17.03.2016 - 12:58 Uhr
Palonera
467 Rezensionen
Palonera
Top Rezension
21
ein finst'rer Gruß vom Höllenfürst?
Eines muß man ihnen lassen, den Düften von nu_be: Dumm sterben lassen sie mich nicht.
Hatten mich bereits "Carbon", "Lithium" und "Helium" nach Jahrzehnten wieder auf die Schulbank gedrückt, so schickte mich auch "Sulphur" recht bald zu Wikipedia, um zunächst herauszufinden, was es mit dem Namen auf sich hat.
Im Gegensatz zu den drei Vorgenannten war mir "Sulphur" völlig fremd, ich hätte blind nicht sagen können, ob es sich um ein Metall handelt, ein Edelgas, Halogen oder was auch immer, ob es flüssig ist, gasförmig oder fest.
Ich hatte keine Ahnung und hätte ganz gewiß an einen Scherz geglaubt, hätte jemand mir erklärt, daß "Sulphur" der lateinische Begriff für Schwefel ist, jenes leuchtendgelbe Nichtmetall, das bei mir vielerlei Assoziationen auslöst, doch ganz gewiß nicht jene zu Parfum.
Schwefel, mit Verlaub, ist ein Stinker.
Zumindest in verbrannter Form, als Schwefeldioxid.
In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern rochen weite Teile des Ruhrgebiets nach Schwefeldioxid, kurz: nach faulen Eiern.
Das lag vor allem an der Stahlindustrie, aber auch an der Gewinnung von Energie aus den zu jener Zeit üblichen fossilen Brennstoffen wie Stein- und Braunkohle.
Mein Schulweg aus dem frischluftigen Sauerland nach Bochum und später Dortmund führte Tag für Tag durch wenig wohlduftende Schwaden aus örtlichen Industrieschornsteinen, die mich insgeheim wünschen ließen, nach dem Gehör auch noch den Geruchssinn zu verlieren, zumindest für den Augenblick.
Erhört wurden diese Gebete nicht, einem weisen Jemand sei Dank, und heute ist die Luft im Ruhrgebiet so klar und rein wie damals nicht einmal bei Oma auf dem Land.
Und Schwefel sollte nun der Name eines Duftes sein, gräzisiert zwar und unkenntlich fast wenigstens für mich, aber eben doch?!
Ich gestehe: Hätte ich diese Information vor Testbeginn erhalten, wäre ich mit größter Vorsicht in die Begegnung mit "Sulphur" gegangen, nicht zuletzt, weil Antoine Lie, der Parfümeur, nicht ganz zu Unrecht als "Enfant terrible" der Szene gilt.
Auf sein Konto gehen höchst umstrittene Creationen wie "Sécrétions magnifiques", "Tom of Finland" und "Divin' Enfant" von ELdO, "XX+Latex" von UèrMì, "RED+MA" von Blood Concept und andere Kandidaten, die die olfaktorische Gemeinde in Lieb-mich-oder-hass-mich spalten.
Und hier nun also "Sulphur" als finst'ren Gruß vom Höllenfürst?
Ich hätte es geglaubt und ich hätte mich gefürchtet, wenn – ja, wenn ich nicht all dies erst an Tag 2 gelesen hätte, am zweiten Tag der Auseinandersetzung mit einem Duft, der manches in mir an- und aufrührt, doch sicher nicht den Wunsch nach olfaktorischer Erblindung.
"Sulphur" hält sich nicht mit zitrischen Formalitäten auf – nicht bei mir, nicht auf meiner Haut.
Ambroxanisch-birkenteerig poltert er los, hart und heftig, laut und lüstern, ohne Umschweife zur Sache gehend wie "Testostérone".
Das ist erst einmal erschröcklich, doch derweil ich mich noch frage, was einem derart furiosen Auftakt folgen mag, beruhigt sich das Getöse schon zu trockenholzig-rauchigem Gewürz, nicht dicht noch schwer noch drückend.
Campher oder Eukalyptus kommt mir in den Sinn angesichts der ätherischen Kühle, die das dunkle Grau durchzieht, es lichter macht und leichter, jedoch kein bißchen weicher.
Scharf konturiert sich Piment heraus, pfeffrig und ein wenig bissig, nach wenigen Minuten flankiert von einem grünbitteren Akkord, den ich der Costuswurzel zuschreibe, ohne Kenntnis deren Duftes jedoch raten muß.
Gab mir das Holz in "Sulphur" bezüglich seiner Herkunft zunächst noch manchen Zweifel auf, ob Baum oder Retorte, enttarnt sich doch recht bald die Zeder vor bleistiftigem Hintergrund.
Überhaupt geht bei "Sulphur" alles schnell, scheint der Duft stets in Bewegung, als fehlte ihm die Zeit.
Binnen weniger Minuten dominiert goldrotes Harz, flankiert von warmer Würze, in der unsüßer Zimt bruchborkig an Kontur gewinnt, um gleich darauf schon Raum zu geben für trockendunkles Holz mit medizinisch-bitterer Facette, die das Vorhandensein von Oud für mich zumindest denkbar macht.
Irgendwann viel später streift mich gar noch Zelluloid, das stechend-dunkle, das hochdosiert in "Id" und "Chambre Noire" so scharf mir in die Nase biss.
Und immer weiter geht es hin und her, her und hin, aus dem Schatten in das Licht und zurück, immer wieder, Tag um Tag.
Mal ein wenig mehr zum Harz, mal ein wenig mehr ins Holz, mal wärmer und mal kühler, je nach Wetterlage, je nach Tagesform.
