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6 - 10 von 13
Soap vor 3 Jahren 19 2
9
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Arroganz und Selbsterkenntnis
Manchmal muss man sich Namen einfach mal wegdenken: Musik nach Gehör kaufen, Bücher abseits von Bestsellerlisten erstöbern, beim Parfüm sowieso: nur die Nase entscheiden lassen - hier kann man ja fast schon nicht anders, denn man muss das Zeug ja auch tragen.

Doch oft genug beobachte ich bei mir selbst, dass da ein Wunschdenken existiert, bestimmten Marken, Vorschub in Sachen Akzeptanz sowohl für Mittelmaß wie auch für Unsägliches, zu zu billigen.

Olfaktorische Destruktiv-Maßnahmen leben von der Dialektik der Kunst (oder des Geldes?): Banause will man zuletzt sein. Und Teueres ist ungern banal. Im Umkehrschluss ist die eigene Bereitschaft umso größer, den vermeintlich „Namenlosen“ oder weniger beliebten Kandidaten, die Genialität leichtfertig abzusprechen: Banause darf man nicht sein, nicht in der Kunst!

So wird Stroh in den Händen des einen zu Gold: da ist der Leidensweg der Suche nach dem weltweit besten Stroh, die langwierige Destillation, der Weg der Askese und das reine, unverfälschte Naturprodukt - die Essenz des Essentiellen, formschön eingefangen und in Kleinstmengen angeboten. Sehr exquisit, wenn man alles andere schon hat. Radiert man das alles weg und legt dieses Produkt in die Hand eines anderen, bleibt bestenfalls einfach nur Stroh übrig: Einfallslos, simpel, muffig, untragbar - wer will denn so riechen?

Kunst scheint nur allzuoft eine Geschichte zu sein, die wir uns gegenseitig erzählen. Und je einzigartiger diese ist, je knapper die Auflage, desto wertvoller das Produkt.

Vieles muss bei dieser Art von Erzeugnissen theoretisch begründet werden, und Kakophonien lassen sich sodann nicht mehr als solche wahrnehmen - man muss nur die Hintergründe der Arbeit kennen. Auf der anderen Seite, lässt sich das geistige Wachstum, das sich im eindeutigen Streben nach olfaktorischen Horizonterweiterungen zeigt, ja nicht negieren. Neues ist für die Sinne halt nicht immer leicht zugänglich. Was Stroh war, kann Gold werden.

Klar, man ist an seine Wahrnehmung gekettet, und diese ist per Definition urteilend; sobald Gedanken als Begleiter zum Beobachteten erscheinen, entsteht Meinung. Befindet man sich außerhalb dieses Mechanismus, so gibt es nichts, was es nicht geben darf. Und das ist keine leichte Übung.

Im rein beobachtenden Modus, kommt oft eine gefürchtete Ehrlichkeit zu Tage, die ansonsten, von den eigenen Ideen über die vermeintliche Besonderheit der Marke, verlässlich verdeckt wird: da erkennt man Stroh als Stroh an, und Gold als Gold. Aber dann ist das eine nicht wertvoller als das andere. Beides ist Kunst. Ein schöner Nebeneffekt.

So oder so ähnlich, mehr oder weniger erfolgreich, versuchte ich ich beim Testen von Laudano Nero vorzugehen.

Meine erste Bekanntschaft mit Tiziana Terenzi war Orion, und aus Enttäuschung beschloss ich, dass es die letzte sein wird. Das Beste daran war, dass mein Verstand, Tiziana Terenzi sogleich zu einem amorphen Klanggebilde - unter Beigabe von Luca Turin und Tania Sanchez - formte, was wiederum die seltsame Überzeugung heranreifen ließ: „Ja, dieses Tania Turenzi Parfüm ist ja nicht so, aber ihr Buch ist ganz gut. Schreiben kann sie, aber Parfüm wohl eher nicht..“
Solch eine Arroganz sitzt dann auch tief. Naja, Tiziana Terenzi ist also doch ganz etwas anderes.

Blind getauscht, war meine erste Sorge, dass Laudano sich als Orion Nero entpuppen würde. Voller Ehrfurcht bei der Probe, glich meine Erleichterung einer Erleuchtung: Moment mal, der ist gut! Ja, aber ist er wirklich gut? Das ist doch Tiziano Turino??! Kann er das überhaupt?!

Kampfer und bittergrüne Kräuter, süße Beeren, Asche und Cognac - das ganze in einem unfassbar großspurigen Auftritt! Urteilend kombinierte ich weiter Namen und Eindrücke. Doch um mich gänzlich dem Duft hinzugeben, musste irgendwann dieser ganze Turino-Turenzi-Unsinn in meinem Kopf abgeschaltet werden.

