Viseron

Viseron

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1 - 5 von 9
Viseron vor 2 Jahren 77 19
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Die Macht der Vorstellungskraft
Januar. Deutscher Winter. Regen - Kälte - Schnee, irgendwas dazwischen. Grauer Himmel. Dunkelheit, den ganzen Tag. Meine Stimmung? Am Tiefpunkt. Meine Motivation? Nicht vorhanden. Meine Neujahrsvorsätze? Krachend gescheitert. Ein seltsamer Einstieg in einen Kommentar, nicht? Mich erwischt die Winterdepression im Grunde jedes Jahr nach den Feiertagen. Im Dezember folgt Feier auf Feier. Die tolle Weihnachtsstimmung ist irgendwann vorbei und dann kommt der Winterblues. Meistens spätestens in der ersten Januarwoche.

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Winterdepression. Alleine schon dieses Wort. Ich bin doch nicht krank. Oder? Doch, ich leide an krankhaften Licht- und Motivationsmangel. Stell dich nicht so an, höre ich meine innere Stimme immer wieder zu mir sagen. Anderen geht es deutlich schlechter. Auch irgendwie nicht tröstend. Die Gedanken kreisen ständig, Sorgen machen sich breit: Was mache ich aus meinem Leben? Bin ich glücklich? Was bedeutet glücklich sein eigentlich? Bin ich da, wo ich sein möchte? Um dieses Gedankenkarussell zu unterbrechen und mich wieder in das Hier und Jetzt zurückzuholen, habe ich angefangen, mich mit dem Thema Achtsamkeit zu beschäftigen. Ich muss lernen, wieder mehr im Moment zu leben und weniger in meinen Sorgen und Gedanken über die Zukunft. Alle Gedanken, Sorgen und Ängste, Traurigkeit, schlechte Stimmung und sonstige Dinge einfach ohne sie zu bewerten wahrzunehmen und gehen zu lassen. Hat man jedoch erst einmal gelernt, sich in Gedankenkreisläufen zu verrennen, dann ist es sehr schwer, das Gehirn „umzuerziehen“.

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Mir haben es in letzter Zeit - nicht zuletzt bedingt durch mein Interesse an der Achtsamkeit und Meditation - Düfte mit einem beruhigenden, meditativen Charakter angetan. Ich muss im Home Office aufpassen, was für einen Duft ich trage, da dieser einen in den eigenen vier Wänden ziemlich schnell auf die Nerven gehen kann. Entdeckt habe ich in diesem Zusammenhang Tee-Düfte für mich - dabei ist mir der Imagination extrem ans Herz gewachsen und begleitet mich aktuell fast täglich. Der Duft entspannt meinen Geist, lässt mich durchatmen und erzeugt in mir ein Gefühl der Zufriedenheit. Dabei nervt er mich niemals. Spritzige Zitrusfrüchte beleben zunächst und sorgen für ein Kribbeln in der Nase, ehe dann nach einigen Minuten eine tolle Schwarzteenote zu riechen ist, die mich leicht an ein Wellness-Spa erinnert. Im Gegensatz zum Wulong Cha, der für mich aufgrund seiner Natürlichkeit nicht wirklich alltagstauglich ist und eher als Raumduft für mich funktioniert, nimmt dieser Spa-Charakter aber zum Glück nicht Überhand, sondern gibt dem Duft einfach einen meditativen Touch. Ich finde daher den Namen „Imagination“ dabei sehr passend gewählt. Im Verlauf zeigt sich eine ganz leichte Zimt-Note, die zwar nur als Nebenspieler agiert und ohne Notenauflistung kaum auffallen würde, aber dem Duft einen wärmenden Charakter gibt. Das macht diesen Duft auch tauglich für den Winter und funktioniert für mich in jeder Jahreszeit perfekt. Alles wirkt in perfekter Balance - Ying und Yang. Zur Basis hin wird der Duft hölzerner und die spritzige Zitrik verschwindet, es bleibt allerdings stets ein frischer Touch. Zudem wird er meiner Auffassung nach leicht cremig im Verlauf. Dabei behält er aber seinen leichten Charakter, hebt sich dennoch sehr stark von den zitrischen Colognes ab, die man von Louis Vuitton kennt. Der Duft hat mehr „Substanz“ und eine sehr haftende Basis. Über die Haltbarkeit kann ich mich nur wundern - ich nehme den Duft nach 8 Stunden immer noch deutlich wahr, wenn auch hautnah, und je nach Temperatur sogar noch länger. Auch für mein Umfeld ist Imagination sehr deutlich wahrnehmbar, vor allem in den ersten Stunden. Eine starke Abneigung gegen Ambroxan sollte nicht gegeben sein - denn der Duft erzeugt um mich herum eine diffuse Ambroxan-Aura. Aber nicht auf eine unangenehme metallisch-kratzige Art, sondern einhüllend und anziehend.

