Maxi3000

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6 - 10 von 19
Maxi3000 vor 7 Jahren 11 4
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Flakon
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Duft
Mister Miyake, Sie sind raus.
Zum ersten Mal seit längerer Zeit habe ich mich an einen absoluten Blindkauf gewagt. So umfangreich die Datenbanken der einschlägigen Parfumseiten im Netz auch sein mögen – zu gewissen Düften fließen die Informationen auch im World Wide Web nur äußerst spärlich. „Art Homme“ vom japanisch-französischen Designer Masakï Matsushïma ist da so ein Kandidat. Ärgerlich, denn seit ich ihn beim täglichen Parfumo-Schmökern entdeckt habe, ging er mir nicht mehr aus dem Kopf: der reduzierte, minimalistische Lackflakon! Die sich für mich äußerst verlockend lesende Duftpyramide! Und dann noch der derzeit günstige Preis bei einem Online-Shop. Das Matsushïma schon Björk und Madonna mit seinen Designs versorgt hat, gab natürlich auch noch irgendwie Pluspunkte. Und irgendwann war dann der Widerstand auch zwecklos – 25 Euro auf die Kralle gelegt, ab in den Einkaufskorb und sich überraschen lassen.

Es war ein Kauf, der für mich ein gewisses Risikopotential beinhaltete – denn ein Blick in Masakïs Duftportfolio weist ihn als Spezialisten für frisch-fruchtige, aquatische Düfte aus. Studiert man die Duftpyramiden der Herrendüfte, so fällt auf, dass viel mit Zitrus (insbesondere Grapefruit), sauberem Moschus sowie luftig-fernöstlichen Spirenzchen wie Yuzu, Tee oder Lotus gearbeitet wird. Und das ist ja nun mal so gar nicht mein Fall. „Art Homme“ verspricht der holzig-würzige Ausreißer aus dieser Linie zu sein. Ein bisschen nervös war ich beim Öffnen des Duftpakets dennoch. Beim Aufsprühen stellte ich mich sogar schon ein wenig auf Issey Miyake für Arme ein – wässrig, duschgelig, spitz. Doch es sollte anders kommen.

Naja gut, fast: den Auftakt macht tatsächlich ein dicker Schwall Mandarine. Nicht ganz natürlich geraten, mit leicht aquatischen Anklängen, aber dank einiger pfeffriger Tupfer glücklicherweise jeglicher Duschdas-Assotiation unverdächtig. Jener angewürzte Zitruskopf zieht sich nach einiger Zeit etwas zurück, hält sich während des restlichen Duftverlaufs als Unterbau aber konstant im Rennen.

Im Herz gibt es dann vor allem Orangenblüte satt, was den Duft sehr cremig werden lässt, fast etwas wie Sonnencreme, was ich – dunkler Lackflakon hin oder her – sehr sommerlich finde. Die Iris sorgt noch für zusätzliche pudrige Nuancen, spielt aber wie der Patchouli im Grunde kaum eine Rolle. Auf jeden Fall sehr schön die einzelnen Duftphasen so gut nachvollziehen zu können; hier wurde nicht wild der Chemiebaukasten durchgewurschtelt, sondern durchaus solide Arbeit geleistet.

Und wer in der Basis schließlich den wertkonservativen Duft eines Fichtennadelbads befürchtet, den kann ich beruhigen: die Fichte tritt nur leicht aus dem Hintergrund heraus und gibt der Gesamtkomposition lediglich einen kleinen ätherischen Hauch. Deutlich dominanter stellt sich für mich eine Note dar, die mich zunächst ins Grübeln brachte: an welches von mir früher besessene Parfum erinnert mich das denn? Nach einigem Überlegen kam mir die Erleuchtung – es ist „Diamonds for Men“ von Giorgio Armani. Kakaobohne, geanu! In der Duftpyramide gar nicht angegeben macht sie hier eine herbe und leicht trockene Figur und lässt zusammen mit Hölzern den bis dato sehr unisexen Dufteindruck nun schlussendlich doch in Richtung männlich pendeln. Richtig „dunkel“ wird „Art Homme“ jedoch zu keinem Zeitpunkt. Dafür bewegt er sich zu sehr im zitrisch-cremigen Spektrum - die holzigen und würzigen Noten sind zur Schattierung da, tragen aber nicht als Fundament.

