Davide

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Davide vor 10 Monaten 3
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Duft
Zeitlos, oder durchsetzungsstark?
Kennst du diesen Moment, wenn du auf einer Party hörst, wie der DJ einen Übergang macht und du erkennst „Narcotic“ (Liquido) am Keyboardklang?

Weißt du, was ich meine, wenn du diese Melodie hörst und du genau weißt, dass das weder Gesang, noch Gitarre, noch Schlagzeug ist, sondern auf jeden Fall dieses ganz besondere Keyboard? Es gibt noch ein anderes Beispiel. Der DJ macht einen Übergang und du hörst, dass es „Jump“ (Van Halen) ist. Weißt du, was ich meine, wenn du es wieder einmal an diesem ganz speziellen Keyboard-Klang erkennst?

Plötzlich geht es weder um dich, noch um jemand anderen. Es geht um den Funken, der gerade bei allen überspringt. Dann folgt Bewegung und es ist aus mit der Langeweile.

Manchmal ist das auch mit Düften so. Es dauert nur Millisekunden und du erkennst, sie sind da, sie schneiden durch die Luft wie diese Keyboardklänge. Sie sind unersetzlich, sie sind unnachahmlich. Durchsetzungsstark = präsent. Für Kenner heißt das „gut“.

Nach diesen Millisekunden ist die ganze Aufmerksamkeit aller Menschen auf diese Düfte gerichtet, genauso wie die Aufmerksamkeit aller Menschen auf „Jump“ gerichtet ist, oder auf „Narcotic“. Ein paar Millisekunden später beginnen dann die Jubelrufe.

Die Unkenrufe von wegen „Penetranz“ verschwinden in einem Partyinferno aus Mitsummen und -singen. Da lag wohl etwas Überzeugendes in der Luft und jedes Mal genießen DJs diesen Moment. Überzeugung kann mitreißen.

Hey, man könnte sagen, die beiden Songs sind eben zeitlos, oder manche Düfte, wie zum Beispiel „L‘ Homme“ sind es auch. Es gibt etliche Gründe, warum man das sagen darf.

Tatsächlich aber spielt für mich die etwaige Zeitlosigkeit bei diesem Duft keine Rolle. Vielmehr: dieser Duft hat unglaubliche Durchsetzungsstärke.

Man kann das ja mal testen. Dazu sprüht man einfach 10 der heute angesagten Zitrusdüfte auf Papier. Einen „L‘ Homme“-Streifen legt man daneben.

Welcher dieser Düfte setzt sich durch?

Test zwei ist historischer und ausgewählter: Man vergleicht…
- Habit Rouge edP
- L‘eau D‘issey pH
- YSL pH
- Versace L‘Homme

Was bleibt? Wahrscheinlich alle. Was aber setzt sich durch?

Und mit ähnlichen Absichten gingen auch die Komponisten bei Van Halen vor und bei Liquido: Man hatte mehr als zehn Keyboardklänge und einen, der sich durchsetzt. Diese Erkennbarkeit ist der Garant des Erfolgs. Von den anderen war ebenso klar, dass sie bleiben werden.

In den achtziger Jahren wurden aus diesem Grund etliche Keyboards eingesetzt. Der Gitarrenklänge war man schon überdrüssig, da musste etwas Frisches her. „Jump“ erschien, so wie „L‘Homme“ im Jahr „1984“ und so heißt auch das gleichnamige Album der Band.

Sowohl das Lied, als auch der Duft wurden zu einem All-time-great. Die Betonung liegt auf GREAT und, wie schon gesagt, weniger auf All-time. Es geht um Power, um den so genannten „Lead-Sound“. Klar war das synthetisch: Diese Keyboards hießen Synthesizer. Und in der Duftwelt wurde nach ebenso knalligen Ästhetiken gesucht.

Das Keyboard beginnt das Stück und so beginnt auch „L’ Homme“ (der Mann) den Tanz. Vielleicht mit einem Sprung, vielleicht mit einem narkotisierend-souveränen Blick. Das ist gar nicht gendertypisch gemeint: Bei Nenas „99 Luftballons“ passiert das auch. Der Funke springt über.

