Positron

Positron

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6 - 10 von 72
Positron vor 12 Jahren 11 3
3
Duft
Ein Patriot für die Welt.
Das haben Souvenirgeschäfte so an sich: Ihre Waren entspringen massenhafter Produktion und schmücken sich doch ganz ungeniert mit dem selbst aufetikettierten Wert des Unikats.

"I Love New York" möchte so sehr Andenken sein, dass die Idee zu vernachlässigbaren Detail des Verkaufskonzepts verkam. Das Marketing wollte: Eine Wolke aus zäh dahinschmelzender Mokka-Schokolade und Rum in deliriöser Dosierung, keine Komplexität, wenig Entwicklung, dafür aber Foyer-füllende Potenz. Was für ein Monstrum aus Kaffeebohnen, Schnaps und Kakao!

Jede Bescheidenheit muss erschrecken vor diesem prahlerisch-pralinesken Grundton, dem schrillen, alle einander angleichenden und unweigerlich künstlich wirkenden Patriotismus. "I Love New York" sollte man zügig erwerben wie ein Geschäftsreisender auf dem Sprung zum transatlantischen Flug. Man muss es so gedankenlos tragen wie ein großzügiges, aber unpersönliches Geschenk aus der neuen Welt.

Das haben Souvenirs so an sich: Für Einheimische und Kenner sind sie nicht gemacht...
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Positron vor 12 Jahren 7 4
3
Duft
Coming L'Homme.
Gestern gab ich dem neuesten Aufguss eines am kümmerlichen "Flankern" nicht eben armen Franzosenwassers seine (einzige) Chance. Und was soll ich sagen: Das Erlebnis am nächsten Tag zu rekonstruieren, fällt so schwer, wie das Erinnern an Allerweltsgesichter von gestern Nacht.

Da wehten wohl als erstes ein paar heitere, jugendlich-beerige Akzente herauf. Sie gingen dann in ein Arrangement aus Pfeffer und süßlichen Hölzern über – eine wenig raffinierte Rückkehr aus der sirupsüßen La Nuit-Umnachtung zum ursprünglichen L'Homme. Und zuletzt, als ich ob der Unscheinbarkeit der Noten schon das Interesse verloren hatte, da überfielen mich doch wieder diese ungeliebten dunklen Tonka-Dünste aus dem Laboratorium 24B. La Nuit unter erloschenen Laternen. So süß wie nichts in unserer schönen Natur. So unnötig wie das Nachzuckern von Marmelade auf Croissants.

Seine besten Momente erlebt das Cologne also beim Zitieren seines ältesten Bruders: Dem pikant-bekömmlichen L'Homme – einem jungen, Ingwer-frischen Gewürzduft mit eigentümlich französischem Spleen.

Nehmt den!
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Positron vor 12 Jahren 10 2
7
Duft
Der Yuzu-Ringer.
Ein Klassiker, dessen Renommee sich noch mit jedem Abkömmling erhöht, den man ihm Sommer für Sommer zur Seite stellt. Dieses Eau umschifft mühelos jede geruchliche Nähe zur antibakteriellen WC-Pflege und kitzelt unsere Nasen glaubhaft mit den Pressergebnissen fernöstlichen Citrus-Obstes.
Auf ungeübte Riecher kann das durchaus stechend, ja beinahe giftig wirken, und das Hinüberdriften ins Kräuterig-Florale nimmt sich neben zeitgenössischen Sport-Variationen geradezu exzentrisch aus.

Kaum zu glauben, dass es einmal Zeiten gab, als man mit gewagt-komplexen Citrus-Akzenten einen charismatischen Eindruck schinden konnte. Vitamin-C pour homme! Aber für mich als Ächter von hellen, kühlen Fruchtwassern nur etwas, das man gerne mal an Mitmenschen riecht. Wegen recht ungestümer Flugeigenschaften zudem nur in sparsamer Dosierung.
2 Antworten
Positron vor 12 Jahren 15 4
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Marmor, für den ich zu schwach war.
Welchen Schatz ich erst herabwürdigte, dann aus dem Leben verbannte, indem ich meine zu zwei Dritteln volle Flasche verschenkte, das stieg mir heute wieder ins Bewusstsein.

Eigentlich in der Absicht, meine Entscheidung nach zwei Jahren zu bestätigen, ergriff ich diesen Handschmeichler, sprühte – und dann war da Reue. Und das alte Staunen über diese wahrhaft klassizistische Note, in der schwer-süße Dessert-Aromen und hoch dosierte Blütenessenzen miteinander verschmelzen. Für diesen Maiglöckchen- und Rosenschwindel, für diese Halluzination von brüchigem Marmor und Sandalenträgertum unter südlicher Sonne – geben wir es zu – fühlte ich mich damals zu schwach. Mir widerstrebte es zur Zeit der Weggabe, meine weichlichen Facetten noch zu untermalen, wohingegen ich heute dazu neige, sie herauszukehren. Wenn sich das Benzoeharz am Ende nicht gar so herrisch auftakelte – ich gäbe "Sculpture" doch glatt eine zweite Chance.

Es braucht heute tatsächlich eine gewisse Courage, sich als Ausgangspunkt einer solchen naschhaft-mediterranen Molekülorgie herausriechen zu lassen. (Sculpture-Schwaden fliegen beängstigend weit!) Irgendwo zwischen 90er-Jahre Pop und antiquiertem Ernst verfestigt sich ein Duft, dessen Richtung so zuvor nie versucht wurde und in Zukunft wohl kaum wieder riskiert werden wird. So richtig schade ist das nicht – bei diesem Kabinettstück und Begleiter für museale Stunden.
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Positron vor 12 Jahren 6 4
5
Duft
Aqua-Planing.
Wie die Essenz eines Lagers voller Winterreifen, eher Ausdünstung als Duft, als Kraftmeier mit Schmieröl-Charme – so empfand ich das Original. Und jetzt ein Aqua? Freipoliert vom festgefressenen Ruß? Ein ganzer Kerl, der Saubermann wird? Es klingt nach Verfälschung und Widersinn. Und es riecht auch so.

Plastefrüchte im Kopf, ein bisschen Wrigley's Spearmint-Schmatzen mittendrin. Und dann doch wieder dieser 80er Jahre-Gedächtnis-Vibe aus Gummi und Leder. Etwas heruntergedimmt für die Verträglichkeit im Büro, gewiss. Verfälscht ins Bekömmlichere.

Stand der Fahrenheit-Urtyp noch mit einem schmierigen Stolz vor uns – charismatisch, griffig, prollig, so zu sagen breit bereift – stellen wir hier nun etwas fest, was man mit teurem Gummi eigentlich vermeiden will: Aquaplaning.
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