„Art Homme“ ist ein moderner, dem Mainstream zugewandter Duft, der aber im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aus der Designerschiene ein absolutes Gespür für Subtilität und Understatement besitzt. Hier ist nichts zu laut, nichts zu stechend, nichts zu übertrieben. „Art Homme“ ist nicht prollig oder aufdringlich, eher komtemplativ und weich, weiß aber trotzdem zu verführen. Er hat definitiv etwas „Japanisches“, aber auf keine exotische, sondern eher auf eine urbane Art und Weise. Als befindet man sich in einem Park in Osaka, eingerahmt von Hochhäusern. Ein toller Allrounder-Duft, der eigentlich zu jeder Jahreszeit und jedem Anlass passt und für mich auch ein echter Preis-Leistungs-Tipp ist.

Mein Kompliment an Mister Matsushïma.
Mister Miyake, Sie sind raus.
4 Antworten
Maxi3000 vor 7 Jahren 13 6
6
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
5.5
Duft
Ledrig®! Holzig®! Mitsubishi®!
Scheinbar ist es nun endlich auch den Verantwortlichen aufgefallen: Guccis ziemlich missratene „Guilty“-Reihe fiel bisher weder durch überbordende Kreativität noch Qualität auf. Der mittlerweile fünfte Ableger „Absolute“ versucht folgerichtig ganz neue Töne anzuschlagen – weg vom orangenblütigen Drogerie-Zuckerwasser-Heititei, hin zu allem, was einem „echten Kerl“ angeblich zwingend Spaß machen muss: Dreck, Holz, Leder, satte Vegetation. Inwiefern sich das mit der bisherigen „Guilty“-Käuferschicht deckt, sei mal dahingestellt. So und so hinterlässt der neue Gucci bei mir ohnehin nur ein großes Fragezeichen.

Dass ich mich für den Neuankömmling nicht recht erwärmen kann, liegt daran, dass er nicht das liefert, was er einem als Feeling verkaufen möchte, aber auch an seiner irgendwie unorganischen Ausführung. Gucci hat sich - wie mittlerweile viele andere Marken auch - bei „Absolute“ am Aroma-Cocktail-Fundus von Firmenich und anderen Konsorten bedient. Warum mehrere verschiedene Rohstoffe kaufen, wenn man doch würzig, holzig und cremig in einer Duftnote haben kann? Akigalawood® heißen die Fantasienoten dann, oder Clearwood®, im vorliegenden Falle Goldenwood® und Woodleather®. Mir verleiden sie schon einen Großteil der Comme des Garcons-Düfte und auch bei Guilty Abolute erzeugen sie einen seltsam synthetischen Dufteindruck: Leder, Holz, Rauch, alles da, aber in einer fast schon steril-aseptisch anmutenden Ausführung. Ich rieche keine gut abgelederten Oldtimer-Ledersitze, sondern eher einen produktionsfrischen Neuwagen mit Kunstledersitzen. So ein bisschen wie die Mittelklasse-Wägen im Mitsubishi-Autohaus, das sich während meiner Kindheit in unserer Straße niedergelassen hatte. Im Duftverlauf wabert dann immer mal wieder die eine oder andere Note in den Vordergrund, bis sich in der Basis dann die patchoulihaften (?) Nuancen durchsetzen.
Für einen dunklen, ledrigen Duft geht völlig das Körperliche, Menschelnde, „Gefährliche“ ab. Ich habe den Eindruck, Gucci wollte sein bisheriges „Guilty“-Klientel nicht ganz außen vor lassen und herausgekommen ist dann ein Parfum für Sauberduft-Träger, die aber auch gerne mal auf verrucht machen wollen. „Guilty Abolute“ rezitiert maskuline Macho-Parfum-Klischees aus der Powerhouse- und Fahrenheit-Ära, bleibt dabei aber seltsam klinisch und leblos.

