07.08.2012 - 23:28 Uhr
Siebter
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Der sanfte Großstadt-Ritter
Die Damen und Herren von Bond No. 9 machen es dem anspruchsvollen Parfum-Afficionado leicht, tadelnd auf sie herabzuschauen: im gefühlten Minutentakt werden neue Flakons in die Regale gepfeffert (etwa 70 in noch nicht mal zehn Jahren), selbstverständlich sind auch limitierte Editionen mit Swarovski-Strass und mehrere Oud-Düfte für über dreihundert Tacken im Angebot. Blickt man darüber hinweg, muss man sich durch einen Dschungel an zumindest tendenziell herkömmlichen bis sogar uninspirierten Düften schlagen - um am Ende in jedem Fall einen Betrag auf den Ladentisch legen zu müssen, bei dem man in Erklärungsnot kommt.
Ich persönlich komme aber immer in Erkärungsnot, wenn der Preis pro ml die ein-Euro-Marke überspringt. Bond No.9 zelebriert die Yuppie-Komponente ein wenig stärker als meinetwegen Kilian Hennessy, der sich lieber vornehm und exklusiv geben mag. Da ich keinen guten Zugang zum Prinzip des Status-Symbol habe, ist mir das alles aber egal. Ich weiß, dass ich mich ruiniere, egal ob ich mich dabei als Großstadt-Yuppie oder den oberen zehntausend Nasen zugehörig fühlen darf. Das allein zählt.
Bond No. 9 hat mich gelehrt, dass man einen Duft auch mal für sich betrachten muss. Ich verbinde einige herbe Enttäuschungen mit dieser Adresse, aber einige Male bescherte sie mir Dufterlebnisse, die in in einer überwältigenden Unbedingtheit des haben-wollens mündeten, sobald ich es schaffte, allzu durchsichtige Marketing-Strategien und zum Teil absurde Flakon-Designs zu ignorieren.
I Love New York For All ist so ein Fall. Aber wem der Preis suggeriert, dass sich selbiger in einem feinabgewogenen Duft-Konzept niederschlägt, der ist auf dem Holzweg. Hier handelt es sich um einen Großstadt-Duft, der mit Autoabgasen, dem Geruch regennasser Straßen und dem Aroma aus hunderten Cafés, Dönerbuden und Bäckereien konkurrieren muss - da ist ein exklusives Orangenblüten-Wässerchen aus irgendeiner italienischen Duftküche, von der nur Kenner wissen, kaum angebracht.
Einen Duft für sich zu betrachten heißt auch, ihn ernst zu nehmen - im Falle von I Love New York For All bedeutet dies, dass man ihn ihn in einem Großstadt-Kontext tragen und erleben sollte. Dieser Duft ist sehr süß und extrem kräftig dazu, es ist ein Eau de Parfum, welches dieser Bezeichnung mehr als gerecht wird - Tests auf Papier oder auf dem Handrücken mit Nasenlöchern, die heftig schnaufend einen Zentimeter über dem Testgebiet schweben, gehen bei solchen Düften naturgemäß gewaltig schief.
Aggressiv oder grob ist I Love New York niemals - die Eröffnung gibt vor, einen Frischekick zu liefern, aber trotz Pfeffer und Bergamotte ist sie eher floral und ziemlich weich. Mich erinnert das an meine Angewohnheit, morgens bis zu einem halben Dutzend mal die Snooze-Taste meines Weckers zu drücken, bevor ich endlich mal aus dem Bett krieche um zur Kaffeedose zu schlurfen. Es ist ein eher zögerliches Anfreunden mit der Tatsache, das unbestreitbar ein neuer Tag ansteht, den es nun zu bewältigen gilt. Dass die über dem Gesamtverlauf des Dufts betrachtet eher zurückhaltende Milchkaffeenote hier am kräftigsten ist, passt da sehr gut ins Bild.
