Jumi

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1 - 5 von 41
Jumi vor 4 Jahren 29 17
10
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Makes me sway
“When marimba rhythms start to play
Dance with me, make me sway.
Like a lazy ocean hugs the shore
Hold me close, sway me more...”

Ähnlich wie die verschiedenen Song-Cover, hat jede Bois des Îles Konzentration ihre eigenen Fans. Völlig nachvollziehbar, denn jede von ihnen setzt auf unterschiedliche Betonung der ansonsten recht gleichen Duftnoten und spricht damit verschiedene Zielgruppen an. So schwören viele Chanel-Klassik-Anhänger auf das EdT, das durch die Betonung der Aldehyde für ein Gefühl vor allem der windigen Frische, Kühle, seifiger Strenge und klassischer Blumigkeit sorgt. Nach dieser ersten getesteten Konzentration (einer sehr schönen übrigens) hatte ich mir etwas weniger aldehydgeprägtes, aber mehr floral akzentuierteres und sandelholzbetonteres (angeknüpft an den Duftnamen) gewünscht. Das EdP schaffte es dann, meinen Blumenhunger zu stillen: nach kurzem, sanfterem Aldehyd-Auftakt wird man von bepuderten Ylang-Blüten überschüttet. Bemerkenswert wäre, dass der feine, süssliche, nur leicht von Vanille angehauchte Puder von mir erst als “unchanelig” empfunden wurde, mittlerweile aber für mich einen Leitfaden, ein Erkennungsmerkmal vieler Chanel-Düfte darstellt. Der eigentliche Hauptdarsteller, das Holz, liess etwas länger auf sich warten. So stieg der Wunsch die Extrait-Version zu testen. Und diese liegt für mich nun in der “goldenen Mitte” zwischen dem EdT und dem EdP: Aldehyde abgedämpft, der Puder etwas weniger süsslich-lieblich, die Ylang-Blüten immer noch kraftvoll und strahlend mit der gleichen leichten Fruchtigkeit des EdP. Und endlich spielt das Sandelholz unüberhörbar mit – hell, sanft (man denke an “Samsara”), leicht seifig, pudrig, warm und kühl windig zugleich. Gepaart mit dem exotisch-klassischem Blumen-Puder-Duett entsteht tatsächlich ein Bild/Sound von durch Jahrzehnte getragener zeitloser Eleganz, einer exotisch angehauchten Klassik.

“...Like a flower bending in the breeze
Bend with me, sway with ease.
When we dance you have a way with me
Stay with me, sway with me...”

Von allen mehr oder weniger gut gecoverten ist für mich die von Dean Martin gesungene Sway-Version unübertroffen und am ehesten mit Bois des Îles Extrait vergleichbar. Ein kurzes, temperamentvolles, “tango-eskes” Intro, gefolgt von sanft wiegendem exotischen Rhytmus und weicher, klassischer Stimme lassen das unbeschwerte Insel-Feeling aufkommen, den Blütenwind im Haar und den leichten Schwung in der Hüfte spüren. Irgendwo, wo Zeit und Alter keine Rolle spielen.

Eine Steigerung? Wäre eventuell möglich, wenn man denn noch das Original des Duftes aus 1926 testen könnte. Und ich muss gestehen, eine zeitlang spielte ich mit dem Gedanken mich auf die Suche danach zu begeben. Ein angesichts der Seltenheit, astronomischer Preise und zweifelhafter Qualität (gekippt, durch die Zeit verändert) wohl kaum erfüllbarer Wunsch. Ausserdem könnte es passieren, dass das Original des Dufts vielleicht wie das spanische Song-Original “Quien sera” - nicht wirklich meins wäre.

Ich denke, ich habe mich lange genug durch die Antillenholz-Konzentrationen geschnuppert, abgewogen, kritisch verglichen. In der Extrait-Version habe ich mein Sway-Erlebnis, DEN Dean Martin, gefunden:

“...Other dancers may be on the floor,
Dear, but my eyes will see only you!
Only you have the magic technique,
When we sway I go weak.”
17 Antworten
Jumi vor 6 Jahren 34 18
7
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9
Haltbarkeit
8
Duft
Der Plattenspieler
“Gib mir die Hand!” Die Kleine zog die noch Kleinere hoch, half ihr hinauf, schaute von oben verstohlen in den Hof herunter, ob die Mutter auch nichts sieht, und schloss das Dachbodentürchen. Gescholten hat die Mutter immer, wenn die Kleine die alte quietschige Leiter hoch kletterte. Und besonders, wenn sie die noch Kleinere im Schlepptau hatte... Doch zog sie der alte Dachboden, geheimnisvoll, erinnerungsreich und schatzkammergleich, wie ein Magnet. Den vorderen Teil hatten sie bereits erkundigt, jetzt drängten sie sich weiter zwischen den Kartons, gross und klein, alt und älter.

