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Top Rezension
Und nochmal das Meer
Dieser Auftakt!
Zitrone auf Felsen ausgequetscht, salzwasserbespült.
Oder Auster. Stein und Auster.
Schale. Mit Mineralzitrone.
Allein dafür steht dieser Duft schon bei mir auf 70%, da braucht es gar nichts mehr weiter. Sel Marin ist kein aquatischer Duft. Es ist ein Meerduft. Sel Marin ist lyrisch. Naturlyrik.
Er opfert seinem Thema vielleicht ein paar potentielle Käufer und Träger, denn das Meer ist ihm wichtiger. Da bin ich jetzt schon bei 80%
Soll ein Duft überhaupt Natur nachahmen? Oder soll ein Parfüm nicht vielmehr wie etwas riechen, was es so nirgendwo anders gibt? Unsere westliche Dufttradition beginnt ja eigentlich erst im Rokoko, und diese kölnischen Wässer rochen auch wie ein zitrischer Rokokoschnörkel, aber trotz der wohl natürlichen Zutaten artifiziell, gemacht, raffiniert, vielleicht nicht mehr als die Summe der Teile, aber jedenfalls anders als diese Summe.
Das mit der "Natürlichkeit" kommt erst im 19. Jhdt in Kunst und Wissenschaft, da hat man genau hingeschaut, erforscht, beobachtet, man hat versucht, weniger zu interpretieren... und die Natur zerbröselte uns unter den Fingern, verliert sich im Detail und wir verlieren sie im Detail. Denn auch das "Natürliche" ist nur Fiktion, und das wurde irgendwann schmerzhaft klar. In jüngerer Zeit war es bei den Düften vor allem Jean-Claude Ellena, der "Naturdüfte" (und ohne Anführungszeichen geht das jetzt nicht mehr) parfümistisch überhöhte. "Cuir d'Ange" ist in der Hinsicht vielleicht einer seiner radikalsten (man kann auch konsequentesten sagen), weil er am engsten an seinem Vorbild, dem Leder eben, bleibt.
Aber hier jetzt wieder zurück ans Meer. Es gibt keine Fischnote, was immer auch gesagt wird, aber stellt euch den Geruch vor, den eine leere Muschelschale hat, die man gerade, noch feucht, am Strand aufgelesen hat, egal, ob der Strand nun eher rauh und nördlich sei oder im Süden liegt - dieser spezifische Geruch wird sich nicht groß ändern. Das muss wohl irgendwie mit den Algen geklappt haben, dass die dieses Salzwassersyndrom so eindringlich vermitteln.
Wie riecht man nach Meer? Wenn ich im Meer gebadet habe, rieche ich höchstens leicht nach Salz, sonst eigentlich gar nichts. Das Meer löscht eher alle Gerüche, Salzwasser reinigt (im besten Fall...) Das Meer reflektiert Gerüche, so, wie das Wasser Farben reflektiert, denn selber ist es beinahe farblos.
Die Frage, ob man wirklich nach Meer riechen will, stellt sich für mich nicht, denn richtig müsste die Frage lauten: Will ich das Meer riechen? Meine Antwort: Ja.
Natürlich (natürlich?) riecht Sel Marin nicht wie Meer, aber es gibt allerlei geruchliche Hinweise, die in diese Richtung führen. Man bildet sich dann sozusagen ein, irgendwas Meerartiges wahrzunehmen. Sensationell wird das, wenn sich der Duft mit Umweltgerüchen vermischt, die dann damit allesamt "ozeanisiert" werden und die suggestive Wirkung noch steigern. Ich beginne zu denken, dass unter dem Pflaster vielleicht doch der Strand liegen könnte... Hinter dem nächsten Häuserblock liegt jedenfalls das Meer, ich merke es ganz deutlich an diesem komischen Wind...
Ich glaube, hier bin ich bereits bei 90% in meiner Wertung angelangt.
Ich mag den Illusionismus nicht. Ich mag die Nachahmung nicht. Diese Idee von "Natürlichkeit" ist mir bei einem Duft zuwider. Und trotzdem, es kann gut sein, dass mir bald noch ein Grund einfällt, diesen Duft mit 100% zu bewerten.
Der Sommer kann jetzt kommen.
Zitrone auf Felsen ausgequetscht, salzwasserbespült.
