Wastlking

Wastlking

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 15
Wastlking vor 5 Jahren 13 3
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Freiheit im Raum der Erfahrung - Bigarade Concentrée (Editions de Parfums Frédéric Malle)
Der freie Wille. Eine Illusion? Bin ich nicht letztlich determiniert? Gene. Triebe. Sozialisation. Erziehung. Dennoch: ich erfahre mich als Urheber meiner Entscheidungen und Handlungen.

Ist ein absoluter Wille überhaupt möglich? Kann ich einen absoluten Willen wollen? Ein absoluter Wille im etymologischen Sinne als von allen Determinanten losgelöster Wille? Welche Relation hätte dieser Wille noch zu mir? Zu meinen Determinanten? Zu meinen Bedürfnissen, Interessen, meinem Charakter, meinem Körper?

Es wäre letztlich nicht mehr mein Wille. Er wäre mir fremd. Es wäre kein Wille.

Das, was ich will, sagt somit etwas über mich aus. Ich will Reinheit ohne Sterilität. Ich will Frische ohne sportliche Schlichtheit. Ich will Transparenz ohne Offenbarung. Ich will Verführung ohne nötigende Führung.

Das, was ich will, habe ich offenbar gefunden. Bittere Frische. Leichte Intensität. Holzige Virilität. Raffinierte Geborgenheit.
3 Antworten
Wastlking vor 10 Jahren 9 4
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Amor im hand-tailored bespoke suit – Sartorial (Penhaligon’s)
Ja, dieser Anzug mag „very british“ und möglicherweise auch etwas „old fashioned“ sein – aber auch das kann ‚sex appeal‘ besitzen, selbst wenn dies eine je subjektive Wahrnehmung ist. Blickt man auf die Bestandteile dieses komplexen und ausgewogenen Fougères und deren Wirkung, dann wird doch deutlich, dass wir es mit einem balsamisch-warmen, aphrodisierenden Duft zu tun haben.

‚Sartorial‘ beginnt zunächst frisch und kühl. Vor allem die aldehydig-ozonischen und die metallischen Noten erwecken den frischen, sauberen, ja fast medizinischen Eindruck, was durch den aufgeführten Kardamon und dessen leicht kampferartigen Eigenschaft unterstützt wird. Der Kardamon, nach Safran das teuerste Gewürzöl, leitet aber zeitgleich auch zu den würzig-aromatischen und balsamisch-blumigen Untertönen der Kopfnote über. Das Veilchenblatt, das bedingt durch die Pfeffertöne intensiviert wird, kommt zur Geltung. Der würzige Ingwer, den ich selbst nicht heraus riechen kann, wird sicherlich sein Übriges dazu tun. Die Orangenblüte und das Neroli unterstreichen sachte mit ihren zwar fruchtigen und orangenartigen Bestandteilen die herb-würzige, warm-bittere Entwicklung.
Der in der Herznote ausgewiesene Lavendel greift diese Entwicklung des Duftes auf und leitet ihn würzig-kräuterartig mit blumig-waldigen und süß-balsamischen Unterlagen zum warmen, leicht animalischen Leder über.
Der hier moschusartig ausfallende Patchouli wird von der warmen, leicht würzig-süßen Myrrhe balsamisch-fein eingewebt. Warme Holzakkorde und natürlich der warm-balsamische Honig sowie Vanille vollenden mit der erotisierenden Ambra den Fond.

Ein hervorragend geschneiderter Anzug, in den sogar Amor schlüpfen könnte.
4 Antworten
Wastlking vor 10 Jahren 10 3
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft
The Great Pretender – Barry Lyndon (Maria Candida Gentile)
„Ich wusste, dass ich dazu geboren war, eine glänzende Stellung in dieser Welt zu bekleiden,“ bekennt Barry Lyndon alias Redmond Barry völlig unbescheiden gegen Ende seines Lebens bei der Verfassung seiner Memoiren. Er – ein völlig verarmter, halb verwaister Spross niederen irischen Landadels – entwickelt sich in den Wechselfällen seines Lebens zu einem Hochstapler und Emporkömmling, zu einem Spieler und Blender, der sich Zugang zu den höchsten Kreisen des europäischen Fürstentums eröffnet, eine finanziell vorteilhafte und titelverleihende Heirat mit Lady Lyndon erzielt, und auf dem Höhepunkt seines Ruhms an den Rand des Abgrunds kommt, in den er zu lange blickt. Es ist die klassische Geschichte des rasanten Aufstiegs und tiefen Falls eines scheinbar Glücklichen, die William Makepeace Thackeray seinen Protagonisten Barry Lyndon selbst erzählen lässt.