100 Menschen egal welchen Geschlechts tragen Zitrusdüfte. Ein Mensch trägt „L‘Homme“ und damit den Präsenzpokal.

Schnell ist entschieden, woran wir uns am deutlichsten erinnern werden. In der Psychologie heißt das „primacy effect“. Der erste Eindruck zählt. Es ist also die „Lead-Quality“ sowohl des Klangs, als auch des Dufts, was ich aus 1984 liebe und meiner Meinung nach wird die noch Jahrhunderte nachwirken und das hat weniger mit Zeitlosigkeit zu tun, als mit einem ordentlichen Anspruch an ein Parfum mit Signature-Qualität und Charakter.

Hier ist es.

Guess what? Mein Keyboardlehrer trug es noch Mitte der 90er und somit versetzt es mich immer wieder in den Moment zurück, als ich auf meinem mitgebrachten Synthesizer zum ersten Mal „Jump“ lernte. Mit dem Originalsound - versteht sich.

Update 1:

Duft:

Kopfnote: Eine herbe, vom italienischen Zitronenbaum gepflückte Zitrone in deiner Hand, du reibst an der Schale und riechst das Zitronenöl in der Luft. Ehrlich gesagt tun mir Menschen leid, die Zitrone nur synthetisch-chemisch assoziieren können und nur aus Badezimmer-Mitteln kennen. Chanel Homme Sport Edition Blanche z.B. ist tatsächlich viel künstlicher. Hier liegt noch mehr echte Zitrussäure in der Luft und kein Zitronenkuchenteig mit Vanillin. Es geht hier nicht um Gefälligkeit, sondern eine durchsetzbare und klare Richtung.

Duft:

Herznote: Die Kopfnote ballert powerhouse-typisch weiter, während auch italienische, herbe Gewürze dazukommen. Eine dezent verborgene Ledernote bleibt im Hintergrund und ein holzig-würziger Vibe kommt dazu, leichte Seifigkeit. Erst jetzt entsteht eine Ästhetik, die durch eine gewisse Kälte auch unerreichbar wirken lässt. Diese herbe und rauhe Seite wird von nun an milder, da sich zunehmend auch blumige Frische durchsetzt (Chypre).

Basisnote: Je nach Hautchemie überwiegt entweder die zitrische Würzigkeit oder die frische Holzigkeit. Bei mir ist es die frische Holzigkeit und daher erinnert mich das an Lagerfeld Photo, lang ist‘s her, aber die seifige Blumigkeit erfrischt zusätzlich und zwar gefühlt den ganzen Tag. Die Zitrone verfliegt, ihre herbe Basis bleibt.

Haltbarkeit:

Powerhouse, auch in der Disco und/ oder einer langen Sommernacht ist das ein Traum. Ganztagskandidat. Da die Basis so erstrebenswert abzuwarten ist, nur wenig nachzusprühen, falls es denn sein muss. Geht auch auf der Arbeit, dezent, aber schreit nach Freizeit und Strandabend.

Sillage:

Am Anfang enorm. Da kommt auch die Intensität der Zitrone durch, die als Kopfnote allerdings auf die Entfernung auf andere eher so wirkt, wie die Herznote auf einen selbst nach 30min. Blicke anderer drücken aus, dass es hier keines Kompliments bedarf, weil beim Träger vorausgesetzt werden kann, dass man selbst weiß, dass es hochqualitativ ist. Leute kommen und bleiben in der Nähe. Interessanterweise haben manche Träger Angst, dass andere merken, dass sie Parfüm tragen? Einfach sparsam dosieren, denn hier gibt es noch was für den Preis.

Flakon:

Geschmackssache, steht jedenfalls in meiner Sammlung ganz vorne, direkt neben #L‘Eau d‘Issey pour Homme und #Acqua di Gio Profumo, Battistoni #Marte, Yves Saint Laurent #pour Homme… Es steht dort, wo ich nach zitronigen Freshies greife. Auch wenn es eindeutig holzig-würzig ist, gehört es meiner Meinung nach weniger in die Gewürzabteilung als z.B. Aramis Havana, trotz dessen ebenfalls herben Tabak-Leder-Vibes. Das Versace hat vor allem keinen zimtig-orientalischen Gewürz-Vibe, sondern einen herb-mediterranen. Daneben gehört somit noch das originale Aramis #Tuscany.

