05.03.2017 - 12:56 Uhr
Meggi
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Meggi
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27
Gruppenbild mit Dame
Beim Betrachten des Teilnehmer-Fotos zur fünften ‚Solvay-Konferenz für Physik‘ vom Oktober 1927 bleibt der Blick wohl zunächst beim einzigen allgemein bekannten Gesicht hängen: dem des Herrn vorne in der Mitte (https://de.wikipedia.org/wiki/Solvay-Konferenz#/media/File:Solvay_conference_1927.jpg). Doch es war insgesamt eine wahrhaft hochkarätige Veranstaltung – 17 der 29 Anwesenden waren oder wurden Nobelpreisträger.
Bei genauerem Hinsehen dürfte auffallen, dass bloß eine Frau dabei war, und das war Marie Curie. Links neben ihr ein miesepetrig dreinblickender Max Planck, auf dessen „unfreiwilligem Mist“ die während der Konferenz diskutierte Quantentheorie letztlich gewachsen war. Er hatte ein gutes Vierteljahrhundert zuvor entgegen seiner tief in der klassischen Physik verwurzelten Überzeugung feststellen müssen, dass manche physikalische Größen nicht beliebige, sondern nur bestimmte Werte annehmen können. So wird beispielsweise Energie gewissermaßen schrittchenweise übertragen, in winzigen Päckchen.
Obgleich die Konferenz angeblich von Einstein und Niels Bohr (rechts in der zweiten Reihe) dominiert wurde, war vielleicht de facto bereits eine neue Generation am Drücker. „Auch das noch…“, mag Planck gedacht haben, als der 25-jährige Werner Heisenberg (mit Segelohren und Sturmfrisur, dritter von rechts in der letzten Reihe) im Frühjahr desselben Jahres postuliert hatte, dass sich die Welt bei einer Beschau des Allerkleinsten unvermeidlicherweise im Unpräzisen verliert – seine Unschärfe-Relation. Der sogar noch jüngere Paul Dirac (genau in der Mitte der zweiten Reihe) hatte schon im Vorjahr die Gedanken Heisenbergs und Erwin Schrödingers (letzte Reihe, direkt über Einstein; ohne Katze) in einem umfassenderen Ansatz zusammengeführt. Hm, ich habe mit 24 irgendwie profanere Sachen gemacht.
Über die meisten Abgebildeten weiß ich freilich nichts und habe auch keine Ahnung, welche Beiträge Marie Curie seinerzeit geliefert hat. Ich finde, sie sah krank aus, erschöpft, gezeichnet von den Folgen intensiven Umgangs mit den gemeinsam mit ihrem Mann Pierre entdeckten und erforschten radioaktiven Stoffen; sieben Jahre später starb sie an Anämie.
Zwei Mal hat sie den Nobelpreis bekommen und gehört damit zum exklusiven Kreis der lediglich vier Mehrfach-Preisträger. Eine weitere Würdigung ihrer (und ihres Mannes) war die Taufe des Elements mit der Ordnungszahl 96 auf den Namen Curium. Es wird künstlich hergestellt und fällt in Reaktoren in nennenswerten Mengen an. Man könnte es also theoretisch beschnuppern. Was vermutlich nicht empfehlenswert ist - wie bei allen besonders schweren Elementen ist der Kern instabil, sprich: sie sind radioaktiv. Ich bin mithin fast sicher, dass die nu_be-Leute recht frei mit dem Thema umgegangen sind, als sie folgendermaßen ihre Version von Curium kreierten:
Den Beginn prägt Pfeffer. Binnen Sekunden gesellt sich ihm Süße bei. Noch bevor ich mir klar bin, ob es sich tatsächlich um Zimt handelt, tritt Iris auf den Plan - mit ihrer ganz eigenen, karottig-bittersüßen Luftigkeit. Darunter entsteht bald ein leichtes Pritzeln, wie von einer milden Brause. Möglicherweise ein Hinweis auf Cumarin, obwohl ich hier eher an Orangen-Limonade (zwei Ligen oberhalb von Fanta) als an Waldmeister-Brause denke.
