09.10.2016 - 13:04 Uhr
Meggi
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24
Auf der Columbia Road - in memoriam Angela Flanders
Der Columbia Road Flower Market in London wird in zig Reiseführern angepriesen. Ich war eher skeptisch, schließlich lasse ich nichts auf den Höker auf unserem örtlichen Wochenmarkt kommen. Und das meine ich verdammt ernst: Wir Bewohner des Kreises Pinneberg sind in puncto Pflanzen nämlich verwöhnt!
Vom U-Bahnhof Liverpool Street brachte uns ein Bus der Linie 48 rasch nordwärts zur Haltestelle Hackney Road. Von da sind es bloß ein paar hundert Meter Fußweg das westliche Ende der Columbia Road entlang bis zum Trubel. Einige Entgegenkommende trugen zwar ganz ordentliche Hortensien fort, aber die meisten Gewächse, die aus den Tüten ragten, hätte ich stehen lassen.
Na gut - ich gebe es zu: Ich war ohnehin nicht wegen des Blumenmarktes angereist. Und auch nicht wegen der zahlreichen urigen, kleinen, liebevoll inhaber-geführten Läden, von denen viele nur am Wochenende oder gar nur am Sonntag, also dem Markttag, geöffnet haben. Ich war einzig wegen der Angela-Flanders-Düfte vor Ort und blieb folglich direkt dort hängen - den Blumen-Markt habe ich überhaupt nicht mehr erreicht. Meine Frau versicherte, er sei „schon O.K.“ gewesen. Das genügt mir.
Der Laden ist ein kleines, rührend altmodisches Geschäft (www.angelaflanders-perfumer.com/columbia-road). Zwei ausgesucht freundliche junge Leute bedienten, ein Glas-Röhrchen nach dem anderen wurde für mich befüllt, obgleich es bedauernd hieß, dass es mit einer Bestellung aus Deutschland vermutlich nichts werde. Ich bekam mithin ohne Aussicht auf Umsatz diverse Proben geradezu aufgenötigt und zu allem Überfluss wurden mir weitere Parfümerien in der Umgebung empfohlen. Das mochte ich nicht so stehenlassen und habe Vetivert nach kurzem Schnuppern einfach gekauft.
Ich hatte nicht zuletzt deshalb die Filiale in der Columbia Road gewählt, obwohl diejenige in der Artillery Passage dem U-Bahnhof Liverpool Street viel näher ist, weil ich natürlich gehofft hatte, die Grande Dame persönlich anzutreffen. Leider stellte sich heraus, dass sie wenige Monate zuvor, im vergangenen April, im Alter von 88 Jahren gestorben war.
[Stimme aus dem Off:] „Jetzt komm endlich zur Sache! Wie isser denn nun, der Vetivert?“
’Tschuldigung… Nach dem Aufsprühen denke ich zunächst an kompakt-erdig-säuerliches, das Rauchige streifende Patchouli à la „Monsieur. Malle“. Ein frischer Stoß pustet das ein bisschen beiseite. Ätherische Öle irgendwelcher Gewürze. Nelke vielleicht – dürfte bärbeißiges Eugenol sein, das an meiner Nasenwand entlangschabt. Schwarzer Pfeffer, Piment. Rosengeranien-Gekratze. Die Ecke halt. Schwierig, Einzelheiten auszumachen. So weit, so…dunkelbraun. Von wegen ‚grün‘.
Binnen Minuten ein metallischer Dreh, womöglich ein Lavendel, der seiner duftig-floralen Komponenten beraubt ist. Dazu konzentriertes mitteldunkles bis dunkles Holz, zumindest in Teilen aus der Duro-Ecke. Dass es sich bei Vetivert laut Internet-Seite um „a lighter fragrance ideal for everyday use, and perfect for travel” handelt, geeignet „for those who apply their perfume more liberally and frequently.”, halte ich wahlweise für einen Programmier-Fehler (derselbe Text taucht bei den Frischlingen auf) oder für britischen Humor. Der Stoff ist ganz schön kräftig und finster. Zumal das erdige Dunkelholz in der Start-Phase an Intensität noch zulegt. Egal. Hat jedenfalls Art, das Zeug.
