20.07.2014 - 15:18 Uhr
Meggi
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Gerüche einer Seefahrt - die wahre Geschichte
Drei Monate Fahrt auf einem Großsegler machen gewiss noch nicht zum Nautik-Experten. Aber ich dürfte seitdem zumindest eine grobe Ahnung haben von dem (auch geruchlichen) „Spirit“, der da so herrscht. Deshalb finde ich die Werbe-Kampagne zu diesem Duft – ein Schönwetter-Wasser-Ausflug auf einem zugegebenermaßen vorzeigbaren Kahn - ziemlich amüsant. Die Macher kommen vermutlich aus dem Aargau und kennen ihrerseits bloß die Seefahrer-Romantik aus der Werbung.
Wie es auf einem echten, also handbedienten, großen Segelschiff zugeht und riecht, hat mit den geschniegelten vollautomatischen Plätscher-Hotels für watte-verpackte, dienstboten-gearschwischte (und den Bordbetrieb störende) Luxus-Diven gleich welchen Geschlechts natürlich wenig zu tun. Das riecht auf Deck nicht allein pur und frisch nach Salz-Luft, ab und zu vielleicht ‘ner Alge dabei. Da ist oft irgendein Schmierkram oder Farbe zu vernehmen. Bei wirklich schwerem Wetter mit entsprechend gesteigerter Frischluftzufuhr hat zum Schnuppern dann keiner Bock. Wer oben nichts zu suchen hat, macht, dass er unter Deck kommt. Dort riecht es – Lüftung hin oder her – je nach Katakombierungsgrad des betreffenden Raumes gerne mal nach Schweiß und anderem Mief bis hin zu solchem, über den man besser nicht näher nachdenkt. Sogar wenn ein Bulleye da ist: Fenster aufmachen is halt nich auf hoher See.
Klar gab es die sonnigen Tage zum An-Deck-Liegen oder Unfug-Machen wie zum Beispiel den (selbstredend im Ansatz erstickten) Versuch zu starten, mit einem an eine Rettungsstange geknoteten Tau einen Tunfisch zu angeln. Ich finde, erst in der Mischung entsteht ein Bord-(Er)-Leben, das diese Bezeichnung verdient.
Fast ganz vorne im Vorschiff war übrigens die Müllpresse. Daneben stapelte sich der komprimierte Abfall von gut 200 Leuten ein bis zwei Wochen lang bis zum nächsten Hafen-Aufenthalt. Anfangs dachte ich, der dafür zuständige Kollege habe einen Orden verdient. Dann hörte ich jedoch, der mache das freiwillig, weil er nur da unbemerkt kiffen könne. Abgesehen von ihm hat die ganze Mannschaft um den Gestank einen Bogen gemacht. Die ganze Mannschaft? Nein, bisweilen kam abends ein frischer Unteroffizier zum Pfeifen-Üben vorbei: Eine Bootsmannpfeife will beherrscht sein. Amateur-Gekiekse beim Weck-Pfiff wurde mit hämischen Bemerkungen quittiert, daher hielten die Gernegroße sich lieber mal ein Weilchen nahe dem Gammel-Berg auf, um sich möglichst rasch und ungehört zu entstümpern.
Nicht, dass ‚Nautic Spirit‘ nun eine derart breite Geruchs-Palette abbilden müsste. Aber mit wahrer Seefahrt hat dieser Gebirgs-Matrose aus dem Hause B. rein gar nichts an der Mütze. Mein Bruder ist Schiffbau-Ingenieur, ich traue mich bloß nicht, ihm so eine peinliche Frage zu stellen wie: Verströmt eine Luxusyacht einen gewürz-geschwängerten Holz-Geruch (siehe die Original-Herznoten-Ansage)? Ich habe selbstverständlich nichts gegen Phantasie und Kopf-Kino bei Düften. Das hier hingegen ist eine im Kollektiv ersonnene Albernheit, die der dargebotenen Qualität uneinholbar enteilt ist.
