28.03.2018 - 15:21 Uhr
Meggi
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Meggi
Top Rezension
23
Strikt theoretisch
Auf ‚Mer‘ war ich aus meinem Firn-Pröbchen-Satz sozusagen theoretisch am meisten gespannt, denn mit rein natürlichen Mitteln Meer ruchbar machen zu wollen, kam mir verwegen vor. Schnell durfte ich allerdings feststellen, dass ich Frau Lindners Einfallsreichtum unterschätzt hatte. Statt gängiger Maritimerie setzt sie auf andere Aromen.
Nach einem kurzen, muffig-fischigen Auftakt geht die erste zentrale Idee tatsächlich kaum in Richtung Meer. Es riecht vielmehr dermaßen beißend nach Klebstoff, wie ich es in einem Naturduft nicht für möglich gehalten hätte. Rasch folgt ein Anflug von Kaugummi-Minze und es wird milder. Im Gegenzug dringt nun das Getier wieder stärker durch. Vom Leim zum Fisch?
Zur Muschel! „Muschelschale“ ist verblüffend gut getroffen. Vielleicht einen Zacken zu lebensecht. Mir kommen die Familien-Urlaube an der Nordsee in meiner Kindheit in den Sinn: Wenn die von uns Kindern gesammelten Schalen in der Sonne trockneten und die nicht ganz leeren Exemplare darunter irgendwann einen gammelig-fischigen Geruch verbreiteten.
Mehr als fraglich ist, ob ich ohne entsprechende Ansage darauf verfallen wäre. Wahrscheinlich wäre mir das Gebotene schlichtweg als erratische und keineswegs angenehme Gemengelage erschienen. Doch so bleibt zumindest eine gewisse Faszination – und als Bild zur Illustration passt die geschilderte Sammelei allemal vorzüglich.
Die eigentliche Muschelschale wird dargestellt von einer kieselig-gesteinigen Anmutung, wie ich sie in den Naturdüften von Asklöv kennengelernt und dort auf Patchouli zurückgeführt hatte. Hier scheint mir dafür überdies Vetiver im Spiel, ein Eindruck, der sich im Laufe des Tages mit anschwellender Bedeutung des Grases erhärtet.
Leider driften meine Gedanken im Mittelteil unfreiwillig gen Pilz-Schaumsüppchen ab – eine Assoziation, die ich seit geraumer Zeit mit Ambrette verbinde. Im vorliegenden Fall ist das nicht hilfreich (nicht einmal Muschelsuppe hätte wirklich gepasst, höhö…). Es sei ohnehin nur der Vollständigkeit halber erwähnt, bestimmt bin ich wieder der Einzige, dem ein Pilzgericht einfällt. Andere finden die Sache vermutlich einfach cremig und liegen selbstverständlich völlig richtig.
Ein weiteres Standbein der Konzeption sind laut Anbieterin immergrüne Gewächse, ausdrücklich verweist sie etwa auf eine Reihe von Nadelbäumen. Auch damit tue ich mich schwer. Jedenfalls mit Nadeln im engeren Sinne; mich erinnert der Geruch eher an verkokelten Rosmarin, wie aus dem Backofen. Oder frisch angeschlagenen Feuerstein. Dieser bitter-stichig-kokelige Muff begleitet mich durch den ganzen Nachmittag und besagte Creme aus dem vorigen Absatz hat dem wenig entgegenzustellen.
Deshalb bin ich dankbar für den zuverlässigen Beitrag von Vetiver, das (wie schon erwähnt) im Verlauf an Gewicht zulegt. Und ähnlich wie in ‚Sel de Vetiver‘ von TDC oder in Annick Goutals Vetiver-Cologne vermag es – etwas guten Willen seitens der Rezipienten vorausgesetzt – mit seinem kieselig-salzigen Vermögen endlich, eine maritime Aura zu gewinnen und nunmehr durch den Rest des Tages zu bringen. Sogar meinen Feuerstein-Rosmarin kann es mir letztlich gleichsam an die See retten, denn mit ein bisschen Phantasie lässt sich die Würze einer durch die Dünen streichenden Brise an der Nordseeküste zugestehen. Ob das einem Aufenthalt an der Küste Oregons olfaktorisch ebenfalls nahekommt (die Parfümeurin beruft sich darauf), kann ich nicht beurteilen.