Bei Tragen sehe ich vor meinem inneren Auge – und ich hoffe da fühlt sich jetzt niemand auf den Schlips getreten! – jenen urbanen Männertypus, der unter der Woche im Büro in der Großstadt irgendwas mit Marketing oder Werbung macht und dann am Wochenende mit dem Mitsubishi Pajero® ins Voralpenland fährt um mal in der Natur so richtig „Männersachen“ zu machen. Einerseits zur eigenen Kompensation und Selbstvergewisserung, zum anderen weil er glaubt, die Gesellschaft erwarte diese ollen Stereotypen immer noch. Könnte aber auch nur eine bösartige Unterstellung meinerseits sein. ;)

Der neue Gucci ist natürlich dennoch deutlich besser als seine verhunzten „Guilty“-Geschwister. Aber wenn ich das ultimative Dschinghis Khan-Feeling mit Leder-Zeder-Zauber haben möchte besorge ich mir lieber „Knize Ten“ von Knize oder „Gomma“ von Etro. Die stehen auch ihren Kerl, aber deutlich facettenreicher und mit mehr Herz.
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Maxi3000 vor 8 Jahren 14 6
8
Duft
Beachtlicher Promiduft - mehr "Like a Prayer" als "Bitch, I'm Madonna"
Sie tingelt ja gerade wieder fleißig durch Deutschland, die Madonna. In meiner Kindheit war sie ein Idol für mich, "Music" habe ich mir mühsam von meinem Taschengeld zusammengespart und gehört nach 15 Jahren immer noch zu meinen Lieblings-Musikalben. Es folgten noch einige ordentliche CDs ("American Life", "Confessions On A Dancefloor"), doch spätestens gegen Ende meiner Pubertät musste ich, durchaus leicht schmerzlich bewegt, das Abdriften in die völlige musikalische und künstlerische Belanglosigkeit mitverfolgen. Madonna setzte keine Trends mehr, sie hechtete ihnen nur noch verzweifelt hinterher. Ihre aktuelle Scheibe ist dabei (hoffentlich) die vorläufige Talsohle, enthält es doch fast ausschließlich nur jenes extrem billig und verwaschen produzierte Soundgeballer, mit dem jüngere Kolleginnen wie Miley Cyrus und Rihanna derzeit erfolgreich sind. Ihre derzeitigen Konzerte werden von der Presse fast unisono zerrissen und auch ich habe auf einen Kauf einer Konzertkarte verzichtet. Nicht, dass ich was gegen Madonna hätte, im Gegenteil, ihre Musik hat mich durch alle bisherigen Lebenslagen begleitet, nur: ihre immer verbisseneren und bockiger wirkenden Versuche, auf der Bühne noch mit denen jungen Dingern mithalten zu können (weswegen ihr Körper augenscheinlich mittlerweile zu 95% aus Sehnen besteht) stimmen mich schon irgendwie betrübt. Die Frau, die in den Neunzigern das berührend-nachdenkliche "The Power of Good-Bye" gesungen hat skandiert fast zwanzig Jahre später plötzlich im knallengen rosa Leoprint-Fummel "Bitch, I'm Madonna"? "Was war denn da los!?", würde Stefan Raab da jetzt sagen (der übrigens dieses Jahr noch rechtzeitig den Absprung schafft).

Was das jetzt alles mit "Truth Or Dare" zu tun hat? Achtung, ich spanne jetzt den Bogen: passend zum Deutschlandaufenthalt haut Rossmann ihren Debut-Duft diese Woche für zehn Euro raus. Quasi als Merchandising zur Tour. Eindieseln im Rossi und ab in die Mercedes-Benz-Arena.

