Daisydarling

Daisydarling

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1 - 5 von 13
Daisydarling vor 1 Jahr 34 10
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Hopelessly devoted
Wir reisen in ein Jahr zurück, in dem Petticoats in Mode sind, Elvis Presley und Pat Boone die Charts beherrschen, Lippenstift und Puder in Bakelit-Handtaschen aufbewahrt werden und man sich für Parties und Events so richtig aufbrezelt. Im Jahr 1957 erhält Coco Chanel den Neiman Marcus Fashion Award. In Amerika wird sie dafür gefeiert und hoch geehrt. Dieser Duft ist der Berühmtheit, die sie in dieser Zeit erfahren hat, gewidmet.

Insbesondere den Punkt "aufbrezeln" möchte ich in dieser Rezension aufgreifen - das Zurechtmachen für ganz besondere Gelegenheiten. Man kennt die alten Fotos aus dem Internet oder von der Familie. Ausladende Kleider, viel Tüll und Taft für die Jüngeren (das kratzt!) und Seide, Brokat oder ähnliche Stoffe für die erwachsenen Frauen. Das Haarspray, der schwere Duft von Puder und die Nylonstrümpfe, die auf keinen Fall fehlen dürfen. Der Schallplattenspieler knistert im Hintergrund. Es klingelt, ist es die Verabredung für den Abschlussball oder die Verwandschaft für einen Geburtstag?

Spritzige, glasklare Bergamotte wird aufgefangen von sanftem Moschus, der wie eine herrlich teure Körperlotion duftet. Honig und Iris, hell und leuchtend wie warme Sonnenstrahlen, gesellen sich dazu. Das Puder ist eine Erinnerung, die keineswegs den Traum stört oder zu sehr an die unliebsame Großmutter erinnert. Der Duft macht keinen großen Duftverlauf durch, ist ein konstantes Anklopfen der eingerahmten schwarz-weiß Fotos in den Glasschränken unserer Verwandten. Man schließt den Duft gerne in die Arme, man wirkt gepflegt und angenehm feminin, nie aufdringlich streng (wie Chanel ja gerne mal sein kann) oder sogar pappsüß und klebrig. Moschus harmoniert wunderbar mit dem Honig, genau so möchte ich für den Rest meines Lebens duften!

Kein Duft, aber auch wirklich *kein* Duft fängt diese Ästethik, diese uneingeschränkte Dedikation zu Mode und Schönheit besser ein als Chanel 1957. Dies ist kein Duft für jemanden, der diese Sachen nicht wertschätzt. Kein Duft spiegelt das nostalgische Idealbild der 1950er Jahre so akkurat wider und ist dabei gleichzeitig kein altbackener Abklatsch oder 4711-Keule. Es ist ein Meisterwerk der Komposition aus zeitloser Klassik und femininer Eleganz.

Dies ist ein Duft für die Frau, die sich gerne mit Stolz schick anzieht, aber keineswegs borniert oder hochnäsig ist. Dies ist der Duft, der das komplette Outfit - egal ob Teller- oder Bleistiftrock, Bluse oder Tweed-Kostüm - vollstens abrunden und den femininen Charme einer jeden Trägerin doppelt unterstreicht. Wenn der Rock besonders gut zum Oberteil passt, man einen tollen neuen Lippenstift gefunden hat, dann 1957 zu tragen - es gibt für mich kein schöneres Gefühl. Dann möchte ich schreien “Ich liebe es, mich so kleiden zu dürfen. Ich liebe es, eine Frau zu sein. Ich liebe es, feminin zu sein!”

Chanel hat hier meinen absoluten Traumduft geschaffen. Seit über 5 Jahren bin ich den 1950er Jahre verfallen - seit 3 Jahren laufe ich auch so im Alltag bei Wind und Wetter herum (minus die aufwendigen Frisuren und Lippenstift - sorry)
Zu meinen Lieblingsfilmen gehören Zurück in die Zukunft und Grease. In meinem Kleiderschrank hängen Kleider und Röcke.
Neben den vielen schlechten Dingen, die in den 1950er Jahren auf der Welt passiert sind, ist dieser Duft ein Lichtblick und eine willkommene Erinnerung an vergangene Zeiten, die ich auf alten Fotos lächelnd wiederfinde. Nicht umsonst ist 1957 mein Signaturduft.