Und ein Post-it: „Italien-Urlaub buchen und nur ein Parfum in den Koffer packen“
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Davide vor 2 Jahren 1
Phänomen
„Auf sowas haben Parfumfans seit 15 Jahren gewartet!“ ...

war meine erste Idee nach dem Aufsprühen auf Papier und darum gleich danach auf Haut und Shirt. Letzteres hielt den Duft von 11:00 bis 19:00 so intensiv am Leben, dass meine Frau abends bemerkte: „Die Wohnung riecht ätherisch. Bist du das?“

Haltbarkeit und Sillage sind daher für Parfumfans auf jeden Fall 90er Jahre Level. Wer den Duft liebt, spart viel Geld. Meine obligatorischen 5 Sprüher können sicher auf 2 reduziert werden.

Der Duft startet superclean-aquatisch, sehr natürlich, also maritim-algig, leicht salzig-säuerlich, dabei frisch und edel-holzig. Letzteres für übrigens gute 4 Stunden, die ich als sehr angenehm empfand. Dass ich „raumfüllend“ roch, war mir allerdings viel später erst bewusst, da meine Nase längst Urlaub an der bretonischen Küste nahm (duftblind). Die leichte saure Note drang dann bei mir jedenfalls den ganzen Tag bis Abends durch und hier kommt der Knackpunkt: Wer saure Haut/ saures Blut hat, kann hier seinen natürlichen Duft aufpeppen. Ich allerdings hab eher einen holzig-frischen Eigengeruch und das nahm dann eine unerwartete Wende.

Deshalb fügte meine Frau hinzu: „Hast du Teebaumöl drauf?“ Ich: „Bitte? Meinst du mein Parfum? Das ist doch eher säuerlich, oder?“ -„Hhm... saure Einmachgurken?“ Tja. Oft mag man ja einen Geruch an sich, aber nur selten an sich selbst. Daher will ich ihn für die berechtigten Fans nicht zerreißen.

Mich nervte der Duft mittlerweile und wir wollten einen Spaziergang machen. Da ich keine Zeit mehr zum Waschen hatte, layerte ich den Duft mit meinem holzig-frischen „Tars“-Cologne. Entweder der Moschus darin vertrieb dann noch die Ente im Stadtpark, die mir sonst immer freudig entgegenlief, oder das nun penentrante Gurkenwasser. Sämtliche Vogelarten machten einen Bogen um mich, oder drehten um. Immerhin flogen sie nicht weg.

Zuhause angekommen, konnte ich dann endlich alles abwaschen.

Wir haben es bei dem Duft mit solch phänomenaler Performance mit einem Meilenstein zu tun, weil dessen Qualität selten ist. Ähnlich wie Kenzo Homme, oder Cool Water hat er das Zeug zum Klassiker. Gut ist, wenn er seine Träger findet und besser, wenn diese ihn auch dank Parfumo finden werden.

Ich muss unsere Party aber verlassen, mich frisch machen und kurz umziehen.

Peace!

PS: Fairerweise solltet ihr noch wissen, dass mir schon beim Aufsprühen die Gurke auffiel und ich daher zum Vergleich einen Teststreifen Gucci Guilty Homme Love Edition mitnahm. Die darin vertretene holzige Frische war dann am Abend, das, was ich eigentlich auch vom Kenzo gerne weiter vernommen hätte. Wer die beiden vergleicht und gleich weiß, wo die Reise hingehen soll, hat es sicher leichter.
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Davide vor 4 Jahren 9
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Haltbarkeit
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Duft
Sehnsucht
Ich bin dankbar für diese immer mal wieder konsumkritische und literaturschaffende Community und gerne auf der Suche nach Geschenken für besondere Menschen.