In der Kopfnote hätte ich auf Mandarine getippt. Sei’s drum: Die exotischeren Exoten gehen gleichermaßen in Ordnung. In der Tat mischt sich die Frucht mit einer dezenten Meeresnote, eine Idee Holz scheint mir schon mit durchzuschimmern. Das ist ganz ordentlich! Sommerlich frisch, wenngleich eben allenfalls ein Meerchen. Eine gute halbe Stunde hält das an, bevor der einsame Originalitäts-Bannerträger erscheint: Curry-Blatt. Zunächst habe ich an eine Verarsche gedacht, ähnlich den BBC-Spaghetti-Bäumen vom 1. April 1957. Curry-Bäume gibt’s allerdings tatsächlich, obwohl die Blätter als Ingredienz für Curry-Zubereitungen offenbar eher selten zum Einsatz kommen. Den Geruch finde ich gleichwohl unverkennbar, außerdem gut abgemischt. Opus VII als (Über-)Maß der Dinge in Sachen Curry-Auftakt (und -Fortsetzung!) ist ja womöglich ein bisschen zu heftig geraten. Herr Baldessarini würzt darüber hinaus mit weißem Pfeffer. Diese erste halbe bis Dreiviertel-Stunde hat mich in der Tat angenehm überrascht. Leider vermiest einem eine zunehmend unüberriechbare Künstlichkeit im weiteren Verlauf den Spaß (das Stichwort Hubba Bubba meines Vorkommentators trifft es vorzüglich). Spätestens die zweite Stunde steht in deren Zeichen.
In der dritten Stunde ist der Parfümeur am Grund angelangt. Nicht wörtlich; ich denke jetzt keineswegs an finstere Bräuche zum Umgang mit Duft-Verbrechern! Nein, es hat sich einfach ein leicht aquatischer Hauch nebst einem anämischen Frucht-Rest bereits mit einer Praecox-Basis zu einer Mixtur zusammengetan, die immerhin wenigstens als tragbar durchgeht. Moschus und Patchouli – die Aargau-Nauten bezeichnen letzteren ernsthaft als „typische Baldessarini-Ingredienz“ – drängen das aquatische Überbleibsel dann im Laufe der vierten Stunde und somit zur Unzeit gänzlich von Bord. Danach bleiben lediglich ein paar Stunden Basis. Höchstens ein Anflug von Holz, gelegentlich ein Spritzer Capri-Sonne, doch zuvorderst Patchouli. War ein kurzer Tag auf dem Wasser. Eventuell darf man als Mitglied mancher Kreise schlichtweg nicht besonders weit rausfahren, damit man stets pünktlich zurück ist, um sich vor dem abendlichen Feiern noch vom Nichtstun erholen zu können.
Fazit: Die knappe Stunde zu Beginn rettet einige Punkte, der Rest ist uninteressant.
Wie es auf einem echten, also handbedienten, großen Segelschiff zugeht und riecht, hat mit den geschniegelten vollautomatischen Plätscher-Hotels für watte-verpackte, dienstboten-gearschwischte (und den Bordbetrieb störende) Luxus-Diven gleich welchen Geschlechts natürlich wenig zu tun. Das riecht auf Deck nicht allein pur und frisch nach Salz-Luft, ab und zu vielleicht ‘ner Alge dabei. Da ist oft irgendein Schmierkram oder Farbe zu vernehmen. Bei wirklich schwerem Wetter mit entsprechend gesteigerter Frischluftzufuhr hat zum Schnuppern dann keiner Bock. Wer oben nichts zu suchen hat, macht, dass er unter Deck kommt. Dort riecht es – Lüftung hin oder her – je nach Katakombierungsgrad des betreffenden Raumes gerne mal nach Schweiß und anderem Mief bis hin zu solchem, über den man besser nicht näher nachdenkt. Sogar wenn ein Bulleye da ist: Fenster aufmachen is halt nich auf hoher See.
Klar gab es die sonnigen Tage zum An-Deck-Liegen oder Unfug-Machen wie zum Beispiel den (selbstredend im Ansatz erstickten) Versuch zu starten, mit einem an eine Rettungsstange geknoteten Tau einen Tunfisch zu angeln. Ich finde, erst in der Mischung entsteht ein Bord-(Er)-Leben, das diese Bezeichnung verdient.
