Dralle's Illusion - Veilchen
Violet / Violette
1911

Scheeheratze
01.03.2015 - 13:53 Uhr
15
Top Rezension
7.5
Haltbarkeit
8
Duft

Ein Veilchen auf der Wiese stand ...

... gebückt in sich und unerkannt.

Veilchen - Symbol für Unschuld, Jungfräulichkeit, Liebe und Treue. Die Lieblingsblume von Kaiser Napoleon, dem einst seine Josephine einen kleinen Strauß zuwarf. Auf Elba trug er dann ein goldenes Medaillon, darin eine Locke von seinem Josephinchen und einige Veilchen von ihrem Grab. Die Kapsel fand man auf der Brust des toten großen kleinen Mannes. Eine Liebe bis in den Tod.

Vermutlich hätte Napolen, würde er heute leben, genauso verzweifelt und rastlos nach einem guten Veilchenduft gesucht, wie ich. Das Wort Inkarnation fällt mir grad spontan ein :-)))

Viele sog. Veilchendüfte habe ich schon gerochen, dem Frösche küssen ähnlich, aber kein Duft kam den in meinem Gedächtnis festgebrannten Dralle-Veilchen nahe, dem Duft in der Glasphiole im hölzernen Leuchtturm.
Was immer ich getestet habe: entweder war es fadlilablaßblau, puffig schwersüß oder bonbonquietischig pappigsüß - an den köstlichen Veilchenduft aus dem 1852 gegründeten Haus Dralle - aufgekauft von L'Oreal - kam keiner ran.
Gerade mal ein Billigwasser, gekauft auf La Palma, erinnerte annähernd an den Duft von Veilchen: unschuldig-kräftig-süß-krautig-herb-zart, so wie Veilchen auf dem Felde duften - richtige Veilchen, deren richtiger Name "Viola odorata" ist, was so viel wie wohlriechend heißt. Nicht die Hundsveilchen!

Veilchendüfte in der Flasche sind bekanntlich generell vorwiegend synthetisch, Janone, sind die Zauberwesen, die einem vorgaukeln, mitten im violetten Blütenmeer zu sitzen. Für meine Nase wurden leider immer zu viele Begleitdüfte reingepampert, alles entweder unter- oder übertrieben oft sogar auch noch mit Vanille erwürgt.

Dralle hingegen fand die für mich perfekte Balance. M.E. kam zu den Janonen nur noch das aus den Wurzeln der Schwertlilie gewonnene Absolue hinzu und ein paar Veilchenblätter und sonst gar nichts.
Veilchen, nichts als Veilchen ! So wie sie sind und nicht verfälscht und verniedlicht und versüßlicht.

Als kleines Mädchen hab ich vom kleinen Taschengeld meiner Mutter den Leuchtturm zum Geburtstag geschenkt - man kann sich ausrechnen, was das damals gekostet hat! Heute muß man für einen kargen jämmerlichen Rest in der Phiole im verblaßten Leuchtturm jahrelang suchen und einige Euronen hinblättern.
Natürlich ist der Duft nicht mehr so taufrisch wie einst im Mai - aber immer noch um Einiges besser, als die meisten kümmerlichen Veilchendüfte, die ich roch.
Wer auf richtig gute pure unverfälschte Naturdüfte steht, sollte, so ihm so ein Türmchen über den Weg läuft, zugreifen ! Ich hab ihn, den heiligen Gral, weil ich es mir Wert bin !

Der Duft braucht ein wenig Zeit und Wärme, um sich zu entfalten - ähnlich wie bei Goethe "an den Busen gedrückt". So spontan gerochen ist er - wie alle guten edlen Naturöle - ein wenig enttäuschend herb. Aber dann !!
Mir ist ein Tropfen davongehuscht und auf dem Schreibtisch gelandet, und nach Stunden noch duftete das Zimmer wie ein Veilchenacker! Göttlich!

Tragen werde ich ihn wohl nicht - dazu ist er mir zu kostbar. Aber wenn mich die Tausend Jahre Einsamkeit mal wieder umarmen, dann werde ich mir einen Tropfen auf dem Schreibtisch gönnen um mich quasi an Muttis Busen auszuweinen.

Auch wenn das Bild des Leuchtturms andere Assoziationen hervorrufen mag - es ändert sich nichts:
Veilchen sind das Synonym für Jungfräulichkeit ! Vielleicht deswegen der Leuchtturm - man weiß es nicht.
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