Was bräche über denjenigen nun zusammen, der in die Verlegenheit geriete, Bibliophilen, denen das gleichnamige dezente Eau de Parfum an dem Träger auffiele und sich nach diesem erkundigten, den Namen des Duftes zu verraten. Leiser Spott um die Mundwinkel? Dieses grausame Lächeln mit den leicht angehobenen Brauen und dem klaren, kalten Blick eines Richters, der einen als Abbild dieser moralisch vollkommen verrotteten Figur – die manipuliert, betrügt und erpresst, um an ihre gesetzten Ziele zu kommen – abklassifiziert? Würden die zurückliegenden Leistungen geschmälert? Würde derjenige als Egomane entlarvt, der jedwede Selbstreflexion verloren hat?

Was scherte es mich!

Was für ein Duft! Was für ein grün-krautiger Beginn, der das pudrige Finale bereits mitschwingen lässt! – ich wusste nicht, dass mich so etwas begeistern kann; Barry Lyndon von Maria Candida Gentile ließ mich mein distanziertes Verhältnis zu Lavendel (der zwar nicht in der Duftpyramide explizit genannt, aber auf den auf der eigenen Homepage von MCG aufmerksam gemacht wird) völlig revidieren, wofür ich mich an dieser Stelle bei Yatagan bedanken möchte, der mir bei einem Tausch auch eine Probe dieses Duftes überraschend zukommen ließ. Was für eine bittersüße Symphonie, die den Lebenslauf der gleichnamigen Romanfigur widerspiegelt! Welch elegantes, fein-pudriges Oeuvre!

Ich rufe, während ich meine gepuderte Perücke aufsetze, den hämisch-grinsenden Obrigkeitshörigen, die letztlich nur Angst um ihre eigenen Pfründe haben, schallend entgegen: „Oh yes, I’m the great pretender (ooh ooh) …“
3 Antworten
Wastlking vor 11 Jahren 14 9
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
"Ich bin wie du" - Joop! Homme von Joop!
Mein Einstieg in die weite Welt der Düfte erfolgte, als ich mit 15 Jahren im Spiegelschrank des Badezimmers auf eine rotleuchtende Phiole stieß. Es war einer der Beigaben, die mein Vater beigelegt bekommen hatte, wenn er mal wieder mit einem neuen Rasierwasser nach Hause kam. Er schien diese Beigabe geringschätzig zu den übrigen gelegt zu haben. Allerdings zog mich bereits die Farbe des Inhalts der Phiole in ihren Bann. Der aufgeprägte Schriftzug verriet, dass es sich um einen Herrenduft handelte mit dem schlichten Namen Joop! Homme. Nicht mehr und nicht weniger. Ganz schlicht mit einem Ausrufezeichen unterstrichen. Dem Imperativ folgend öffnete ich die Probe, indem ich den purpurnen Deckel abzog, und hielt die Phiole unter meine Nase. Es eröffnete sich eine ganz andere olfaktorische Welt, als die bisher durch meinen Vater, meine Großväter und Onkel repräsentierte – für meine unerfahrene Nase war nämlich diese zu „klassisch“, zu scharf, zu seifig, zu ledrig. Bereits bei der ersten Wahrnehmung des Duftes war, wahrscheinlich bedingt durch die Verwendung synthetischer Duftstoffe und der runden, glatten, ja durchgestylten Komposition, alles da: die fruchtige, von Mandarine und vor allem Orange geprägte Kopfnote, das zimtsüße und heliotropgetragene Herz und die hölzerne Vanillebasis. Auf der Haut trat die Kopfnote kurz nach dem fruchtigen Auftakt zurück, und Herz und Basis preschten sich nach vorne. So kann also ein Mann auch riechen! Ich nahm die Phiole eine Rebellion in Kauf nehmend an mich und hütete sie. Zum Tragen war mir der Duft zu schade. Ab und zu roch ich an der Phiole. Selten, nur zu besonderen Anlässen trug ich einen Tropfen jeweils hinter dem Ohr. Bis sich die Phiole dem Ende zuneigte und ich mir dann doch eine Flasche kaufte. Joop! Homme weckte mein Interesse an Duftnoten, denn ich wollte den Duft vollends verstehen, und er wurde zu meinem Signaturduft, ohne zu wissen, dass es so etwas gab. Für meine Umwelt, die mich gerne wahrnahm, war ich Joop! Homme und wer Joop! Homme roch, fragte, wo ich denn sei.

