Siebenkäs
Siebenkäs’ Blog
vor 7 Jahren - 05.02.2017
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Mein allererstes eigenes Parfum (Duft&Erinnerung Teil 2)

Nach meinem Erinnerungs-Ausflug in die 80er und damit in meine Parfum-Jugend möchte ich heute noch ein bisschen tiefer vordringen ins Duftgedächtnis - mitten hinein in die Kindheit.

Duft&Erinnerung sind für mich Geschwister, ja vielleicht sogar Zwillinge. Erinnerungen wecken Düfte wieder auf und (fast) jeder Duft ruft Erinnerungen hervor, egal ob bewußt oder unbewußt. Ich glaube, unser Duftgeschmack, unsere Vorlieben oder Abneigungen gegenüber Düften oder Duftfamilien ist stark geprägt von unserer persönlichen Duft-Biographie. Und die besteht natürlich nicht nur aus Parfum-Erinnerungen, sondern aus einem hochkomplizierten, individuellen Flickenteppich, in dem olfaktorische und emotionale Erlebnisse untrennbar miteinander verknüpft sind. Unser ganz eigenes, einzigartiges Duftgedächtnis, das uns wohl nur zu einem kleinen Teil bewußt ist - aus dem aber immer wieder Details wie kleine Mosaiksteinchen auftauchen.

Mein erstes eigenes Parfum bekam ich im Alter von 7 Jahren.

Es war Heiligabend. Mein Hauptgeschenk war eine Parkgarage mit Tankstelle, es gab sogar einen kleinen Aufzug mit Kurbel, um die Autos in die oberen Etagen zu hieven. Meine ein Jahr jüngere Schwester bekam eine Puppe - eine "Schlummerle". Da waren wohl noch ein paar Sachen, die ich vergessen habe. Aber da war auch noch ein Paket aus Amerika, von Onkel und Tante aus Austin. Das fanden wir immer besonders aufregend. Inhalt: Ein Blech-Puppenhaus für meine Schwester, quietschbunt, mehr zum Ansehen als zum Spielen, eine Seilbahn für uns zusammen, die wir klasse fanden. Und für mich allein war auch noch etwas da - ein kleiner, grün-silberner Karton. Und darin ein merkwürdiges dunkelgrünes Fläschchen, dicker Bauch und langer Hals, um den ein kleines Kettchen hing. "Fabergé Brut" stand darauf. Was das war, wußte ich schnell - lesen konnte ich ja schon. "Eau de Cologne" - das kannte ich von meinem Vater. "Eigentlich bist du dafür noch bisschen zu klein...", sagte er. "Aber die in Amerika wissen das nicht so... " Ich nahm den Deckel ab und sprühte mir gleich was über die Hände. Das machte Spaß... und dann schnupperte ich und sagte tapfer. "Sehr gut!" (Ähnlich hatte ich auch reagiert, als ich mal einen Schluck richtiges Bier probieren durfte und über die Bitterkeit gar nicht begeistert war) Der Duft war erst mal scharf, fast atemraubend, dann stark würzig, wie hochkonzentrierte Seife (das habe ich natürlich nicht gedacht, im Nachhinein sehe ich das so) und fremdartig-überwältigend. Auf jeden Fall aber sehr erwachsen. Sicher riechen Cowboys auch so ähnlich, kommt ja aus Amerika. Jeder musste jetzt mal an meinen Händen schnuppern und alle betonten, wie fein das duften würde. Na ja , meine Mutter etwas weniger.

Später verwendeten meine Schwester und ich die Flasche dann in unserem Puppen+Bären Friseursalon. Die Bären (die Männer) bekamen nach dem Haarschnitt (...leider wuchs das Haar danach nicht mehr so recht nach) ordentlich" Faberscheh" aufgespüht. Danach waren es die vornehmsten Bären weit und breit. Dann beschlossen wir, dass es ein Herren+Damen-Parföng sei und die Puppen bekamen ebenfalls ihren Teil. Tja, da waren wir schon weit vor, gender-mäßig... Leider beendete meine Mutter das irgendwann, die Bären mussten eine ganze Zeit auf den Balkon in den Urlaub und die Puppen mussten baden. Die Bären blieben aber auch danach noch sehr gut beduftet.

Eine noch etwas ältere Parfum-Erinnerung: wir hatten einen geblümten Pappkarton, in dem Postkarten, nicht mehr verwendeter Modeschmuck und ähnliche Kleinigkeiten aufbewahrt wurden. Er stand im Kinder-Kleiderschrank, so dass wir jederzeit darin kramen konnten. Und darin war eines Tages ein leeres Fläschchen Miss Dior. Matt gelbliches Glas, sehr fein, mit einem weißen Schild und goldener Schrift, über dem Spühkopf eine Art gläserner Deckel. Aber vor allem - was für ein Duft davon ausging.... Die ganze Kiste roch danach, weich, anschmiegsam, geheimnsivoll, irgendwie verzaubert. Natürlich erinnerte er mich auch an meine Mutter, obwohl er so pur etwas anders war. Viel später erfuhr ich dann, wie meine Mutter zu diesem Duft kam: Meine Eltern arbeiteten beide in einem großen Modegeschäft. Mein Vater steckte ihr den Karton einfach in die Tasche ihres Mantels, der in der Personal-Garderobe hing. Sie sollte dann selbst darauf kommen, von wem es war. Meine Offenheit für "Damendüfte" hat sicher damit viel zu tun.

Natürlich schnupperte ich auch sehr gern an den Duftwässerchen bzw. Aftershaves meines Vaters - Tabac, Aramis und Braggi. Braggi hat es mir besonders angetan, er roch so geheimnisvoll, sauber und nach Limo am Anfang und dann nach etwas Strengerem, sehr Erwachsenem, das keine Widerrede duldet - faszinierend. Ich habe ihn mir vor 2 jahren für teuer Geld auf ebay Italien gekauft - ein angeblich neuer Flakon. Leider ist die Kopfnote hinüber, riecht anfangs leicht nach chemischer Reinigung, später kommt dann etwas durch, was noch an den Duft erinnert. Aramis fand ich ebenfalls aufregend, komischerweiser auch etwas katholisch - da muss eine seltsame Assoziation in die ersten Dufteindrücke gerutscht sein. Jedenfalls nicht ganz so abenteuerlich-verwegen wie Braggi. Nach so einer Note (und nach vielen anderen) suche ich im Grunde heute noch - aber sie ist schwer zu finden.

Denn ich bin nicht mehr derselbe. Und die Welt auch nicht. Trotzdem kann es sein, dass eine Saite, die Braggi damals zum Klingen brachte, heute durch etwas anderes sehr ähnlich klingen kann. (Jetzt verlauf' ich mich aber grad' im Metaphern-Dschungel...) Vielleicht bin ich deshalb irgendwie auf der Suche nach einem Duft, von dem ich im Grunde nicht weiß, wie er eigentlich sein soll. Nicht nur nach dem Braggi-Charakter, sondern nach allen Duft-Erlebnissen von damals - also "auf der Suche nach dem verlorenen Duft"? (Entschuldigung, lieber Marcel Proust).

Aber die Suche ist es wert - denn es ist wahr, was Jean Paul sagte: "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können."


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