Esther19

Esther19

Rezensionen
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6 - 10 von 151
Esther19 vor 7 Jahren 9
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Schwarze Spitze
"Mon Parfum" - warum später die Umbenennung erfolgte, ist mir unklar. Bei mir war es umgekehrt. Erst war es in den 90ern für mich der schöne "Paloma Picasso", erst später wurde es "Mon Parfum".
Ich habe mal im Forum definiert: Chypres sind ernste Düfte. Und mehr. Dazu später - mehr.
Meine Favoriten sind ja Orientalen und pudrige Düfte - und einige klassische Chypres. An diese Duftfamilie musste ich mich erst annähern, seit etwa anderthalb Jahrzehnt. Es sind so Tage, schwer definierbar, da geht der Griff zu den distanzierten, anfangs etwas schwermütigen Düften.Und das sind gar keine Depritage! Nein, vielleicht eher besondere "Mut-Tage", an denen ich mir viel zutraue, tough bin. Orientalen sind ja eher offenherzig, überschwänglich - man trägt Dekollete. Das tun Chypres auch, aber mit einer Tüll-oder Spitzenschicht.
Dunkel fängt er an, mit dunkler, aber ungarstiger Angelika, Korianderperlen haben sich darin verfangen, die nun elegant-trotzig aufplatzen, zitrisch befilmt und kontrastiv dazu blumenzärtlich gesüßt. Wobei "Süße" hier wirklich minimalistisch definiert ist, eher ist es eine Weichheit, die sich fast "evolutionär "auftut. Eine gewisse "Strenge" bleibt bis zum Schluss erhalten - aber es ist her eine sehr disziplinierte Art des Kennenlernens: Eine Distanz, die geringer wird, zu freundlicher Zuwendung - aber es bleibt eine, sagen wir mal, professionelle Distanz.
Was an Blüten enthalten ist: Jasmin sicher, vielleicht auch ein Hauch Rose. Patchouly soll da enthalten sein? - Wenn ja, dann als unsichtbares Dämmmaterial, nichts ist hier erdig - es kann aber gut sein, dass das Zusammenspiel zwar inszeniert, jedoch nicht selbst auftritt. Von Beginn an ist alles unterlegt mit Eichenmos, kühles Bett für die wärmeren Blumenakzente.
Ich mag einfach diese klassische Schönheit, die mir nie langweilig wird, weil sie etwas Ungesagtes hat, sich nie ganz in fremde Hand begibt. Mit den meisten modernen Chypreparfums oder denen , die sich als solche ausgeben, kann ich nichts anfangen. Das fast schrullige"Irisia" ist meine strengste Gouvernante, meine geliebtes "Eau du soir" ist ebenfalls herber, der "Chypre rouge" von Serge Lutens ist schon - ist aber keiner! "Miss Dior" ist frischer - Picassos Meisterwerk ist der eleganteste in meinem Besitz. Ernst - ja. Aber trotz der Distinguiertheit offenbart sich eben auch Charme, Wärme und eine gewisse Gewitztheit.
Loewenherz hat bereits auf den etwas seltsamen, skulpturalen Flakon aufmerksam gemacht. Zugzwang der Picasso-Tochter? Mein Flakon ist oval und völlig schwarz. Die Variante, die die Flüssigkeit durchscheinen lässt, wirkt natürlich interessanter - und die Idee wurde auch später nachgeahmt.
Er hat eine deutliche, aber keine aufdringliche Silage, die wäre auch unwürdig.
Ich sortiere den ein unter "Schwarze Seelen" - wenigstens ein bisschen. Nicht nur der Schwärze des Flakons wegen.
9 Antworten
Esther19 vor 7 Jahren 7
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Ein alter Tibetteppich
Ein alter Tibetteppich
Deine Seele, die die meine liebet
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet
Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.
Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit
Maschentausendabertausendweit.
Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.


Dieses Gedicht von Else Lasker-Schüler passt zu dem Duft.
Einen alten Tibetteppich besitze ich nicht. Ich bewundere aber Teppiche, Meisterstücke der Knüpfkunst ob ihrer Farbenpracht. Und da meine ich nicht knallbunte Farben, sondern eher die schon etwas verblassten, benutzten, gelebten Exemplare, die durch ihre Übergänge, Ton-in-Ton-Kunst und ihre Muster erstaunen lassen, wobei mir ornamentale Muster lieber sind als florale. Zacken, Arabesken, Mäander.
Verblasst ist "Sacre" nun weiß Gott nicht, wenn ich ihn bei diesem heiligen Gral bemühen will. Und um Blumen komme ich auch nicht herum. Aber das ist hier kein Manko, im Gegenteil.
