Anarlan

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11 - 15 von 27
Anarlan vor 5 Jahren 34 17
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Silence is so accurate
Wäre Mark Rothko nicht von seiner schweren depressiven Erkrankung zeitlebens gebeutelt und innerlich zerrissen worden, hätte er nicht als zehnjähriger Junge die Flucht mit seiner Familie vor antisemitischen Verfolgungen in die USA erleben müssen, wie hätte dann seine Malerei ausgesehen?
Diese Bilder, die ihn zu einem der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Farbfeldmalerei und des abstrakten Expressionismus gemacht haben: Hätte es in ihm überhaupt einen ausreichend starken neurotischen Antrieb gegeben, sie zu malen?
Bilder, die als dekorativ gemeinte Kunstdrucke, in nahezu allen Fällen mißverstanden, in jedem zweiten Behördenbüro hängen. Bilder, die im Original bisweilen mehrere Quadratmeter große vibrierende Farbräume bilden, düster, gewalttätig, aus denen das Licht heraus gesaugt wird und in denen sich eine allumfassende Dunkelheit breit macht. Die, so wollte es der Maler, in verdunkelten Räumen gehängt werden müssen, an die der Betrachter auf 45 cm Nähe herantreten soll, um deren verzweifelte Gefühlswelt - Drama, Tragödie, Schicksal - unmittelbar zu erfahren.
Wäre er ein froher, lebensbejahender Mann gewesen, dieser Mark Rothko, und seine Malerei der Zuversicht, nicht der Verzweiflung gedient, seine Bilder wären Räume aus horizontal gestapelter Lichterfülltheit geworden.
Ich stelle mir diese reduzierten Farbflächen eines seelisch gesünderen, frohen Rothko vor, schwebend, weiß, grau, grün, pastellig, Helligkeit, Stille und Hoffnung wie ein Sonnenaufgang, den man an einem nebeligen Morgen betrachtet, erzeugend.
Ich bin mir sicher: Es hätte diese Bilder nie gegeben.
Aber es gibt L´Original von Andrée Putman.

„Wenn ich L`Original trage, dann kann ich augenblicklich in mir ruhen, ganz egal, wie aufgewühlt oder bedrückt ich vorher war.“

Diese wunderbaren Worte stammen nicht von mir, aber sie beschreiben sehr treffend, wie dieser Duft wirkt. Ich sehe seine Farbschichten vor mir: Eine fast weiße Fläche, zentral, bestimmend. Weißer Pfeffer. Eine viel subtilere, präzisere Qualität als „pfeffrig scharf“, besser: aromatisch, fokussiert, definiert.
Ein weiterer Farbraum, grün, pastellig, frisch, schwebend: Koriander, er vermischt sich randwärts mit dem Pfeffer, bleibt aber eigenständig als grüne Qualität wahrnehmbar.
Im Hintergrund, im unteren Bildbereich, ein Grauton, Holz, welches auch immer, zurückgenommen, fest, matt, die Basis.
Die Farbflächen umgibt ein rosiger Schimmer, ein Hauch eines wässrigen unsüßen Blütendufts.
Ich weiß nicht, wie Seerosen riechen. Ich besitze eine, eingepflanzt in ein durchgesägtes wassergefülltes Whiskeyfass, um diese Jahreszeit im Winterschlaf, sie steht am Hauseingang und erfreut mich und unsere Besucher den ganzen Sommer über mit pastellig gelben Blüten. Einen Duft habe ich noch nie wahrgenommen, aber die Duftnoten-Bezeichnung „Seerose“, vielleicht auch eine Anspielung auf einen thematischen Dauerbrenner impressionistischer Malerei, passt, auch wenn es möglicherweise ein Phantasiegebilde ist, bestens.
Ich kenne sonst kaum einen Duft, der so reduziert, schlicht und edel eine derartige Wirkung von Stille und Fokussiertheit erzeugt. Ähnlich pastellig schwebend habe ich Gypsy Water in Erinnerung, hier allerdings ein kräftiges alkoholisches Wacholder-Blaugrün, darauf eine Fläche aus rosiger, pudriger Iris.