Im Laufe der zweiten halben Stunde bildet sich eine vertraute Vetiver-Note, die einerseits an die zitrisch orientierte Machart der einschlägigen Guerlains erinnert, andererseits deutlich stärkere erdig-nussige Aspekte aufweist. In Sachen „Leuchtstärke“ ließe sich von den drei mir bekannten Guerlain-Vetivern eine Art Abdimm-Linie zu Frau Flanders‘ Werk ziehen: Vetiver Sport – Vetiver EdT – Vetiver Extreme – Vetivert.
Auch im Fortgang ist der heutige Kandidat hinreichend eigenständig. Zwar wird die zitrisch-frische Richtung des Süßgrases durchaus hervorgehoben, doch bleibt sie insgesamt dichter am Rest des Duftes - die Guerlains gehen vetiver-mäßig mehr aus sich heraus. Insbesondere freilich muss sich das Flanders-Vetiver vornean mühsam die Rolle eines primus inter pares erarbeiten; vor allem in der Projektion ist das Holz mächtig stark. Erst ab dem späten Vormittag mag ich Vetivert tatsächlich als „Vetiver-Duft“ bezeichnen.
Zum Ende hin, ab dem frühen Nachmittag, dunkelt es wieder ein. Das Holz wird abermals stärker, fast teerig-rauchig wirken die Schwaden, die das Vetiver allmählich zurückdrängen. Der Kreis schließt sich.
Der Flakon ist schlicht und schwer, sämtliche Düfte aus der Artillery-Reihe kriegen offenbar das gleiche Etikett verpasst, auf dem dann die jeweilige Nummer (und nicht einmal der Name) von Hand eingetragen wird. Der Sprühkopf funzt tadellos, der Deckel sitzt straff.
Fazit: Ein kräftiger, dunkler, meines Erachtens eindeutig maskuliner Vetiver-Duft, recht klassisch-ernsthaft gestaltet. Meine Bewertung mag ein Stück weit vom Erwerbs-Erlebnis beeinflusst sein. Ich bitte, mir das nachzusehen. Gespannt bin ich auf die übrigen Schätze, die ich mitgebracht habe! Und dass der Laden ein Top-Tipp für London-Besucher ist, versteht sich jetzt hoffentlich von selbst. Vergessen wir Harrods, Selfridges und Co. – da gehören wir doch gar nicht hin.
Vom U-Bahnhof Liverpool Street brachte uns ein Bus der Linie 48 rasch nordwärts zur Haltestelle Hackney Road. Von da sind es bloß ein paar hundert Meter Fußweg das westliche Ende der Columbia Road entlang bis zum Trubel. Einige Entgegenkommende trugen zwar ganz ordentliche Hortensien fort, aber die meisten Gewächse, die aus den Tüten ragten, hätte ich stehen lassen.
Na gut - ich gebe es zu: Ich war ohnehin nicht wegen des Blumenmarktes angereist. Und auch nicht wegen der zahlreichen urigen, kleinen, liebevoll inhaber-geführten Läden, von denen viele nur am Wochenende oder gar nur am Sonntag, also dem Markttag, geöffnet haben. Ich war einzig wegen der Angela-Flanders-Düfte vor Ort und blieb folglich direkt dort hängen - den Blumen-Markt habe ich überhaupt nicht mehr erreicht. Meine Frau versicherte, er sei „schon O.K.“ gewesen. Das genügt mir.
Der Laden ist ein kleines, rührend altmodisches Geschäft (www.angelaflanders-perfumer.com/columbia-road). Zwei ausgesucht freundliche junge Leute bedienten, ein Glas-Röhrchen nach dem anderen wurde für mich befüllt, obgleich es bedauernd hieß, dass es mit einer Bestellung aus Deutschland vermutlich nichts werde. Ich bekam mithin ohne Aussicht auf Umsatz diverse Proben geradezu aufgenötigt und zu allem Überfluss wurden mir weitere Parfümerien in der Umgebung empfohlen. Das mochte ich nicht so stehenlassen und habe Vetivert nach kurzem Schnuppern einfach gekauft.
