Seerose

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Seerose vor 12 Jahren 12 16
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
7.5
Duft
Ich wollte keine Pippi Langstrumpf mehr sein!
Wie ich auf B 21 hier im Parfumo gekommen bin weiß ich nicht mehr so genau. Aber ich wollte es sofort unbedingt haben! Dank Beautycase war das möglich. Hier läuft vor mir fast jeden Morgen eine Frau durchs Treppenhaus, die duftet so, wie ich mir B 21 vorstellte, immer nachdem sie aus dem Pool kommt. Ich habe bereits alle Niveabodylotions etc. durchgeschnüffelt und selber ausprobiert - nichts. Niveacreme kommt hin. Aber wer will sich damit schon einbalsamieren? Der Duft von Nivea ist auch zu schwach um so eine Sillage zu haben, dass ich ihn noch 30 Minuten später ganz stark wahrnehmen kann, nachdem die Frau nur durch Treppenhaus gelaufen ist.
Nun also habe ich B21 sofort aufgesprüht. Und?: Es ist der Duft!
Bei mir entfaltet sich sofort der typisch modifizierte Veilchenduft und Heliotrop. Aber auch etwas Frisches, etwas Scharfes, Holziges ist ist sofort da. Aber nichts Zitrisches.
Sicher, ich hatte vor ein paar Tagen die Ingredienzen nachgeschaut und wieder vergessen. Ich hatte mich auf die Nasen derjenigen verlassen, die schon Kommentare geschrieben haben.
Die Mischung hätte mich eher davon abgebracht es zu erwerben.
Gut, dass ich eine Abfüllung erwerben konnte. Denn keinesfalls will ich das als Hauptparfüm, das war mir von vorn herein klar. Es passt überhaupt nicht zu den Düften die ich als Parfüm benutze, probiere und mit denen ich experimentiere.
Und doch; ich war ganz "jieperig" darauf.
Der Duft blieb weiterhin stark, das Herbe und Scharfe verschwand. Es gefällt mir sehr, aber ich will es nicht beispielsweise als Ausgehduft, unvorstellbar.
Düfte evozieren Erinnerung. Dieses Ambivalente kommt mal wieder aus meiner Kindheit.
Und ich erinnerte mich daran, wie bedeutsam für mich damals dieses kleine 1. Döschen Nivea war.
Ich war im Waisenhaus gelandet mit ca. 11 Jahren. Nein, nun zerfließt ja nicht alle vor Mitleid: Es war eine wunderbare Zeit. Es war dort arm, aber wir waren frei. Wir wurden weder misshandelt, schikaniert oder so. Wir waren etwas 30 Kinder von Baby bis zu 15jährigen. Es gab nur 2 Diakonissinnen als Betreuer und eine Küchenhilfe von 18 sowie eine Putzfrau. Alles andere haben wir selber gemacht. Wir Großen, dazu zählte ich, haben mitgeholfen und dafür durften wir auch so lange aufbleiben und lesen wie wir wollten. Wir wurden gar nicht kontrolliert. Eigentlich war es irgendwie wie Summerhill, wenn ich es recht bedenke.
Jedoch gab mir eine Praktikantin eines Tages ein Buch. So eine Art Digest für junge Mädchen, ganz 60erJahre-mäßig. Darin stand alles darüber wie ein Mädchen eine junge Frau wird und wie man das macht, was wichtig ist.
Also etwa, dass man sich jeden Tag wäscht, ganz, wurde ausführlich beschrieben. Wie man sich benimmt. Das man sich ordentlich anzieht, sich pflegt. Unbedingt: Pflegen! Die Haut, die Haare glänzend und nicht fettig.