In einer dieser Kisten, hinter der antiken Stehlampe aus Messing, hatten sie ES zufällig entdeckt. Ein Grammophon wäre das, meinte die Kleine alleswisserisch. Bloss wäre es wahrscheinlich kaputt, weil ihm das lange 'Sprechdings' fehlte. Man konnte damit früher Musik abspielen. Eine der alten Schallplatten aus der gleichen Kiste wurde rausgeholt, die Nadel auf die Platte gelegt. Und – nichts. “Was nun?” Die Kleinere war ungeduldig. Die Stirn gerunzelt, beschloss die Kleine das Konzert per Hand zu starten. Gedreht von ihren Fingerchen bewegte sich die Platte immer schneller und quietschte, winselte und jaulte unter Nadelkratzern. Die Kleinen kicherten vergnügt und niessten hin und wieder vom aufgewirbelten Staub. Da war sie plötzlich. Kurz und weg. Und wieder da. Ganz leise Stimme. Sie schauten sich erschrocken an und um. “Es ist das Grammoding, es funktioniert!” meinte die Kleine und begann die Platte wieder zu drehen. Und dann, hinter dem Jaulen und dem Winseln, war ein leiser Männer-Tenor zu hören. Wovon er sang, konnten sie nicht verstehen. Dennoch neigten sie die Köpfe über der Platte, hielten den Atem an und hörten den langatmig gezogenen Tönen zu. Staub tanzte langsam im sich durchs kleine Dachfenster drängenden Sonnenstrahl, sank auf das Holz des Bodens und das Lampen-Messing, schob die Dachbalken auseinander und liess die Kleinen inmitten eines grossen Saals, blumenbeschmückt, goldbeleuchtet und musikbeschallt, irgendwo im 'Once upon a time' vor sich hin träumen.

Lang ist es her. Jetzt wissen ich und meine Schwester (lange nicht mehr 4 und 8), dass es bloss ein alter Plattenspieler war und eine von uns unwiderruflich zerkratzte Platte, die uns mit dem sanften Männer-Tenor überraschte und auf die “Zeitreise” schickte. Ich schätze Düfte, die dasselbe schaffen. Nun kenne ich Nuit de Noël noch gar nicht lange, gerade mal seit zwei Jahren. Trage ihn gerne mal für mich allein, zu Hause, wenn ich “reisebereit” bin. Dann katapultiert er mich sofort zurück, auf den alten Dachboden. Legt einen klassischen, damals üblichen, etwas kratzigen Aldehyd-Start hin, wirbelt dabei ganz viel Irisstaub auf, glänzt messingmatt-metallisch-nelkenwürzig, entblösst sein moosbewachsenes altes Holz. Wirkt weder furcheinflössend chyprig noch todernst seifig. Dazwischen singt das Blumenherz, zieht lange Töne, spricht ne alte Sprache. Ylang und Sandel – der Tenor und die Musik – ein altbewährtes, exotisch-klassisches Duett mit immer noch wirkendem Zauber. Hat in 'Samsara' schon funktioniert und noch mehr in 'Bois des Iles'. Hier auch. Als stünde man plötzlich inmitten eines grossen Saals, blumenbeschmückt, musikbeschallt, von Kronleuchtern in warmsüsses goldencremiges Licht getaucht. Vanilleglücklich... nicht wie frischer junger Pudding, sondern auf die alte, fast “Guerlainsche” Art, seriös, erwachsen. Und etwas aus der Zeit gefallen, mit jenem Zauber von 'Once upon a time'.