Die sehr polarisierenden Kommentare hier haben mich neugierig gemacht und nachdem ich jetzt zugeschlagen und einige Male gesprüht habe, muss ich feststellen: Donnerwetter, der ist bemerkenswert. Bemerkenswert anders. Die meisten weiblichen Promidüfte versuchen ja das größtmögliche KäuferInnen-Potential auszuschöpfen. Also ja nichts, was die breite Masse erschrecken könnte. Heraus kommt dann in der Regel entweder kandierter Obstsalat, Gänseblümchen mit Vanille oder Hello Kitty-Duschgel. "Truth Or Dare" startet dagegen gleich zu Beginn mit einem Paukenschlag: die Tuberose sorgt gleich für einen olfaktorischen Urschrei - glücklicherweise nicht Kopfschmerz erregend aber dennoch ziemlich stark wahrnehmbar. Dazu gesellen sich einige spritzige Noten, die aber schnell zugunsten des opulenten Blumenbouquets ausbluten. Mutig für einen Drogerieduft! Was darauf folgt ist ebenfalls weit entfernt von Standard-Ware: Benzoe akzentuiert die Blumen harzig-balsamisch, Vanille und Moschus sorgen für nötige Cremigkeit. Alle drei Akteure jedoch zu keinem Zeitpunkt dominant, sondern eher als Stützpfeiler im Hintergrund, die Tuberose und Jasmin eine durchaus überraschende Tiefe und Sinnlichkeit verleihen. Und das für eine halbe Ewigkeit - nach 10 Stunden ist der Duft noch deutlich wahrnehmbar.

"Truth Or Dare" riecht auf der einen Seite zart und züchtig, auf der anderen Seite aber auch wieder berauschend und verrucht. Ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel, das Madonna seit "Like A Virgin" meisterhaft beherrschte und mit "Like A Prayer" perfektionierte. Kein einfach zu tragender, sondern ein sehr spezieller Duft, der einiges an Selbstbewusstsein abfordert. Und der m.E. sehr erwachsen und durchaus klassisch riecht.

Für mich neben Dita van Teeses "Erotique" der beste und eigenständigste Promiduft, den ich bisher gerochen habe und ich zweifle (im Gegensatz zu vielen anderen Celebrity-Machwerken) nicht daran, dass Frau Ciccone an der Entwicklung selbst beteiligt war. Mit "Truth Or Dare" verbinde ich das, was Madonna in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern in ihren Liedern thematisiert und verkörpert hat: Selbstbestimmung, Sinnlichkeit, Erotik, Reife. Das ist alles ganz weit weg von infantilen Rumgehampel á la "Bitch, I'm Madonna". Im Parfumregal kauft sie damit den Kolleginnen Rihanna, Swift und Aguilera locker den Schneid ab - warum muss sie sich dann musikalisch so anbiedern?
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Maxi3000 vor 9 Jahren 36 5
7
Duft
Keine Lust mehr sexy zu sein.
Lieber La Nuit,

ich bin's. Bis noch vor einiger Zeit hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dir diese folgenden Zeilen zu widmen. Zu sehr warst du ich und ich du. Fünf Jahre ist es jetzt schon her, seit wir uns begegnet sind, La Nuit, kannst du dir das vorstellen? Ich war gerade ein frischgebackener Twen und meinen ganzen süßen Jil Sander-Damendüften überdrüssig geworden. Und 1 Million hatte soeben ein kurzes, aber heftiges Gastspiel hinter sich gebracht, das eines morgens, als die ganze männliche Belegschaft im Hörsaal nach Paco Rabanne duftete, ihr jähes Ende fand.

Und dann kamst du.

