Sniffsniff

Sniffsniff

Rezensionen
Filtern & sortieren
6 - 10 von 21
Sniffsniff vor 1 Jahr 14 8
7
Flakon
9
Sillage
8
Haltbarkeit
3
Duft
Orangenblüten-Obelix meets Ambrofix
Sind Sie Fan der berühmten Comic-Reihe des kongenialen Duos Uderzo und Goscinny?
Fein.
Und nun vergessen Sie bitte alles, was Sie über das römisch besetzte Gallien und seine wackeren Helden bislang wussten.
Denn der Zeitgeist verlangt auch hier nach einer Neuinterpretation.
Obelix, der leicht adipöse Gourmand mit ausgeprägter Vorliebe für deftige Wildgerichte, verdankt seine übermenschlichen Haudrauf-Qualitäten, so heißt es in der Urversion, einem frühkindlichen Bade im Zaubertrankkessel. Zaubertrank? Drogen womöglich? Nein, das ist heute nicht mehr kindgerecht, das passt nicht mehr in die Zeit des omnipräsenten Gesundheitskultes und der zwanghaften Selbstoptimierung.
Ergo schreit es doch förmlich nach einer entschärfenden Überarbeitung. Nehmen wir also stattdessen lieber einen hochpotenten Sud aus Orangenblüten und allerlei Aromachemikalien, um Obelix zu neuen Superkräften zu verhelfen. Denn seien wir mal ehrlich - diese rohe Gewalt, dieses ständige Aus-den-Sandalen-Kloppen ganzer Legionen, das ist anno 2023 wirklich keine adäquate Konfliktbewältigungsstrategie mehr. Das haben wir doch längst überwunden.
Der moderne Obelix setzt stattdessen lieber auf seinen Geruch. Denn die Orangenblüten des unfreiwilligen Bades im paradoxen Kupferkessel umwehen ihn dank großzügiger Beigabe chemischer Fixateure auch noch Jahrzehnte später.
Aber diese Orangenblüten sind nicht etwa zart duftende weiße Frühlingsboten, die eine schlafende Sehnsucht nach mediterranen Sonnenstrahlen wecken, sondern brutale Mutanten aus dem Chemielabor. Stechend-spitze Orangenblüten von zuckerklirrender Süße, die alle anderen Ingredienzen des modernen Zaubertranks überlagern und sich aggressiv in sämtliche Zellen des Riechzentrums fressen.

Kein Wunder also, dass die gallischen Wälder fortan nicht mehr nach feuchtem Moos und Misteln duften, denn Obelix projiziert gewaltig.
Man erzählt sich, dass die Bewohner des kleinen gallischen Dorfes mit der Zeit geruchsblind wurden und eine besondere Form der Immunität gegen Obelix' neue Geheimwaffe entwickelten. Näherte sich jedoch eine eroberungswütige römische Legion dem orangenblütigen Idyll, klagten die Legionäre alsbald über Unwohlsein, Kopfschmerzen und Ohnmachtsanfälle. Und so lebten Asterix, Obelix und ihr treuer vierbeiniger Gefährte Ambrofix immerfort sorgenfrei und unbeschwert ...

Heute erreichte mich die vor einiger Zeit georderte Herstellerprobe und ich habe aufgrund der doch eher durchwachsenen Bewertungen vorsichtshalber nur einen sehr zaghaften Spritzer auf meinen Handrücken aufgetragen.
Weise, überaus weise!
Denn dieser kleine Spritzer hat sich als äußerst gehaltvoll erwiesen und hängt nun im gesamten Haus.
Lüften zwecklos.
Ich nehme nichts anderes mehr wahr als diese himmelschreiend aufdringliche Orangenblütenkeule. Dieser „Duft“ frisst sich wirklich in jede Synapse und ist dabei so langweilig und monoton, dass es für gepflegtes Entsetzen meinerseits reicht.

Süß, schrill, schwer, kratzig, uninspiriert.

Der Gedanke dahinter ist vermutlich ein zauberhaft frisch-gepflegter, blumig-süßer Damenduft. Aber hier hat man das Thema komplett verfehlt. Paradoxe reiht sich lückenlos in den Gähn-Mainstream der letzten Jahre ein.

