AnneSuse

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1 - 5 von 21
AnneSuse vor 9 Jahren 9 3
Walle! Walle!
Beim Duftdinner der Parfümerie Liebe war ich wider Erwarten doch höchst verblüfft (Parfumos kennen ja eigentlich alles und jedes *gg*), nämlich als Boccanera vorgestellt wurde. Nach dem Papier mußte er also auf die Haut, aber mein erster Eindruck blieb.

1. Boccanera gefällt mir, ein sehr schöner leicht ledriger Holz-Oud-Duft mit süßem Unterton. Leicht ruppig und rrr und hält und hält. Keine schlampige, hundertmal gerochene Basis, sondern er klingt einfach aus. Nix Künstliches. Eine runde Sache. Kann man kaufen, wenn einem der aufgerufene Preis nicht etwas zu ambitioniert ist.

2. Wenn sich die kopfnotige Heftig-Schokolade verzogen hat (für mich glücklicherweise tut sie das recht schnell) startet der Duft als Cuir Noir* und endet als Fortis Eau Delà*. Beides ebenfalls sehr schöne und gute Düfte, wobei Fortis bei mir das Rennen gemacht hat, es ist nicht so süß wie Cuir Noir und nicht so ruppig wie Black Oud/LM; alle drei auch sehr haltbar. Es ist keine leichte Ähnlichkeit, wenn ich es nicht gewußt hätte, hätte ich steif und fest behauptet, es wäre in der Herznote der eine, in der Basis der andere; nur der Schokoladenauftakt ist ein Alleinstellungsmerkmal. Die Nähe zu Black Afgano ist nicht von der Hand zu weisen, aber der ist dann doch ein ganz anderes Kaliber.
*: s.3.

3. Vielleicht hat Herrn Gualtieri ja dieser Zauberspruch geholfen:

Walle! walle!
Manche Strecke,
Daß zum Zwecke,
Schoko fließe,
Und, mit reichem vollem Schwalle,
Zu dem Dufte sich ergieße.
...
Wehe! wehe!
Beyde Theile *
Stehn, in Eile,
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir ach ihr hohen Mächte!
3 Antworten
AnneSuse vor 9 Jahren 23 4
Famam gusta
Famagusta ist eine Stadt an Zyperns östlicher Küste, die als Fischerdorf seit der Antike besteht und sich im Mittelalter zur reichsten Stadt des östlichen Mittelmeeres entwickelte.

Famagusta ist prickelnd-grün und elegant beblümelt - wie für mich gemacht! Ich liebe Chypres, ich liebe die Tiefe von Eichenmoos und ich liebe edle Seife.

Der Duft startet unsüß-grün, die florale Note untermalt und verhindert allzu Grasiges, dominiert aber nicht. Man merkt sofort: hier ist ein Chypre klassischer Manier.
Die Liebhaber des Eichenmooses kommen schnell auf ihre Kosten; es schon in der Herznote einzusetzen, ist eine geniale Idee. Meinem Dekolleté entsteigt nun der Scirocco – warm, füllig, mediterran. Dazu trägt auch die Tonkabohne bei, aber die levantinische Liebe zu Süßem ist nur ein kurzes Augenzwinkern - wie es sich für einen echten Chypre gehört.
Die Basis verstärkt vor allem den bisherigen Eindruck, keine Note dominiert oder wird unangenehm. Mit Patchouli stehe ich schnell auf Kriegsfuß, hier sorgt es nur für zusätzliche Tiefe und Volumen und ist kaum herauszuriechen *pfhüühglückgehabt*. Und es kommt zu meiner großen Freude eine wunderbar edle Seifennote zum Vorschein. Nicht scharf, nicht clean, eher ein bisschen dreckig. Und das alles bleibt und bleibt und bleibt …
An der Haltbarkeit gibt es nichts auszusetzen, der Duft dreht auch nicht ab in einen beliebigen Moschuseinheitsbrei, sondern behält seinen Charakter.
Danke an die beiden Parfumeure für dieses Duftgeschenk!

Der Flakon zeigt die gewohnte Schlichtheit mit dem Teil Zyperns, auf dem Famagusta liegt.

Auch einen Ferntest habe ich schon absolviert: Das Päckchen kam gerade an, als ich losfahren wollte, um mich mit Murmel zu treffen. Absender: Erik Kormann – ahhh, also schnell ab damit in die Handtasche. Da Murmel auch so eine Seifenliebhaberin ist, gab es zur legendären Schokolade in der Holländischen Kakaostube gleich einen olfaktorischen Kontrapunkt.
Ich kann nur sagen: großartig. Über den Tisch wehte mir immer wieder ein wunderbarer Hauch entgegen, vernehmlich, aber elegant-distinguiert. Keine Salonlöwin, eher ein Jaguar. Weder Clean-chic, noch Schleifen und Rüschen, nix Glattgebügeltes, sondern eine warme und ruhige, wie selbstverständliche Kraft.

Der Duft atmet das, was ich an klassischen, unkastrierten Chypres so liebe: die Fülle, die Tiefe und die Lebendigkeit.

Famam gusta - Koste die Tradition!
4 Antworten
AnneSuse vor 11 Jahren 15 8
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Frischschsch - auch bei 35 Grad
Mein Liebling, wenn es heiß ist - eine hesperidische Explosion, unsüß und kräftig-erfrischend.

Eau de Rochas ist kein EdC, sondern ein EdT und kein laues Lüftchen. Aber laßt Euch bloß nicht von den Noten in Herz und Basis abschrecken: hier kommt kein heftiger, orientalisch ausklingender Blumenkracher. Und absolut zeitlos, ich finde es einzigartig unter den frischen Düften.

