Plainsong

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11 - 15 von 16
Plainsong vor 10 Jahren 6
7.5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
3
Duft
Von Nordseemangos und Küchennischen
Baldessarini hat sein neues Küchenensemble vorgestellt und dabei offensichtlich den Ehrgeiz gehabt, die Farbtrends der Saison zu prägen. Das Möbelhaus weiß zu überraschen – Die Frontblenden der Hängeschränke sind aus exotischem Mangoholz, der Griff des Kühlschranks aus Passsionsfrucht-Ranken – das passt prima zu dem Trend, Bier mit Curuba zu mischen. Das Prunkstück ist jedoch das Gewürzregal "Steuerboard" über der Kochnische: Es wurde aus Curry gebaumt, das hat man selten, und sogar ein Gläschen Pfeffer wird gleich mitgeliefert. Die Gesamtheit der Kücheneinrichtung drängt sich allerdings keinesfalls auf – sie bleibt leidlich dezent im Hintergrund und ermöglicht dem emanzipierten Hausmann die Konzentration auf ganz andere Dinge – im Wesentlichen auf alles andere.
Hat nichts mit Parfüm zu tun? Der Geruch hat auch nichts mit nautischem Geist zu tun. Woher kommt der seltsame Trend zum Blendwerk in Parfümnamen? Made to measure von Gucci war schon alles andere als maßgefertigt, das Gegenteil von Individualität, und Nautic Spirit passt sich nahtlos der Idee an, dass Namen geradewegs vom Kern eines Parfüms wegführen.
Ich koche gerne mal Puten-Mango-Curry, das ist zwar eine exotische Kombination, aber eine gut passende. Aber es sollten dann schon frische Mangos sein, keine aus der Dose – und Nautic Spirit zieht leider ziemlich bald eine muffige Synthetik-Fahne hinter sich her. Und wenn ich an der Nordsee bin, dann hab ich Krabbenbrötchen trotzdem lieber. Mit Seefahrt hat Nautic Spirit aber reichlich wenig zu tun – es sei denn, man stellt sich das so wildromantisch vor wie in „Die Insel des vorigen Tages“ von Umberto Eco: viel Südsee, viel Neues. Aber so wie Roberto de la Grive falsch lag mit der Vermutung, man könne die Zeit zurückdrehen, wenn man über die Datumsgrenze fährt, ist Nautic Spirit nichts für Leute, die einen aquatischen Duft erwarten. Aber vielleicht bin ich auch nur noch nicht trendreif und habe die Markteinführung von Jever Mango versäumt.
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Plainsong vor 10 Jahren 1 1
5
Flakon
2.5
Sillage
3
Duft
Wenig Aussicht auf Medaillen: Olympianorm nicht erfüllt
Zugegeben, die letzten Wochen haben meine Nase versaut. Das zunehmende Ausprobieren und sogar der eine oder andere Blindkauf (durchaus lohnend) haben mich anspruchsvoll gemacht und meine Erwartungshaltung ordentlich in die Höhe gesetzt. Man könnte einmal mehr grollend und zürnend die Faust erheben, weil die müssen-alle-mit-Monster-Sillage ein dezentes Duften zum Selbstzweck zunehmend empfindlich stört. Ich dufte gerne auch für andere – aber wenn ich selbst schon den ganzen Unterarm bis unter die Stirn in die Nase wuchten muss, um etwas wahrzunehmen, dann liegt das nicht mehr an einer erhöhten Toleranzschwelle. Glaube ich.
Die Basic-Version Kenzo Homme mag ich wirklich gerne, und auch sie ist ja nicht gerade ein Lautsprecher. Und immerhin muss man Kenzo zu Gute halten, dass hier nicht einfach eine alte DNA ein bisschen aufgepeppt worden ist. KHS wäre durchaus etwas Eigenständiges. Wäre, denn außer einer zarten Ingwer-Note kann ich nicht viel erkennen, obwohl ich mein Handgelenk in allem gebadet habe, was die Probe hergab. Da ist wenig Spiel mit verschiedenen Einflüssen, nichts Unverwechselbares, kein Ui-Effekt.