Die Entwicklung von I Love New York For All vollzieht sich abgesehen von der ziemlich stark abgegrenzten und recht kurzen Eröffnung sehr allmählich. In meiner Nase dominieren Marone und Kakao, die zusammen ein wärmendes Konglomerat bilden, das sich schützend um den Träger legt. Warm, süß und unglaublich anheimelnd ist diese Phase, und dabei doch sehr selbstbewusst; hinsichtlich der Sillage spielt dieser Duft locker in der selben Liga wie Le Mâle oder A*Men - und wenn man diese wunderbare Mischung aus Esskastanie, leicht bitterem Kakao und einem kleinen Schuss Milchkaffee so sehr mag wie ich, ist man für diese Wolke sehr dankbar, denn sie macht glücklich, sie schafft eine schützende Aura, von der Lärm und Hektik einfach abprallt. Im Gegensatz zu den meisten Gourmands besitzt I Love New York For All für mich ein geringes Nervpotential. Er ist süß und kräftig, die im weiteren Verlauf stark zurückgezogenen, aber nicht ganz unwichtigen floralen Noten verleihen diesem Duft jedoch eine angenehme Komplexität und bis zu einem gewissen Grad sogar Transparenz.
Zumindest eine Transparenz, die es zulässt, dass dieser Duft niemals allein dasteht - ich finde es faszinierend, dass ein derart starker Duft den Eigengeruch des Trägers neben sich akzeptiert. Und ich mag es, dass dieser Duft sich im typischen Großstadt-Alltag so fulminant mit Zigarettenrauch, dem Kaugummi-Geruch von Teenagern in der U-Bahn und Autoabgasen zu mischen vermag. Besser gesagt: I Love New York For All bezwingt diese Düfte und setzt sie in einen neuen Kontext.
Marone und Kakao bleiben bis in die Basis vordergründig, dagegen verabschiedet sich der feine Milchkaffee, bevor er kalt wird. Bemerkenswert ist dabei, dass die Herzphase dieses Dufts allein ungefähr sechs Stunden anhält - dieser Duft hält auf meiner Haut ohne Probleme zwanzig Stunden durch. Eventuell auch länger, so ganz genau kann ich das nicht sagen, denn irgendwann muss ich auch mal schlafen gehen. Dieser Duft ist also durchaus ein kleines Biest, welches man vorsichtig dosieren sollte, bevor man vor die Haustüre tritt.
In der Basis meldet sich Vanille, aber ich mag diese Vanille, denn sie ist nicht süßlich-weich, sondern süßlich-scharf und sie erinnert mich stark an Vanille-Essenz, also den alkoholischen Auszug von Vanilleschoten. Wie gesagt, auch Kakao und Marone spielen noch eine Geige und verhindern, dass die Vanille allzu beschwippst daherkommt. Von den anderen Basis-Noten weiß ich aber nicht viel zu berichten. Der Duft wirkt in der Basis etwas ausgewogener, weniger süß und nach etwa acht Stunden auch ein wenig leiser, ist jedoch weit entfernt davon, ein skin-scent zu werden. I Love New York For All ist ein konsequenter Gourmand Duft: nach Kaffee, Kastanie und Kakao rieche ich im späteren Duftverlauf auch noch eine teigartige Note und vor allem Popcorn. Dieser Duft passt perfekt zu einem Abend im Kino.
Ich möchte betonen, dass I Love New York For All ein schwieriger Begleiter bei sehr warmen Wetter ist. Seine Bestimmung ist der Winter, so richtig mit rutschigen Gehwegen und Schneebällen - die Versuchung, ihn auch außerhalb der Saison zu tragen, ist allerdings für mich sehr stark, denn sein Aroma ist enorm anziehend und psychoaktiv. Seid vorsichtig.