Wie Elvis Presley mit “Can’t Help Falling In Love”, die Poni-Tails mit “Born Too Late” oder Olivia Newton-John als Sandy mit “Hopelessly Devoted To You” vermitteln - Ich liebe dich, du bist so weit entfernt, aber ohne dich geht’s nicht.
10 Antworten
Daisydarling vor 2 Jahren 10 3
8
Flakon
6
Sillage
9
Haltbarkeit
2.5
Duft
Erwartungen an eine Meerjungfrau
Huch, was ist denn hier passiert? – So könnte es klingen, wenn man nach einem fetten Nordseesturm zum ersten Mal wieder aus dem Fenster schaut. Oder eben "Sirenis - Eaux des Bermudes | Liquides Imaginaires" testet.
Der ganze Vorgarten ist nass, überall schwimmen Algen herum und das Wasser ist definitiv nicht mehr ganz frisch gewesen. Im Briefkasten steckt ein Stückchen Treibholz, es ist übersäht von grünem Moos. Mitten im Holz steckt ein (zum Glück) noch lesbarer Zettel: „Heute Nacht im Hafen, bei den Docks“

Na gut, ich lasse mich drauf ein. Sirenis wirkt auf mich.

Der Vollmond scheint hell über dem kleinen Hafen, wo ich mich jetzt neugierig umschaue. Ich laufe weiter: Abgestandenes Salzwasser mit einer komischen Seealgen-Note schlägt mir ins Gesicht, aber ich akzeptiere es. Wir sind doch hier nicht bei Chanel?!

Diverse Holzboote wippen knarzend auf dem Wasser, jetzt im abgelegenen Teil des Hafens. Direkt an den Docks angekommen, weht endlich mal eine frische Meeresbriese, daraufhin „dongt“ eine Boje auf dem Meer vor mir. Jemand sagt meinen Namen und ich blicke überrascht in das Gesicht einer im Wasser versunkenen Frau. Ich beuge mich herunter, ihr leicht süßlicher Geruch vermischt sich mit der Salzlauge, in der sie badet. „Es ist Vollmond“ sagt die Frau – es ist eine Meerjungfrau. „Willst du nicht eine von uns werden?“ säuselt sie und fügt hinzu: „Es ist so schön im Wasser, hier im Hafen“

Kurz überlege ich, schätze Vor- und Nachteile sorgsam ab. Sage ich ja? Erster Gedanke: Ja! Dann schreit eine nachtaktive Möwe. Ich besinne mich und schaue auf meine Beine: „Du, Sirenis, ich weiß nicht. Das Konzept ist total toll, keine Frage. Und ich hab‘ mich auch auf dich eingelassen, siehst du ja. Aber so ganz überzeugst du mich nicht. Die Nordsee ist mir ein bisschen zu kalt und herb, außerdem gibt es doch schönere Ecken als dieser alte Hafen? Hier gibt’s nur Holz, Algen und salziges Wasser. Das ist gar nicht, was ich mir so unter ‚Meerjungfrau‘ vorgestellt habe“

Das mag Sirenis anscheinend gar nicht. Ihr Geruch bleibt eine lange Zeit in meiner Nase und weht ab und zu mal an mir vorbei. Lag es an mir, hatte ich zu hohe Erwartungen?

Ich wollte doch schon immer eine Meerjungfrau sein!
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Fazit: Ein (rein vom ästhetischen Grundgedanken) getroffener Duft. Dreckiges Salzwasser, grüne Algen und Moos, sowie nasses Holz. Zwischendrin mal wieder ein bisschen „Klarheit“ in Form von den blumigen Noten und ein bisschen Moschus.
Und jetzt kommt das große „Aber“: Absolut nicht tragbar. Außer man(n) arbeitet am Hafen? Ich sehe den Duft (wenn überhaupt!) eher an einem Mann. Insgesamt bin ich ein bisschen (sehr) enttäuscht vom Duftcharakter, aber nicht von der Haltbarkeit. Zu meinem Leid blieb der Duft einen ganzen Tag auf der Haut, ich habe ihn immer mal wieder leicht wahrgenommen.

Es ist tatsächlich schade, ich hatte mich sehr auf "Sirenis - Eaux des Bermudes | Liquides Imaginaires" gefreut, genau so wie "Navis - Eaux des Bermudes | Liquides Imaginaires" und "Abyssis - Eaux des Bermudes | Liquides Imaginaires" , hier konnte ich aber keine Probe ergattern. Nachdem ich jedoch die Statements zu den beiden anderen Düften aus der Kollektion gelesen habe, denke ich, ich bleibe lieber „auf festem Boden“ und wage mich nicht auf hohe See hinaus.

PS: Während des Tests schwankten meine Gedanken von „Den MUSS ich haben“ zu Brechreiz :D
3 Antworten
Daisydarling vor 2 Jahren 11 3
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Jeder Tag endet in der Nacht
Zuerst jedoch beginnt die Nacht als Morgen und die Schallplatte wird aufgelegt – „Days Of Future Passed“, ein Album von den Moody Blues aus dem Jahr 1967.