Gott, ich war damals noch so unsicher, erinnerst du dich noch? Wollte individuell sein, besonders, aber bloß nicht anecken. Ich wollte gemocht werden, umschwärmt, irgendwie auch verrucht sein, so verrucht wie das mit Bubigesicht und einer fransigen Frisur, die Friseusen im Fachjargon stets als "frech" oder "keck" bezeichnen, möglich war. Ein Kind, das endlich erwachsen werden wollte. Kein Wunder, dass wir sofort Freunde wurden.

Du bist leicht würzig und orientalisch, aber auf eine unglaublich süße und einschmeichelnde Art. Federst den ersten heftigen Stoß Kardamom gleich mit Zitrus und Lavendel ab und nahmst mir somit immer die Angst, "zu alt" zu duften. Zeigst dich so cremig und fein ambriert in deiner Basis. So ausgewogen, lieblich, jugendlich und doch maskulin. Dich musste man mögen. Ich wollte sein wie du und so wurden wir eins. Wir haben viel zusammen erlebt und nicht ein einziges Mal warst du unpassend. Du gabst mir Sicherheit - keine negativen Kommentare, die mein noch etwas wackeliges Selbstwertgefühl ins Wanken gebracht hätten. Stattdessen Wohlgefallen. Nur Komplimente. Mit dir fühlte ich mich gewagt, ohne irgendwas riskieren zu müssen. Weil das hätte ich mich dann doch nicht getraut. Eine sorglose, wenn auch immer etwas oberflächliche Zeit war das. Ich möchte sie nicht missen.

Aber La Nuit, wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Unsere Wege werden sich vermutlich bald trennen, so komisch das klingt. Ich habe mich still und heimlich von dir emanzipiert. Du riechst nach all den Jahren immer noch gut, aber anders. Nicht mehr nur gut, sondern auf eine glatte und jedem gefallen wollende Weise gut, die mir nicht mehr steht und nicht mehr stehen will. Ich will nicht mehr Everybody's Darling sein. Ich habe in den letzten Jahren gelacht, geheult, Falten bekommen, Haare verloren. Bin auf die Fresse geflogen, wieder aufgestanden, habe geliebt, gestritten, gesoffen, getröstet wo ich konnte, bin persönlich gereift und gewachsen - und du, du bist kein Stück mitgewachsen. Du bist immer noch wie früher - jugendlich, schönlingshaft, makellos und sexy.

Aber La Nuit: ich habe keine Lust mehr nur sexy zu sein.

Dein Maxi.
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Maxi3000 vor 9 Jahren 13 1
8
Duft
Das wundersame Orient-Comeback des Etienne Aigner.
Etienne Aigner - der Januskopf der Parfumwelt. Auf der einen Seite lese ich die schwärmerischen Berichte älterer Parfumos über verschwundene Glanzlichter wie "Aigner No°1", "Silver" oder "Superfragrance". Auf der anderen Seite verbinde ich mit der Marke die Verramschung von Billigdüften in der Drogerie Rossmann, wo im zwei-Wochen-Turnus der halbe Liter des WC-Enten-Derivats "X-Limited" für neun Euronen verkloppt wird. Nicht zu finden in der Drogerie sind wiederum eine kleine Gruppe mittelpreisigerer Düfte wie "Black For Men" und die Neuauflage "Aigner N°1 Intense", die mir auf ihre holzig-süße Art wiederum ganz gut gefallen und qualitativ deutlich hochwertiger als die Drugstore-Ladenhüter verarbeitet sind. Verwirrend - man kann den Eindruck gewinnen, dass da in Kirchheim bei München zwei getrennt voneinander arbeitende Subunternehmen unter einem Dach arbeiten.