Diese Enttäuschung verleitet natürlich dazu, noch intensiver zu suchen nach etwas, das heraussticht. Jemand, der in einem Café sitzt und liest, ist vielleicht auch nicht gerade der lauteste. Aber können nicht gerade solche Menschen interessant sein? Doch leider – verwickelt man den jungen Kenzo Homme Sport, der da gerade seinen Murakami liest, in ein Gespräch, dann kommt nur ein Äh ja. Bayern wird Meister. Ende des Gesprächs. Die Feingeistigkeit, die man sich von einem Leisetreter erhoffen hätte können, ist dann leider der Enttäuschung gewichen, dass man es eigentlich gleich hätte wissen sollen. Was keine Ermutigung für die Damenwelt sein soll, Literaten keine Chance zu geben. Aber auch ausgeprägte Buchigkeit kann oberflächlich sein. So wie Kenzo Homme Sport.
Das erste Mal bin ich beim Kommentieren eines Duftes wirklich enttäuscht. Vielleicht liegt das ein bisschen auch daran, dass ich mit der Erwartungshaltung herangegangen bin, einen positiven Kommentar schreiben zu wollen. Aber das erste Mal kann ich den preislichen Unterschied zwischen einem ausgeklügelten Parfüm und Axe Alaska nicht wirklich nachvollziehen. So lange 100 Meter Abwägen nicht olympisch wird, ist KHS nicht wirklich medaillenverdächtig.
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Plainsong vor 10 Jahren 6 1
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Der Bär am Bienenstock
Weil schon seit drei Wochen mehr Herbst als Sommer ist, waren diverse Neuanschaffungen in meinem Badezimmer vorerst so was wie Fehlinvestitionen, oder nennen wir es nachhaltige Anschaffungen. Das hat zum Vorteil, dass die eher süßen, etwas schwereren Parfüms wieder vorne stehen. Ganz schwer mag ich nicht so, und D&G The One markiert da in etwa die Grenze des tolerierbaren. Das war mal anders – ich hatte ihn vom ersten ausprobieren herzhafter in Erinnerung, war dann erst ziemlich enttäuscht, später sehr angetan – und jetzt markiert er in etwa die Grenze zwischen „zu jung“ und „Wohlfühlduft“.
Der große Bonus von „The one“ ist, dass alles was zu spielen bekommt. Schon der Start ist nicht langweilig, sondern kombiniert die süße Grundnote mit dominanteren Eindrücken, ohne dass der Koriander aufdringlich wird. Die Orangennote führt dann wieder in tieferes Gewässer und bleibt für einige Zeit die vorherrschende Note. Und kaum, dass man denken könnte, dass die Süße jetzt anfängt penentrant zu werden und zu stören, gleitet der Eindruck wieder zurück ins Unterholz, wie ein Bär, der sich an einen Bienenstock ranpirscht, den Honig auslöffelt und sich dann zurück in den Wald trollt. The one ist intelligenter komponiert als man zunächst meinen sollte, aber so ein Bär ist ja auch ganz schön clever, obwohl sein Pelz nicht gerade nach Doktoranden-Hut aussieht. Bemerkenswert: Der Bär hat das Sparen für schlechte Zeiten gelernt – nach 9 Stunden lässt sich an meinen Handgelenken ein leichter Karamellduft wahrnehmen, der die zwei Gegensätze, mit denen The one gelungen spielt, noch einmal in einem Eindruck vereint.