Gerade zu dieser Jahreszeit finde ich diesen Dufteindruck in seiner schlichten Eleganz und reduzierten Beiläufigkeit sehr ansprechend. Man hat sich an den ganzen lauten, harzigen, weihrauchigen, balsamischen Winterdüften, den opernhaft aufwändigen Kompositionen, die man so liebt, gerade vielleicht ein bisschen müde gerochen, und dieser Duft schickt einem eine wunderbare Vorahnung von Licht, Weite, Neubeginn, Sammlung.

„Silence is so accurate.“ - Mark Rothko

Ich danke Turandot für die Möglichkeit, diesen schönen Duft kennengelernt zu haben.
17 Antworten
Anarlan vor 5 Jahren 46 21
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Distanz und Verführung
Dioressence gehört einer Duftfamilie an, der bei oberflächlicher Betrachtung etwas Formelles, Distanziertes, vielleicht Nostalgisches anhaftet, wobei ich eher den Begriff der Zeitlosigkeit bevorzugen würde. Der Großzügigkeit der lieben Parfuma Antoine und einem glücklichen Zufall habe ich es zu verdanken, seit Kurzem im Besitz der ein- oder anderen Probe von Vintage-Versionen großer alter Chypres gekommen zu sein. Eine wunderbare Gelegenheit, einen symbolischen Kniefall vor einer der Säulen dieser Duftfamilie zu machen, in diesem Falle Dior´s „Dioressence“ in der nicht reformulierten Version, ich vermute aus den Achtzigern oder den frühen Neunzigern.
Die Charakteristika dieser Duftfamilie scheinen so gar nicht zu den derzeitig populären Geschmäckern des Mainstreams zu passen. Möglicherweise erleben gerade dann solche Düfte immer wieder ihre kleinen Renaissancen, wenn die Welt der synthetischen, süßen, oberflächlichen Nosecatcher sich wie ein Jahrmarktkarussell zu schnell um einen dreht.
Ich zähle mich, der geneigte Leser mag es erahnen, selber zu der Schar der Chypreonkel und -tanten. Und das war, ohne dass ich davon den geringsten Schimmer hatte, schon von Anbeginn meiner Begeisterung für Düfte der Fall und mir offenbar - von wem auch immer - in die Wiege gelegt worden. Meine erste und ewige Duftliebe ist ein klassischer Herrenchypre, und viele Düfte, die ich schätze, gehören in diese Kategorie.
Woran erkennt man sie nun, diese Duftfamilie, deren Name auf eine gleichnamige Kreation von Francois Coty aus dem Jahre 1917 zurück geht? Wie kann man das Charakteristische dieser Duftfamilie , für die ich stellvertretend Dioressence ausgesucht habe in Worte fassen? Diese Frage hat mich gleich zu Beginn meiner Zeit auf Parfumo umgetrieben, und es bedarf meiner Meinung nach einer anderen als einer nomenklatorischen Annäherung, wenn man versucht zu verstehen, was einen Chypre ausmacht.
Blickt man zum nächtlichen Sternenhimmel in einer wolkenlosen Nacht, so lässt sich seine Schönheit und das schier Überwältigende des Anblicks nicht damit ermessen, indem man die Sternbilder, die man sieht, namentlich benennt. Ähnlich verhält es sich mit Chypres. Die Bestandteile des zitrische Kopfes, des blumigen oder krautigen Herzens und der moosig-holzigen Basis nachzubeten beschreibt nicht den Kick im Solarplexus und das reizvolle Reiben in der Nase, wenn man einen vor sich hat.
Frei assoziiert, ergeben sich bei mir folgende Eindrücke: Chypres sind eher ernste, unliebliche Distanzwahrer. Betont wird eher das Formelle und Abstrakte des Duftbildes. Sie vermitteln das Gefühl von Sprödigkeit und Herbheit, die Klangfarbe eher Moll als Dur. Manchen großen Vertretern wie Mitsouko wohnt eine gewisse, manchmal fast herzzerreißende Melancholie inne, ohne dass ein einziger Duftbestandteil enthalten wäre, dem man diese Stimmung per se zuschreiben würde.