Die „entschlossene Arroganz“ des Laudano Nero, würde ich bei einem Großmeister anbetend huldigen, bei jedem anderen vermutlich als schamlos ankreiden. Danke, Erziehung.

Also dachte ich, das könnte auch locker Tom Ford sein. „Bold“ im Auftritt ist er, wäre da nicht seine sagenhafte Wandelbarkeit. Orientalisch, süffig, krautig, harzig. Ganz zum Schluss kommen Labdanum und die etwas ölige Vanille zum Vorschein. Ford oder doch nicht Ford?

Dieser Duft ist für mich Avantgarde, ähnlich wie ich sie den Machern von Tonka Fever und Type Writer unterstelle - auch wenn die olfaktorischen Ergebnisse sich unterscheiden, so scheint die Denkweise ähnlich radikal zu sein.

Ich erkenne feine Gourmand-Parallelen zu Dolce di Giorno, obgleich Laudano Nero ein ganz anderes Konzept verfolgt: seine dunkle, bittere Seite hat absolut nichts mit Süßspeisen zu tun.

Gegenüber Black Afgano, ist dieser Duft zwar grobmaschiger, aber strukturell keinesfalls instabiler. Black Afgano ist dezenter austariert, feiner und facettenreicher - ein sensibler Poet sozusagen. Laudano Nero ist spritziger und paradoxer in seiner Gesamterscheinung: ein Dichter und Fechter, wenn man so will - auch besoffen haut er dir treffsicher noch eine rein!

[…]

Nun ja, will man sich die „Arroganz“ des Laudano Nero erlauben, kann man im Selbstexperiment Marken und Namen über Bord werfen und sich all der skurrilen Geschichten entledigen; geht man den ganzen Weg, kann man das gleiche auch für sich selbst entdecken und die eigene angestaubte Story überdenken - will man nicht auch bloß ein Name sein, geschweige denn eine Marke.
2 Antworten
Soap vor 4 Jahren 9 3
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Cold Brew
Versilia Platinum fand ich beim ersten Sprüher irgendwie oldschool würzig-stechend und zeitgleich doch nicht-unmodern gut. Womöglich ist es diese Ambivalenz, die dazu verleitet beim Duft zu bleiben, um seinem Geheimnis auf die Schliche zu kommen.

Dieser Duft ist ein "klassischer Italiener" wenn es so etwas gibt. Er startet ungeniert mit einem Kinnhaken aus herb-bitterer Würze, und fällt mit der Tür in die maskuline Härte der 90er Jahre. Ich muss dabei an Tony Soprano und Paulie Gualtieri denken (beides Charaktere aus der US-Serie "The Sopranos"): leicht ungewaschen, weißes ärmelloses Unterhemd - der so beliebte "wife-beater", dazu Anzug- oder Trainingshose, Goldschmuck und edel-teuere Lederslipper. Das ist in etwa der Dresscode zur Duftstimmung. Schick-bequem, grob-maskulin, nicht gänzlich ohne Geschmack: Der stille Garry Cooper eben.

Versilia Platinum macht mit diesem Konzept einen guten Bogen um Seife und Lavendel. Und das ist geradezu grandios: zum einen liegt der Duft damit auf guter Distanz zur klassischen Altherren-Frische, zum anderen erwächst hieraus seine rebellhafte zitrisch-säuerliche Bitterkeit, die mich im Drydown an kalten Kaffee erinnert; oder grüne, unreife Kaffeebohnen (?) Ich persönlich mag diesen einen, vergessenen Schluck Espresso, den ich nach 30 Minuten Schreibarbeit wieder neben mir in der Tasse finde. Kalt und sauer, ist er für mich immer noch ein Genuss. Und auch die Cold Brew Technik feiert, meines Wissens nach, genau diese Vorliebe, möge der in die Tage gekommene Hipster sie tarnen wie er will.

Versilia ist für mich der unzeitgemäße Rebell, der paradoxerweise alles andere als "aus der Zeit gefallen" ist. Wer aus klassischen Zutaten etwas jenseits der Klassik erschafft, ohne dabei die Klassik zu verlassen, hat die zyklisch-spiralförmige Natur der Zeit verstanden. Das ist Kunst per Definition und alles andere als kalter Kaffee.
3 Antworten
Soap vor 5 Jahren 4 3
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Radiergummi e Zitrone
Sandalo e The habe ich blind gekauft. Mit Sandelholz und Tee könne man nich viel falsch machen, dachte ich mir. Tee finde ich grundsätzlich gut: Schwarztee in pour Homme II (Gucci) oder Mate in Duel (Goutal). Allerdings taucht in der SeT Duftpyramide auch Zitrone auf. Das machte mir ein wenig Sorge. Bei Zitrone, Seife und Lavendel bin ich immer vorsichtig. Zitrische Düfte gefallen mir selten (anders: Versilia Platinum) - ich möchte nicht nach Erfrischungstuch aus'm Flugzeugen riechen. Seifiges ist an mir mal gut (Vétyver) mal weniger gut (Vetiver Ambrato). Lavendel riecht nach Wäsche, und wenn Wäsche mit im Spiel ist, drängt sie sich oft penetrant in den Vordergrund - nicht meins.