Fast ganz vorne im Vorschiff war übrigens die Müllpresse. Daneben stapelte sich der komprimierte Abfall von gut 200 Leuten ein bis zwei Wochen lang bis zum nächsten Hafen-Aufenthalt. Anfangs dachte ich, der dafür zuständige Kollege habe einen Orden verdient. Dann hörte ich jedoch, der mache das freiwillig, weil er nur da unbemerkt kiffen könne. Abgesehen von ihm hat die ganze Mannschaft um den Gestank einen Bogen gemacht. Die ganze Mannschaft? Nein, bisweilen kam abends ein frischer Unteroffizier zum Pfeifen-Üben vorbei: Eine Bootsmannpfeife will beherrscht sein. Amateur-Gekiekse beim Weck-Pfiff wurde mit hämischen Bemerkungen quittiert, daher hielten die Gernegroße sich lieber mal ein Weilchen nahe dem Gammel-Berg auf, um sich möglichst rasch und ungehört zu entstümpern.
Nicht, dass ‚Nautic Spirit‘ nun eine derart breite Geruchs-Palette abbilden müsste. Aber mit wahrer Seefahrt hat dieser Gebirgs-Matrose aus dem Hause B. rein gar nichts an der Mütze. Mein Bruder ist Schiffbau-Ingenieur, ich traue mich bloß nicht, ihm so eine peinliche Frage zu stellen wie: Verströmt eine Luxusyacht einen gewürz-geschwängerten Holz-Geruch (siehe die Original-Herznoten-Ansage)? Ich habe selbstverständlich nichts gegen Phantasie und Kopf-Kino bei Düften. Das hier hingegen ist eine im Kollektiv ersonnene Albernheit, die der dargebotenen Qualität uneinholbar enteilt ist.
In der Kopfnote hätte ich auf Mandarine getippt. Sei’s drum: Die exotischeren Exoten gehen gleichermaßen in Ordnung. In der Tat mischt sich die Frucht mit einer dezenten Meeresnote, eine Idee Holz scheint mir schon mit durchzuschimmern. Das ist ganz ordentlich! Sommerlich frisch, wenngleich eben allenfalls ein Meerchen. Eine gute halbe Stunde hält das an, bevor der einsame Originalitäts-Bannerträger erscheint: Curry-Blatt. Zunächst habe ich an eine Verarsche gedacht, ähnlich den BBC-Spaghetti-Bäumen vom 1. April 1957. Curry-Bäume gibt’s allerdings tatsächlich, obwohl die Blätter als Ingredienz für Curry-Zubereitungen offenbar eher selten zum Einsatz kommen. Den Geruch finde ich gleichwohl unverkennbar, außerdem gut abgemischt. Opus VII als (Über-)Maß der Dinge in Sachen Curry-Auftakt (und -Fortsetzung!) ist ja womöglich ein bisschen zu heftig geraten. Herr Baldessarini würzt darüber hinaus mit weißem Pfeffer. Diese erste halbe bis Dreiviertel-Stunde hat mich in der Tat angenehm überrascht. Leider vermiest einem eine zunehmend unüberriechbare Künstlichkeit im weiteren Verlauf den Spaß (das Stichwort Hubba Bubba meines Vorkommentators trifft es vorzüglich). Spätestens die zweite Stunde steht in deren Zeichen.
In der dritten Stunde ist der Parfümeur am Grund angelangt. Nicht wörtlich; ich denke jetzt keineswegs an finstere Bräuche zum Umgang mit Duft-Verbrechern! Nein, es hat sich einfach ein leicht aquatischer Hauch nebst einem anämischen Frucht-Rest bereits mit einer Praecox-Basis zu einer Mixtur zusammengetan, die immerhin wenigstens als tragbar durchgeht. Moschus und Patchouli – die Aargau-Nauten bezeichnen letzteren ernsthaft als „typische Baldessarini-Ingredienz“ – drängen das aquatische Überbleibsel dann im Laufe der vierten Stunde und somit zur Unzeit gänzlich von Bord. Danach bleiben lediglich ein paar Stunden Basis. Höchstens ein Anflug von Holz, gelegentlich ein Spritzer Capri-Sonne, doch zuvorderst Patchouli. War ein kurzer Tag auf dem Wasser. Eventuell darf man als Mitglied mancher Kreise schlichtweg nicht besonders weit rausfahren, damit man stets pünktlich zurück ist, um sich vor dem abendlichen Feiern noch vom Nichtstun erholen zu können.
Fazit: Die knappe Stunde zu Beginn rettet einige Punkte, der Rest ist uninteressant.
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