Wiedererkennungwert? Liegt eigentlich bei 0, da der Duft selbst so unglaublich belanglos ist - aber das gerade empfundene körperliche Unwohlsein und der unangenehme Schläfendruck werden wohl dafür sorgen, dass ich Paradoxe immer und überall - selbst in molekularer Konzentration - wiedererkennen werde.
Ich mag Prada. Wirklich. Aber hier spricht mir die pure Enttäuschung aus der Seele.
Für Hardcore-Orangenblüten-Liebhaber*innen ist Paradoxe sicher ein Must-Have, denn expliziter kann man des Thema nicht herausarbeiten. Wer jedoch bisher ein halbwegs glückliches Leben führen konnte, ohne sich einer ausgeprägten Zuneigung für Orangenblüten bewusst zu sein, der kann bei Paradoxe getrost eine Testrunde aussetzen.
8 Antworten
Sniffsniff vor 3 Jahren 20 10
7
Flakon
8
Sillage
2
Duft
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.
Wie es der Zufall so wollte, kullerte mir beim Öffnen des heutigen Duftpostumschlages ein kleines Pröbchen aus dem Hause Lalique entgegen. Rêve d'Infini. Auhauehaueha. Wenn Nomen hier tatsächlich Omen est, soll sich also nichts Geringeres als der Traum vom Unendlichen auf meiner Nasenschleimhaut manifestieren, sobald ich den Duft aus seiner Kapsel befreie. Was ich von derart hochtrabenden Namenskonzepten halte, habe ich an anderer Stelle bereits ausführlich abgearbeitet. Deshalb hier nur fragmentarisch: Wer hoch pokert, kann tief fallen.
Und so isses dann leider auch. Es hat sich ausgeträumt. Und das Erwachen ist ziemlich böse. Wenn die Unendlichkeit so riecht wie die Lalique'sche Aurelia-Eleonore der Duftwelt auf meinem Unterarm, dann wünsche ich mir ein schnelles Ende herbei. Möglichst kurz und schmerzlos.
Es ist ja eigentlich nicht meine Art, Düfte zu rezensieren, die mir nicht gefallen. Und eigentlich lasse ich mir auch immer etwas Zeit, um aus dem ersten Kennenlernen zumindest ein zartes Vertrautsein gedeihen zu lassen. Aber heute fühle ich mich olfaktorisch derart mit dem Latthammer getroffen, dass ich mein Trauma schreibtherapeutisch kanalisieren muss.
Ich rieche künstlich-wässriges Melonenkaugummi. Calone? Eimerweise! Dazu ganz viel Moschus der fiesesten Sorte. Groschenmoschus. Billig und synthetisch. Und dieses fiese Duo wird flankiert von undefinierbaren Frucht- und Blumennoten und einer hirnbohrenden Süße, die an eine auf den Küchenfliesen zerborstene Natreen-Flasche erinnert. Ich kann mich nicht daran erinnern, seit dem Test des grauenvollen Glamfume-Fusels im schwarzen Flakon einen ähnlich unschönen Duft unter der Nase gehabt zu haben.
Rêve d'Infini präsentiert sich einfach nur flach, künstlich und unglaublich preiswert. Das erinnert schon sehr stark an die schwächeren Vertreter des Drogeriesegments. Und dann kommt noch erschwerend hinzu, dass er bei mir einen ganz empfindlichen Punkt triggert: Alles an diesem Duft wirkt aufgesetzt, unecht, gestellt. Krampfhaft gut gelaunt. Immer schön frisch und adrett. Hachje, was haben wir heute wieder gute Laune. Wir strahlen ja mit der Sonne um die Wette. Bis über beide Ohren. Diese sommerliche Leichtigkeit. Suuupi. Bussi. Noch ein bisschen Plastikobst? Oh, ja, toll, ich liiiiiebe Plastikobst. Das macht uns so unbeschwert ...

So, ich muss jetzt ein Waschbecken aufsuchen, um mich des Duftes zu entledigen. Dunkle Kopfschmerzwolken ziehen über meinen Schläfen auf. Und zum Thema Ewigkeit ist ja auch alles gesagt.
