernah, verschwimmt schnell mit der Umwelt. Geht man näher an die Duftquelle, drängt sich auf meiner Haut eine leicht metallische Note auf, die den Gesamteindruck etwas stört.
Verlieben tun sich Frauen sicher einfacher in andere Düfte, aber Beziehungen führt man eher mit 212-Trägern. Mit denen kommt man nämlich gut durchs ganze Jahr, für’s durch-die-Nacht-kommen sind andere Aromen sicher besser geeignet.
Sven Regener hat das mit seiner Band Element of crime mal ganz wunderbar festgehalten: „Seit ich Dich kenne, mag ich es gerne, wenn der Winter kommt – dann wird’s früher dunkel.“
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