P.S. Das einzige was den Duft für mich mit Weihnachten verbinden könnte, wäre wohl der Karton mit dem Christbaumschmuck, auf den sich meine 4-jährige Schwester mit Schmackes gesetzt hat.
18 Antworten
Jumi vor 6 Jahren 60 29
7
Flakon
3
Sillage
3
Haltbarkeit
5
Duft
Kein Problem. Ein Problemchen.
Die Mutter eines alten Freundes, eine herzenswarme, liebe Frau, war eine “Diminutiv-Meisterin”. Jeder Name und jedes Substantiv bekam von ihr sofort entweder ein “-chen” oder ein “-lein” drangehängt. So waren wir als z.B. Lieschen, Mariechen, Andilein etc. immer in ihrem Haus willkommen, sei es zum “Käffchen mit Küchlein” oder später auch auf ein Bierchen. Selbst als ihr Söhnchen bereits zwei Köpfchen grösser als sie wurde oder etwas anstellte und sie ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte, wurde auf das Kosenamenanhängsel nicht verzichtet :) Alles schön und gut, aber mit der Zeit wird einem der niedliche Zirkus mit Mäuschen, Häschen, Bärchen & Co. etwas ansrengend und kann ganz schön auf das Säckchen gehen (auch bei Fehlen des Letzteren).

Ich hätte es wissen müssen. Mochte ich doch bis jetzt keinen einzigen LPRN (klingt fast wie die Abkürzung einer politischen Partei) Flanker. Verstand auch bei allem Respekt zu Guerlain nicht die ganze “Serien-Flankerei” zu diesem Duft. Aber mit der Konzentration “Eau Fraiche” (ergo weniger süss?), den grossgeschriebenen “grünen Noten”, der in Düften eher seltenen Pistazie und der erwähnten Assoziation mit Pistazieneis (meine Lieblingseissorte) waren die Neugier und die Hoffnung geweckt. Was ich jedoch rieche, ist meilenweit davon entfernt. Die Zitrusnoten bleiben aus, der Duft startet mit Blümchennoten durch. Genau, Blümchen und nicht Blumen, was angesichts der bekannten Weissblüherintensität ja durchaus gewollt und willkommen sein könnte (think positive, Jumi!). Das quietschig-freundliche, süsse Jasminchen, begleitet von diffusem blassem Grün und dem Moschus aus der Weichspülabteilung = dem kleineren Übel, denn es hätte ja auch in einem Frucht-Moschus-Haarspray-Desaster enden können (keep thinking positive, Jumi!). Ich bin auf die meist seifigen Piekser meines Angstgegners O-Blüte vorbereitet, doch selbst sie lassen sich nicht riechen. Pistazie? Fehlanzeige. Nach ca. 30 Minuten vernehme ich eine Staubigkeit, die mit viel Einbildungskraft als Mandelmehl(?) durchgehen kann. Und nach 2 Stunden bleibt nur noch ein hautnaher (trotzdem nervender) süsslicher, plastikhafter Rest (ich denke komischerweise an Zellophan) übrig. Harmlos, schmerzlos und irgendwie verwischt-verniedlicht. Versteht mich nicht falsch, ich brauche nicht die volle Duftdröhnung 24/7, auch Dunkles & Düsteres nur in Maßen. Ich mag durchaus auch verspielte, leicht-unbeschwerte Düfte, doch hier stosse ich auf das Diminutiv-Paradebeispiel: ein leichtes, sauberes, scheinbar auf Gefallen getrimmtes Wässerchen, das weder ein akzentuierter Blumen-, noch Grün-, noch ein deutlicher Gourmandduft sein will, im Fläschchen mit dem bekannten schwarzen Kleidchen, das bei mir trotz (oder gerade wegen) der Verniedlichung ein olfaktorisches Unbehagen auslöst.