Oder Auster. Stein und Auster.
Schale. Mit Mineralzitrone.
Allein dafür steht dieser Duft schon bei mir auf 70%, da braucht es gar nichts mehr weiter. Sel Marin ist kein aquatischer Duft. Es ist ein Meerduft. Sel Marin ist lyrisch. Naturlyrik.
Er opfert seinem Thema vielleicht ein paar potentielle Käufer und Träger, denn das Meer ist ihm wichtiger. Da bin ich jetzt schon bei 80%
Soll ein Duft überhaupt Natur nachahmen? Oder soll ein Parfüm nicht vielmehr wie etwas riechen, was es so nirgendwo anders gibt? Unsere westliche Dufttradition beginnt ja eigentlich erst im Rokoko, und diese kölnischen Wässer rochen auch wie ein zitrischer Rokokoschnörkel, aber trotz der wohl natürlichen Zutaten artifiziell, gemacht, raffiniert, vielleicht nicht mehr als die Summe der Teile, aber jedenfalls anders als diese Summe.
Das mit der "Natürlichkeit" kommt erst im 19. Jhdt in Kunst und Wissenschaft, da hat man genau hingeschaut, erforscht, beobachtet, man hat versucht, weniger zu interpretieren... und die Natur zerbröselte uns unter den Fingern, verliert sich im Detail und wir verlieren sie im Detail. Denn auch das "Natürliche" ist nur Fiktion, und das wurde irgendwann schmerzhaft klar. In jüngerer Zeit war es bei den Düften vor allem Jean-Claude Ellena, der "Naturdüfte" (und ohne Anführungszeichen geht das jetzt nicht mehr) parfümistisch überhöhte. "Cuir d'Ange" ist in der Hinsicht vielleicht einer seiner radikalsten (man kann auch konsequentesten sagen), weil er am engsten an seinem Vorbild, dem Leder eben, bleibt.
Aber hier jetzt wieder zurück ans Meer. Es gibt keine Fischnote, was immer auch gesagt wird, aber stellt euch den Geruch vor, den eine leere Muschelschale hat, die man gerade, noch feucht, am Strand aufgelesen hat, egal, ob der Strand nun eher rauh und nördlich sei oder im Süden liegt - dieser spezifische Geruch wird sich nicht groß ändern. Das muss wohl irgendwie mit den Algen geklappt haben, dass die dieses Salzwassersyndrom so eindringlich vermitteln.
Wie riecht man nach Meer? Wenn ich im Meer gebadet habe, rieche ich höchstens leicht nach Salz, sonst eigentlich gar nichts. Das Meer löscht eher alle Gerüche, Salzwasser reinigt (im besten Fall...) Das Meer reflektiert Gerüche, so, wie das Wasser Farben reflektiert, denn selber ist es beinahe farblos.
Die Frage, ob man wirklich nach Meer riechen will, stellt sich für mich nicht, denn richtig müsste die Frage lauten: Will ich das Meer riechen? Meine Antwort: Ja.
Natürlich (natürlich?) riecht Sel Marin nicht wie Meer, aber es gibt allerlei geruchliche Hinweise, die in diese Richtung führen. Man bildet sich dann sozusagen ein, irgendwas Meerartiges wahrzunehmen. Sensationell wird das, wenn sich der Duft mit Umweltgerüchen vermischt, die dann damit allesamt "ozeanisiert" werden und die suggestive Wirkung noch steigern. Ich beginne zu denken, dass unter dem Pflaster vielleicht doch der Strand liegen könnte... Hinter dem nächsten Häuserblock liegt jedenfalls das Meer, ich merke es ganz deutlich an diesem komischen Wind...
Ich glaube, hier bin ich bereits bei 90% in meiner Wertung angelangt.
Ich mag den Illusionismus nicht. Ich mag die Nachahmung nicht. Diese Idee von "Natürlichkeit" ist mir bei einem Duft zuwider. Und trotzdem, es kann gut sein, dass mir bald noch ein Grund einfällt, diesen Duft mit 100% zu bewerten.
Der Sommer kann jetzt kommen.
11 Antworten


Als passionierter Angler, Anhänger der "Pêche à Pied" und Liebhaber aller Varianten von Meeresgetier sage ich aber: so riechen will ich nicht.
Und er fischelt doch... ;-)