Apropos München: die bayerische Landeshauptstadt hat eine zahlungskräftige Gruppe von Besuchern für sich entdeckt - Touristen aus dem arabischen Raum. Während die Herren parallel zur Sightseeing-Tour noch die Geschäfte abwickeln, stürmen die ganz in schwarz verhüllten Damen die Nobelboutiquen und Luxus-Passagen der Kaufhäuser. Nicht um die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes voranzutreiben, wie ich einige Wutbürger enttäuschen muss, sondern um ordentlich Geld für Kosmetik, Schmuck, Taschen und Parfum liegen zu lassen. Das haben die Münchner Händler schnell gemerkt und richten Teile ihres Sortiments mittlerweile auf das neue Klientel aus. Nicht nur die Nobelhäuser, auch die Mainstream-Parfümerien. So findet man im Hela beim Stachus mittlerweile von Versace über John Varvatos bis hin zu Dsquared eine erkleckliche Auswahl an orientalischen Designer-Oud-Düften.

Dort mischt jetzt im Sortiment also auch Etienne Aigner mit. Beim samstäglichen Shopping im Angebot: 100 ml "Aigner N°1 Oud" für 56 (!) Euro. Ich musste stutzen. Und dann gleich nochmal - das Thema Oud ist ja eigentlich für mich schon längst gegessen. "M7 Oud Absolu" ist ein fester Bestandteil meiner Sammlung, der "Oud Noir" von Versace war enttäuschend, der Rest uninteressant und die Nischendüfte größtenteils zu durchdringend und ausgefallen. Aber bei dem Preis? Das Parfum-Teufelchen auf meiner Schulter flüsterte "Schlag zu!" und schwupps, war der Oud-Neuankönmmling mein.

Die große Kunst von "Aigner N°1 Oud" ist es, auch für ein europäisches Mainstream-Publikum gefällig zu sein, ohne auch nur ein einziges Zugeständnis an Selbiges zu machen: auf zitrisches Klimbim wird im Auftakt kurzerhand verzichtet, stattdessen feuert die Kopfnote gleich aus allen Rohren rosig unterlegten Zimt und vor allem Koriander. Leicht medizinisch anmutend, aber alles in allem erträglich. Die Gewürze ziehen sich nach einiger Zeit zurück und offenbaren das blumige Herz, das, wie von den Vorrednern schon geschrieben, sehr lieblich aber nicht süß erscheint. In der Herznote zeigt der Duft meiner Meinung nach das stärkste Unisex-Potential. In der Basis pendelt die Komposition wieder mehr in Richtung männlich, dank dunklem Oud und leichten Lederanklägen. Besonders reizvoll finde ich, wie sich zu der vergleichsweise rauhen Holzigkeit in der Basis eine feine Pudrigkeit hineinschleicht. Könnte von diesem ominösen Cashmeran stammen, von dem ich bis heute keine Ahnung habe, wie es riecht. Ich vermute aber auch, dass es für die leichte Synthetik in der Basisnote verantwortlich ist. Schade, aber alles in allem ist die Basis mein Highlight, weil dort alles extrem solide aufeinander abgestimmt ist.

Einen kleinen Punkteabzug gibt es außerdem noch für die mangelhafte Sillage. Im Grunde finde ich es ja eigentlich klasse, dass es mal einen orientalischen Oud-Duft gibt, der keine bis ins All reichenden Montale-Duftschweife hinter sich herzieht. Auf der anderen Seite wird der Duft hier schon extrem schnell körpernah (bei mir nach ca. 1-2 Stunden). Lobenswert aber die Haltbarkeit - der Orient-Aigner hält im Eigentest locker 8-9 Stunden durch.

Insgesamt ein feiner, wirklich gut zusammengestellter Duft, der trotz aller arabischer Attitüde absolut alltagstauglich ist. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist spitze. Und ich frage mich wieder: was ist da los bei Etienne Aigner? Es ist, als wärfe ein verblichener 80s-Popstar nach 30 Jahren Irrelevanz plötzlich wieder ein spannendes Comeback-Album auf den Markt. Sie können es also doch noch! Warum können sie es aber nicht öfter? Und was hat das Ganze mit den seltsamen Eumeln in der verglasten Bückzone vom Rossmann zu tun? Vielleicht sollte man mal in Kirchheim vorbeischauen.
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