Mögen mir bitte die Fans des Dufts und insbesondere die liebe Spenderin der Probe verzeihen! Schliesslich ist es nicht ihr Problem, sondern mein persönliches Problemchen, dass dieses Kleine Schwarze Kleidchen (wie alle anderen zuvor auch) nicht auf mein Hinterteilchen... ähm... Näschen passt.
29 Antworten
Jumi vor 6 Jahren 67 30
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Dann buk sie...
SIE wohnte alleine im 3. Stock unseres Mehrfamilienhauses. SIE trug gerne High Heels, die immer etwas höher, Röcke, die immer etwas enger und kürzer und Oberteile, die immer etwas knapper und "offenherziger” ausfielen als es unsere hofinterne “Anstandspolizei”, vertreten durch die Rentnerin M., zuliess. Das hochtoupierte dunkle Haar liess keine Zweifel übrig, dass SIE sehr gerne im letzten, vor kurzem beendeten Jahrzehnt lebte (und geblieben wäre). Für uns, Teenagegirls, war SIE das Muster bei unseren noch recht ungeschickten Styling-Versuchen. Für einige unserer Jungs – ein erster, schüchterner gedanklicher Tappser in Richtung Mann-Seins. Für manchen Mann – ein zungenschnalzenauslösendes Phänomen. Für viele Frauen – einfach ein Dorn im Auge. Für Frau M., die Rentnerin aus dem Erdgeschoss – das Objekt ständiger Beobachtung und wohl die einzige Unterhaltung ihres Lebens. Natürlich neben der Beschimpfung von uns, “unnützem Rudel”, für unseren abendlichen Zeitvertreib auf dem Spielplatz im Innenhof. Wir waren jeden Sommerabend da, wenn die Kleineren von ihren Eltern bereits heimgeholt wurden, und konnten von der Bank und der Schaukel aus, die die verschwitzten Hände immer nach Metall riechen liess, dem zähen Haushofleben beim Zurruhekommen zusehen. SIE ging oft aus, stets abgeholt von fremden Autos, schicken Anzügen oder auch Lederjacken und Jeans. Das ganze Treppenhaus duftete noch eine Stunde später bis in den 3. Stock nach ihrem wummsigen, tornadoähnlichen Duft. IHRE Kurzbeziehungen dauerten nie lange und endeten nach etwa gleichem Schema: ein Auto brachte sie heim, nach einer Weile stieg sie aus, verabschiedete sich mit einer lässig-graziösen Mittelfingergeste – wie nur SIE sie beherrschte - und ging nach Hause. Nur SIE traute sich auf ihrem Weg nach oben das Guckloch der Rentnerin M. mit ihrem Kaugummi oder auch einem Stück Papier zuzukleben... Dann buk SIE. Mal Pfirsichschnitten, meist aber grosse Würzkekse, welche ausserhalb der Weihnachtszeit zu backen wohl niemand auf die Idee gekommen wäre. Von ihrem Balkon aus rief SIE die Kids zusammen und, nachdem die Leckereien auf dem Spielplatz verteilt waren, war die jeweilige Mann-Ära endgültig abgeschlossen.

Ich weiss nicht, was aus ihr geworden ist und ob sie immer noch dort wohnt. Dass sie damals Spellbound trug, erscheint mir heute höchst wahrscheinlich. Warum sonst würde mir der ganze besagte Sommer vom Vorarm in die Nase steigen? Samt metallisch riechenden Schaukelhänden, samt dunklen Würzkeksen in der schwülen Sommerluft, samt pinkem Kaugummi auf M.s Guckloch. Am allermeisten spüre ich jedoch den wummsig-üppigen warmgoldenen Tornado um die wohllüstige Tuberose (später auch die klassischere, anständigere Pudergartennelke), aus allerlei Gewürzen und ambriert-vanilliertem sanftanimalischem Schnurren, 3-Stockwerke-hoch. Und treppenhausbreit :)