Sandalo e The startet zitronig, nicht zitrisch. Es ist eine goldene Zitrone: reif und saftig, tatsächlich geradezu erfrischend! Kurze Zeit später gesellt sich eine süßliche Kunststoffnote hinzu, die aus dem ganze ein Zitronenbonbon macht.

Diese Kunststoffnote kenne ich noch aus der Schule - ich war 11, und wir hatten eine Gastschülerin aus den USA in der Klasse. Sie hatte immer diesen himbeerfarbenen Riesen-Radiergummi in der Größe eines iPhones bei sich. Dieser Radiergummi roch ähnlich süß-synthetisch, nach fruchtigen Kaubonbons - so erinnere ich mich jedenfalls. Erneut abgerufen wurde diese „smell memory“ erst sehr viel später mit L’Homme von YSL. Und so auch jetzt wieder mit Sandalo e The. Ach ja: der Tee spielt hier übrigens nur andeutungsweise mit - vielleicht als Earl Grey (Bergamotte) - aber sicher von recht weit weg, im Raum wie in der Zeit: Der gestrige Beutel-Tee von aus der Küche, oder so ähnlich. Der Duftverlauf insgesamt bleibt durchaus linear.

Für einen Blindkauf gar nicht mal so schlecht, zumal der Preis stimmte und ich mit dem Duft einige positive Erinnerungen wecken kann. Unbeschwert ist er, unaufdringlich; nehm ich!
3 Antworten
Soap vor 5 Jahren 13 6
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Dodo. Only The Brave.
Das hier wird ein kurzer Abgesang. Dodo bietet wahrlich fabelhafte Grüntöne und berauschende Fruchtnoten. Lecker die Litschi, facettenreich das Grün! Leider steht dieses wundersame Bouquet in einer Vase voll Eiweiß.

Das Dodo-Ikebana verströmt eine mehr als veritable Kadaversüße, die mich an die Grenzen des Stoischen führt. Der Eiweißbrei – geronnen und angegraut – spielt sich in seiner psycho-olfaktorischen Warnwirkung derart in den Vordergrund, dass alles andere schnell vergessen ist. Das Grün welkt und degradiert zu einem weiteren Abfallprodukt in der Denaturierungskette. Der Geruch hält sich so hartnäckig wie die aufkeimende Sorge: bin ich in irgendwas reingetreten? Toter Igel? Toter Vogel? Toll.

Wer dieses Spiel aushalten kann oder gar genießen will, wird die Duftnoten anders interpretieren und assoziieren müssen – mir persönlich erscheint es schier unmöglich. Dies ist mein Kryptonit. Eine Mutprobe, nur fürs Zuhause.
6 Antworten
Soap vor 5 Jahren 13 3
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Krönung in Öl
Sel de Vétiver war meine Einstiegsdroge in die Welt der etwas anderen Düfte. Ich kann nicht sagen, dass es auf Anhieb rund lief – aber bei Drogen ist es so eine Sache: wertvoll für die Selbsterforschung ist nur die unangenehme Erfahrung. Das wusste schon Terence McKenna.

Die Sache startete zäh. Der Duft gefiel mir und gefiel mir nicht. Ich störte mich an seiner Schwere zwischen Salz und Meer. Nur roch ich weder Salz noch Meer. Ich roch und rieche Öl. Ein Ölfilm auf der Wasseroberfläche? Ja, was nun. Obgleich der Duft nicht gänzlich unsympathisch war, haben Nähe und Distanz zu einer Ambivalenz-Spirale geführt, in der ich mich so einige Zeit drehen durfte. Erst Jahre später ließ ich mich in die Tiefe reißen – rein in die Liebe.

Sel de Vétiver ist seitdem mein stiller Wegbegleiter. Ich mag das Öl in ihm; seine gewisse medizinisch-herbe, flüchtige Seite, für die ich mittlerweile ganz dankbar bin. Denn vieles, was würzig-holzig-herb daher kommt, erschwert einem schnell das Leben.

Das Salz/Vetiver Gemisch erscheint hier losgelöst von seiner materiellen Substanz: flüchtig, ölig, satt und erdend. Keine Luftsprünge, dafür Maß und Mitte. Ein Tag mit dem perfekten Wetter: die Sonne weder heiß noch grell, paar Wolken, wenig Wind, viel Stille. Holzbank und Buch. Viel Zeit. Und noch das eine: Sel de Vétiver.
3 Antworten
6 - 10 von 13