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Montag, 17:00 Uhr. Es ist schon dunkel. Es scheint, als neige sich der Tag dem Ende. Ich klappe den Laptop zu und gehe in die Küche. Ich habe Lust auf Tee. Ich blicke aus dem Fenster und nehme einen äußerst angenehmen Geruch war, der mich in positiven Gedanken versinken lässt. Imagination ist mein Wohlfühlduft schlechthin. Die schlechten Gedanken und Sorgen lösen sich auf, ich kann loslassen. Dabei wird mir klar, dass es völlig okay ist, auch mal niedergeschlagen zu sein. Der Duft zaubert ein Lächeln in mir hervor, spendet Trost und erinnert mich daran, dass am Ende doch alles ganz okay ist.

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Ich bin wahnsinnig begeistert von dem Duft und habe selten etwas so angenehmes gerochen. Dabei finde ich es außerdem interessant, dass Imagination eigentlich überhaupt nicht der Marke entspricht, die mir eher unsympathisch ist. Hier ist wenig Bling Bling. Understatement ist hierbei jedoch groß geschrieben. Ich freue mich schon auf den Frühling, wenn die Sonne scheint und der Kreislauf erneut beginnt. Ich freue mich schon, diesen Duft an wärmeren Tagen zu genießen.
19 Antworten
Viseron vor 3 Jahren 21 7
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Über Wissen und das Universum
Ich möchte euch heute mit auf eine Reise nehmen. Auf eine Reise zum Ursprung, zum Nichts, in die pure Dunkelheit. In eine Welt, in der wir begreifen, dass wir doch nichts wissen. Dass wir nur ein ganz kleiner Teil eines unbegreiflich Großem sind.

Ich fand die Erforschung des Universums schon immer sehr spannend. Als kleines Kind schaute ich oft in den Nachthimmel und zählte die Sterne. In der Nacht war es ruhig und dunkel. Irgendwie mochte ich das schon immer. Auch heute noch gehe ich gerne nachts noch einmal eine Runde, sortiere meine Gedanken und genieße Ruhe. Je älter ich wurde, umso intensiver beschäftigten mich die großen Fragen der Existenz. Wo kommen wir her? Was ist der Sinn unseres Daseins? Was gibt es noch zu entdecken, in diesem unendlichen, schwarzen Raum? Zahlreiche Filme prägten mein Interesse weiter. Da fallen mir Klassiker ein, wie „2001: Eine Odyssee im Weltraum“. Ein atemberaubender Film, der seiner Zeit weit voraus war. In meinem damaligen Alter konnte ich jedoch viele Dinge noch nicht wirklich verstehen. Das tue ich heute allerdings auch. Nie vergessen werde ich jedoch die Premiere des Filmes „Interstellar“, die ich als Jugendlicher im Kino genießen durfte. Dieser Film hat mich wie kaum ein zweiter geprägt. Noch nie wurde ich visuell und emotional auf so eine atemberaubende Reise ins Universum mitgenommen.

(An dieser Stelle eine kurze Empfehlung an alle, die den Film noch nie gesehen haben. Lohnt sich!)

Mit diesem kleinen Ausflug möchte ich euch thematisch einstellen auf die Reise, auf die mich Gyan mitgenommen hat. „Gyan, [ist] ein Wort aus dem Sanskrit, das „göttliche Weisheit“ bedeutet“, so heißt es auf der Bvlgari Website. Ich finde, dass dieses Wort tatsächlich den Duftcharakter perfekt beschriebt. Der Duft ist dunkel, magisch, tiefschwarz und trotzdem transparent, ruhig und anziehend. Er spielt nicht mit einem Feuerwerk aus Noten, sondern ist sich seiner Simplizität bewusst. „In der Einfachheit liegt die Schönheit“, so ein antikes Sprichwort. Und das trifft hier exakt zu.