Fazit: Schwierig, eines zu ziehen. Krachend originell ist ‚Mer‘, keine Frage. Lehrreich obendrein. Aber phasenweise unleugbar fies. Mithin bleibt es für mich bei einer strikt theoretischen Anerkennung, die sich trotzdem in einer ordentlichen Bewertung niederschlagen darf. Tragen mag ich den Duft nicht.
Ich bedanke mich bei Jumi fürs Pröbchen-Besorgen.
Nach einem kurzen, muffig-fischigen Auftakt geht die erste zentrale Idee tatsächlich kaum in Richtung Meer. Es riecht vielmehr dermaßen beißend nach Klebstoff, wie ich es in einem Naturduft nicht für möglich gehalten hätte. Rasch folgt ein Anflug von Kaugummi-Minze und es wird milder. Im Gegenzug dringt nun das Getier wieder stärker durch. Vom Leim zum Fisch?
Zur Muschel! „Muschelschale“ ist verblüffend gut getroffen. Vielleicht einen Zacken zu lebensecht. Mir kommen die Familien-Urlaube an der Nordsee in meiner Kindheit in den Sinn: Wenn die von uns Kindern gesammelten Schalen in der Sonne trockneten und die nicht ganz leeren Exemplare darunter irgendwann einen gammelig-fischigen Geruch verbreiteten.
Mehr als fraglich ist, ob ich ohne entsprechende Ansage darauf verfallen wäre. Wahrscheinlich wäre mir das Gebotene schlichtweg als erratische und keineswegs angenehme Gemengelage erschienen. Doch so bleibt zumindest eine gewisse Faszination – und als Bild zur Illustration passt die geschilderte Sammelei allemal vorzüglich.
Die eigentliche Muschelschale wird dargestellt von einer kieselig-gesteinigen Anmutung, wie ich sie in den Naturdüften von Asklöv kennengelernt und dort auf Patchouli zurückgeführt hatte. Hier scheint mir dafür überdies Vetiver im Spiel, ein Eindruck, der sich im Laufe des Tages mit anschwellender Bedeutung des Grases erhärtet.
Leider driften meine Gedanken im Mittelteil unfreiwillig gen Pilz-Schaumsüppchen ab – eine Assoziation, die ich seit geraumer Zeit mit Ambrette verbinde. Im vorliegenden Fall ist das nicht hilfreich (nicht einmal Muschelsuppe hätte wirklich gepasst, höhö…). Es sei ohnehin nur der Vollständigkeit halber erwähnt, bestimmt bin ich wieder der Einzige, dem ein Pilzgericht einfällt. Andere finden die Sache vermutlich einfach cremig und liegen selbstverständlich völlig richtig.
Ein weiteres Standbein der Konzeption sind laut Anbieterin immergrüne Gewächse, ausdrücklich verweist sie etwa auf eine Reihe von Nadelbäumen. Auch damit tue ich mich schwer. Jedenfalls mit Nadeln im engeren Sinne; mich erinnert der Geruch eher an verkokelten Rosmarin, wie aus dem Backofen. Oder frisch angeschlagenen Feuerstein. Dieser bitter-stichig-kokelige Muff begleitet mich durch den ganzen Nachmittag und besagte Creme aus dem vorigen Absatz hat dem wenig entgegenzustellen.
Deshalb bin ich dankbar für den zuverlässigen Beitrag von Vetiver, das (wie schon erwähnt) im Verlauf an Gewicht zulegt. Und ähnlich wie in ‚Sel de Vetiver‘ von TDC oder in Annick Goutals Vetiver-Cologne vermag es – etwas guten Willen seitens der Rezipienten vorausgesetzt – mit seinem kieselig-salzigen Vermögen endlich, eine maritime Aura zu gewinnen und nunmehr durch den Rest des Tages zu bringen. Sogar meinen Feuerstein-Rosmarin kann es mir letztlich gleichsam an die See retten, denn mit ein bisschen Phantasie lässt sich die Würze einer durch die Dünen streichenden Brise an der Nordseeküste zugestehen. Ob das einem Aufenthalt an der Küste Oregons olfaktorisch ebenfalls nahekommt (die Parfümeurin beruft sich darauf), kann ich nicht beurteilen.
Fazit: Schwierig, eines zu ziehen. Krachend originell ist ‚Mer‘, keine Frage. Lehrreich obendrein. Aber phasenweise unleugbar fies. Mithin bleibt es für mich bei einer strikt theoretischen Anerkennung, die sich trotzdem in einer ordentlichen Bewertung niederschlagen darf. Tragen mag ich den Duft nicht.
Ich bedanke mich bei Jumi fürs Pröbchen-Besorgen.
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