Nun ist es bei Teppichen natürlich anders: Erst hat man den Gesamteindruck, und nach und nach entdeckt man die Einzelheiten, hat aber immer das Gesamtbild vor Augen. Olfaktorische Entdeckungen verlaufen ja nun mal anders, erst im Verlaufe der Entfaltung entdeckt man die Details - ein "Gesamtbild" gibt es eigentlich nicht, sondern immer nur Momentaufnahmen.
Wirbelnd kommen die Gewürze daher: Koriander, der die Nelke pusht, dass es nur so kracht. Sakrale Stille ist anders. Eher die Lebendigkeit in amerikanischen Kirchen mit Gospelgesang, dass die Hütte bebt. Vor allem aber ist es ein jasminbetonter Duft, nicht so auf die Spitze getrieben wie mein geliebter "A la nuit", sondern etwas gepuderter, und die Kombination mit Orangenblüte, die sich sehr schön zeigt - ohne die tranige Note zu haben wie in der neuen Version von "Narcisse noir" aus dem gleichen Hause. Zitrisches, das erst später auftritt, schafft einen reizvollen Kontrast, ohne aber die Schwere des Duftes zu lüften. Er ist ein Koloss - aber bei aller Schwere keine unförmige Gestalt. Eine selbstbewusste Präsenz, die viele Stunden bleibt, auch wenn sie durch Hölzer und einen Hauch Vanille etwas milder gestimmt wird. Es ist mir nicht möglich, alles zu identifizieren - wie im Teppich gibt es das Zusammenführen von Fäden unterschiedlicher Farben und Zwischentöne. Maschentausenabertausendweit. Einen Nachahmer hat der Duft in gewisser Weise auch in Boucherons "Initial" gefunden, der geradliniger und dezenter ist, aber auch ein bisschen langweiliger. Aber auch da eine gedämpfte Jasminblüte.
Ich las einmal: Die Düfte aus dem Hause Caron passen zu Pelzen. Auch wenn das Tragen heute verpönt ist, stimmt die Aussage insofern, als sie eben das Exklusive herausstreicht.
Eigentlich ist der Duft nach herkömmlichen Vorstellungen viel zu elegant für mich. Es ist ein Parfum für große Anlässe und Ballkleider. Ich bin nun aber kein frommes Mädchen und trage ihn trotzdem.
7 Antworten
Esther19 vor 8 Jahren 6
6
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Viermastsegler mit lasziver Blumenladung
Endlich ist er gelistet, der Duft, den ich mir vor mehr als zehn Jahren in einer Mainzer Parfümerie zulegte.
Ein Duft wie ein Viermastsegler, also beileibe keine kleine Holzschaluppe!
So ein imposantes Schiff braucht nicht nur Wind - es macht auch welchen. Der Duft eröffnet leicht balsamisch, für mich eher mit etwas Zitrus als Bergamotte, aber auch schon Holzbalken! Ob tropisch oder heimisch, weiß ich nicht,
zumal die Rosen-Jasmin- Lieferung jetzt verräterisch wird. Gottlob keine triefende Rose, und auch der Jasmin ist gezähmz und hat eine fast animalische Note, fast ein bisschen "anrüchig", und das gefällt mir. Dadurch bleibt der Duft nicht klassisch, wie man es laut der Duftnoten eigentlich vermuten könnte. Auch wenn Frauen früher auf Schiffen nicht gern gesehen wurden und gar Unglück bringen sollten - hier waren schon ein paar Weibsen an Bord. Ähnliche Noten mag ich auch bei der Urversion von "Boudoir" und bei "Santal blanc" und -viel frecher, ja geradezu dreist, im "Musc Kublai Khan"von Serge Lutens. Aber keine Sorge, dieser hier ist dennoch eleganter, mit ganz sanfter Blütensüße, mondfern von Zucker oder Synthetik. Keine Massenware oder Sparmischung - Parfumkunst.
Das Schiff ist außerordenlich stabil. Die Blumenladung wird nur sehr langsam und vorsichtig entladen, und es biegen sich die Holzbalken. Der Duft hat eine unglaubliche Haltbarkeit und eine Stärke, die aber niemals aufdringlich wirkt.
Ich hätte ihn eher holzig als floral betitelt, auch wenn die Blumen eine Haupt-Nebenrolle spielen.
Mein Flakon ist relativ schlicht, ich habe auf den Strass gern verzichtet. Auf den Duft hingegen nicht!
6 Antworten
Esther19 vor 8 Jahren 7
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Belle Epoque - Im Moralkorsett
Belle epoque - eine aufregende Zeit. Ob ich damals gern gelebt hätte, eher nicht?(Ohne Internet und Parfumo-Gemeinde).Aber als Voyeurin auf eine Zeitreise würde ich schon gern gehen, und gern Maler und Dichter treffen, im Berliner Cafe des Westens oder in Wien.
Rauschende Feste, Bälle, die Damen in ihren wunderbaren Kleidern, erst noch korsettgeschnürt, später in den wunderbarfließenden Jugendstilkleidern, Hüte, Ohrringe- und natürlich Düfte. Tanz, Kokettieren, Etikette.