Wer süßes nicht mag, der wird mit diesem Duft natürlich nicht glücklich. I Love New York For All wird vermutlich auch im Kontext eines formellen Anlasses als höchst unpassend empfunden. Zu welchen Anlässen sich dieser Duft eignet, macht er aber schon beim ersten Test klar - er will raus in die Großstadt, auf die Straße und sich unter die Leute mischen.
Aber wenn Du ihn trägst, wird er dennoch immer bei Dir bleiben, Dich wärmen, schützen und glücklich machen. Egal was um Dich herum geschieht.
Ich persönlich komme aber immer in Erkärungsnot, wenn der Preis pro ml die ein-Euro-Marke überspringt. Bond No.9 zelebriert die Yuppie-Komponente ein wenig stärker als meinetwegen Kilian Hennessy, der sich lieber vornehm und exklusiv geben mag. Da ich keinen guten Zugang zum Prinzip des Status-Symbol habe, ist mir das alles aber egal. Ich weiß, dass ich mich ruiniere, egal ob ich mich dabei als Großstadt-Yuppie oder den oberen zehntausend Nasen zugehörig fühlen darf. Das allein zählt.
Bond No. 9 hat mich gelehrt, dass man einen Duft auch mal für sich betrachten muss. Ich verbinde einige herbe Enttäuschungen mit dieser Adresse, aber einige Male bescherte sie mir Dufterlebnisse, die in in einer überwältigenden Unbedingtheit des haben-wollens mündeten, sobald ich es schaffte, allzu durchsichtige Marketing-Strategien und zum Teil absurde Flakon-Designs zu ignorieren.
I Love New York For All ist so ein Fall. Aber wem der Preis suggeriert, dass sich selbiger in einem feinabgewogenen Duft-Konzept niederschlägt, der ist auf dem Holzweg. Hier handelt es sich um einen Großstadt-Duft, der mit Autoabgasen, dem Geruch regennasser Straßen und dem Aroma aus hunderten Cafés, Dönerbuden und Bäckereien konkurrieren muss - da ist ein exklusives Orangenblüten-Wässerchen aus irgendeiner italienischen Duftküche, von der nur Kenner wissen, kaum angebracht.
Einen Duft für sich zu betrachten heißt auch, ihn ernst zu nehmen - im Falle von I Love New York For All bedeutet dies, dass man ihn ihn in einem Großstadt-Kontext tragen und erleben sollte. Dieser Duft ist sehr süß und extrem kräftig dazu, es ist ein Eau de Parfum, welches dieser Bezeichnung mehr als gerecht wird - Tests auf Papier oder auf dem Handrücken mit Nasenlöchern, die heftig schnaufend einen Zentimeter über dem Testgebiet schweben, gehen bei solchen Düften naturgemäß gewaltig schief.
Aggressiv oder grob ist I Love New York niemals - die Eröffnung gibt vor, einen Frischekick zu liefern, aber trotz Pfeffer und Bergamotte ist sie eher floral und ziemlich weich. Mich erinnert das an meine Angewohnheit, morgens bis zu einem halben Dutzend mal die Snooze-Taste meines Weckers zu drücken, bevor ich endlich mal aus dem Bett krieche um zur Kaffeedose zu schlurfen. Es ist ein eher zögerliches Anfreunden mit der Tatsache, das unbestreitbar ein neuer Tag ansteht, den es nun zu bewältigen gilt. Dass die über dem Gesamtverlauf des Dufts betrachtet eher zurückhaltende Milchkaffeenote hier am kräftigsten ist, passt da sehr gut ins Bild.