Danke an BonOdeur für die Probe! Ich bin auch froh, dass im Päckchen ein netter Obolus, Marbert Woman, dabei war. Das half mir, dieses Kunstwerk in seiner Traditionsline „Chypre“ zu verstehen. Es entspricht sofort einem Bild.

Gleich zum Duft. Die Kopfnote sagt spielerisch und unmissverständlich: du hättest mich wohl gerne, aber ich hol mir nur, was ich will. Beziehungsstatus: Privat. Die bulgarische Rose betont absolut ihre prallen roten Lippen, die reden, was die Herznote fühlt und denkt. Wozu Makeup! Sie trägt eine Aktentasche und wirkt stets und außerordentlich professionell. Sie ist Mitte 20 und da, wo sie hinwollte, nach einem schnellen Abschluss an internationalen Universitäten. Ob Shanghai oder UAE, weder die Souks, noch die Avancen der Scheichs konnten sie aufhalten. Sie läuft direkt die Treppe hoch, die Kameras folgen ihr (nicht umgekehrt) und auf das Rednerpult zu, wo sie sich lächelnd an die Gäste richtet mit „Welcome“. Das reicht. Alle lächeln zurück. Darin liegt die Basis für eine angenehme Unterhaltung. Die Männerherzen schlagen höher. Viel länger als bei Shalimar, Le Bain und Co, weil die Männer das nicht erwarten.

Angenommen, er wäre jemand Anderes, er wäre froh, sie nur ansprechen. Aber er ist er und stellt sich lieber vor, er teilt jeden Gedanken mit ihr, seit er sie ansprach und ihre Hand nahm.
Denn er wird sie immer so sehr unterstützen wie sie hinter ihm steht, wenn er vor seinen Saal tritt.

Auch wenn ich sonst gerne länger einen Duft beschreibe, hier nicht! Da ist mir etwas anderes wichtiger. Ich frage mich: Was wollt ihr Damen mit all den teuren Süßwaren? Nur Buben und Mädchen wollen naschen. Männer wollen für etwas scheinbar Unerreichbares kämpfen. Und Frauen wollen dasselbe. Es gibt keinen Grund, das aufzugeben. Holzige Düfte werden von Männern geliebt. Deshalb kaufen sie die ja. Und hier ist das Holzige so verpackt, dass es den Männern die Show stiehlt, auch die One Man Shows von Bogart und die Gehaltserhöhung bringt. Es geht bei diesem Kunstwerk nicht darum, ob das Männer tragen können, sondern darum, es sie gar nicht erst tragen zu lassen. Aneignung. Chancengleichheit. Subversion.

Hier ist Professionalität. Das scheint mir Nathalie Lorsons weibliches Pendant zu Encre Noire zu sein. Es hat das Zeug dazu, die Regeln zu verbessern, nach denen gespielt wird. Und das ist genauso Postmoderne. Weibliche Chefetage ohne Schulterpolster, dafür mit Tradition.

Hier gebe ich mit voller Überzeugung 10 von 10, denn dagegen ist orientalisch nur retro. „Welcome to the next level“ wie 6 Space von ILS auf guten Boxen oder Soldier of Love von Sade.

EDIT UND NACHTRAG EINES FASZINIERTEN:

Das wird jetzt polarisieren und ich werde provozieren, aber das ist es mir wert.
Ich befasse mich mein Leben lang schon mit Kunst und sehe in diesem Parfum ein Kunstwerk. Auf mich wirkt es ab der ersten Sekunde outstanding, also ganz groß, nur wenn ich sowas sage meine ich damit nicht "lieblich", oder "süß", sondern bemerkens- und bewundernswert gut. Das ist eine Note, diese bulgarische Rose, die einfach überzeugend attraktiv ist. Was Kunst aber leistet ist, durch ästhetische Erfahrungen tiefergehende Überlegungen in uns auszulösen, was eine solche Wirkung ausgelöst hat. Und zu diesen Bildern zählten eben sehr oft auch kulturell überlieferte Zerrbilder von "Weiblichkeit" oder "Männlichkeit". Hier werden wir herausgefordert, das Männer-Terrain "Holz" neu zu überdenken.