Man merkt, dass man es mit „Parfüm“ zu tun hat, nicht also mit „Geruch nach etwas“ oder einem Geruchsgemisch, das Natur- bzw. Umwelteindrücke nachzeichnen möchte. Es sind kunstvolle Kontruktionen, die zu einem unwahrscheinlichen und überraschend schönen Eindruck von Andersartigkeit, also anders als die Welt um uns herum, führen. Wem Farben helfen: Grün und Grautöne. Wer Natureindrücke bemühen möchte: Die Rauigkeit, die Moos und Flechten haben, wenn man darüber streicht. Wer eine Assoziation zu Kleidung braucht: Bügelfalte. Für Cineasten: Film noire. Lebensphase: Erwachsensein. Definitiv keine Kindheit und keine Jugend.
Kombiniert man sie mit anderen Duftkategorien, wie beispielsweise animalischen Noten oder orientalischen Gewürzen, können sich sehr reizvolle Kontraste aus der relativen Herbheit und Distanziertheit eines Chypre und sinnlicher, erotisierender Opulenz von Zibet, Bibergeil und Co. ergeben.
Dioressence besitzt all diese Charakteristika eines Chypre. Der zitrische Kopf aus Bergamotte wird schnell mit einer fruchtigen Orangennote und einem gewissen wächsernen Glanz durch fruchtige Aldehyde ummantelt, was dem Duft sofort eine gewisse Gewichtigkeit verleiht und klar macht: Das hier wird ein großer Auftritt. Eine gewisse moosige, grün-herbe Resolutheit ist sofort nach dem Aufsprühen vorhanden, ohne dass man wüsste, was diesen Eindruck erzeugt, es ist aber sofort klar: Das ist ein Chypre. Fast unmerklich entwickelt sich hieraus ein Potpourri aus wunderbar miteinander verflochtenen floralen Tönen, die kaum auseinander zu halten sind. Ich meine Nelken heraus zu riechen, wie die, die früher bei meiner Oma im Garten blühten, sehr lebendig und intensiv, hell, voller Licht. Die viel zitierte Seifigkeit ist nun da. Dem beigestellt ist ein orientalischer Sidekick aus Zimt, den man sehr gut wahrnimmt und der zusammen mit den ambrierten Benzoe-Tönen und der Vanille, welche in der Basis ihren Auftritt haben, aus Dioressence einen orientalen Chypre macht.
Die Basis, und hier spielt der Duft wie ich finde, seine beste und verführerischste Karte, ist eine wunderbar holzig-moosige, etwas verdunkelte Angelegenheit, sehr pudrig, leicht erdig-rauchig. Immer noch bereitet mir der Duft ein vernehmbares leichtes Reiben in der Nase, typisch Chypre halt. Spätestens jetzt würde ich ihn uneingeschränkt jedem Chypristen, Chyprioten, Chypriker und Chyprenen beiderlei Geschlechts vorbehaltlos empfehlen.
Ist der Duft für Männer geeignet? Ach, das lahme, unnötige Thema. Wem er zu weiblich ist, möge sein eigenes Y-Chromosom beisteuern. Funktioniert bestens!
21 Antworten
Anarlan vor 5 Jahren 34 12
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Der Fremde in meinem Bett
MAAI raubt mir den Schlaf.
Damit wäre für mich schon eine hinreichende Begründung zur Verfassung dieses Kommentars geliefert, da ich gerne mit einem Duft einschlafe, sparsam zur Nacht auf´s Handgelenk getupft, bevorzugterweise, wenn Lavendel darin enthalten ist. Alle glühenden Verehrer von Lavendeldüften mögen mir an dieser Stelle verzeihen, und nein, ich bin selbstverständlich nicht der Ansicht dass Caron p. u. H. et al. geruchliche Schlafmittel darstellen, ganz im Gegenteil.
Szenenwechsel.
Ich hatte mir den Test von MAAI eigens für´s seltene abendliche Alleinsein aufgehoben, splendid isolation, herrlich, die besten Momente, um sich ganz auf einen neuen Duft zu konzentrieren. Wissend, dass mich hier womöglich eine besonders intensive Dufterfahrung erwarten würde. Die dann dementsprechende Folgen hatte. Siehe weiter oben.