Die Entwicklung von I Love New York For All vollzieht sich abgesehen von der ziemlich stark abgegrenzten und recht kurzen Eröffnung sehr allmählich. In meiner Nase dominieren Marone und Kakao, die zusammen ein wärmendes Konglomerat bilden, das sich schützend um den Träger legt. Warm, süß und unglaublich anheimelnd ist diese Phase, und dabei doch sehr selbstbewusst; hinsichtlich der Sillage spielt dieser Duft locker in der selben Liga wie Le Mâle oder A*Men - und wenn man diese wunderbare Mischung aus Esskastanie, leicht bitterem Kakao und einem kleinen Schuss Milchkaffee so sehr mag wie ich, ist man für diese Wolke sehr dankbar, denn sie macht glücklich, sie schafft eine schützende Aura, von der Lärm und Hektik einfach abprallt. Im Gegensatz zu den meisten Gourmands besitzt I Love New York For All für mich ein geringes Nervpotential. Er ist süß und kräftig, die im weiteren Verlauf stark zurückgezogenen, aber nicht ganz unwichtigen floralen Noten verleihen diesem Duft jedoch eine angenehme Komplexität und bis zu einem gewissen Grad sogar Transparenz.
Zumindest eine Transparenz, die es zulässt, dass dieser Duft niemals allein dasteht - ich finde es faszinierend, dass ein derart starker Duft den Eigengeruch des Trägers neben sich akzeptiert. Und ich mag es, dass dieser Duft sich im typischen Großstadt-Alltag so fulminant mit Zigarettenrauch, dem Kaugummi-Geruch von Teenagern in der U-Bahn und Autoabgasen zu mischen vermag. Besser gesagt: I Love New York For All bezwingt diese Düfte und setzt sie in einen neuen Kontext.
Marone und Kakao bleiben bis in die Basis vordergründig, dagegen verabschiedet sich der feine Milchkaffee, bevor er kalt wird. Bemerkenswert ist dabei, dass die Herzphase dieses Dufts allein ungefähr sechs Stunden anhält - dieser Duft hält auf meiner Haut ohne Probleme zwanzig Stunden durch. Eventuell auch länger, so ganz genau kann ich das nicht sagen, denn irgendwann muss ich auch mal schlafen gehen. Dieser Duft ist also durchaus ein kleines Biest, welches man vorsichtig dosieren sollte, bevor man vor die Haustüre tritt.
In der Basis meldet sich Vanille, aber ich mag diese Vanille, denn sie ist nicht süßlich-weich, sondern süßlich-scharf und sie erinnert mich stark an Vanille-Essenz, also den alkoholischen Auszug von Vanilleschoten. Wie gesagt, auch Kakao und Marone spielen noch eine Geige und verhindern, dass die Vanille allzu beschwippst daherkommt. Von den anderen Basis-Noten weiß ich aber nicht viel zu berichten. Der Duft wirkt in der Basis etwas ausgewogener, weniger süß und nach etwa acht Stunden auch ein wenig leiser, ist jedoch weit entfernt davon, ein skin-scent zu werden. I Love New York For All ist ein konsequenter Gourmand Duft: nach Kaffee, Kastanie und Kakao rieche ich im späteren Duftverlauf auch noch eine teigartige Note und vor allem Popcorn. Dieser Duft passt perfekt zu einem Abend im Kino.
Ich möchte betonen, dass I Love New York For All ein schwieriger Begleiter bei sehr warmen Wetter ist. Seine Bestimmung ist der Winter, so richtig mit rutschigen Gehwegen und Schneebällen - die Versuchung, ihn auch außerhalb der Saison zu tragen, ist allerdings für mich sehr stark, denn sein Aroma ist enorm anziehend und psychoaktiv. Seid vorsichtig.
Wer süßes nicht mag, der wird mit diesem Duft natürlich nicht glücklich. I Love New York For All wird vermutlich auch im Kontext eines formellen Anlasses als höchst unpassend empfunden. Zu welchen Anlässen sich dieser Duft eignet, macht er aber schon beim ersten Test klar - er will raus in die Großstadt, auf die Straße und sich unter die Leute mischen.
Aber wenn Du ihn trägst, wird er dennoch immer bei Dir bleiben, Dich wärmen, schützen und glücklich machen. Egal was um Dich herum geschieht.
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