Yatagan
Im Dschungel mit Yatagan
vor 6 Jahren - 19.05.2018
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Kölnische Wässer - 1709 und heute

Die klassische Variante des Eau de Cologne / Kölnisch Wassers zu mögen ist heutzutage ein eher exotisches Vergnügen. Während bis in die 70er-Jahre eine Vielzahl von Varianten von 47xx existierte, Taschentücher, Unterarme und mit Folie eingeschweißte Erfrischungstücher mit diesem Duft-Archetyp parfümiert wurden, galt er dann spätestens ab Ende der 70er als geschmackliche Verirrung (damals) älterer Damen, die nicht von ihrer Leidenschaft des preiswerten Erfrischungsduftes lassen wollten. Dass das Kölnische Wasser (vor allem auch in seinen italienischen, spanischen und englischen Varianten) jedoch einer der größten Würfe der Parfümgeschichte war und vielen anderen Duft-Phänotypen den Weg ebnete, ohne den unsere Parfum-Geschichte eine völlig andere wäre, wurde dabei vergessen.

1709 wurde es von Johann Maria Farina, einem aus Italien stammenden Parfumeur, in Köln in seiner heute bekannten Variante erfunden (?). Vermutlich existierten jedoch viel früher schon in Italien Rezepturen ähnlicher Düfte, die sich an Adelshöfen seit Jahrhunderten großer Beliebtheit erfreuten (etwa Santa Maria Novellas Acqua di Colonia, das angeblich 1533 für Caterina dè Medici komponiert worden sein soll). Das Sympathische, Demokratische und Egalitäre an Kölnisch Wasser jedoch ist, dass es schon früh auch für einfachere Schichten erschwinglich wurde und kein reines (!) Luxusprodukt des Adels und des hohen Bürgertums darstellte. Dennoch wird man sich kaum vorstellen können, dass das Eau de Cologne in seiner Gründerzeit für ärmere Menschen erschwinglich gewesen sein kann. Immerhin: Das sollte bald anders werden. 47xx und seine Ableger gehören noch heute zu den preiswertesten Düften. Sie billig zu nennen, verbietet sich eigentlich von selbst.

Trotz einer gewissen Renaissance des Typus des Kölnisch Wassers (man denke nur an die exorbitant teuren Tom Ford-Düfte in den durchsichtig blauen Flakons, die zum Teil diesem Prinzip folgen), hat die Zahl der auf dem Markt verfügbaren Varianten abgenommen. Da ich selbst ein großer Liebhaber von Eau de Colognes (im engeren Sinne und nicht im Sinne der Duftkonzentration, also des echten Kölnischen Wassers) bin, habe ich mir die Frage gestellt, welche aktuell auf dem Markt verfügbar sind und welche im eigentlichen Sinne zu dieser Gruppe, also zu den Abbildern des Archetyps von "Farina gegenüber dem Jülichsplatz" und von Mülhens / 4711 gehören.

Zunächst ist zu klären, was ein Kölnisch Wasser im Sinne Farinas eigentlich ist. Parfümeure mögen mich korrigieren, aber aus meiner Sicht gehören dazu folgende, z.T. auch gegeneinander austauschbare Grundbestandteile:

Neroli (ggf. Orangenblüte, die jedoch meist zu süß ist), Zitrone, Bergamotte und / oder: Petitgrain, Mandarine, Limette, Grapefruit (also Hesperidien), Zeder (als helles, leichtes Holz), Lavendel (als frischeste und hellste aller Floralen), Rosmarin (und / oder vergleichbare helle Kräuter).

Ebenso wichtig ist die Abwesenheit dunkler, schwerer, orientalischer Töne wie Patchouli, Sandelholz, Oud, Vanille, Amber / Ambra, größerer Mengen von Moschus, Labdanum, Tonka, Zibet und Bibergeil (allenfalls in kleinsten Dosen). Auch der grün-holzige und erdige Grundakzent Vetiver (in allen seinen abgeleiteten Varianten: Vetiverylacetat, Vetiveröl) wird eher zu vermeiden sein, da er einem Duft schnell einen Vetiver-Stempel aufdrücken kann und damit den Grundcharakter unstatthaft verändern würde. Die Liste ließe sich um andere markante grün-harzige Töne (Minze, Harze, Moos) erweitern.

Um eine Liste möglichst aller derzeit auf dem Markt verfügbaren, d.h. noch produzierten Kölnisch Wässer zu führen, habe ich auf meiner Seite eine Sammlung angelegt (Kölnisch Wässer), die nach Möglichkeit für Interessent/inn/en jederzeit aktualisiert werden kann. Insofern erspare ich mir die Aufzählung auf dieser Seite und setzte stattdessen einen Link:

https://www.parfumo.de/Benutzer/Yatagan/Sammlung/C...

Hier noch einen Hinweis, wie ich die bisherigen Düfte gefunden habe: Man nutze die Erweiterte Suche auf der Startseite (Profisuche), schließe alle Düfte aus, die "eingestellt" sind (Häkchen entfernen), gebe in die Suchmaske der enthaltenen Duftnoten (grün) die Noten Neroli, Zitrone, Bergamotte ein (und variiere das ein paarmal mit den oben angegebenen Alternativduftnoten), schließe von vorneherein die Duftnoten aus, die orientalische Düfte kennzeichnen (rot), also die oben angegebenen schweren und dunklen Töne, und klicke auf Return = "Suche". Eventuell auszuschließen sind auch alle rein femininen Düfte (Häkchen bei Damen entfernen), denn diese enthalten meist einen entsprechend hohen Anteil an floralen Tönen, insbesondere Weißblüher, und diese gehören nun mal nicht zu den Kölnischen Wässern. Kölnische Wässer sind in aller Regel (heutzutage) eher Unisex-Düfte, gelegentlich Herrendüfte, seltener bis gar nicht reine Damendüfte. Dennoch habe ich einige reine Damendüfte in meine Liste aufgenommen, denn sie sind im Grunde Unisex-Vertreter und passen gut in das Muster des Eau de Cologne.

Das, was da als Suchergebnis in den unterschiedlichen Kombinationen aus den o.a. Duftnoten übrig bleibt, dürfte einem klassischen Kölnisch Wasser ziemlich nahe kommen. Schlussendlich benötigt es noch eine recht gute Kenntnis der wichtigsten auf dem Markt befindlichen helleren Düfte, um annähernd sicher sagen zu können, welche Düfte des Suchergebnisses schlussendlich doch in eine andere Richtung tendieren als die hier gemeinten Kölnisch Wässer. Das ist eine Aufgabe, die wir am allerbesten gemeinsam bewältigen.

Zum Ende sei noch einmal daran erinnert, dass Eau de Cologne ein mehrdeutiger Terminus ist, denn er wird in aller Regel auch für Düfte mit einem besonders geringen Anteil an Duftölen verwendet, in angelsächsischen Ländern zuweilen als Synonym für Herrendüfte schlechthin und nur in einem engeren, hier verstandenen Sinne für das kölnisch Wasser und seine Ableger, das Johann Maria Farina mutmaßlich 1709 erfand. Was für ein Wurf!

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