Die Note ist nichts, was es schonmal gab, sie geht völlig eigene Wege und ist in dieser Hinsicht richtungsweisend. Hier wurde auf eine äußerst subtile und schöne Weise eine traditionelle Grenze überschritten: Holz war seit Generationen (!) eine Domäne der Männer. Diese Rose steht in einem olfaktorischen Wald, der kulturgeschichtlich immer das Aus für das vermeintlich schwache Geschlecht bedeutete: Alle 'Rotkäppchen' unter den Frauen, die Angst vorm sogenannten bösen Wolf haben, werden leider wieder Blumen sammeln, aber die, welche sich in dieses Unterholz trauen, machen aus jedem Wolf einen zahmen Samojeden, aus einem Jäger einen Gefährten und aus sich ein starkes Geschlecht.
Können Frauen Frauen bleiben, während sie Männergebiet einnehmen?
Wer sich traut, die kulturgeschichtlich überlieferten und frauenfeindlichen Stereotype (Klischees) und Vorurteile fallen zu lassen, die wie die rote Kappe im Wald liegen bleiben könnten, wird das hier genießen. Wer aber Wert auf klassische Rollenbilder und darauf legt, sich den in der (Parfum)werbung geltenden Trends zu fügen, kriegt im sich vergrößernden Schatten seiner selbst Angst vor sich selbst, je dunkler es wird. Die Botschaft ist ganz klar: du kannst, wenn du dich traust, auch in diesem Wald die Nummer 1 sein.

Aber wen die panische Flucht vor "maskulinen" Noten antreibt, wird diese Chance verpassen, Männern ihre Domäne streitig zu machen. Ich weiß, dass Vanille und Tonka sympathischer machen, aber darum geht es hier ja nicht. Dieser Duft hat es nicht nötig, anderen zu gefallen, obwohl er süß ausklingt. Und von welchem Duft kann man sagen, dass er gleichzeitig auch subversiv ist?
Nathalie Lorson, die gerne mal Mut bewies und für mich große Kunst schuf, musste sich auch oft gegen Männer in der Parfumwelt behaupten und bei einem ihrer Openings in Dubai, als sie Black Opium vorstellte, arbeitete meine Herzdame. Sie hat, wie ich auch, ein Faible für Lorsons Kreationen. Auch die teuersten Chanels ersetzen kein Statement, wenn es darum geht, eins zu vertreten. Ich habe nie mehr von diesem Duft erwartet, als ein Geschenk für die in meinen Augen außergewöhnlichste Frau zu sein.

Und natürlich erzählte ich ihr weder den Namen des Parfums, noch der Erfinderin, als ich ihr die Probe gab. Sofort war sie davon angetan. Ich kann allen, die es testen, nur wünschen, sich schon im Voraus von Männlichkeits-/ Weiblichkeitsklischees zu trennen.
Hier ist das besser gelungen, als ich mir es ausgemalt habe. Und je weniger Frauen das tragen wollen/ können/ vielleicht auch müssen, weil es bei Ihnen gerade um Durchsetzungsfähigkeit geht, desto mehr wird Perles de Lalique ein Unikat. Den Geist, eine männliche Domäne unterwandert zu haben und daraus groß hervorzugehen, wird es auch ohne das notwendige Verständnis der Masse verströmen. Kunst eben.

Das wäre aber auch traurig, wenn das nur Wenigen vergönnt bliebe.

PS: Das war völlig subjektiv und darum auch mit Überzeugung geschrieben. Dennoch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Perles de Lalique ganz objektiv Holz im Spiel ist und der Duft deshalb entweder gefällt, oder eben aneckt. Und das ist auch ganz objektiv gesehen tatsächlich außergewöhnlich. Und selbstverständlich sind nicht alle, die diesen Duft tragen revolutionär und die die ihn ablehnen, traditionell. Allerdings sollten jene, die ihn testen, wissen, dass er eine Kampfansage an alle Männer ist.
Ich kann mir also gut vorstellen, dass Frauen ihn so ablehnen können, wie ich Declaration d'un soir für mich mal mied, weil Rose darin ist und ich früher mehr Wert auf stereotype "Männlichkeit" gelegt habe.