Es gibt hier erstaunlicherweise nur ein paar Kommentare zu diesem Duft, was seinen Eigenheiten und der geringen Verbreitung unter den Usern auf Parfumo geschuldet sein mag, diese wenigen Kommentare sprechen aber Bände und lassen vermuten, dass hier keine leichte Kost gereicht wird.
Der Duft verbreitet eine unerhört körperliche, strahlende, fast sexuelle Unmittelbarkeit. Abwaschen war dennoch an besagtem Abend in Klausur keine Option für mich, der Duft zu fordernd, meine Neugier und der Jagdinstinkt des Verstehenwollens zu stark gekitzelt, um es sein zu lassen. Ich habe ihn danach wiederholt getestet, immer sehr dosiert, Sillage und Haltbarkeit sind enorm, und langsam haben ich mich an ihn gewöhnt, sofern man sich an einen wilden Ozelot, der im Schlafzimmer sein Revier markiert, gewöhnen kann. Am nächsten Morgen war sie noch da, diese Präsenz einer fremden Körperlichkeit, ein Hauch von schmutzigen Laken, Luxus und Lasterhaftigkeit verströmend. Ein Glück, dass ich den Morgen dennoch für mich alleine hatte.
MAAI´s Zibet-durchdrungene, zunächst etwas anstrengende urinöse Animalik wird in einer Art präsentiert, bei der ich mir vorstelle, dass sie ähnlich und in Anklängen etwa in der Ursprungsversion mancher alter Guerlain-Klassiker zu Beginn des letzten Jahrhunderts präsent gewesen sein dürfte. Nur dass sich in MAAI eine moderne, sich der Ahnen, auf deren Schultern sie steht, gänzlich bewußte, dabei unendlich selbstsichere Erbin des Gedankens findet, die es nicht mehr als notwendig erachtet, ihren Sexappeal mit geruchlichen Feigen- oder Lavendelblättern zu bedecken, sondern lustvoll ganz sie selbst ist.
Der Duft balanciert seine Animalik von Beginn an mit einer moosigen, rauchigen Erdverbundenheit durch Eichenmoos und strahlenden, aldehydig auf Hochglanz polierten, luxuriösen floralen Noten, allen voran pralle, sinnliche, frische Tuberose und gleißend heller Jasmin. Dadurch wird die Pipinote nicht nur vor dem Abgleiten in´s Unappetitliche bewahrt, sondern Sophia-Loren-mäßig mit Erotik und praller unsüßer floraler Üppigkeit aufgeladen. Diese starke Präsenz bleibt über eine lange Zeit erhalten, wer das nicht zu (er-)tragen weiß, sollte sich von MAAI fern halten. Kraftvoll, klassisch orientiert, dabei jedoch trotz aller strotzenden Körperlichkeit selbstverständlich niemals vulgär, das muss man so erst mal darstellen können.
Die Basis ist wunderbar trocken, warm, holzig, moosig, die Animalik sinnlich, klar vorhanden, aber domestiziert und fernab von der Brünftigkeit eines Kouros. Wäre dieser Duft nur seine bildschöne Basis, er würde es sofort in meine Sammlung schaffen, wäre da nicht noch sein exorbitanter Preis.
MAAI ist ein animalischer, strahlender floraler Chypre in einer Machart, die mich sofort an Großkatzen, Perlenketten, nackte Haut, von der eine Pelzstola gleitet, luxuriöse, dabei stilvolle Lasterhaftigkeit denken lässt. Stark in seiner Aussagekraft, von ausgesprochener Parfümhaftigkeit, ein Duft für moderne, ihren klassischen Ahnen verpflichtete weibliche oder auch männliche Bombshells und Diven. Für mich als bekennender Chypre-Fan zu feminin, um ihn als Nutzer in Erwägung zu ziehen und in seiner Animalik zu anstrengend, von Männern allerdings dennoch tragbar, wenn sie gebührend exaltiert und exzentrisch sind. Dann wird MAAI aber möglicherweise, richtig dosiert, zu einer grandiosen Punktlandung.