Danke für die Vintage-Probe, Verbena!
30 Antworten
Jumi vor 6 Jahren 41 22
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Mamakajiwin
[Residential Schools nannte man in Kanada Schulen, die von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1996(!) betrieben wurden. Es handelte sich um internatartige Schulen, die ausschließlich von Kindern der kanadischen Ureinwohner, also der First Nations, der Inuit und der Metis besucht wurden.
Diese Schulen sollten die Kinder von den Eltern fernhalten und zugleich von ihrem kulturellen Einfluss. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache wurde ihnen strikt verboten, stattdessen sollten sie Englisch, bzw. Französisch lernen. Damit verbunden war ein allgemeiner Zivilisierungsauftrag, dessen treibende Kraft eine Untersuchungskommission als „kulturellen Triumphalismus“ (cultural triumphalism) bezeichnete. ... Dort kam es zu zahlreichen psychischen und physischen Übergriffen, für die sich sowohl die beteiligten Kirchen inoffiziell, als auch der kanadische Staat offiziell entschuldigt haben. ... Die Lebenswege der Opfer sind bis heute von diesen Vorgängen gekennzeichnet. ... Die Fälle besonders brutaler Übergriffe sind immer noch vor Gerichten anhängig. Heute versucht man durch Kampagnen gegen Drogen und Alkohol, der Depression und der Gewalt, oftmals den Spätfolgen dieser Vorgänge, entgegenzuwirken.] Quelle: Wikipedia
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Er lehnte sich zurück an den Baumstamm und schloss seine 7-jährige Schwester fester in den Armen. Durch Unterernährung, Schläge und Krankheit wirkte Niimi viel kleiner als es ihrem Alter entsprechen sollte. “Sie tanzt” lautete ihr Name übersetzt in die gehasste Sprache, doch er, Myeengun, der Kleine Wolf, hatte sie schon lange nicht mehr tanzen gesehen. Er hatte noch genug der wutangetriebenen Kraft, um weiter zu laufen. Der Herbstwald hatte dem Kennenden genug Futter zu bieten – vor allem Wurzeln und spätherbe Saskatoon-Beeren. Doch Niimis kleiner, ausgelaugter Körper gab nach 7 Tagen, die seit ihrer Flucht vergangen waren, langsam auf.
Er schloss die Augen und fragte gedanklich Mishomis, den Grossvater, nach Rat. Grossvater... Oft half er ihm beim Kräutersammeln und beim Aufbau der Schwitzhütte, als er für die Jagd noch zu jung war. Nur Mishomis wusste um die genaue Zusammensetzung der zur Heilung bestimmten bitteren Kräuterbündel. Nur Mishomis konnte das Räucherritual tagelang aufrecht erhalten. Nur Mishomis wusste die genaue Dosis des Giftkrauts, die eine Heilung und nicht den Tod bringen würde. Er nannte es liebevoll “Mamakajiwin”, das Wunder.
Myeengun horchte auf. Noch weit entfernt hörte er die Suchtruppe nach ihnen rufen. Er drückte Niimi ganz fest an sich, wohlwissend, dass sie nur noch ein Wunder retten konnte. Mamakajiwin... Natürlich! Die Kleine vorsichtig unter dem Baum abgesetzt, rannte Myeengun zur Lichtung rechts und pflückte eine Handvoll des bitteren Krauts. “Hier, Niimi, Mamakajiwin!” Sie verstand sofort. Mit erwachsenen Augen schaute sie ihn an und begann, ohne das Gesicht zu verziehen, am bitteren Stengel zu kauen. Gekuschelt an seine Brust schlief sie ruhig ein, im festen Glauben nie wieder zur "Schule" zurückkehren zu müssen, während er langsam seine Portion schluckte... Später, in der Dämmerung fand die Suchtruppe die zwei “Problemkinder” unter dem Baum, regungslos und fest aneinander geklammert.
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Die nordamerikanische Silphium-Pflanze, auch Kompass-Pflanze, dürfte sich wahrscheinlich von der hier im Duft verwendeten Art unterscheiden, ist aber die einzige mir bekannte Silphium-Art. Als Kompass-Pflanze genannt, weil die unteren grossen Blätter angeblich strikt nach Norden und Süden ausgerichtet sind (persönlich habe ich es jedoch nicht überprüft). Mit einem bitteren gummiartigen Saft, der von den Einheimischen früher als eine Art Kaugummi benutzt wurde. In Assoziation dieses Wissens mit der einzigartigen Bitterkeit des Dufts ist auch der Kommi entstanden. Als hätte man für den Duft all die bitteren und teilweise giftigen Medizinkräuter und -Wurzeln verwendet, sie nach generationslanger Tradition getrocknet und nun auf heissen Steinen einer Schwitzhütte zum langsamen Rauchen und Kokeln gebracht. Die dem Duft eigene Seifigkeit unterscheidet sich von den seifigen Eindrücken von Neroli/O-Blüte oder manchmal auch Sandelholz. Es ist eher die würzige Seifigkeit einiger Pflanzenarten, die erst beim Zerreiben der Blätter in den Händen entsteht. Sie zieht sich durch den gesamten Duftverlauf, erst noch als Begleiter der bitterwürzigen und hellrauchigen Noten, später als Weichmacher subtiler, unterschwelliger Ledernote, die zu keiner Zeit prominent wird. Ein einzigartiger, faszinierender, ganz und gar unlieblicher, doch eigenartig weicher und auch tragbarer(!) Duft für die Liebhaber jegliches, inklusive unkonventionelles Grüns.

Lasst euch durch die traurige Geschichte oben nicht von einem Dufttest abschrecken. Schliesslich ist es meine, rein subjektive(!), Interpretation, die eng mit der eingangs beschriebenen Problematik der hiesigen Urbevölkerung verbunden ist. Ihrer immer zunehmenden Degeneration, Depression, Kriminalität, Sucht- und Selbstmordgefährdung, für deren Entgegenwirkung und Wiedergutmachung es viel mehr als einer offiziellen Entschuldigung, sondern eher eines Mamakajiwin (Wunders) bedarf.

Danke an Seejungfrau für die Probe!
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