Unruh

"Knize Ten". Ein großer Alter. 90 Jahre hat er auf dem Buckel. Bestimmt ist er reformuliert worden. Sei's drum, mir gefällt er, wie er ist. Ich kenne und trage ihn seit 20 Jahren, seit meinen Zwanzigern. Es dauerte einige Zeit, bis wir miteinander warm geworden sind. Natürlich hat er Ecken und Kanten. Er ist kein Crowdpleaser, das will er auch gar nicht sein. Und das macht ihn so interessant!

"Knize Ten" bietet animalisches Leder, fein floral-würzig abgetupft. Er ist herb, unsüß, und lädt doch zum Kuscheln ein. Er ist laut, präsent, aber gleichzeitig feingeistig in seiner Komposition. Selbstverständlich maskulin, aber kein protzender Macho. Er wirkt wie aus der Zeit gefallen, nachvollziehbar, aber mehr Kontur, Strenge und Mut zum Anderssein hat noch niemandem geschadet. Er passt zum dreiteiligen Anzug genau wie zu Jeans und Harrington.

Vielleicht sagt das Umfeld, der Duft passt nicht zu dir. Zu große Altersunterschiede werden ja oft kritisch beäugt. Na und? Wenn dir "Knize Ten" gefällt, dann trage ihn. Du wirst an ihm wachsen.
Ja, er muss kennengelernt werden. Er ist nicht leicht zugänglich. Manchmal sperrt er sich, der Tag und die Stimmung müssen passen. Aber dann, wenn du Freund mit ihm geworden bist, dann bleibt er. Ein verlässlicher Begleiter.

Also traut euch, ihr, die Düften anhängen, die an Zutaten jedem Backrezept Konkurrenz machen, die profillosen Laborkonstrukten ohne Herz und Seele nachjagen, ihr, die den olfaktorischen Heilsversprechungen der türkisenen Konsumtempeln verfallen sind, jedem ambroxan-verfrischten oder oud-schwangerem Trend hinterherlaufend. Traut euch. Es lohnt sich! :-)

"Bijan Men" war ein Blindkauf, zum "Pour Lui" von Oscar de la Renta. Ich liebe klassisch maskuline Powerhouses, gleichzeitig vermeide ich meist Blindkäufe, aber zu dem Preis und angefixt von der Duftpyramide, da konnte ich nicht nein sagen... Und ich bereue nichts!

Wie riecht denn nun "Bijan Men"? Typisch für die Zeit sind die Duftnoten so dicht und kompakt verwoben, dass es schwer fällt, einzelne Komponenten zu identifizieren. Von Anfang an sehr präsent ist das seifige Eichenmoos, dazu gesellt sich die Würze von Rosmarin und Muskat, auch Sandelholz spielt nicht gerade verhalten mit. Ein Hauch Lavendel. Moschus und Patchouli? Joa, aber eher in der Basis und zurückhaltend.
Die einzelnen Ingredienzen müssen auch nicht einzeln errochen werden. Ihr Zusammenspiel ist es, die das vollumfängliche Dufterlebnis ergeben. Dicht, etwas laut und krawallig, aber dabei absolut harmonisch. Wie das Diagramm des Dufttyps passend darlegt, hier ist für jeden etwas dabei. "Bijan Men" ist für mich würzig, frisch, orientalisch, leicht ledrig-rauchig, grün, minmal erdig, durchaus animalisch, und er passt in jede Jahreszeit (abgesehen vom Hochsommer) zu jeder Gelegenheit - die titelgebende eierlegende Wollmilchsau!

...gut, der Flakon ist wirklich an der Grenze zur Lächerlichkeit. Der Glasbehälter mit Loch ist noch ok, aber diese überdimensionierte weiße Plastikkappe darauf geht gar nicht. So hässlich, dass es schon wieder cool ist. Egal, auf die inneren Werte kommt es an. Davon hat "Bijan Men" reichlich! Ich bin mehr als glücklich mit diesem Blindkauf.

Eigentlich wollte ich "Psychédelique" von Jovoy einem Langzeittest unterziehen. Der Griff in die Probenschale ging allerdings daneben. Es liegen genau zwei 10 ml-Zerstäuber aus Glas in der Probenschale. Beide etwa gleich voll. Und ich greife statt zum schönen Patchouliduft zu "Intoxicated", und ich Depp hab nicht nochmal auf das Etikett geschaut. Schön drei kräftige Sprühstöße auf Brust und Nacken. Gnaaa!

