Kanøn (Eau de Toilette) von Kanøn

Kanøn 1966 Eau de Toilette

Yatagan
15.09.2013 - 09:59 Uhr
17
Top Rezension
7Duft 7.5Haltbarkeit 7Sillage 7.5Flakon

Wann ist man ein Mann?

Unkommentierte Düfte No. 2

Düfte aus den 60er Jahren, die bis heute weitgehend identisch produziert werden, dürften wohl gar nicht so leicht zu finden sein. Selbst Diors Eau Sauvage, das über Jahre meinen Duftgeschmack prägte und das wohl für meine Vorliebe für zitrisch-grüne Düfte verantwortlich sein dürfte, hat man inzwischen, Europas Regelwut sei Dank (das kann man, je nach Perspektive ironisch oder ganz ernst lesen), zurechtgebogen. Der eigentlich Charme ging verloren.

Dieser Duft hier aber ist in meiner Erinnerung (und die reicht in diesem Fall recht weit zurück) stets gleich geblieben. Mag sein, dass die Wucht des Auftritts etwas gemildert wurde. Denn bei diesem „Kanon“ handelt es sich nicht um leichten Gesang, sondern um ernste Musik, ein bisschen streng, im Ausklang dann doch melancholisch, erhaben und pathetisch.

Kanon von Scannon gehört in eine Reihe mit ähnlich wuchtigen Düften der 60er (und der darauf folgenden Jahre), die allesamt für Herrendüfte ausgesprochen süß ausfielen und denen man wohl das maskuline Image nur durch die damit verbundenen Werbekampagnen ansah. Ich weiß zwar nicht mehr, wie das in Deutschland schon immer selten vertretene Kanon beworben wurde, aber in den Werbekampagnen vergleichbarer Düfte (Royal Copenhagen, Brut, Stetson) waren harte Männer mit Brusthaar (Brut), wahlweise auch Cowboys (Stetson) oder kernige Gesichter zu sehen. Kaum ein Mann hätte wohl zu einem solchen Duft gegriffen, hätte er sich nur auf seinen olfaktorischen Eindruck verlassen, denn der erinnert doch stark an Damendüfte, allerdings mit kernigem Unterton, gern mit einer Moschusnote, der man ja nachsagt(e), beim jeweils anderen Geschlecht eine gewisse Wirkung zu entfalten und die vor allem in den 70ern omnipräsent war.

Warum nun hatte man in den 60ern und 70ern, die durchaus noch ein klares Geschlechterrollenbild kannten, eine gewisse Vorliebe für weiche Herrendüfte? Auch Luca Turin verweist in seinen Publikationen auf dieses Phänomen. Meine These lautet: Weil in jenen Tagen Herrendüfte nicht von Herren, sondern von Damen gekauft wurden, und das kam so: Mein Vater, Jahrgang 1926, bereits über 40 im Jahre meiner Geburt, wäre niemals in eine Parfümerie gegangen und hätte sich dort selbst einen Duft ausgewählt. Das passte nicht zum Männerbild dieser Zeit. Herrendüfte (meist waren es ja ohnehin nur After Shaves) wurden dem Herrn von seiner Ehefrau ausgesucht und unauffällig im Bad deponiert, allenfalls zu gewissen festlichen Anlässen auf dem Gabentisch drapiert. Mann trug dann, was Frau gefiel. Da war eine Moschusnote, süße Ledernoten, die historisch allerdings schon immer eher Männern zugeordnet wurden (Leder = Sattel = Jagd = maskuline Aura), und Moos (traditionell vor allem in englischen Düften enthalten) eine geeignete Kombination, um einerseits den Eindruck von Männlichkeit zur erwecken, andererseits in diesen längst vergangenen Tagen vor allem Frauen zu gefallen. Auch diesbezüglich hat sich der Geschmack offenbar stark gewandelt.

Kanon ging dabei einen durchaus gemäßigten Weg. Ein zitrischer Auftakt mit angenehm weich riechender Zitronennote zieht sich langsam zurück, um den Raum zu öffnen für diese charakteristische Kombination aus holzigen, ledrigen (vermutlich Birke, Styrax, Zibet, Amber, Patchouli oder vergleichbare Duftstoffe) und moosigen Akzenten, die die weiche und doch maskuline Süße des Duftes ausmachen.

