FloraBervoix
21.06.2017 - 16:34 Uhr
28
Top Rezension
10Duft 8Haltbarkeit 7Sillage 8Flakon

Geiles Leben

Also diesen Duft, den wollte ich schon lange kommentieren. Nur die Worte haben mir gefehlt. Doch kommentieren wollte ich ihn, denn er ist toll. Und gehört ja auch irgendwie zu den «Grossen».
Na jedenfalls, letztes Wochenende. Es war so ein «Okay, dieses Wochenende gehen wir jetzt wirklich mal essen.» Es aus welchen Gründen auch immer zwar schon lange geplant, doch ewig aufgeschoben. Um es kurz zu machen – nach einem Halbherzigen «Wir könnten doch ins XY», gefolgt von einem «Ach nö, komm, lass uns erst etwas spazieren» landeten wir nicht vor schönem Porzellan und gutem Wein, sondern einer geteilten grossen Portion Nachos, gefolgt von Tortillas, begleitet von Bier.

Musikuntermalung im Restaurant erinnerte eher an «Guardians of the Galaxy»-Tape als an sonst etwas, mit einer Ausnahme. Plötzlich kam «Geiles Leben» von Glasperlenspiel. Schon etwa hundert Mal gehört, doch diesmal passte es einfach wie die Faust aufs Auge. Eben dieses «Eigentlich wollten wir mit wirklich tollem Essen was feiern, doch das, das sind einfach mehr wir.»

Und seit diesem Gedanken ist mir so klar, was ich zum Parfum sagen will. Verdammt, es ist einfach perfekt. High class, nichts zu meckern. Wie wirklich, wirklich edler Champagner. Wie ganz, ganz toller Champagner, wo jeder Tropfen ein Genuss ist. Es vereint so kunstvoll so viele Facetten in sich, ist quasi so eine Art Meta-Parfum. Die Essenz jedes Meisterwerks destilliert und so aneinandergefügt, dass es eine unbeschreibliche Harmonie gibt.
Ja, ich finde diese Blütenaromen wirklich umwerfend. Also nicht ironisch gemeint. Sondern wirklich – perfekt. Es gibt nichts, was man an dem ganzen Duft verbessern könnte.

Doch eben, er ist so perfekt. Und dann doch so hohl.

Was habe ich denn vom schönsten Abend im Restaurant, wenn ich mich dort falsch am Platz fühle? Ich sage es bewusst so – es liegt nicht am Restaurant, sondern an mir. Ein toller, luxuriöser Abend ist bei mir eher mal mit nem Glas zu teurem Wein, gutem Käse etc. auf der Couch. Und gegessen wird mit den Händen. Ein ebenfalls toller Abend ist mit Ben&Jerry’s Eis am Seeufer. Oder um Mitternacht sich noch gemeinsam über etwas bei McDonalds hermachen, weil man dann erst bemerkt, wie spät es ist und dass man zu essen vergessen hat. Aber ein «wir gehen fein essen» ist ein Versuch, das zu verbringen, was andere unter einem tollen Abend bezeichnen und gemeinhin ein toller Abend sein mag.

Somit: Sorry, No. 1 ist wirklich für Leute, die ein geiles Leben haben. Und Champagner gerne mögen, ihn sich regelmässig gönnen. Die es geniessen können, das feine Leben zu leben.

Ich jedoch werde es nicht schaffen, das einmal mehr als rein rational toll zu finden. Denn meine Gefühle sind einfach nicht für diese Dinge zu erwärmen.