Ich kann gar nicht genau beschreiben, was ich rieche. Es handelt sich hierbei bestimmt nicht um eine Offenbarung an natürlichen Duftstoffen oder teuren und exotischen Zutaten. Aber der Duft ist so stimmig, in sich ruhend und ausgeglichen, dass mir das vollkommen egal ist. Alle drei genannten Duftnoten sind wahrnehmbar, aber doch ist es so viel mehr. Er startet sehr frisch, irgendwie metallisch. Der Unterbau erinnert mich an den artverwandten Tygar. Aber Gyan wirkt durch seine dunklen, leicht rauchigen und floralen Aspekte deutlich interessanter. Der Duft ist luftig - schwebend eben - aber immer präsent. Der Flakon thematisch sehr passend, der mit seiner Statur und Farbe an ein Weltraumartefakt erinnert. Tiefschwarze Farbe mit blauem Edelstein. Kaum ein anderer Duft schafft die Brücke zwischen interessanter DNA und extrem gefälliger Grundthematik so wie Gyan. Ein absoluter Nasenschmeichler.

Wenn Cooper in Interstellar einen Duft in der Szene, als er durch das schwarze Loch reist, getragen hätte, dann gibt es kaum einen passenderen, als Gyan.

Ruhepol - Stille - Dunkelheit - Schwerelosigkeit - Faszination
7 Antworten
Viseron vor 3 Jahren 64 14
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Erinnerungen
Es gibt viele Arten einen Kommentar zu verfassen und seine Emotionen darin widerzuspiegeln. Der eine schreibt einen sehr informativen Text, der andere schafft es durch Humor, noch ein anderer verreißt einen Duft, was durchaus - abhängig vom Humorlevel des Autors - sehr amüsant sein kann. Ich persönlich versuche stets eine persönliche Geschichte in meinen Kommentaren widerzuspiegeln, die sich in mir verknüpft, wenn mir ein spezieller Duft ans Herz wächst. In der Regel halte ich mich kurz - daher lade ich euch ein, an diesem Ausflug teilzunehmen.

Ambre Nuit. Ein wahres Gedicht.

Als Kind waren wir mit der Familie oft in Dänemark im Urlaub. Das war für mich und meinen älteren Bruder das Größte. Nordsee, Dünen, ein Ferienhaus und ganz viele Strandspaziergänge. Mein Vater genoss diese Zeit sehr - Die Möglichkeit, Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. Er versteckte am Strand sogar Bernsteine, die er zuvor im Strandgeschäft gekauft hatte. Er erzählte uns Kindern, dass das ganz besondere und seltene Steine seien. Wenn wir dann diese Steine, die mein Vater vorher verteilt hatte, gefunden haben, fühlten wir uns wie die größten Schatzsucher des Kontinents. Diese bernsteinige Beschaffenheit - weich und mysteriös. Die Tiefe des Ozeans und das Salz in der Luft. Der Sand, auf dem wir gelaufen sind ist warm. Abends im Ferienhaus wird der Grill angezündet. Man kuschelt sich ein, bei den doch kühlen abendlichen Temperaturen. Mein Vater raucht eine Zigarette.

Der Duft erinnert mich an diese Zeit. Ambre Nuit - warm, salziges Ambra, bernsteinfarbige Geborgenheit, weiche Rose, Wohlbefinden und zu guter Letzt ein Hauch von Tabak - das nehme ich wahr. Der Duft muss sich nicht ankündigen, er ist einfach präsent.

Jahre später sind viele Dinge nicht mehr, wie sie einmal waren. So ist der Lauf der Zeit. Mein Vater raucht keine Zigarette mehr, nie wieder. Dieser Duft wird mich dennoch ewig an diese schöne Zeit erinnern, für die ich endlos dankbar bin.
14 Antworten
Viseron vor 4 Jahren 33 10
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Die rote Priesterin
Wer kennt es nicht unter uns Parfumos. Unsere Partner teilen leider nicht immer unsere Leidenschaft für Düfte, und so trifft man(n) dann doch eher auf Unverständnis, wenn man beim Stadtrundgang Mal wieder in der Parfümerie versackt. Ab und an trifft man jedoch auf eine Perle unter den Düften, die bei beiden auf große Begeisterung stößt. Deswegen möchte ich diesen Kommentar heute einem Duft widmen, der leider nicht meine Sammlung ziert. Und vermutlich auch niemals wird. Nichtsdestotrotz ist dieser Duft unglaublich.