12 Antworten
Anarlan vor 5 Jahren 9 5
2
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Alltagstaugliche Dunkelheit
Wäre ich einzig nach dem Flakon gegangen, der Duft wäre wohl in der Halloweenparty-Deko-Kiste gelandet. Und dort so schnell nicht wieder heraus gekommen. Auch der erste flüchtige Test hat mich den Duft zunächst in einer bestimmten Ecke ablegen und im Geiste schon als „OK, aber keine Offenbarung“ abhaken lassen: Süsslich-ledrig-würziger Rauch, mit abgeschmirgelten Kanten, auch tagsüber tragbar und für die Umwelt erträglich.
So gesehen nichts Unerhörtes.
Beim zweiten intensiveren Beschnüffeln war ich allerdings ob der Zusammenkunft unterschiedlichster Nuancen und der zwiespältigen Dunkelheit des Duftes doch vom schwarzen Herzen nachhaltig angetan.
Der generelle Dufteindruck ist zunächst recht finster, aber auf eine Wärme spendende, angenehme Art. So als befände man sich in der Nähe eines glimmenden, rauchenden, herunter gebrannten Feuers.
Mit einer kurzen, herb-zitrischen Eröffnung, die ein paar kräftige goldene Orangenspritzer serviert, wird eine gewisse würzige Süße angestimmt, die sich als Grundthema durch den weiteren Duftverlauf zieht und von weiteren Duftkomponenten aufgefangen und abgewandelt wird.
Nach ein paar Minuten beginnt einem jedoch zu dämmern, dass man nicht Limonade trinkend am Pfadfinder-Lagerfeuer sitzt, sondern möglicherweise gerade etwas Beunruhigenderes an diesem Feuer passiert sein könnte. Verantwortlich dafür ist das, was ich beim ersten Eindruck als brandigen, lederartigen, gummierten Geruch wahrgenommen habe, welcher das eher düstere Grundthema des Duftes bestimmt. Dieser entpuppt sich beim konzentrierten Hinriechen aber als rauchige, pfeffrig-zimtige Gewürzdröhnung.
Der Pfeffer-Zimt-Mix erinnert mich in seiner würzigen, süßlichen Schärfe an einen Kaugummi aus meiner Kinderzeit, Big Red hieß das Zeug. Es hat mir als Kind schon auf süchtig machend Art die Nebenhöhlen frei gepustet. Hier sorgt diese Mischung für ein authentisches Kratzen im Hals, ganz so, als würde man heissen Rauch einatmen. Eine mentholige Schärfe, die ich dem Eukalyptus zuschreibe, den ich aber als Duftkomponente nicht heraus zu filtern vermag, hält das Rauch-Brand-Thema im weiteren Verlauf aufrecht.
Der Duft wird von diesem dunklen, rauchigen Eindruck beherrscht und mit würziger, fast floral wirkender Süße untermalt. Kontrastiert wäre hier das falsche Wort, da sich die beiden scheinbar gegensätzlichen Charakteristika auf anziehende Art miteinander verbinden. Die würzig-süßliche Seite wird anfangs durch Orangenaromen angestimmt, schließlich vom Zimt übernommen, um am Ende dann in bizzelndem Sandelholz mit einem Hauch von angeschmortem Gummi ihren Abschluss zu finden. Der Duft wirkt so, als wären getrocknete Büten, Gewürze, aromatische Hölzer, Früchte (und ein kleines Fitzelchen alter Autoreifen) dem Feuer geopfert worden, was den Eindruck eines merkwürdigen Ritus, dem man beiwohnt, bestärkt.
Er vereint verschiedene Elemente wie Zitrik, Rauch, würzige Schärfe neben fast lieblich Floralem zu einer anziehenden, warmen und dennoch etwas beunruhigenden Mischung.
Dunkelheit, auf irritierende Art alltagstauglich.

Ich bedanke mich herzlich bei Kovex für die Probe.
5 Antworten
Anarlan vor 5 Jahren 26 10
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Chypre-Flugstunde
Nervosität.