10 Antworten
Sniffsniff vor 3 Jahren 36 16
5
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
4.5
Duft
Braunzone
Ich erinnere mich schemenhaft an den Kunstunterricht in der Grundschule. Vor Schuljahresbeginn bekamen unsere Eltern eine ellenlange Einkaufsliste, auf der unter anderem ein Pelikan-Tuschkasten zu finden war. Das kleine Modell mit zwölf Farben. Retrospektiv war dies eine sehr vernünftige Entscheidung, denn meinen weniger feinsinnigen Mitschüler*innen gelang es im Handumdrehen, die jungfräulichen Pigmentkreise in ein dreckiges Dutzend zu verwandeln. Schnell wurde mir klar, dass auch hier weniger mehr bedeutet. Rot und Blau ergibt Violett, Blau plus Gelb macht Grün. So weit, so gut. Und wenn wir uns jetzt wie eine Horde Berserker mit dem Borstenpinsel durch den ganzen Kladderadatsch wühlen, um die komplette Farbpalette mit ausschweifenden Kreisbewegungen und viel Druck übereinander zu Papier zu bringen als wären wir Jackson Pollock auf Speed, dann werden wir mit einem freundlichen Braunton belohnt, der selbst höchsten ästhetischen Ansprüchen genügt.
Naja, vielleicht ist es auch eher ein verschwommenes Braun - dreckig, dunkel, undefiniert. Eine stumpfe Mischfarbe, kraft- und glanzlos. Sie wirkt auf mich, als hätte man den leuchtenden Solospielern durch das Hinzufügen jedes weiteren Protagonisten ein Stück ihrer Strahlkraft genommen. Das frische Grün - kaum noch ein Schatten seiner selbst. Wo ist das intensive Rot geblieben? Alles hat sich zu einer tristen Melange vereint, die mich sofort von Matschpfützen im Spätherbst und anderen erquicklichen Sehnsuchtsorten träumen lässt.

Und nun genug der Tuscherei. Ich klappe den Kasten zu und frage mich, ob es in der Haute Parfumerie ein ähnliches Phänomen gibt? Da hat man bei Micallef in Grasse mit ganz wunderbaren Ingredienzien gearbeitet, aus denen meine innere Nase voller Vorfreude eine nicht minder wunderbare Dufterwartung zu stricken wusste. Nunja, wo viel Vorfreude herrscht, da siegt nicht selten die Ernüchterung.
EdenFalls ist für mich jedenFalls (Verzeihung, es juckte so!) die olfaktorische Analogie zum weiter oben bemühten Tuschkasten. Aus einem Strauß strahlender Einzelnoten entsteht hier ein dumpf-verschwommener Duft ohne Charakter und Präsenz. Das mag jetzt furchtbar drastisch klingen, aber ganz so schlimm ist es nicht. Ich gebe hier meine subjektive Empfindung wieder und die tendiert in die Richtung, dass ich EdenFalls nicht tragen würde. Für mich ist EdenFalls ein sehr durchschnittlicher, profilloser Duft ohne jeglichen Wiedererkennungswert. Und bei einer Skala von 0-10 heißt das 5. Einen halben Punkt ziehe ich ab, da er wirklich ein "Duft ohne Eigenschaften" ist.
Er ist zitrisch und moosig im Kopf, hier eindeutig auf der maskulinen Seite stehend, bleibt aber nicht zitrisch und moosig. Für einen Moment schwebt nun auch das Damoklesschwert der Duschgelfrische über dem Duft. Das Herz soll blumig sein. Angeblich. Der Duft ist es aber nicht. In der Basis haben wir es dann mit Vanille und Patchouli zu tun. Theoretisch edenFalls. Ganz am Ende gewinnt die Vanille die Oberhand, aber auch hier bekommt der Duft kein eigenständiges Profil mehr. Ich könnte zu keinem Zeitpunkt sagen, dass wir es hier mit einem blumigen, einem grünen, einem würzigen (Wo verstecken sich eigentlich die Gewürze?), einem fruchtigen oder einem vanillelastigen Duft zu tun haben. EdenFalls ist wie Teflon mit Schmierseife. Absolut aalglatt und nicht greifbar. Und das ist der Grund, weshalb ich mit ihm nicht warm werde. Ich bin einfach gestrickt. Ich brauche klare Ansagen und verständliche Botschaften. Ich mag es konturiert. Und Kontur fehlt hier gänzlich.