Während bei Stetson und Royal Copenhagen sowie Canoe (das ursprünglich in den 30ern als Damenduft konzipiert wurde) in der Basis noch lange dieser süße Unterton zu spüren ist, verweht er bei Kanon mit der Zeit und wandelt sich zu einem herberen, strengeren, holzigeren Ton, der dann durchaus klar maskuline Züge trägt, auch wenn ich ihn mir recht gut an Frauen vorstellen kann. Zu bemängeln wäre eine etwas unharmonische Kombination aus animalischen und holzigen Akzenten, die in anderen Vertretern dieser Art ausgewogener ausfiel.

Ob der Duft noch zeitgemäß ist, muss man mit Bedacht beurteilen. Ein einziger Test scheint mir dafür nicht ausreichend zu sein. So könnte man durchaus die These vertreten, dass auch Düfte wie Canoe oder Brut Kinder ihrer Zeit sind und heutzutage fremd und irritierend wirken könnten. Andererseits sind es doch gerade diejenigen Düfte, die Parfumliebhaber spannend und anziehend empfinden, die aus dem Einerlei der Massenproduktion herausragen. Während die oben beschriebene Duftrichtung in den 60ern und 70ern durchaus noch allgegenwärtig war, ist sie heute exotisch und ungewöhnlich und könnte gerade deshalb wieder ihre Liebhaber finden.
14 Antworten
ParfumdiebParfumdieb vor 12 Jahren
Also der Auftakt ist schon ziemlich krass muss ich sagen. Riecht ziemlich streng... aber nach ein paar Minuten wird's besser ;-)
PaloneraPalonera vor 12 Jahren
Wer weiß, wer weiß - womöglich fände sogar der gute Gröni Gefallen an diesem "Kanon", auch wenn seine Musik schon in eine deutlich andere Richtung geht, ;-)...
IgraineIgraine vor 12 Jahren
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Ich hatte mir aufgrund der rustikalen Optik und des wunderschön dunkelgrünen Saftes was frisches Nadelwaldiges erhofft und diese recht süßliche Angelegenheit enttäuscht unter "Fehlkauf" verbucht. Jetzt muss ich ihn doch mal wieder ausgraben :)
ZoraZora vor 12 Jahren
Das tönt doch sehr interessant, zumal bei uns immer noch die Frau den Mann beduftet:)).
TaurusTaurus vor 12 Jahren
Von dem Duft habe ich noch nie was gehört oder gesehen ... kommt der aus Dänemark oder Schweden?
SeeroseSeerose vor 12 Jahren
Welchen "Kanon" meinst Du? Kanon als kleine nicht so einfache musikalische Fuge? Oder den Kirchenamtlichen? Egal, ich kann mich überhaupt nicht an Kanon erinnern, gabs nicht in der Kleinstadt.Pokal ins Verzeichnis+ dann vergesse ich den Duft wieder:-D
GaukeleyaGaukeleya vor 12 Jahren
Was Du alles an interessanten Düften ausgräbst- Respekt ;-D. über das väterliche Selbstbild hatten wir uns ja schon mal unterhalten - ein echtes Generationsphänomen. Ich kenne Vater Gaukeleya auch nur mit After Shaves der klassischen Art.
0815abc0815abc vor 12 Jahren
Ich finde ein bisschen pathetisch hie und da ganz reizvoll.Danke,sehr hilfreich.Pokal.
HordakHordak vor 12 Jahren
Du hattest mir eine Probe zugesandt und ich stimme zu 100% zu. Hätte dem Duft auch 80% verpasst. Ich liebe diese Richtung der Düfte!
ParfumAholicParfumAholic vor 12 Jahren
Bin ich froh, dass das mit der klaren Geschlechterrolle heutzutage nicht mehr so statisch ausgelgt wird (sonst sähe es bei mir im Bad düster aus) ;-) Ich kenne weder Duft, noch Hersteller, dürfte mir auch nicht entgegenkommen. Dein Kommi tut's,Pokal!
DobbsDobbs vor 12 Jahren
Duftwelten entdecken mit Yatagan ;o) Bisher habe ich weder vom Duft noch vom Hersteller je gehört.
ErgoproxyErgoproxy vor 12 Jahren
Als ich in Kopenhagen war, habe ich nach den Duft ausschau gehalten, er war aber nirgends zu bekommen, selbst im größten Kaufhaus Magasin nicht.
KiengiraKiengira vor 12 Jahren
Nie was von dem Duft gehört! Kommt auf die Wunschliste! Danke. Pi and eidsch!
PlutoPluto vor 12 Jahren
Mein Vater (Jahrgang 29) bekam die Düfte auch von meiner Mutter im Bad drapiert oder zu Weihnachten geschenkt, nie hätte er sich selbst einen gekauft. Das wäre wohl "unmännlich" gewesen.