Letztlich hat mich diese Community oft eines Besseren belehrt.
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Davide vor 4 Jahren 2
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Duft
Der kubanische Geiger Fidel
Havana ist ein Duft mit einer extrovertierten Kopfnote, einer geschmeidigen Herznote , die die souveräne Balance und den Ausdruck der Bestandteile hält und einer langen Basisnote, die gut 6 h+ wahrnehmbar ist. Es geht um Ausdruck, denn in dieser kubanischen Bar pocht jedes Herz. Erst mal ist Schluss mit süß. Hier ist Leidenschaft. Hier ist der Tanz begonnen.
In meinem Kopf läuft auf dem alten Schellack-Plattenspieler Buena Vista Social Club, Esperanto von Freundeskreis und im alten Holzregal erspäht man das kommunistische Manifest neben allerlei Kochbüchern würziger und intensiver Gerichte. Eine hauchfeine Prise Vanille zieht aus der Küche in die Nase und vermischt sich mit dem Geruch der alten Zigarre. Die Musik und der Rauch wehen gemeinsam in einem Windspiel durch die Straßen und erreichen noch die Berge mit den dampfend gesonnten Palmen und den alten Nadelhölzern. Die leichte Kühle im Schatten der monumentalen Kuba-Kiefer vor dem Gebäude, das allerhand Bemalungen zieren, ist schnell vergessen.

Auch wenn gerade in Europa Weihnachten kalt gefeiert wird. Hier wird eingeheizt und nach dieser wie eine Epoche wirkenden ersten Stunde hebt sich wie blauer Dunst in der Tanzbar der Vanilletabakrauch und wird begleitet von dem Geruch der Zimtsterne, die aus der Küche gereicht werden. Ich spendiere meiner Herzdame einen Drink und proste ihr mit dem Rumglas zu, bevor ich aufstehe und sie lächelnd mit einem Wangenkuss auf die Tanzfläche führe.

Jetzt erst beginnt das, was ich "souveräne Balance und den Ausdruck der Bestandteile" nenne. Es ist etwas anderes als Contenance, aber verdammt nah dran. Eine Mischung aus Anspannung und Lockerung. Eine Pirouette mit dem Glück. Und von da an, ist mir alles Andere egal.

Außer unsere Meinungen während des intensiven Gesprächs nach unserem Tanz, ob Hemingway, Marx, oder Butler in dieses Holzregal gehört und was Obama für Kuba geleistet hat. Am Ende umarmen wir uns innig und versprechen uns, wie Bruder und Schwester zu sein, weil es das ist, worum es geht. Wir sitzen relaxt auf einer Ledercouch und ich bemerke an ihrem Geruch: Wir mögen beide Vanille. Und ich mag und küsse ihren Nacken. Ein schöner gemeinsamer Nenner.

Wer nach dieser Nacht in der Bar morgens aufwacht und den Tabakgeruch auf seiner Kleidung riecht, freut sich, dass er nicht mehr rausgeht. Nichtraucher sind die wahren Genießer.

Zum Verlauf:
1. Die Kopfnote: Basilikum, Estragon und Mandarine, aber im Gewürzladen neben Kümmel und Grüntee (der Auftakt an der Bar neben der Küche).
2. Die Herznote: Tabak, Zimt, Vanille und Tanne (der Tanz im Rauch).
3. Die Basisnote: Eiche, Leder, Moschus und Sandelholz (das Gespräch auf der Ledercouch)
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Davide vor 5 Jahren 3 2
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Duft
Sturzsicheres Hinabrasen in die Tiefe
"Einmal noch Durchatmen!" dachte er sich, als er tief Luft holte und inmitten einer kühlen Brise, die durch die Waldwipfel strich und inmitten des zum Rauschen verschwommenen Zwitscherns der Kleinvögel und Grillen seine eigene Atmung vernahm: "Mhhhhhhhhhhhhhh". Ein letzter Blick galt noch dem tiefen vor sich brachliegenden Tal mit den heruntergerollten Kieferstämmen, die schienen, sich zu einer Art Vogelnest aus dieser Höhe zusammengeschmettert zu haben. Er stand 1.277 m über dem Wasserspiegel, zu dem ihm der sich unten wie ein Nähfaden zwirbelnde Gebirgsbach zögerlich zu zieren schien. Sport!