EdenFalls startet maskulin, wird dann im Verlauf diffuser und somit für mich deutlich tragbarer. In exakt diesem Stadium verharrt er äußerst lange auf meiner Haut - ohne weiteren Verlauf. Die Haltbarkeit ist ergo sehr ordentlich, die Projektion empfand ich hingegen als eher schwach - aber das ist vermutlich der Glätte des Duftes und dem fehlenden Spannungsbogen in Kombination mit meiner daraus resultierenden Duftblindheit geschuldet.

Fies ist EdenFalls dabei keinesfalls, auch nicht extrem synthetisch (mein wunder Punkt). Dies ist definitiv kein Verriss. Ich will auch nicht seine Wertigkeit infrage stellen. Er berührt mich einfach nicht. Er ist mir nicht süß genug. Wenn ich ihn trage, fühle ich mich weder beschwingter noch wohler oder in irgendeiner Weise attraktiver.
Und für verschwommene Schwammigkeit ist er mir dann doch ein Quentchen zu teuer.
Blurred lines.
16 Antworten
Sniffsniff vor 3 Jahren 50 22
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Under my Amberella
Ich war genervt. Aber sowas von. Kennen Sie doch sicher auch? Dieses latente Genervtsein. Sie lesen und lesen, tagelang wird gelesen. Pyramiden. Hoch und runter. Da wird jeder Ägyptologe blass vor Neid. So viele schöne Pyramiden. Und dann haben Sie sich eine ausgesucht. Heureka. Die Pyramide Ihrer unerfüllten Duftträume. Diese eine, die alles in sich trägt, was Sie sich jemals von einer Pyramide erträumt haben. Die brauchen Sie unbedingt in Ihrer kleinen, erlesenen Pyramidensammlung. Und zwar SUBITO!
Und dann kommt auch schon der Postbote und wirft einen gänzlich unschuldigen Polsterumschlag in Ihren Briefkasten. Sabbernd und mit wehenden Lefzen stürzen Sie hinaus, zerfetzen sogleich die sorgfältig verschlossene Verpackung und sprühen noch im Flur gierig und wie in Trance die ersten Tropfen der heiß ersehnten Traumpyramide auf Ihren Handrücken. Instinktiv führen Sie die Hand in die Höhe und ... ZONK! Tja. Während Ihre Lefzen, der Schwerkraft und Enttäuschung nachgebend, noch den Weg in die Tiefe suchen, fragen Sie sich bereits, wie ein Duft, der von sehr vielen Menschen extrem positiv wahrgenommen wird, so himmelschreiend mittelmäßig sein kann. Und warum hat diese verdammte Pyramide derart dreist gelogen? Und wissen Sie was? Wenn es denn nur dieses eine Mal gewesen wäre ...
Aber nein. Je mehr Sie testen, desto weniger gefällt Ihnen. Vermutlich sind Sie anspruchsvoller geworden, lassen sich nicht mehr jeden ollen Ambrocashmeralonemaltolfusel unterjubeln. Und da beginnt dann die Misere.
Riechen Sie das auch? Diese Basis? Ja, genau! Ich meine diese Baaah-sis aus Weltraummoschus, die dafür sorgt, dass wir alle ein bisschen so riechen wie Hans-Jürgens altes Sweatshirt nach dem Weichspülerbad. Da setz' ich mir doch direkt die Hasskappe auf. Ein schönes Hobby haben wir uns da angelacht - Sie und ich. Und dann kostet der Quatsch auch noch echtes Geld! Da darf man doch ruhig mal aus der Haut fahren. Frustrationstoleranz ist schließlich nicht jedem in die Wiege gelegt worden.
Aber ich will hier nicht nur motzen, ist ja dauerhaft auch nix für die seelische Balance. Und macht Falten - außer bei mir natürlich. Denn manchmal kommt es ja durchaus ganz anders. Da können die Mundwinkel dann tatsächlich mal in Richtung Decke zeigen. Hatten Sie bestimmt auch schon hin und wieder. Mir passierte das nämlich erst kürzlich, als mir ein kleiner, unscheinbarer Zerstäuber aus einem dieser eilig zerfetzten Umschlagreste entgegenkullerte.
Gucci stand da drauf. Gut, das kann bös ins Auge gehen. Die können schöne Düfte. Zweifellos. Aber leider schaffen sie häufig auch ganz ungeniert das komplette Gegenteil. The Eyes of the Tiger. Mon Dieu. Da fischen wir aber in reichlich lyrisch-botanischen Gewässern. Trägt man bei der Namensfindung allzu dick auf, bin ich ja gerne direkt auf Konfrontation. Ist wie mit Kindern. Wenn der achtjährige Quentin-Cassian sich beim Schuhebinden blöd anstellt, tu ich mich auch schwer mit dem Applaus.