Und jeden Tag wird "Sulphur" langsam leiser, schmiegt sich enger an meine Frauenhaut, behängt sein Holz mit dunkelgrünen Moosen und verklingt nach Stunden tief vertraut.
Hatten mich bereits "Carbon", "Lithium" und "Helium" nach Jahrzehnten wieder auf die Schulbank gedrückt, so schickte mich auch "Sulphur" recht bald zu Wikipedia, um zunächst herauszufinden, was es mit dem Namen auf sich hat.
Im Gegensatz zu den drei Vorgenannten war mir "Sulphur" völlig fremd, ich hätte blind nicht sagen können, ob es sich um ein Metall handelt, ein Edelgas, Halogen oder was auch immer, ob es flüssig ist, gasförmig oder fest.
Ich hatte keine Ahnung und hätte ganz gewiß an einen Scherz geglaubt, hätte jemand mir erklärt, daß "Sulphur" der lateinische Begriff für Schwefel ist, jenes leuchtendgelbe Nichtmetall, das bei mir vielerlei Assoziationen auslöst, doch ganz gewiß nicht jene zu Parfum.
Schwefel, mit Verlaub, ist ein Stinker.
Zumindest in verbrannter Form, als Schwefeldioxid.
In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern rochen weite Teile des Ruhrgebiets nach Schwefeldioxid, kurz: nach faulen Eiern.
Das lag vor allem an der Stahlindustrie, aber auch an der Gewinnung von Energie aus den zu jener Zeit üblichen fossilen Brennstoffen wie Stein- und Braunkohle.
Mein Schulweg aus dem frischluftigen Sauerland nach Bochum und später Dortmund führte Tag für Tag durch wenig wohlduftende Schwaden aus örtlichen Industrieschornsteinen, die mich insgeheim wünschen ließen, nach dem Gehör auch noch den Geruchssinn zu verlieren, zumindest für den Augenblick.
Erhört wurden diese Gebete nicht, einem weisen Jemand sei Dank, und heute ist die Luft im Ruhrgebiet so klar und rein wie damals nicht einmal bei Oma auf dem Land.
Und Schwefel sollte nun der Name eines Duftes sein, gräzisiert zwar und unkenntlich fast wenigstens für mich, aber eben doch?!
Ich gestehe: Hätte ich diese Information vor Testbeginn erhalten, wäre ich mit größter Vorsicht in die Begegnung mit "Sulphur" gegangen, nicht zuletzt, weil Antoine Lie, der Parfümeur, nicht ganz zu Unrecht als "Enfant terrible" der Szene gilt.
Auf sein Konto gehen höchst umstrittene Creationen wie "Sécrétions magnifiques", "Tom of Finland" und "Divin' Enfant" von ELdO, "XX+Latex" von UèrMì, "RED+MA" von Blood Concept und andere Kandidaten, die die olfaktorische Gemeinde in Lieb-mich-oder-hass-mich spalten.
Und hier nun also "Sulphur" als finst'ren Gruß vom Höllenfürst?
Ich hätte es geglaubt und ich hätte mich gefürchtet, wenn – ja, wenn ich nicht all dies erst an Tag 2 gelesen hätte, am zweiten Tag der Auseinandersetzung mit einem Duft, der manches in mir an- und aufrührt, doch sicher nicht den Wunsch nach olfaktorischer Erblindung.
"Sulphur" hält sich nicht mit zitrischen Formalitäten auf – nicht bei mir, nicht auf meiner Haut.
Ambroxanisch-birkenteerig poltert er los, hart und heftig, laut und lüstern, ohne Umschweife zur Sache gehend wie "Testostérone".
Das ist erst einmal erschröcklich, doch derweil ich mich noch frage, was einem derart furiosen Auftakt folgen mag, beruhigt sich das Getöse schon zu trockenholzig-rauchigem Gewürz, nicht dicht noch schwer noch drückend.
Campher oder Eukalyptus kommt mir in den Sinn angesichts der ätherischen Kühle, die das dunkle Grau durchzieht, es lichter macht und leichter, jedoch kein bißchen weicher.
Scharf konturiert sich Piment heraus, pfeffrig und ein wenig bissig, nach wenigen Minuten flankiert von einem grünbitteren Akkord, den ich der Costuswurzel zuschreibe, ohne Kenntnis deren Duftes jedoch raten muß.
Gab mir das Holz in "Sulphur" bezüglich seiner Herkunft zunächst noch manchen Zweifel auf, ob Baum oder Retorte, enttarnt sich doch recht bald die Zeder vor bleistiftigem Hintergrund.
Überhaupt geht bei "Sulphur" alles schnell, scheint der Duft stets in Bewegung, als fehlte ihm die Zeit.
Binnen weniger Minuten dominiert goldrotes Harz, flankiert von warmer Würze, in der unsüßer Zimt bruchborkig an Kontur gewinnt, um gleich darauf schon Raum zu geben für trockendunkles Holz mit medizinisch-bitterer Facette, die das Vorhandensein von Oud für mich zumindest denkbar macht.
Irgendwann viel später streift mich gar noch Zelluloid, das stechend-dunkle, das hochdosiert in "Id" und "Chambre Noire" so scharf mir in die Nase biss.
Und immer weiter geht es hin und her, her und hin, aus dem Schatten in das Licht und zurück, immer wieder, Tag um Tag.
Mal ein wenig mehr zum Harz, mal ein wenig mehr ins Holz, mal wärmer und mal kühler, je nach Wetterlage, je nach Tagesform.
Und jeden Tag wird "Sulphur" langsam leiser, schmiegt sich enger an meine Frauenhaut, behängt sein Holz mit dunkelgrünen Moosen und verklingt nach Stunden tief vertraut.
14 Antworten