Und tief in mir frage ich mich, ob es bei anderen wirklich Gefühle auslöst, oder ob die Zeile «ich seh doch ganz genau, dass Du eigentlich was andres willst» nicht doch auch hier passt.
14 Antworten
LeoNataLeoNata vor 3 Jahren
Ich hätte nie geglaubt, dass ich vor dieser Art Parfüm Hut abnehme. Hätte ich für mehr Schein als Sein gehalten, Protz und Nebel...Jetzt habe ich diesen Duft kennen lernen dürfen (danke meine liebe F.) und bin meiner Hochnäsigkeit und Oberflächlichkeit entlehrt. Ich persönlich vergleiche es nicht mit einem Restaurant, sondern mit einer Kunstaustellung, wo ich reingehen darf, um zu träumen, um zu bewundern, um in das Schöne im Leben wieder zu glauben...
HyazintheHyazinthe vor 6 Jahren
eigentlich ist alles in den Reaktionen schon gesagt, nur für mich kommt dazu, dass ich keine Döner mehr und schon gar nicht MC Doof mag. Und das hat nichts mit Schnöseligkeit zu tun, mir schmeckts einfach nicht und ich mag das auch meinem Körper nicht mehr antun.
DianthusDianthus vor 8 Jahren
Bei dieser ordinären Überschrift, lese ich erst garnicht weiter!
GahasGahas vor 8 Jahren
Nachsatz:
*duftsofortprobierenwill* :-)
GahasGahas vor 8 Jahren
also wenn ich ganz fein essen gehe, dann mache ich das ganz bewusst. Dann bin ich definitiv am richtigen Ort. Dann genieße ich im Hier und Jetzt. Dann denke ich nicht dran, dass es gemütlicher am See gewesen wäre mit einem Döner in der einen und Bier in der anderen Hand. Beides kann sehr schön sein und ich mag keines missen. Das Leben ist vielfältig. Und mittlerweile bin ich allem gewachsen. Genau so genieße ich einen exklusiven Duft, den ich nicht täglich tragen will/kann.
FirstFirst vor 8 Jahren
Noch'n Nachtrag für JoHannes: Gerade das Karoviertel ist ein exzellentes Beispiel für Gentrifizierung. Somit leider auch wieder zweischneidig.
FirstFirst vor 8 Jahren
Nachtrag: ich bin jetzt zu neugierig geworden, um den Duft nicht auf meine Merkliste zu tun :-)
FirstFirst vor 8 Jahren
Die Schwierigkeit liegt vermutlich nicht in dem Event/Restaurant/Essen selbst, sondern in dem, was damit leider auch einhergeht: Sozialen Status demonstrieren, sich selbst in Szene setzen, drauf achten, nicht aus dem Rahmen zu fallen, andere bewerten und bewertet werden etc.. Und schon kann man das Essen/Konzert/Event nicht mehr spontan und frei genießen. Dazu kommt: für sowas braucht man Karten oder einen bestellten Tisch und dann hat man an dem Abend vielleicht auf was ganz anderes Lust.
JoHannesJoHannes vor 8 Jahren
Selten habe ich mich in einem Kommentar so sehr wiedergefunden. All die feinen Restaurants, all die tollen Events, schön und auch gut ... aber wenn ich z.B. in Hamburg im Karoviertel "lande" oder hier im abgeranzten, alternativen Stadtteilzentrum sitze, dann ist das Heimat. Danke fürs Erinnern ... ;-)
MydarkflowerMydarkflower vor 8 Jahren
Ich kann deine Gefühle voll und ganz nachvollziehen. :) Die perfekten Abende sind für mich ebenfalls nicht die perfekt durchgeplanten Ausgangsevents, sondern die, an denen man plötzlich, ohne Absicht, obwohl man etwas ganz anderes machen wollte, mit einem Döner in der Hand am See sitzt, lacht und zusammen Sterne guckt. :)
VerbeeneVerbeene vor 8 Jahren
und die ganze perfektion... da stimme ich dir zu... hält leider nicht lange vor....
YataganYatagan vor 8 Jahren
Nachvollziehbar! ;)
SeeroseSeerose vor 8 Jahren
Wenn man vom Champagner absieht, den echten und auch unechten, den ich weder mag noch vertrage: Ich liebe solche "feinen" Ereignisse", Empfänge, Vernissagen, Konzerte, Theater, Oper mit eleganter Kleidung etc. Ich hasse jeden Lärm, Getriebe, laute Musik. Dieses No. 1, nun, für mich reicht "La Panthère". Und es ist auch keiner in Sicht, der es mir schenken würde: Macht nichts:-D
LilienfeldLilienfeld vor 8 Jahren
Ja, wenn man sich halt nicht öffnen kann. A Ausred und a Nudlbrett;)