Wir beginnen den Tag mit weißen Blüten in weißer Bettwäsche, die das Haus anmutig duften lässt. „The Day Begins“, „Dawn is a Feeling“ und „Another Morning“ lassen uns tanzen, mal märchenhaft verspielt mit Tuberose und Jasmin, mal Ballett mit Osmanthus und dann wieder ausgelassen mit allen drei, wenn es auf den Mittag zugeht. Die Sonne scheint hell und warm durchs Fenster.

Da kommt uns auch schon die Herznoten entgehen gerannt. Wie gut sie doch zusammenpassen! In der Mittagspause gehen wir spazieren zu „Peak Hour“ hinter den blumig wachsenden Rosenbüschen entlang, bis es Nachmittag wird und uns „The Afternoon“ das Heimkehren zur freundlichen Vanille und Narzisse versüßt.

Am Abend begegnen wir den Basisnoten, wie sie zu „Evening“ der Sonne hinterherschauen. Das Zusammenspiel der weißen Blüten findet sein Ende und lässt die unglaublich weiche, seidige Kombination der Basisnoten zurück – die alle perfekt zu „The Night“ (auch genannt „Nights In White Satin“) verschmelzen. Als hätten wir uns den ganzen Tag auf die Nacht vorbereitet.
Die kühle Satinbettwäsche empfängt uns und passt sich langsam unserer Körpertemperatur an. Das Fenster steht offen und das weiße Satinkleid flattert leise im Wind. Unter vollmondartigen Gedankengängen fällt uns das Haar ins Gesicht, während die weiche Satinbettwäsche allein uns nicht tröstet. Haben wir uns tatsächlich verliebt? Nach einer Nacht war er doch schon wieder weg! Und dabei sah er doch so gut aus. Das ist doch jetzt auch schon wieder ewig her...

Gedankenverloren summen wir den Text zu „Long Summer Days“ – Take me back, I’ve got time, take me back and let me start again. So stehen wir eine ganze Weile am Fenster, wie es scheint, denn die gute Seele unserer Hausverwaltung (Rosi) bringt uns mit „Please Think About It“ wieder auf den Boden der Tatsachen:

„Ne, komm, echt jetzt. Es ist nur ein Parfüm…“

„Aber es passt doch so gut zu dem Album, die ganzen Tageszeiten und die Songs dazu, die Zeitlosigkeit des Duftes. Wie schön feminin er ist. Rosi, verstehst du das denn nicht?“

„Du vergleichst hier Äpfel mit Birnen. Und nun geh in deiner Satinbettwäsche schlafen, Kind“
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Daisydarling vor 2 Jahren
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Herz aus Kupfer
Indices verwendet in A.I. In Love eine Note, die unüblich ist: Kupfer.
Kupfer gilt als relativ weiches, formbares Metall. In der Alchemie galt Kupfer als Motiv der Weiblichkeit, wer sich das alchemistische Zeichen von Kupfer anschaut, wird das altbekannte “Weiblich”-Zeichen wiedererkennen.

Die Verbindung von Kupfer und (kühler) Weiblichkeit ist A.I. In Love. Wobei “kühl” und “weiblich” eigentlich auch schon wieder ein Widerspruch ist. Aber schauen wir mehr auf die Duftnoten:

Den Duft habe ich in einem Statement als “metallisch rein” bezeichnet, wie ein SciFi Weichspüler. Das kann ich nach längerem Testen erneut bestätigen und finde gefallen daran. Überraschungen bleiben dem Duftverlauf fern: Alle Noten bleiben durchgängig bestehen. Die blumigen Komponenten, insbesondere Veilchen, verleihen dem Duft eben diese kühle Weiblichkeit. Moschus rundet alles ab, was soll ich sagen: Moschus geht immer!
Weißer Moschus hat mir auch schon gut in "The Muse | Zarkoperfume" gefallen - ebenfalls ein Wäscheduft.
Die Haltbarkeit ist gut (auf Kleidung ewig), man nimmt den Duft immer mal wieder in der Nase war, die Sillage ist okay.

Wir befinden uns – laut Indices – ja hier in einer “Cyberpunk”-Welt (nicht verwechseln mit dem Videospiel), die Grenze zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz verschwimmt. Diese "kühle Weiblichkeit" bezieht sich auf eben diese Welt. Eine ganze Ästhetik, eine ganze Ära der “Science Fiction Hochkonjunktur” wird in diesem Duft festgehalten: Chromfarbene Roboter, die sich mit Menschen anfreunden. Das Konzept Zeit und (Welt-)raum. Erforschung des Alls, technischer Fortschritt, eine perfektionistisch-futuristische Welt, künstliche Intelligenz, die liebt.

