Pollita
Hühnergegacker
vor 3 Jahren - 19.01.2021
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Mein Endgegner

Als kleines Mädchen hatte ich eine Atari-Spielkonsole und konnte mich stundenlang damit beschäftigen. Schon damals gab es Spiele, da kämpfte man sich Level für Level durch. Glückte es einem, jede Aufgabe erfolgreich zu meistern, wartete vor Gewinn des Spiel meist ein finsterer, bösartiger Endgegner, den es galt, zu besiegen. Leicht war das schon damals nicht. Es brauchte Geduld und kreative Ideen, um den bösen Boss auszutricksen, damit man als Sieger aus diesem Duell hervorging.

Solche Fieslinge gibt es auch beim Parfum. Und ich glaube, ich weiß inzwischen, wer mein Endgegner ist. Es ist das so unscheinbar wirkende Veilchen. Ja, die Farbe ist ein Traum und in freier Natur schnuppere ich diese kleinen, zarten Blüten, die hier im Frühling überall aus dem Boden sprießen, auch wirklich sehr gerne. Nicht so im Parfum. Da sind Veilchen fast immer gewaltige Puderbomben, die ihre Waffen einzusetzen wissen. Da wird mit Schminkutensilien geworfen, vor allem mit Lippenstiften, bis man am Ende erneut alle Leben verloren hat. Es gibt zwar Veilchen, wie beispielsweise "Bois de Violette" von Serge Lutens oder "1902 - Violette" von Berdoues, die nicht ganz so waffengewaltig sind, aber meistens liegt es tatsächlich am Veilchen, weshalb ich einen Duft, den ich eigentlich gerne mag oder zumindest mögen will, nach einer Weile des Bedenkens dann doch aussortiere.

Es ist gewiss nicht immer das Veilchen schuld, weshalb ich gegen einen duftenden Gegner konsequent verliere und aufgebe. Oft sind es generell pudrige Noten, die mich auf Distanz halten und gegen die ich mit meinen Waffen nichts auszurichten weiß. Diese Lippenstiftdüfte, die auch allesamt die komplette Schminktasche auf mich werfen, wenn ich es mit ihnen versuche und dann schnell hechelnd die weiße Fahne schwenken muss. "Replica - Lipstick On" witzigerweise ist recht harmlos. Ein Blick auf die Duftnoten verrät mir auch, warum ich mit dem nicht wirklich ringen musste. Kein Veilchen, dafür Heliotrop, Orangenblüte und Iris. Das fühlt sich doch gleich viel besser an. Doch auch das ist kein Garant für den Frieden. Denn Guerlains "L'Heure de Nuit" beispielsweise oder auch "Teint de Neige (Eau de Parfum)" aus dem Hause Villoresi lesen sich von den Noten her erstmal ganz wunderbar. Die können allerdings besser mit ihren Schminktöpfen Krawall veranstalten, als so manches Veilchen dazu imstande wäre.

Warum aber ist das so, dass ich mit Veilchen und Puder stets so sehr ringe? Ich glaube, das habe ich inzwischen herausfinden können. Als Jugendliche war ich der dunklen Seite der Macht, Pardon, dunkleren, musikalischen Klängen sehr zugetan. Entsprechend musste auch das Outfit passend gewählt sein. Die Haare färbte ich schwarz und auch in meinem Kleiderschrank hatten Farben für einige Jahre ganz schlechte Karten. Aber ich hatte doch Lila so gern. Was tun? Klar. Schminken! Ich besorgte mir also allerlei Schminkkram in bunten Farben mit sehr viel Lila. Darunter ein dunkellila Lippenstift von alessandro. Und der ist schuld an diesem vermaledeiten Veilchen- und Puder-Trauma. Dieser Lippenstift schmeckte und roch exakt wie Guerlains "Insolence (Eau de Toilette)". Dass Insolence damals noch nicht lanciert war, spielt ja hier mal keine Rolle. Alles, was ich damals gegessen oder getrunken habe, schmeckte nach Insolence. Nach Hardcore Veilchen-Puder. Waaah! Wen wundert es, dass Insolence bis heute mein Endgegner ist? Die Waffen, um dieses Pudermonster zu schlagen, suche ich verzweifelt bis heute.

Bevor ich es vergesse. Ein Veilchen gibt es tatsächlich, das mich komplett verzaubert hat. Es ist "Mushin, Japanese Incense" von Meleg. Und das muss ein absolutes Zauberwasser sein, denn hier haben wir nicht nur Veilchen, sondern auch noch Kokos, einen weiteren Feind des purpurnen, freilaufenden Geflügels (vor allem in Kombination mit Ylang-Ylang). Dieser Fiesling ist allerdings ein andermal dran.

Ich danke euch fürs Lesen!

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