Nunja... Da ich schonmal dabei bin...
Aus dem Hause Kilian hatte ich schon einiges unter der Nase. Fast immer zu süß, zu schwülstig, aromatisch zu dicht. So auch "Intoxicated".
Ich mag Kardamom eigentlich sehr, vor allem im Winter. Hier wird das Gewürz allerdings komplett plattgewalzt vom Karamell und Kaffee (bzw. laut Inhaltsverzeichnis Mokka). Heraus kommt ein unglaublich süßer, leicht gewürzter Karamellkaffee, Stilrichtung Starbucks. Mit dem Extralöffel bzw. der Extraschütte Zucker, sonst kriegt das "Kaffeehaus" seine Plörre ja nicht verkauft.
Die Ähnlichkeit zu Muglers "A*Men" ist definitiv vorhanden, wie andere Kommentare erwähnen. "Intoxicated" riecht allerdings etwas hochwertiger. Für meine Nase aber nicht besser, diese gourmandige Süße ist mir zu viel, sie nervt mich einfach ungemein.

Für Jungs und Mädels im besten Diskoalter für die nächtliche Pirsch definitiv geeignet. Ich geh aber erstmal duschen...

Dank des Users Chizza bin ich an eine Probe dieses Dufts gekommen. Vielen Dank dafür!
Das Parfümhaus Nose kannte ich bis dahin nicht. Wenn ich mir die angebotenen Düfte und deren Ingredienzen anschauen, sieht das alles sehr solide aus. Nicht unbedingt spektakulär oder das Rad neu erfindend, aber das muss ja auch nicht immer sein...

Nun aber zum Duft. Die ausgeschriebenen Duftnoten sprechen mich schonmal sehr an. Ich liebe Walddüfte, vor allem, wenn sie mich in ätherisch-harzige Nadelwälder führen. Genau das bietet "Awake", er startet harzig-frisch, die Koniferen rieche ich deutlich. Sehr schön, mit dieser belebende Nadelwald-Frische erfüllt der Duft seine Namensgebung. Leider verlieren Tanne und Fichte nach einer Stunde an Kraft. Die Frische bleibt, rührt jetzt aber vom Moschus her, mit minimalen holzigen Einsprengseln. Moschus hält auf meiner Haut wahnsinnig lang, die Basis rieche ich auch noch am nächsten Tag deutlich.

"Awake" ist ein handwerklich solider Duft. Leider wird er mir nach der fantastischen Kopfnote zu monothematisch und bleibt zu linear. Ich hätte mir eine längere Nadelwald-Phase gewünscht, und nicht unbedingt Moschus in der Basis, das könnte "Awake" spannender machen. So geht es von harziger Frische schnell zur Moschusfrische ohne Überraschungen oder Abwechslung.

Iso-E-Super. Iso-E-Super... Iso-E-Super?

Vor kurzem hab ich mir das komplette Probenset aller Düfte von Escentric Molecules bestellt. Wunderschön verpackt, mit ganz viel Liebe zum Detail, inklusive eines kleinen "Handbuchs" mit Informationen zu den verwendeten Molekülen und Geza Schöns Inspirationen zu den Düften.

Inzwischen habe ich alle Düfte des Probensets mehrfach getestet. Aber "Molecule 01"... Dieser Duft ist ein einziges Fragezeichen. Viele Düfte begeistern mich von der ersten Duftnote an, manche muss ich erst lieben lernen, andere verspielen alle Punkte mit ihrem Herz oder ihrer Basis. Diesen hier kann ich nicht einordnen. An manchen Tagen ist er extrem präsent, an anderen Tag kaum wahrnehmbar, sehr oft umspielt er meine Nase flüchtig und subtil, wie die verblassende Erinnerung an einen Traum. Jeder nimmt ihn an mir anders wahr. Manche sagen pudrig-holzig, andere stechend synthetisch, wieder andere wie mein Körpergeruch nach einer Dusche oder frische Wäsche. "Molecule 01" riecht für mich definitiv synthetisch - normalerweise eine Duftrichtung, die ich meide, hier allerdings mit vielen zusätzlichen feinen Facetten. Sehr subtile Facetten, aber doch wahrnehmbar.

Ich kann einfach keine Benotung abgeben. Wahrscheinlich werde ich einen Flakon dieses ungewöhnlichen Dufts bestellen, hab nämlich noch etwas Kleingeld in der Sofaritze gefunden. Dann sehe ich weiter, vielleicht/hoffentlich erschließt sich mir "Molecule 01" mehr.