Die beiden Handschuhe umgriffen fest wie angeschweißt den Lenker seines vollgefederten Mountainbikes. Plötzlich schien ihm jedes Detail der bisher so großspurig sicheren Technik an ihm von größter Wichtigkeit. Längst kam es auf alles an. Hält die heißgelaufene Kette den Belastungen spontaner Jumps über herumliegende Äste und Stämme stand? Ist noch genug Luft in der Vorderfederung? Dämpft der ergomisch freischwingende Sattel die Erschütterungen eines harten Aufpralls nach einem notwendigen Ausweichen vom Weg bei der Wiedereinfahrt? War die Entscheidung für den unplattbaren Reifen am Hinterrad richtig, oder fehlt ihm die auf Steinen wichtige Flexibilität? Hält der aufgepumpte Vorderreifen einem spitzen Schotterstein stand, oder einer plötzlichen Wildbachüberfahrt? Was, wenn ein Käfer ins Auge fliegt? Und sollte wirklich das Bike schneller werden als der Körper, lassen sich die Klickpedale lösen? ...

Viele Sommer schon fuhr er über von der Sonne wie eine Brennlupe angestrahlte Lichtungen, die heiß dampfend aus dem Moosboden eine edle und erhabene Beständigkeit ausstrahlen und doch so anders sind. Jedesmal, wenn erneut die Mikroben- und Pilzkulturen alte Stämme fraßen und neuem Leben Platz machten. Die wahnwitzige Idee, in dieser verlassenen Umgebung die Überlegenheit der Kultur gegenüber der Natur auszuprobieren, hatte er längst aufgegeben. Sein Grapefruit-Deo inmitten einer kühlen Frische aus Farnen und nasskalten Tannenzapfen erschien ihm wie der Inbegriff des Hochmuts menschlicher Kultur. Und die Erkenntnis, dass dieser Eindruck von tief empfundener Romantik zeugte, machte die Abfahrt nicht weniger schwer. Er ertappte sich dabei, wie er der rabiaten Entscheidung, dieses Trail mit Stock und Stein zu nehmen, wie es kommt, auswich, indem er sie in Gedanken verzögerte. Immer tiefer erschien das Tal sich vor ihm auszubreiten und je mehr sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto klarer wurden ihm die Größenverhältnisse am Boden.

Den Gipfel des menschlichen Hochmuts in seinem Kopf markierte gerade die Frage, ob es nicht viel hochmütiger und unehrlicher ist, ein Parfum (das aus olfaktorischer Tarnung sich entwickelte Symbol menschlicher Triumphe über die Tiere) so zu gestalten, dass es "natürlich" erscheint, ohne seine Synthetik zu offenbaren, oder ob es doch ehrlicher ist, "Ja" zu der aufgesetzten Kultiviertheit der Grapefruitsynthetik zu sagen und beide Gerüche miteinander ringen zu lassen. Egal! Das einzige Ringen war das der sich nun allmählich drehenden und in der Sonne blitzenden Ringe der Reifen, sie sich unter dampfendem Matsch in Bewegung setzten. "Eins ist sicher..." dachte er, "je schneller ich bei der Abfahrt werde, um so geradliniger fahre ich auch und so weniger gerate ich ins Schlingern und gefährde meine Haltung". Seitdem blieb in seinem Kopf nur ein Gedanke: "Ab in die Tiefe!" Ein Lächeln durchzog sein Gesicht, das eines Verrückten und das war das letzte, was man von ihm sah, bevor er völlig berauscht von Adrenalin und Dopamin am Boden in seiner heißgeliebten Apfelweinwirtschaft ankam, um sich ein Schöfferhofer-Grapefruit zu bestellen und seine Freundin anzurufen, dass alles gut ging und er bald wieder da ist.
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