Letzteres zeigt uns Indices mit einer netten Story zu A.I. In Love auf der Webseite der Marke (geschrieben von Hubert Alexandre):
Janus, ein reicher Hacker, treibt sich seit Jahren im “Network” herum, immer auf der Suche nach geldbringenden Informationen. All sein Geld gibt er für neuronale Implantate, Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten und Hightech-Geräte aus. In seiner virtuellen “Karriere”, die manchmal auch kriminell wird, verliert er sich – und gleichzeitig ist diese Welt der “elektronischen Abstraktionen” die einzige, in der er ein wenig Freude findet. Dabei ist er auf dutzende A.I.s gestoßen, die seelenlos ihre Aufgabe erfüllen...
Aber “sie” ist anders. “Sie” beobachtet ihn schon eine Weile. Dann nimmt “sie” Kontakt zu Janus auf. Eine Zärtlichkeit liegt in “ihrer” virtuellen “Stimme”, die ihm das Gefühl gibt, endlich, endlich geliebt zu werden.

Indices gibt sich hier wahnsinnig Mühe – das erkennt man auch am Flakon, der mit einer süßen Illustration versehen ist – vermutlich von Janus und “ihr”, der weiblichen A.I.

Wieder auf Planet Erde:
Wer ist diese “Sie” im Alltag? Vermutlich du und ich. Die SciFi-Begeisterten, die Wäschepuler-Entusiasten, die, die trotz dieser virtuellen, digitalisierten, kühlen Welt Zärtlichkeit austrahlen.

Die “Sie” im Alltag hat ein Herz aus Kupfer. Weich, formbar, weiblich, ein wahres Edelmetall.

Diese Rezension möchte ich mit einer Songempfehlung aus den 1980ern abschließen:
“Yours Truly, 2095” von Electric Light Orchestra

PS: Auch männliche SciFi-Waschmittel-Enthusiasten können sich ihre eigene chromfarbene Kupferherz-Story mit A.I. In Love schreiben. Vielleicht ist es dann Jana, die Hackerin?
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Daisydarling vor 2 Jahren 55 5
9
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Die Bibliothekarin
Oxford, 1997: Pfeffer kommt immer am Morgen, direkt wenn die Bibliothek öffnet. Er bleibt aber nicht lange, leiht sich nur ein Buch aus und geht dann wieder, wie immer. Orangenblüte hingegen bleibt sogar ein bisschen, sie unterhält sich kurz mit der Bibliothekarin und schreibt am großen Fenster noch einen Brief mit ihrer makellosen Handschrift.

Gegen Mittag kommt Mrs. Tonkabohne mit ihren beiden Kindern Siam-Benzoe und Cypriol daher, sie schlafen aber in ihrem Kinderwagen und werden die Bibliothekarin nicht bei ihrer Arbeit stören, Glück gehabt. Seit Siam-Benzoe laufen kann, ist das ein echtes Problem.

Die hölzernen Zedernstühle im Saal und die vergilbten Seiten der 20 Jahre alten Bücher leuchten im Abendrot, und wenn die Sonne untergeht, erhellen Wachskerzen den Saal. Ja, ja, Brandschutz! Aber die Bibliothekarin passt doch auf.
Gegen Ende ihrer Arbeitszeit findet sie Mr. Vanille Absolue umringt von Büchern. Seine Brille hängt ihm schief auf der Nase und genau das findet sie so süß. Er hat einen trockenen Humor und ist von Beruf Tischler - was ein Zufall. Er bewundert die feinen Zedernmöbel und die Wachskerzen im Saal. "Ich denke, ich verweile noch" sagt er und lächelt die Bibliothekarin an. Gerne könnte er für immer bleiben.

Tatsächlich habe ich in Erwägung gezogen, selbst Bibliothekarin zu werden. Am Ende bin ich Buchhändlerin geworden.

Die trockene, hölzern-süße Vanillebasis lässt mich davon träumen, wie es wäre, in einer vergangenen Zeit (ohne Computer!) in einer Bibliothek zu arbeiten. "Whispers in the Library" wirkt nicht antiquarisch, wirkt nicht wie ein staubtrockenes Buch vom Dachboden. Hier kümmert sich jemand mit Herzblut um die Bücher!
In diesem Parfum finde ich Bestätigung, dass dieser Beruf noch immer wichtig ist, neben den ganzen Influencern dieser Welt.

Lang lebe das Buch! Möge es niemals von der Digitalisierung abgedrängt werden.
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