Ich bin wie du
wir sind wie Sand und Meer
darum brauch ich dich so sehr.
Ich bin wie du
wir sind wie Tag und Nacht
füreinander immer nur da
für immer nur da.

Es folgte eine Lawine an Neukäufen. Was im Mainstream-Bereich einen Namen hatte, wurde getestet und bei Gefallen gekauft. Dennoch blieb Joop! Homme die bevorzugte Wahl zu jedem Anlass und zu jeder Jahreszeit.

Und du weißt
dennoch lass ich dir die Freiheit
weil man sich dann leichter treu bleibt
ich genauso wie du

grade das
das macht unsre Liebe anders

das macht unsre Liebe so anders und ich finde das gut.

Ich bin wie du
wir sind wie Sand und Meer
darum brauch ich dich so sehr.
Ich bin wie du
wir sind wie Tag und Nacht
füreinander immer nur da
für immer nur da.

Doch nach fünf, sechs Jahren der Treue zog es mich nach neuen Ufern. Neue Lebensabschnitte erforderten eine neue olfaktorische Begleitung. Tom Fords marketingtechnisches Meisterwerk für die Marke Yves Saint Laurent in Form des siebten Herrenduftes aus dem ehrwürdigen Hause befreite mich von den purpurroten Fesseln, die ich nie wieder anlegen wollte. Zu prollig erschien mir seinerzeit der Duft. Nie wieder sollten sich unsere Wege auf meiner Haut kreuzen.


Und nun? Nach einigen Jahren der Abstinenz ziert nun doch wieder ein breitschultriger Flakon mit dem roten Elixir meine Sammlung.

Was auch kommt
wir beide werden uns nie trennen
wir lernen uns nur besser kennen.
Ich genauso wie du

grade das
das macht unsre Liebe anders

das macht unsre Liebe so anders und ich finde das gut.

Ich bin wie du
wir sind wie Sand und Meer
darum brauch ich dich so sehr.
Ich bin wie du
wir sind wie Tag und Nacht
füreinander immer nur da
für immer nur da.

(Marianne Rosenberg)
9 Antworten
Wastlking vor 11 Jahren 6 6
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Bewertung verpflichtet – Habit Rouge L’Extrait (Guerlain)
Augenscheinlich habe ich die zwanzigste Bewertung des Duftes Habit Rouge in der Konzentration eines Extraits abgegeben, sodass nun der Duft aufgrund der zwanzigsten Bewertung nicht nur die Möglichkeit hat, unter den 100 begehrtesten Herrendüften zu erscheinen – nein: er rangiert seit einigen Tagen auf Platz 1 und ich fühle mich als Verursacher verpflichtet, ein paar Worte zu verlieren.

Mein Vorredner hat seinen Kommentar passend betitelt. Die Kopfnote habe ich ebenfalls als „geköpft“ empfunden. Der Auftakt ist zwar sehr zitrisch-bitter, allerdings ähnelt dies eher an ein Feuerwerk, das mit einem Knall erstrahlt und direkt anschließend – auf dem Zenit seiner Schönheit stehend – bereits erlischt, als ob es nie existiert hätte. Die Kopfnote nehme ich höchstens eine halbe bis zu einer ganzen Minute wahr.

Dann folgt das Leder. Und das Leder bleibt. Stundenlang. Es ist ein angenehmes Leder. Warm. Markant maskulin. Ja, es ist animalisch.
Es ruft mir das symbiotische Verhältnis des Lederhandwerks und der Parfumherstellung in Erinnerung, das spätestens seit dem 16. Jahrhundert entstand, als parfümierte Lederwaren sowohl am spanischen Hof als auch bei den Medici gefragt waren.
Dennoch waren meine Erwartungen vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den beiden anderen mir bekannten Habit-Rouge-Konzentrationen – das Eau de Toilette und das Eau de Parfum – andere. Enttäuscht bin ich nicht. Aber Habit Rouge L’Extrait ist ein eigenständiger Duft, der mit den beiden genannten Konzentrationen der Familie Habit Rouge nichts gemein hat – oder zumindest kaum. Denn am nächsten Tag nehme ich seine weiche Seite in der Kleidung wahr. Hier sind dann doch Parallelen vor allem zu dem Eau de Parfum feststellbar. Es ist die Vanille, die sich hier verstohlen und völlig überraschend zu Wort meldet.

Habit Rouge L’Extrait ist ein Duft mit einer sehr guten, bisher noch nicht erlebten Haltbarkeit, der für jeden Lederfreund ein Test wert sein sollte, auch wenn eine Abfüllung dieses exquisiten Duftes ihren Preis hat.
6 Antworten
1 - 5 von 15