Aber nein, Gucci hat natürlich ein Konzept. Ich sach nur: Amber. Bei den Chinesen im fernen China symbolisiert der Bernstein nämlich die Seele des Tigers. Und was gilt wiederum als Spiegel der Seele? Jawoll. Sehen Sie, so schließt sich der Kreis und wir hätten geklärt, warum dieser (ich schreie es jetzt einfach mal ganz unverblümt in die Welt hinaus) traumhaft schöne, sanft vanillige und kuschelweich-harzige Amberduft so heißt, wie er heißt. Und wissen Sie, was das Schönste ist? Hier nervt mich gar nichts. Und das will was heißen. Normalerweise springe ich ja sofort aus dem Frack. Schon bei der kleinsten Ecke, die nicht genau da sitzt, wo ich sie gerne hätte. Diese Tigeraugen sind das reinste Sedativum für meine sanguinische Natur, sie trösten, sie umhüllen, sie spenden Wärme und Geborgenheit. Kein klitzekleines Bisschen Synthetik, nüscht! Ein kugelrunder, zutiefst harmonischer Duft, dessen außergewöhnlich natürliche Anmutung auch seinen (nunja, exorbitant hohen) Preis rechtfertigt. Oder sagen wir es besser so: Im Vergleich mit anderen maßlos überteuerten Düften riecht "The Eyes of the Tiger" deutlich hochwertiger.
Als ich mir heute Morgen vornahm, diesen Duft zu kommentieren, staffierte ich mich mit vier beherzten Sprüherchen aus dem kleinen Testzerstäuber aus und machte mich auf den Weg in den Stall. Nieselregen, knapp über dem Gefrierpunkt. Eine sanft-harzige Süße umfängt mich auf dem Weg über die Felder. Das Wetter ist sekundär. Der Duft wärmt mich. Regen? Na und? Er behütet mich. Und er tut dies ohne die spezifische Amberschwere, die so vielen stark ambrierten Parfums anhaftet und die ich abgrundtief hasse. Seien wir doch mal ehrlich - dieses zähflüssige Ambergefühl, das gerne noch ein kleines Häuchlein Animalik in sich trägt ... das taugt doch nichts. Pfuibäh! Da bin ich direkt wieder genervt. Das fühlt sich dann beim Atmen an, als hätte irgendein Pfiffikus die Luft geliert. Aber kein Grund zur Sorge. Die Tigeraugen sind frei von Gelatine und Pumakäfig. Der Duftverlauf ist insgesamt recht linear und unspektakulär. Auch hier bleibt der Duft seiner ruhigen, geerdeten Aura treu. Die federleichte Harzigkeit der Kopfnote geht nach und nach in die wohl schönste Vanillebasis über, die ich kenne. Dabei vernehme ich eine ganz leichte Pudrigkeit, die aber nie staubig oder schwülstig wird, sondern lediglich verhindert, dass der Duft auf die klebrig-schwere Seite der Vanille abdriftet. Die Süße empfinde ich dabei als perfekt ausbalanciert und niemals stechend oder schrill.
Achso, wenn Sie jetzt 'nen Wummser mit Totschlägersillage erwarten, weil Sie unbedingt wollen, dass die gesamte nördliche Hemisphäre an Ihrem guten Parfumgeschmack Anteil nimmt, muss ich Sie leider enttäuschen. Da müssen Sie zum Louis - der hat da was.
Sie sehen, ich find' den richtig gut. Der ist Balsam für meine genervte Seele. Ein Duft zum Ankommen, zum Bei-sich-sein, kein Wegduft, ein Zielduft. Ein therapeutischer Duft. Bestens geeignet zur Behandlung akuter Pyramidentraumata. Haben Sie's gemerkt? Der hat nämlich gar keine.
22 Antworten
Sniffsniff vor 3 Jahren 26 9
Es ist ja, wie es ist.
Mein weltreligiöses Halbwissen zwang mich, vor dem Verfassen dieses Kommentars das große G zu bemühen.
Nun gut.