The one ist eines der wenigen süßen Parfüms, die ich alltagstauglich anwende, und nicht nur in besonderen Momenten – dafür ist es aber sicher auch geeignet. Das heißt auch, dass es an der Grenze zur Beliebigkeit kratzt, allerdings, ohne sie zu überschreiten. Das ist wohl der kleine Haken an der bunten Abwechslung, die es bietet. Man könnte es als „angepasst und unauffällig“ in die Ecke stellen; ich glaube nicht, dass ich es unter fünf Düften klar herauskennen würde. Insbesondere mit L’homme intense von YSL besteht eine all zu große Verwechslungsgefahr – aber das muss ja nicht schlecht machen, was recht gut gelungen ist. Wer ständig nur Baudelaire und Rimbaud liest, der verliert wahrscheinlich auch irgendwann den Blick dafür, dass Droste-Hülshoff auch ganz gute Bücher geschrieben hat, ohne deren radikale Wildheit zu haben. Es muss ja nicht immer Sturm und Drang sein – aber für Sturm und Regen ist The one eine gute Wahl.

Danke übrigens an die Rechtschreibkorrektur für die Beharrlichkeit, aus „The one“ ständig „Theo ne“ zu machen. Hätte ich Theo gemeint, hätte ich Theo geschrieben, war aber sicher gut gemeint.
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Plainsong vor 10 Jahren 22 6
5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Die Basisnote für Blendwerk
Als ich ein kleiner Junge war, mochte ich Schokopudding. Ich mochte es wahnsinnig gern, die Sahne unter den braunen Glibber zu mischen, das Ergebnis war ein zurückhaltender Schokogeschmack mit leicht cremiger Konsistenz. Ein zeitloser Klassiker, süß, aber nicht pappsüß. Dreißig Jahre später ist aus Schokolade bisweilen ein alle Sinne umfassender Extremrausch geworden: Seit Milka ihren Klassiker mit Jelly Beans und Knallbrause aufgepeppt hat, habe ich das Vertrauen in sie verloren. Genau den selben Eindruck habe ich bisweilen bei 1 Million.
In seinen Grundzügen mag ich es durchaus. Ich halte mich davon fern, ein Parfum nach seinen durchschnittlichen Trägern zu beurteilen. Sollen andere darin baden, meinetwegen alle – die Fluchtschwelle wird diese Leute dann schon von alleine aussortieren. Und nur weil mich im Freibad jemand unter Wasser tunkt, höre ich ja auch nicht gleich auf, mich zu duschen.
Aber selten ist mehr weniger mehr mehr. Das liegt in erster Linie an der radikalen Synthetik, die 1 Million erst gar nicht zu kaschieren versucht. Einen glatten Verlauf hinzubekommen, ist da keine große Kunst – der gelingt ihm durchaus spielend. Aber das hat das Vanille-Impulse-Spray meiner Schwester 1996 auch hinbekommen.
1 Million hat eine seltsame Konsequenz in seiner Aussage: Es zollt der Tatsache Tribut, dass nur extreme Schlüsselreize noch beantwortet werden, und es setzt diese Tatsache bewusst ein. Einfallsreichtum, Kreativität oder gar Überraschungsmomente sucht man vergebens, und das ist schade. Es ist geradlinig, durchaus – man könnte das aber auch stur und stumpf nennen.
Ich habe gerade eben den Test beim Einkaufen gemacht: Sehr vorsichtiges Dosieren, und ab in den Supermarkt. Unschuldiges Vorbeilaufen an jüngeren Frauen – der Rewe in Peiting wird sich wahrscheinlich über einen deutlich erhöhten Tagesumsatz freuen. Frauen sind stehen geblieben, zu den Regalen gelaufen, zu denen ich auch gelaufen bin, selbst die Kassiererin, die in den Feierabend wollte, hat noch mal aprupt umgedreht, um ihrem Kollegen ein paar überflüssige Anweisungen zu geben. Mir war das peinlich. So will ich nicht wirken.
Wahrscheinlich könnte ich mich damit an den Eingang eines Clubs stellen und zehn Frauen fragen „Tschuldigung, ficken?“ Und es würde nicht lange dauern, bis ich damit Erfolg hätte. Aber in einer solchen Direktheit liegt für mich kein Reiz, es ist die denkbar knappste Abkürzung jedes Abenteuers bis aufs absolut Rudimentäre. Kein Mensch will einen Film sehen, der in zwei Minuten abhandelt, wie ein Hobbit den Ring ins Feuer wirft.