Drittes Standbein des Eindrucks der Start-Phase: Helles Holz, das sich apart mit der Iris mischt. Es dürfte Kunstholz sein und normalerweise bin ich der Erste, der verbal auf derlei eindrischt, allemal, wenn es deutlich und früh erscheint. Allerdings weiß ich seit meinem Test von Italian Citrus aus dem Hause D.S. & Durga, dass sich eine solche Holznote mit Hilfe von Iris veredelnd aufpimpen lässt und dann ausgesprochen vornehm wird. Dass das nicht viel häufiger gemacht wird, liegt bestimmt daran, dass Kunstholz mit Iris nicht mehr billig ist. Langer Rede kurzer Sinn: Heute wirkt die Sache natürlich ebenfalls nobel. Es bildet sich ein etwas distanzierter, trotzdem nicht unnahbarer, luftig-frischer Schleier mit angenehm-prickelnder Limonaden-Frucht und holziger Erdung. Zart, doch nicht fragil. Zudem liefert – wo wir gerade bei „Erdung“ sind - eine typisch vetiver-hafte nussig-erdige Beigabe ein stabiles Fundament, Endpunkt einer in dieser langen Verkettung verblüffend klaren Linie Karotte-Iris-Kunstholz-Vetiver. Alles ganz suutje.
Für eine Interims-Störung zeichnet ein Anflug von Plastik verantwortlich, nahe der Haut, noch innerhalb der Auftakt-Stunde. Aber entweder gewöhne ich mich oder er verschwindet oder er war ein Hirnfurz, denn bald darauf spüre ich ihn nicht mehr. Stattdessen besinne ich mich lieber auf das oben Gesagte und überlege, dass zwischen dem Durga und Curium tatsächlich eine Parallele besteht. Brause-Pritzeln und Iris-Holz. Das begründet gewiss kein enges Verwandtschaftsverhältnis, bloß einen Bezug. Im Charakter ist Curium durchweg kühler und distanzierter, während Italian Citrus saftiger und lebenslustiger daherkommt.
Um die Mittagszeit legt eine helle Moschus-Note nebst – denke ich – Ambrette eine cremende Schicht über den Duft. Hinfort wird es in meiner Wahrnehmung vornehmlich einfach stiller. Allenfalls mit Mühe, wahlweise Phantasie, kann ich in späteren Stunden dunklere Aspekte ausmachen, die auf eine Vetiver-Variation oder Benzoe zurückgehen mögen, doch im Kern wahrt [96Cm] Curium luftige Frische. Erst abends wandern die Mundwinkel Richtung Erdmittelpunkt, als eine muffig-kratzig-süßliche Baumarkt-Holznote ohne Iris verbleibt - was mich dann gar nicht mehr anmacht. Das ist indes zweifellos eine reine Unterlage. Sei’s drum, bis dahin gefällt alles.
Fazit: Sehr edel und elegant. Hätte mich nicht vor einiger Zeit der mediterran-augenzwinkernde Charme des Lebenskünstlers Italian Citrus begeistert, wüsste ich [96Cm] Curium wohl noch besser zu schätzen. So finde ich ihn „nur“ ziemlich gut.
Ich bedanke mich bei Ergoproxy für die Probe.
Bei genauerem Hinsehen dürfte auffallen, dass bloß eine Frau dabei war, und das war Marie Curie. Links neben ihr ein miesepetrig dreinblickender Max Planck, auf dessen „unfreiwilligem Mist“ die während der Konferenz diskutierte Quantentheorie letztlich gewachsen war. Er hatte ein gutes Vierteljahrhundert zuvor entgegen seiner tief in der klassischen Physik verwurzelten Überzeugung feststellen müssen, dass manche physikalische Größen nicht beliebige, sondern nur bestimmte Werte annehmen können. So wird beispielsweise Energie gewissermaßen schrittchenweise übertragen, in winzigen Päckchen.
Obgleich die Konferenz angeblich von Einstein und Niels Bohr (rechts in der zweiten Reihe) dominiert wurde, war vielleicht de facto bereits eine neue Generation am Drücker. „Auch das noch…“, mag Planck gedacht haben, als der 25-jährige Werner Heisenberg (mit Segelohren und Sturmfrisur, dritter von rechts in der letzten Reihe) im Frühjahr desselben Jahres postuliert hatte, dass sich die Welt bei einer Beschau des Allerkleinsten unvermeidlicherweise im Unpräzisen verliert – seine Unschärfe-Relation. Der sogar noch jüngere Paul Dirac (genau in der Mitte der zweiten Reihe) hatte schon im Vorjahr die Gedanken Heisenbergs und Erwin Schrödingers (letzte Reihe, direkt über Einstein; ohne Katze) in einem umfassenderen Ansatz zusammengeführt. Hm, ich habe mit 24 irgendwie profanere Sachen gemacht.
Über die meisten Abgebildeten weiß ich freilich nichts und habe auch keine Ahnung, welche Beiträge Marie Curie seinerzeit geliefert hat. Ich finde, sie sah krank aus, erschöpft, gezeichnet von den Folgen intensiven Umgangs mit den gemeinsam mit ihrem Mann Pierre entdeckten und erforschten radioaktiven Stoffen; sieben Jahre später starb sie an Anämie.