Die Kopfnote hält bei mir ewig durch, die Herznote rundet die Kopfnoten ab und macht sie tiefer und breiter, da kommt weder ein muffiger Keller noch eine Gewürzblumenbombe. Die Basis dient dann ein wenig der Erdung, ist aber nicht mehr lange da. Nach drei Stunden hat sich Eau de Rochas nämlich verabschiedet, aber das stört mich nicht, im Gegenteil: dann kann ich wieder dieseln und alles von vorne geniessen! Ohne Kopfschmerzgefahr.

Apropos dieseln: MUSS sein, belästigt aber die Umgebung nicht. Bei dem Preis auch völlig unschädlich für´s Portemonnaie.
Ich glaube, Duschgel und Körperlotion schaue ich mir mal genauer an ;-)

Der Flakon ist übrigens absolut passend und wunderschön: er sieht aus wie kühles Eis.

Ein wirkliches Parfüm. Kein Erfrischungswässerchen, sondern frisch. Also sozusagen ein opulentes EdC.
Klare Empfehlung für diese heißen Tage!
.
8 Antworten
AnneSuse vor 11 Jahren 11 3
Wenn Du mir nah kommst ...
Lyn Harris stößt von der ersten Sekunde an mit diesem Duft die Tür in eine besondere Welt auf.
Nicht in den Orient, sondern in die Salons der modernen Frau vor einhundert Jahren - um uns das pralle Leben auch im dritten Jahrtausend schmackhaft zu machen.
So war denn meine erste Reaktion: Du duftest wie Habanita, ein bischen wie L´Heure Bleue, Shem-el-Nessim oder Geisha Noire. Kräftiger Jasmin (eine Hauptnote von Anfang bis Ende) mit Rose abgestimmt und auf dem Ambertrip. Die Herznote intensiviert mit allerlei Drumzu den Start. Und dann klingt die Komposition langsam ab, auch der Jasmin reiht sich ein, obwohl er klar erkennbar bleibt. Der Duft zieht sich fast unverändert regelrecht an die Trägerin zurück, dieser kontemporäre Wandel kommt für mich unerwartet, hat aber etwas ganz Persönliches: ich weiß, dass es da ist, das Wilde und Sinnliche, aber ich trage es nicht vor mir her. Es ist nicht mein Geheimnis, aber man muss mir schon nah sein, um es wahrzunehmen.

Oriental - genau das ist dieser Duft. Fleur auch, ohne jedoch ein Floriental zu sein und ein blumiger Duft ist er schon gar nicht.
Die Kombination dieser Duftnoten verheißt dem geneigten Parfumo in 90% aller Fälle ein opulentes Dufterlebnis. Zum Beispiel: Habanita ist vollblumiger und dreht ins dunkel-dreckige; bei L'Heure Bleue haut anfänglich Neroli rein, er ist gewürziger und grüner. Diese Kombi hat in den Achtigern hervorgebracht: Quelques Fleurs L'Original, das ist viiiel blumiger; Escada Original, Balahé und Joop Berlin waren auch sehr blumig, hatten von allem richtig viel und noch Holz dazu. Dezente davon gibt es kaum, vielleicht Seathalasso, der versteckt diese Noten hinter Zitrisch-cremigem.

Wer also diese Duftnoten und Duftrichtung mag, wobei ihm die "alten" Kaliber zu heftig sind: TESTEN! Hier ist ein Duft, der in dezentere Zeiten paßt und den Namen Parfum verdient. Wem auch hier der Anfang zu heftig ist: genießen, die Stimmung aufnehmen und sich überstreifen. Bis der Weg zum Termin/Date geschafft ist, ist er augenzwinkernd nur bei Dir.

Danke an WRoth, der Weg der Probe aus dem frühlingshaften Südtirol zu mir hat sich gelohnt!

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3 Antworten
AnneSuse vor 11 Jahren 7 3
Barfuß
Weder im Regen noch im Park, sondern weil der mir schon in der ersten Sekunde die Schuhe ausgezogen hat.

Zuerst haut´s mir sehr scharf-gewürzig-kratzig um die Ohren. Dann wird es etwas dezenter und eine angenehme Rose kommt dazu, der Jasmin bleibt für mich sehr im Hintergrund. Da fällt mir plötzlich eine Wagenladung Hölzer auf den Kopf. Diese Hölzer in Verbindung mit den Iriswurzelresten überdecken alles, besonders das Oud in Kopfschmerzstärke. Ich rieche nix anderes mehr und das für Stunden, eine weitere Entwicklung hat er bei mir nicht. Jetzt, nach 30 Stunden, mehrfachem Waschen und einmal duschen, sind immer noch diese Holzreste auf meinem Arm. Und eine leicht scharfe Schweißnote ist nicht vom Arm, äh von der Hand zu weisen. Hat aber durchaus etwas Erotisches - wenn ich es an jemand anderem rieche.

Ich bin ja nicht für meine Vorliebe für laue Lüftchen bekannt, aber hier habe ich einen Meister gefunden und gebe mich geschlagen. Bewerten mag ich ihn deshalb nicht, ich wäre gewiß ungerecht.

Wie unterschiedlich allerdings die Duftwahrnehmung ist, zeigt die Reaktion meiner Lieben: mein Mann meinte, er sei blumig-rosig und gar nicht stark. Meine Tochter findet ihn sogar recht frisch-blumig. Was soll man dazu sagen?
Einfach testen.

Besonders die Holz- und Oudliebhaber werden ihre Freude haben, sie werden hier bestens bedient. Gut geeignet für einen großen Auftritt am Abend. Vielleicht auch mit einem halben Sprühstoss am Tag.

An einem Herrn kann ich ihn mir sehr gut und passend vorstellen, da würde er mir sicher gefallen.
3 Antworten
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