Kollerl

Kollerl

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1 - 5 von 6
Kollerl vor 2 Jahren 13 17
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ein sympathischer Vladimir
Der Vladimir, der mir bei diesem Duft in den Sinn kommt, ist ein sehr sympathischer.

Von Vladimir Horowitz, dem begnadeten Konzertpianisten, der noch als wackeliger Hochbetagter Konzertsäle mit Witz und Virtuosität begeisterte, sind mir zwei Dinge überliefert.

Erstens das Zitat "Wer iiibt, hat neetig."

Das war natürlich eine augenzwinkernde Koketterie, als hätte er es nicht "neetig". Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass er halt keine öden Fingerübungen abspulte, sondern "richtige" Stücke spielte, um seine langen Finger geläufig zu halten. Er übte nicht, sondern spielte. Ein feiner Unterschied.

Zweitens die Auferstehung mitten im Konzert.

Als Horowitz nach vielen Jahren Pause auf die Konzertbühne zurückkam, freute sich das Publikum. Das Fachpublikum freute sich auch, aber noch mehr war es gespannt, wie gut der Maestro denn noch wäre.

Das Orchester begann also, das Klavier hatte Pause, um dann mit 3 Akkorden, eigentlich nur 3 Tönen einzusetzen.

Der Einsatz kam - und Horowitz verkackte.

So richtig. Komplett. Völlig.

So, dass es jeder gehört hatte. Ein Schock.

Er wurschtelte sich dann so irgendwie durch den ersten Satz, fing sich aber erstaunlicherweise und legte dann einen zweiten Satz hin, der dem Publikum die Tränen der Dankbarkeit in die Augen trieb.

An diesen Vladimir mag ich bei diesem Duft denken.

Die erste Verkostung überforderte mich.

Das zweite Beschnuppern eröffnete mir eine cremige-holzige Sinfonie, die sich durch südliche Zitrus- und Zedernhaine schlängelt. Der Wind trägt immer wieder neue Aromen von Wildkräutern und Harzen heran.
Die Wanderung wird nicht langweilig über Stunden.
17 Antworten
Kollerl vor 2 Jahren 12 6
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
transparente Komplexität
Neulich hatten sie in der Apotheke meine Tee-Bestellung verzettelt. Als ich meine Bestellung abholen wollte, war sie nicht fertig. Sie haben sich dann eiligst ans Mischen gemacht. Derweil bekam ich von der Chefin höchstselbst einen Kaffee angeboten: "Wollen 'S einen Cappuccino?" Ich setzte mich - beglückt von so einem netten Fehlermanagement - also ins Eck, wo normalerweise Zuckermessungen vorgenommen werden und trank einen erstaunlich guten Kaffee.
Ich genoss diese paar Minuten der Oase im Alltag, bis meine Bestellung fertig war.

In diese Apotheke entführt mich die Eröffnung dieses Duftes. Etwas sehr Medizinisch-Korrektes stellt sich mir vor. Das Antiseptische verzieht sich glücklicherweise recht schnell und geht über in eine famose Köstlichkeit.
Ein meisterliches Vergnügen, in dem mal das Leder (das nicht angeführt ist), mal Kaffee-Noten, dann Dampfig-Erdiges, dann wieder Gewürznoten und Holz vorblitzen.

Komplexität und Transparenz sind nicht unvereinbar.
Das zeigt dieser Duft.
6 Antworten
Kollerl vor 2 Jahren 19 14
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
no animals were harmed
Man kann erleichtert sein: für diesen Duft wurde keinem Belugawal sein haarloses Fell über die innenliegenden Ohren gezogen, um es zu gerben.
Auch wenn der Duft "Leder" ganz prominent im Namen führt: in meinem Dufterlebnis geht dieses im Vanillepudding unter.

Es ist ein hochqualitativer Vanillepudding, bitte mich nicht falsch zu verstehen.
Es ist ein Premium-Pudding der Sonderklasse.
Dieser Pudding tröstet, gibt Geborgenheit, senkt den Blutdruck, ist ein Stressblocker, wärmt Herz und Seele.
Dieser Pudding hat Oma-Qualitäten.

Ich hatte mir halt mehr Leder erhofft.
14 Antworten
Kollerl vor 2 Jahren 18 12
Sascha
Vor vielen Jahren nahm ich an einer denkwürdigen Weiterbildung teil. Alexander Van der Bellen war der Referent der Seminarwoche.
Er war damals noch nicht österreichischer Bundespräsident, nein, noch nicht mal Bundessprecher der Grünen. Er war allerdings bereits Grüner Nationalratsabgeordneter. Es ist wie gesagt sehr, sehr lange her.
Er - schon damals ganz Sir - eröffnete die Seminarwoche mit "Ich hoffe, es wirkt nicht zu anbiedernd, wenn ich das seminaristische Du als Anrede vorschlage". Ich muss schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke. Nein, wir fanden es nicht anbiedernd und waren dann halt ein paar Tage per Sascha mit ihm.

Im Lauf der Woche machte die Beobachtung einiger Teilnehmerinnen die Runde, wie gut doch Sascha roch. Zuerst traute sich niemand zu fragen, welchen Duft er denn trage, bis sich schließlich ein Teilnehmer ein Herz fasste und fragen ging. Völlig perplex aber sachlich-freundlich gab VdB Auskunft: "Fahrenheit (Eau de Toilette) | Dior".

Dieser Duft ist für mich untrennbar mit dieser Woche und mit Alexander Van der Bellen verbunden.
Falls er den Duft immer noch trägt, wünsche ich den Menschen in seinem jetzigen Umfeld, dass sie den Duft noch sehr, sehr lange genießen können.
12 Antworten
Kollerl vor 2 Jahren 9 4
Kunsthonig vom Feinsten
Zu den Ritualen im Advent gehörte in meiner Kindheit das Lebkuchen-Backen. Unser Familienrezept schrieb „einen Becher Honig“ vor.
Honig wurde natürlich auch damals schon in Gläsern gelagert und verkauft.

Was in unseren Lebkuchen kam, war sogenannter Kunsthonig: klebrig, dünnflüssig, hellgelb, picksüß, dabei irgendwie auch frisch. Vermutlich war es gefärbter Zuckersirup mit einer Prise Zitronensäure. Es war die Wirschaftswunderzeit mit ihren fatalen Verirrungen, die auch vor Küchen nicht halt machten. Bienen hätten schaudernd ihren Pelz geschüttelt und hätten das Weite gesucht, wenn sie nicht im Dezember ohnehin eine Auszeit nehmen würden.

Wir Kinder liebten dieses Zeug und haben uns darum gerissen, den weißen Plastikbecher ausschlecken zu dürfen.

Dieser Kunsthonig schmeckte nicht einfach zuckerig, sondern irgendwie gaaanz leicht vanillig und auch etwas frisch.
Exakt dieser Geruch dominiert "Velvet Teddy | M∙A∙C" und hat mich im Februar in die Lebkuchen-Backstube meiner Kindheit zurückgebeamt. Ich liebe solche unerwarteten Zeitreisen.

Im Verlauf kommen Vanille und Tonka gefällig dazu, ohne den Pickhonig ganz zu verdrängen, und geben dem Ganzen etwas Halt. Für mich ein Winterabend-Freizeitduft.
4 Antworten
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