1 Million ist eine Mogelpackung. Oder vielmehr nicht der Duft an sich, sondern das, was er aus seinen Trägern macht. Seine Aufdringlichkeit und seine massive Sillage setzt er ein, um alles andere nicht nur zu überdecken, sondern untergehen zu lassen. Diese Radikalität steht aber in Widerspruch zu seiner Süße, die den Eindruck zulässt, jemand habe sämtliche Candy Crush Saga-Level auf einmal aufgegessen.
Ich fühle mich seltsam mit diesem Duft. Auf eine Art und Weise anziehend und attraktiv, die unnatürlich ist, synthetisch und die mir nicht die Zeit lässt, so zu sein, wie ich bin. Das hinterlässt in mir das dumpfe Gefühl, selbst nicht authentisch zu sein, plump und täuschend. Öfter als ein mal im Monat werde ich diesen Duft wohl kaum an mir aushalten. Schade, denn eigentlich ist seine Grundidee nicht so schlecht, wie sie hier bisweilen gemacht wird.
6 Antworten
Plainsong vor 10 Jahren 9
7.5
Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Kann man Understatement übertreiben?
Ich mag frische Düfte, von Zeit zu Zeit sogar sehr. Sie sind herrlich unaufdringlich, geben mir ein Gefühl ultimativer Gepflegtheit, Anziehungskraft und selbstverständlicher Ausstrahlung. Ihr einziger Nachteil: Sie sind zu großen Teilen austauschbar. Sich von der Masse – teilweise auch von billigen Imitaten – abheben zu wollen, ist da ein hoher Anspruch.
Leider wird auch Bulgari Man Extreme diesem Anspruch nur bedingt gerecht. Vielleicht ist meine Nase einfach zu unsensibel, um die feinen Zwischentöne zu erkennen. Und so gleitet die anfängliche Zitrusfrische, die ein absolut positives Merkmal dieses Duftes ist, in meiner Wahrnehmung schnell ins seifige ab. In der Herznote hätte ich mir mehr Kernigkeit gewünscht; so wird der Übergang sehr aprupt und kann die hohen Erwartungen des Kopfes nur bedingt erfüllen. Die Herzlinie ist zwar in sich konsequent und nicht duftbaumig-anbiedernd, bleibt aber insgesamt in Sillage und Gesamteindruck eher blass. Immerhin positiv daran: Damit bleibt der Duft büro-kompatibel, von stockwerk-umwabernder Nervigkeit ist BME weit entfernt. Und immerhin in der Entwicklung zur Basisnote kann man eine ganz latente Würze feststellen.
In der konsequenten Fortsetzung des Starteindruckes fand ich beispielsweise Azzaro Chrome überlegen. Es ist zugegebenermaßen schwierig, einem Duft, der Understatement nach außen transportieren soll, eine unverwechselbare Charakteristik mit auf den Weg zu geben. BME erinnert mich an „Push“ von The Cure: Die Ambition, Fantasie und Kreativität zugunsten von Seriosität aufzugeben, kann nichts anderes bedeuten, als möglichst nicht anecken zu wollen. Dabei muss nichts Schlechtes rauskommen – Auch Push entwickelt sich nach einem strukturierten Start und einem eher wabernden Brei zu einem passablen Song, weil eine klare Ansage kommt, wo man drogenumnebeltes Gesäusel erwartet hätte.
Insgesamt aber wird Bulgari Man Extreme aus blassen Persönlichkeiten keine interessanten machen, während er für interessante Persönlichkeiten eine sichere Bank ist. Unter den konservativen Frischedüften sicher keine schlechte Wahl – wenn man damit leben kann, dass der bleibende Eindruck, den man damit hinterlässt, über „gepflegt“ nicht hinausgeht.
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