Merkt aber keiner. Fliege heute alleine. Mache ich noch nicht so lange. Wird aber langsam routinierter. Bei den kleinen Propellermaschinen die ich in letzter Zeit geflogen bin waren ein paar ganz schön bockige Bretter dabei. Die eher mich geflogen sind, statt umgekehrt. Runtergekommen sind sie alle. Mit mir drin. Manchmal holperig. Aber ohne Bruchlandung. Man gewöhnt sich an vieles.
Wozu also die Aufregung?
Habe gehört, dass sich die Maschine, in die ich gleich einsteige, auf voller Flughöhe wie eine „Pour Monsieur“ verhält. Und die liebe ich. Eine meiner ersten Maschinen, in die ich mich setzen durfte. Alte Ingenieursschule. Keins von diesen grell bemalten modischen Plastikdingern mit eingebauter Minibar, in der Red Bull und Zuckerzeug rumliegen. Die Chanel hat eine 1a Höhenlage. Still und ruhig wie ein Bergsee im Frühling. Startet spritzig zitronig und stets bei bestem Wetter durch. Sobald man oben ist: Weitblick, Gleichmass, Chypre-Distanz. Wenn das hier heute auch so wird, kann soviel nicht schief gehen.
Also raus auf´s Rollfeld.
Die Maschine sieht uralt aus. Mist. Eine „Aéroplane“ Detaille. Noch nie gehört. Fliegt doch kein Mensch, so ein Ding. Ein Blick in den Motorraum beruhigt mich. Alte französische Ingenieurskunst. Grundsolide Technik, massive Bauteile. Sieht hochwertig aus. Könnte dennoch ein störrisches Flugverhalten an den Tag legen. Kratzig und holpernd wie eine alte Grammophonaufnahme.
Gleich werde ich´s erfahren.
Also Pilotenbrille auf, Schal festzurren. Kann rau werden da oben.
Ich starte die Maschine.
Die Startbahn entlang rollend, ist da Benzingeruch. Verdammt. Leckt der Treibstofftank? Ich kann mich schnell beruhigen, keine Warnanzeige, alles dicht. Ist bei einer bestimmten Art von Zitrik normal. Sagt Achilles. Die muss es wissen, die fliegt dauernd solche Kisten. Ist erst mal eine bestimmte Verdrahtung der Synapsen gelegt, riecht man dauernd Benzin bei bestimmten Zitrusnoten. Diesel. Kerosin. Öl. Kriegste nicht mehr raus.
Gut so.
Vor mir eine dunkle Wolkenschicht, sieht viel dunkler aus als bei den Sonntagsflügen mit meiner Pour Monsieur. Ich ziehe die Aéroplane hoch. Es geht durch eine dunkle Schicht Petitgrain und Bergamotte. Erwarte jetzt erste Turbulenzen. Aber die Aeroplane gleitet hindurch wie durch Öl. Gut macht sie das.
Die Sicht klärt sich langsam. Es wird zunehmend heller. Vertrautheit stellt sich ein, je weiter ich die Wolkenschicht unter mir lasse. Das, was jetzt kommen könnte, kenne ich.
Krautige Frische auf holzigen Tönen. Bei der Pour Monsieur kommt hier Kardamom in´s Spiel. Aber dann werde ich überrascht.
Je höher die Maschine steigt, desto klarer kommt Minze zum Tragen. Ich erkenne es sofort. Keine Kaugummi- oder Zahnpastaminze. Eher wie getrocknete Gartenminze. Krautiges Basilikum verleiht zusätzlich Auftrieb. Matte, herbe, maskuline Grünheit.
Wird ein traumhaft schöner Flug heute, ich spüre es.
Ich erreiche die endgültige Flughöhe. Und jetzt ist alles so, wie es sein soll. Die Weite des Horizonts, die Lichtfülle, Wolkenformationen, das Land weit unter mir. Eichenmoos, ein Hauch erdverbundene Patchouli-Wärme.
Distanz, Gleichmaß der Dinge. Chypre in Perfektion, von weit oben.

“The views were immensely wide. Everything that you saw made for greatness and freedom, and unequealled nobility.”

Mit flatterndem Schal und festgezurrter Pilotenbrille winke ich Achilles zu und bedanke mich für die Probe im Rahmen eines Nase-, Hirn- und Horizont-weitenden Wanderpakets.
10 Antworten
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