Ich habe damals schon so viel gelesen, es gab da einen alten Schrank mit vielen Büchern von der Jahrhundertwende an (Johanna Spyri: Heidi und Rosenresli - Nesthäkchen - Jack London - sehr interessante Reiseliteratur - Klassiker...) Ich habe alles gelesen und auch mehrmals. Jedoch dieses Buch habe ich zigmal gelesen. So wollte ich auch werden. Da war ich ganz entschlossen: Eine gepflegte Frau, ganz klar! Nie mehr so ein Schmuddelkind! Ich sah nun, dass ich einen mehr oder weniger schmutzigen Hals hatte, dass andere fettige Haare hatten, dreckig waren, stanken. Also bunkerte ich mir immer eine Seife, sparte ich mein winziges Taschengeld für eine Dose Nivea! Und ab soforg ging ich jede Nacht, wenn alle anderen schliefen, in das Badezimmer mit den vielen Waschbecken und wusch mich von Kopf bis Fuß, gründlich und mit kaltem Wasser, Zähneputzen nicht zu vergessen. Was anderes gab es nicht. Und es gab nur Kernseife. Aber ich nahm mir immer ein frisches Handtuch, jeden Tag frische Unterwäsche. Lacht nicht, aber damals wurde einmal die Woche gebadet. Natürlich nicht für jeden neues Wasser in die Wanne: Es wurde zugeschüttet und immer etwas abgelassen. Und Wäsche wechselte man einmal nach dem Baden.
Nur wenn jemand sehr dreckige Klamotten an hatte, wurde auch in der Woche gewechselt. Wobei es keine Regelung gab. Wer wollte, durfte sich jederzeit aus den Schränken etwas Sauberes suchen. Nur bügeln musste man das selber.
Aber ich habe nie mehr in der Brühe gebadet, eine Dusche gab es nicht. Zum Haarewaschen musste ich mir in der Küche am Feuerherd Wasser heiß machen. Was ich durfte, kein Problem. Und habe mir das Gesicht und die Hände, den Hals sparsam eingecremt. Es stand genau beschrieben in dem Buch, wie man das macht. "Meine" Kleidung, niemand besaß eigene, nahm ich mit auf das Zimmer in dem ich mit anderen älteren Mädchen schlief. Dort war ein Wandschrank in der Schräge in dem ich die Sachen aufbewahren konnte. Es war auch in dem Buch beschrieben, was zusammen passt und was Stil ist. Und was Prinzipien sind, jaha! Das kannte ich alles nicht mit ca 11/12 Jahren, aber dann! Danach suchte ich mir aus den vermutlich gespendeten Kleidern das mir richtig erscheinende heraus. Ich war sehr zielstrebig. Ich wurde richtig strukturiert in meinen Handlungen. Das wiederum brachte mir den Respekt der Großen und Kleinen ein.
Und wie ich das so erinnere, wie ich von dem kleinen schmutzigen Mädchen zu einer "jungen Dame" wurde, sehr konsequent und eisern, da erinnerte ich mich an das wunderbare Gefühl und den zarten Duft der Niveacreme nach dem Waschen, bevor ich ins Bett ging. Das war mein Schatz den ich sorgfältig versteckte. Denn es stand ja in dem Buch, dass man die nur mit gewaschenen Händen auftragen dürfe und dass auch keine anderen Menschen die benützen dürften. Dort bewahrte ich auch die Zahnbürste auf wie in dem Buch stand.
Sicher, wir haben auch jeden Tag in der Bibel gelesen, vor und nach dem Essen gebetet.
Nein, das war überhaupt nicht schlimm. So kam wenigstens Ruhe in die Rasselbande. Und zum Bibellesen abends durften immer nur die "Großen". Wenn die anderen schon in den Betten waren. Und danach konnte ich meine Körperpflege so lange ausdehnen wie ich wollte und dann lesen so lange ich wollte. Natürlich hat weder die Diakonissenschwester noch wir die Bibel wirklich verstanden, vor allem das Alte Testament. Das haben wir gar nicht gemerkt. Weia, was es da für schlimme und auch obzöne Sachen gibt, wir haben das nicht verstanden. Wir haben gedacht, dass wir die alte Sprache nicht verstehen, naja. Ich schreibe das nur, damit niemand meint, uns wäre da ein Tort geschehen. Ach was!
Danach las ich ja immer noch die anderen Bücher und immer wieder in Abschnitten als Lernen, ein Kapitel aus diesem Buch für junge Mädchen. Das ist nun über 50 Jahre her.
Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren war noch nicht auf dem Markt. Als ich es später als Buchhändlerin kennen lernte, habe ich es sofort nicht gemocht. So ein Kind war ich doch: Schmutzig, vernachlässigt, allein gelassen. Nur so frech war ich nicht. Ich ging gerne in die Schule, war gut.
Nie habe ich verstanden, warum das Buch so ein Bestseller wurde. Weil ich wußte, was es heißt so leben zu müssen wie die arme Pippi.
Aber nun zurück zu dem Duft von B 21.
Sehr lange hält sich der Duft, die Mischung von Veilchen, Heliotrop, Pistazien, Iris, Ylang-Ylang Tonkabohne und Vanille ist perfekt und hält sich ganz lange, stundenlang. Das etwas Scharfe vom Zimt, Kardamom und dem Sandelholz ist sehr schnell verflogen. Am Schluss bleibt ein etwas fader synthetischer Duft zurück. Ganz wie es bei meinem Duftvorbild für B21 auch ist: Ein Perfektes Déjà vue!
16 Antworten
Seerose vor 12 Jahren 9 5
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
den Augenblick festhalten
Ein Selbstportrait, ein Portrait, irgendein Bild, gemalt oder fotografiert hält nur den einen Augenblick fest. Lediglich der Blick, die Betrachtungsweise die Einstellung der Betrachter bzw. des Betrachters verändern sich im Laufe der Zeit. Auch die Betrachter werden ersetzt: So ist das Leben. Insbesondere die Einstellung dessen, der dieses Abbild von sich selbst geschaffen hat ist eine besondere und unweigerlich veränderbare. Ein fixierter Moment unseres Seins der uns überdauern kann. Ein Selbstportrait zu zeichnen oder zu malen ist eine sehr befremdlicher und mutiger Akt, finde ich. Bei einer von sich selbst gemachten Fotografie findet nicht so eine intime Auseinandersetzung mit sich selbst statt.
Insofern finde ich kaum eine Kongruenz zwischen Namen und Duft. However: Es ist ein wunderbarer Duft. Autoportrait ist bis jetzt für mich der Duft mit der intensivsten Haltbarkeit, selbst stundenlang nach dem Duschen ist der Duft noch auf der Haut und um mich herum.
Bei diesem Duft konkurrieren keine Blüten mit Harzen, Hölzern und anderen organischen Duftstoffen wie Moschus und Moos. Lediglich die Bergamotte bringt etwas Zitrisches mit. Wer schon einmal an einer frischen Bergamotte gerochen hat, kann das erkennen.
Es ist die einzige frische Note, die allerdings wie der gesamte Duft, beständig präsent ist.
Dieser Duft kommt auch nicht mit einem wuchtigen Auftakt. Zuerst ist da nur eine sanfte Bergamotte mit wenig Harzen, sehr zärtlich-erfrischend, ein wenig süß, sanft. Aber dann vereinigen sich alle Komponenten, nichts herrscht vor. Wie Aava zuvor schon beschrieben hat. Das wiederhole ich nicht.
Dennoch verändert sich der Gesamtduft von eher zart-frisch-süß und leicht holzig zu einer vollen ins Herbe tendierenden Dufteinheit, sehr betörend, deutlich, verführerisch. Ein samtig dunkler Duft. Doch wieder auch nicht orientalisch. Ganz eigen bleibt der Duftcharakter und verändert sich über einen langen Zeitraum ganz langsam. Bei mir jedenfalls verblassen die herben und eher strengen Duftanteile der Harze und der Hölzer. Weihrauch ist sowieso nicht vorherrschend sondern eher eine Basis. Und doch ist darin eine Schwere verborgen, die ich als Melancholie empfinde. Ja, insofern ist es doch etwas aus meinem Inneren. Und dann folgt eine lange scheinbar nicht enden wollende Phase eines pudrig traumsüßen zarten Duftes. Die Sillage bleibt stets deutlich aber ganz fein. Ein Hauch ist in der Luft in dem Raum in dem ich mich befinde und in dem ich mich aufgehalten habe. er schmiegt sich um mich. Mit einem immerwährenden Hauch von Melancholie. Es will mich an etwas erinnern, aber ich erinnere mich nicht. Und immer noch duftet es fort und fort: Endless pleasure endless love...the sounds of silence?
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