Der Parfumflakon unterstreicht diese Assoziationen, ein Kristallfächer, eher Gründerzeit als Jugendstil, aber schön.
Auch der Duft selbst ist perfekt, völlig harmonisch, der Duftverlauf ideal Einzelne Früchte kann ich nicht erkennen, eher ein leicht ingwergewürzte Mousse. Ich hatte Blumigkeit erwartet - aber auch hier: Beim besten Willen kann ich keine Favoritin erkennen, - und Mango? Schon gar nicht. Kakao - nicht als modisches Zugeständnis, sondern eine wunderbare Cremigkeit. Passend zu einem Kleid mit perfektem Schnitt, gekonnten Details, kleinem Muster und Ton in Ton.
Knize sagt, man werfe ihm vor," vollbusige " Parfums zu schaffen. Ich weiß nicht, ich denke eher an eine grazile,schön proportionierte, aber keinesfalls betont kurvige junge Frau, schön, aber eher sehr gesittet und gar nicht flirtend. Ein schneller Blick als Höchstes der Gefühle.
Knize hat in seinem Duft die Prunkseite jener Zeit in einen Zauber umgesetzt, und das perfekt.
Damit hat er nur eine Facette eingefangen. Wenn man an der goldenen Folie dieser Zeit auch nur ein bisschen kratzt,
erkennt man schnell die dunkle Seite.
Wir wissen aus den Memoiren von Stefan Zweig oder den Dramen von Schnitzler, dass es auch die andere Seite gab, nämlich die Abgründe, rigide Moralkorsetts und ungebändigte Lust im Verborgenen. Davon ist natürlich in diesem Duft nichts zu spüren. Er entspricht eher den Frauen und Mädchen, die sich an die strengen Moralvorschriften hielten - halten mussten, denn sie wussten, dass Verstöße rigide geahndet wurden.
Belle epoque ist weder ein unscheinbarer noch ein auffallend präsenter Duft, er hat einen mittleren Sog- vom Feinsten.
Geeignet für brave Mädchen und Frauen - oder für kleine Teufelinnen, die sich verstellen wollen.
PS: Ich habe das EdT getestet, zum EdP kann ich keine Aussage machen, das wäre noch interessant!
7 Antworten
Esther19 vor 8 Jahren 13
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Ich bin sehr sanft, nenn mich Kamille - oder "Silk"
Neuerscheinungen im Mainstream begegne ich seit einigen Jahren teilweise recht skeptisch: Zu oft piekte mich eine kreischige, nahezu giftig wirkende Kompottfruchtnote an, wie in Zement gegossen. Das Schönste bei vielen Düften der letzten Jahre aus dieser Kategorie waren oft noch die Flakons, außerdem wiesen sie deutlichere Unterscheidungsmerkmale auf als ihr Inhalt. Viel erwartet habe ich also nicht, aber: Überraschung: Zart und wirklich federleicht ist dieses Duftgewebe - und sehr harmonisch. Ich kann die Kopfnote gar nicht auseinandernehmen, es gelingt mir nicht, aber endlich mal ein Duft einer wunderbaren Weichheit. Ganz ferne erinnert er mich an die Ausnahmeerscheinung "Rumeur", der auch zart mit einer sehr leichten Bitternote überzeugt, und noch mehr denke ich an "Addict", der durch seine allerdings viel stärkere Orchideennote für regelrechte Schlagkraft sorgt. Hier ist die Exotin wohl im Regenwald halb versteckt. Der Amber ist ebenfalls flügelleicht, er drängelt nicht, gibt aber Wärme, so wie Seide ja auch eine temperaturanpassende Fähigkeit hat. Eigentlich favorisiere ich sehr ausdrucksstarke Düfte, doch diesen hier finde ich ausgesprochen schön in seiner zurückhaltenden Weise. Die Tonkabohne trägt gewiss dazu bei., aber er ist insgesamt eben sehr gut abgestimmt. Dazu passt auch der Flakon, der motivisch ein Seidengespinst aufgreift. Eine sehr klare Form, mit Streifen , die an Fäden erinnern, umwickelt. Ich würde ihn durchaus generationenübergreifend einordnen wollen. Er ist wirklich sehr sanft, doch ohne peinlich-niedliche Rüschigkeit, sodass er für sehr junge Frauen wie auch für gestandenere Damen tragbar ist, die es dezent wollen. Herren, ich schließe euch hier nicht aus, aber ich vermute, er dürfte euch seltener gefallen. Nach drei Stunden wird er sehr hautnah, bleibt aber noch länger haften.
Sarah Kirschs Gedicht beginnt so: "Ich bin sehr sanft, nenn mich Kamille". Die ist zwar nicht enthalten, aber die Zeile finde ich wie gemacht für diesen Seidenduft.
13 Antworten
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