Zwei Mal hat sie den Nobelpreis bekommen und gehört damit zum exklusiven Kreis der lediglich vier Mehrfach-Preisträger. Eine weitere Würdigung ihrer (und ihres Mannes) war die Taufe des Elements mit der Ordnungszahl 96 auf den Namen Curium. Es wird künstlich hergestellt und fällt in Reaktoren in nennenswerten Mengen an. Man könnte es also theoretisch beschnuppern. Was vermutlich nicht empfehlenswert ist - wie bei allen besonders schweren Elementen ist der Kern instabil, sprich: sie sind radioaktiv. Ich bin mithin fast sicher, dass die nu_be-Leute recht frei mit dem Thema umgegangen sind, als sie folgendermaßen ihre Version von Curium kreierten:
Den Beginn prägt Pfeffer. Binnen Sekunden gesellt sich ihm Süße bei. Noch bevor ich mir klar bin, ob es sich tatsächlich um Zimt handelt, tritt Iris auf den Plan - mit ihrer ganz eigenen, karottig-bittersüßen Luftigkeit. Darunter entsteht bald ein leichtes Pritzeln, wie von einer milden Brause. Möglicherweise ein Hinweis auf Cumarin, obwohl ich hier eher an Orangen-Limonade (zwei Ligen oberhalb von Fanta) als an Waldmeister-Brause denke.
Drittes Standbein des Eindrucks der Start-Phase: Helles Holz, das sich apart mit der Iris mischt. Es dürfte Kunstholz sein und normalerweise bin ich der Erste, der verbal auf derlei eindrischt, allemal, wenn es deutlich und früh erscheint. Allerdings weiß ich seit meinem Test von Italian Citrus aus dem Hause D.S. & Durga, dass sich eine solche Holznote mit Hilfe von Iris veredelnd aufpimpen lässt und dann ausgesprochen vornehm wird. Dass das nicht viel häufiger gemacht wird, liegt bestimmt daran, dass Kunstholz mit Iris nicht mehr billig ist. Langer Rede kurzer Sinn: Heute wirkt die Sache natürlich ebenfalls nobel. Es bildet sich ein etwas distanzierter, trotzdem nicht unnahbarer, luftig-frischer Schleier mit angenehm-prickelnder Limonaden-Frucht und holziger Erdung. Zart, doch nicht fragil. Zudem liefert – wo wir gerade bei „Erdung“ sind - eine typisch vetiver-hafte nussig-erdige Beigabe ein stabiles Fundament, Endpunkt einer in dieser langen Verkettung verblüffend klaren Linie Karotte-Iris-Kunstholz-Vetiver. Alles ganz suutje.
Für eine Interims-Störung zeichnet ein Anflug von Plastik verantwortlich, nahe der Haut, noch innerhalb der Auftakt-Stunde. Aber entweder gewöhne ich mich oder er verschwindet oder er war ein Hirnfurz, denn bald darauf spüre ich ihn nicht mehr. Stattdessen besinne ich mich lieber auf das oben Gesagte und überlege, dass zwischen dem Durga und Curium tatsächlich eine Parallele besteht. Brause-Pritzeln und Iris-Holz. Das begründet gewiss kein enges Verwandtschaftsverhältnis, bloß einen Bezug. Im Charakter ist Curium durchweg kühler und distanzierter, während Italian Citrus saftiger und lebenslustiger daherkommt.
Um die Mittagszeit legt eine helle Moschus-Note nebst – denke ich – Ambrette eine cremende Schicht über den Duft. Hinfort wird es in meiner Wahrnehmung vornehmlich einfach stiller. Allenfalls mit Mühe, wahlweise Phantasie, kann ich in späteren Stunden dunklere Aspekte ausmachen, die auf eine Vetiver-Variation oder Benzoe zurückgehen mögen, doch im Kern wahrt [96Cm] Curium luftige Frische. Erst abends wandern die Mundwinkel Richtung Erdmittelpunkt, als eine muffig-kratzig-süßliche Baumarkt-Holznote ohne Iris verbleibt - was mich dann gar nicht mehr anmacht. Das ist indes zweifellos eine reine Unterlage. Sei’s drum, bis dahin gefällt alles.
Fazit: Sehr edel und elegant. Hätte mich nicht vor einiger Zeit der mediterran-augenzwinkernde Charme des Lebenskünstlers Italian Citrus begeistert, wüsste ich [96Cm] Curium wohl noch besser zu schätzen. So finde ich ihn „nur“ ziemlich gut.
Ich bedanke mich bei Ergoproxy für die Probe.
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