Kismet ist also in ganz groben Zügen das arabische Äquivalent zu unserer norddeutschen Geistesgrundhaltung: „Es ist ja, wie es ist.“
Nur dass wir Norddeutschen die vollendeten Tatsachen, vor die wir allenthalben gestellt werden, zumeist dem Zufall zuschreiben, während "Kismet" hier etwas gänzlich anderes, nämlich das unumwindbare, göttlich prädestinierte Schicksal, meint.
Oha.
Da wagt man sich namenstechnisch im Hause Lubin ganz schön weit aus der Deckung. Ein großes Konzept, das da Pate stand. Entsprechend hoch schrauben sich auch meine Erwartungen. Denn Lubin und ich - das funktioniert überdurchschnittlich oft überdurchschnittlich gut.
Ich schätze die Düfte des Hauses vor allem aufgrund ihrer natürlichen, hochwertigen Anmutung und ihrer Tragbarkeit. Sie schreien nicht laut vulgäres Zeug, während sie dir ihre Aromachemikalien durch die Synapsen dreschen - das ist nicht ihre Art. Sie sind vielmehr hochkomplex, fein komponiert und dabei so zurückhaltend, dass sie eine wahre Wohltat für meine geschundene Nase in der lauten Welt des olfaktorischen Wettrüstens bedeuten. Viele Lubin-Düfte sind sehr haltbar, projizieren aber eher dezent.
Womit wir dann auch bei der äußert eleganten Überleitung zu Kismet angekommen wären. Kismet projiziert mindestens so stark wie die Harzer Käse, die mein Vater gelegentlich zum Zwecke des intensiven Nachreifens in einem unserer Küchenoberschränke deponierte. Wehe dem, der versehentlich die Schranktür öffnete.
Ein Sprüher Kismet auf meinem Handrücken schaffte es, - wohlgemerkt zwei Stunden nach dem Aufsprühen - im örtlichen Edeka von der Kassiererin meines Vertrauens durch die Maske wahrgenommen zu werden.
„Heute riechst du aber blumig.“
Ja. Genau. Und da beginnt meine Misere. Blumen. Tonnenweise. Rosen. Skrupellose Rosen. Rosen, die keine Gnade kennen. Der Duft beginnt ganz harmlos mit einer wirklich schönen Bergamotte. Lubin-typisch absolut natürlich. Kalabrischer Sommer - und ich mittendrin.
Doch dieser Moment des Glücks soll ein flüchtiger bleiben, denn es dauert nicht lange und die Rose drängt sich feist ins Bild. Mittlerweile habe ich mich während meiner Duftreise mit einigen Blütendüften anfreunden können, aber diese Rose triezt mich unentwegt. Sie sticht.
Nicht ins Fleisch, aber direkt in die Nase und in mein Kopfschmerzzentrum.
Aha.
Und sie hat dabei einen nicht minder hinterhältigen Verbündeten.
Patchouli steht der perfiden Dornenblüte zur Seite und schmiedet fleißig Ränke, um mir Kismet vollends zu verleiden.
Während ich rieche, analysiere, grübele, mich ärgere, wird Kismet immer pudriger. Ich kann kaum einzelne Nuancen ausmachen, der Duft als Ganzes flirrt in meinem Kopf, er oszilliert. Ich fühle mich bedrängt, eingeengt. Kismet ist omnipräsent. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Und wieder ärgere ich mich. Nein, er ist definitiv nicht schlecht. Ein absolut gut gemachter und qualitativ extrem hochwertiger Duft. Und ich würde vermutlich genussvoll tief einatmen und anerkennend nicken, wenn ich einem Menschen begegnete, der Kismet trägt.
Aber ich werfe die Flinte ins Korn, streiche die Segel und hisse die weiße Flagge. Kismet ist mir zu viel, zu dicht, zu rosig, zu pudrig. Zumindest an mir.
Ein wenig enttäuscht bin ich schon, denn ich hatte mich nach all den schönen Lubins, die ich in den letzten Monaten kennenlernen durfte, sehr auf Kismet gefreut.
Und um das Ganze hier nicht als Trauerspiel in einem Akt enden zu lassen:
Wer Rose und Patchouli liebt, bekommt mit Kismet einen wunderschönen Duft, der qualitativ absolut über den Dingen steht. Kann man nicht anders sagen. Es ist ja, wie es ist.
9 Antworten
6 - 10 von 21