Vor circa einem Jahr bekam ich den "Auftrag" von meiner Freundin, ihr einen Duft auszusuchen. Dieser Aufgabe nahm ich mich natürlich gerne an und da mir viele Damen-Designerdüfte einfach zu blumig, süß und schwülstig sind, habe ich etwas links und rechts vom Mainstream geschaut. Im Laden traf ich dann auf diesen roten Flakon, der super schick und provokant aussah. Lost Cherry, hm, klingt interessant. Ich schaute also auf Parfumo nach den Noten und dachte mir, dass dieser Duft einer Dame sehr gut stehen könnte. Ich sprühte ihn auf und war sofort hin und weg. Für die Game of Thrones Fans unter uns eine kleine Assoziation: in meinem Kopf war sofort das Bild von Melisandre.

Ein cremiger Kirschlikör, einhüllend, warm und sexy liegt auf einem Bett aus süßem Bittermandelaroma. Im Hinterzimmer zieht ein kleines bisschen Zigarrenrauch hinüber. Es ist schon dunkel draußen und die Dame zieht ihr schönstes, blutrotes Kleid an. Das ist das Bild, welches ich mit diesem Duft verbinde. Rauch ist nicht gelistet, aber nichtsdestotrotz nehme ich eine subtile rauchige Facette wahr. Die Kirschnote zieht sich durch den ganzen Duftverlauf und ist einfach zum Dahinschmelzen.

Ich sehe den Duft vorrangig an einer Frau. So sexy, verrucht, und trotzdem stilvoll. Durch die mäßige Sillage und Haltbarkeit auch nicht zu aufdringlich. Ich gerate wieder ins Schwärmen...

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Verlorene Kirsche
Deine Unschuld ist verschwunden
Von deinem zuckersüßen, roten Nektar
Hab' ich mich betrunken.
10 Antworten
Viseron vor 4 Jahren 38 16
7
Flakon
6
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Ein Tag am Baggersee
Ich erinnere mich gern an meine Jugend zurück. Vor allem an die Sommer. Dieses Gefühl, am letzten Schultag den Klassenraum zu betreten, in grinsende Gesichter zu sehen und zu wissen, dass einem die Welt in einigen Stunden zu Füßen liegt. Wenn die Klingel dann am Mittag geläutet hat, wussten wir, dass wir für 6 Wochen frei sind. 6 Wochen! Das war damals eine unfassbar lange Zeit. Zu Hause angekommen, das Zeugnis in der Hand haltend, ging es dann direkt in die Badehose und ab zum See. 30 Grad, die Sonne brennt im Nacken, die Jungs bringen einen Kasten Bier mit und das Gefühl von Freiheit und Unbesiegbarkeit liegt in der Luft. Was morgen oder übermorgen ist, interessiert uns in diesem Moment nicht. Die Mädels kommen später auch dazu, der eine oder andere ist verliebt, es umgibt uns eine Magie. Geschichten werden geschrieben, die man sich in Jahren noch erzählt.

Wenn ich Vetiver Pamplemousse aufsprühe, werde ich in diese Zeit zurückversetzt. Der Duft wirkt einfach unbeschwert, frisch, energetisch, rein, natürlich, unschuldig. Prickelnde Grapefruit abgerundet mit einem Hauch Vetiver. Manchmal kann es so einfach sein. Beim momentanen Wetter zaubert der Duft einfach ein Lächeln ins Gesicht. Ich bin plötzlich wieder 16 Jahre alt und bin um 15 Uhr mit meinen Kumpels am See verabredet. Es sind Sommerferien und ich habe 6 Wochen nichts anderes zutun, als meine Freiheit zu genießen. Kein Stress, kein Job, keine Uni, keine Deadlines, keine Verpflichtungen.

Doch nach ca. 3 Stunden werde ich aus meinen Träumen gerissen und befinde mich wieder im Alltag. Schade, dass er mich nicht länger in Erinnerungen schwelgen lässt. Das macht ihn aber nicht weniger zu einem Duft, der zum Träumen einlädt.
16 Antworten
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