Ich hatte nicht zuletzt deshalb die Filiale in der Columbia Road gewählt, obwohl diejenige in der Artillery Passage dem U-Bahnhof Liverpool Street viel näher ist, weil ich natürlich gehofft hatte, die Grande Dame persönlich anzutreffen. Leider stellte sich heraus, dass sie wenige Monate zuvor, im vergangenen April, im Alter von 88 Jahren gestorben war.
[Stimme aus dem Off:] „Jetzt komm endlich zur Sache! Wie isser denn nun, der Vetivert?“
’Tschuldigung… Nach dem Aufsprühen denke ich zunächst an kompakt-erdig-säuerliches, das Rauchige streifende Patchouli à la „Monsieur. Malle“. Ein frischer Stoß pustet das ein bisschen beiseite. Ätherische Öle irgendwelcher Gewürze. Nelke vielleicht – dürfte bärbeißiges Eugenol sein, das an meiner Nasenwand entlangschabt. Schwarzer Pfeffer, Piment. Rosengeranien-Gekratze. Die Ecke halt. Schwierig, Einzelheiten auszumachen. So weit, so…dunkelbraun. Von wegen ‚grün‘.
Binnen Minuten ein metallischer Dreh, womöglich ein Lavendel, der seiner duftig-floralen Komponenten beraubt ist. Dazu konzentriertes mitteldunkles bis dunkles Holz, zumindest in Teilen aus der Duro-Ecke. Dass es sich bei Vetivert laut Internet-Seite um „a lighter fragrance ideal for everyday use, and perfect for travel” handelt, geeignet „for those who apply their perfume more liberally and frequently.”, halte ich wahlweise für einen Programmier-Fehler (derselbe Text taucht bei den Frischlingen auf) oder für britischen Humor. Der Stoff ist ganz schön kräftig und finster. Zumal das erdige Dunkelholz in der Start-Phase an Intensität noch zulegt. Egal. Hat jedenfalls Art, das Zeug.
Im Laufe der zweiten halben Stunde bildet sich eine vertraute Vetiver-Note, die einerseits an die zitrisch orientierte Machart der einschlägigen Guerlains erinnert, andererseits deutlich stärkere erdig-nussige Aspekte aufweist. In Sachen „Leuchtstärke“ ließe sich von den drei mir bekannten Guerlain-Vetivern eine Art Abdimm-Linie zu Frau Flanders‘ Werk ziehen: Vetiver Sport – Vetiver EdT – Vetiver Extreme – Vetivert.
Auch im Fortgang ist der heutige Kandidat hinreichend eigenständig. Zwar wird die zitrisch-frische Richtung des Süßgrases durchaus hervorgehoben, doch bleibt sie insgesamt dichter am Rest des Duftes - die Guerlains gehen vetiver-mäßig mehr aus sich heraus. Insbesondere freilich muss sich das Flanders-Vetiver vornean mühsam die Rolle eines primus inter pares erarbeiten; vor allem in der Projektion ist das Holz mächtig stark. Erst ab dem späten Vormittag mag ich Vetivert tatsächlich als „Vetiver-Duft“ bezeichnen.
Zum Ende hin, ab dem frühen Nachmittag, dunkelt es wieder ein. Das Holz wird abermals stärker, fast teerig-rauchig wirken die Schwaden, die das Vetiver allmählich zurückdrängen. Der Kreis schließt sich.
Der Flakon ist schlicht und schwer, sämtliche Düfte aus der Artillery-Reihe kriegen offenbar das gleiche Etikett verpasst, auf dem dann die jeweilige Nummer (und nicht einmal der Name) von Hand eingetragen wird. Der Sprühkopf funzt tadellos, der Deckel sitzt straff.
Fazit: Ein kräftiger, dunkler, meines Erachtens eindeutig maskuliner Vetiver-Duft, recht klassisch-ernsthaft gestaltet. Meine Bewertung mag ein Stück weit vom Erwerbs-Erlebnis beeinflusst sein. Ich bitte, mir das nachzusehen. Gespannt bin ich auf die übrigen Schätze, die ich mitgebracht habe! Und dass der Laden ein Top-Tipp für London-Besucher ist, versteht sich jetzt hoffentlich von selbst. Vergessen wir Harrods, Selfridges und Co. – da gehören wir doch gar nicht hin.
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