Mmmartin

Wieder einer dieser linearen Rammsteindüfte, die von Anfang bis zum Ende gleich riechen und sich dann irgendwann mehr oder weniger schnell verflüchtigen. Und wieder einer, wo ich von den aufgeführten Ingredienzen nichts heraus riechen kann. Stattdessen nehme ich von Anfang an einen intensiven, wunderschönen Wacholderduft wahr. Also kein Schnaps, sondern eine frisch geschnittene, sattgrüne Wacholderhecke. Und dieser herrliche Duft hält ziemlich lange bei mir, länger als die anderen aus gleichem Hause, also etwa Engel, Waidmannsheil oder Sex. Der Flakon ist eigentlich ganz ok, nur passt die knallrote Farbe irgendwie nicht zu dem für mich eher grünen Duft. Habe vorhin gesehen, dass man nur noch schwer einen Flakon ergattern kann, und wenn, dann zu horrenden Preisen bei ibäh. Wer Glück hat, kann noch vereinzelt Restbestände bei Rossmann bekommen, danach zu suchen, lohnt sich auf jeden Fall.

Ganymède, so duftest du. Ein Bund Liebstöckel (=Maggikraut) in einem neuen Schuh aus zartem Leder, das ist das Bild, das nach dem Aufsprühen vor meinem inneren Auge entsteht. Ein ziemlich dickes Bund wohlgemerkt, denn der Liebstöckel dominiert mit großem Selbstbewusstsein. Sillage und Haltbarkeit sind enorm. Nach einigen Stunden stellt sich dazu eine intensive Rauchnote ein. In Verbindung mit dem Liebstöckel habe ich das Gefühl in einer Räucherkammer zu stehen. Vor mir hängen Schinken und allerlei Würste. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, ein herrlicher Duft. Und genau das ist mein Problem mit dessen Bewertung. Wenn ich hungrig in ein Restaurant ginge, würde ich diesen Duft als wunderbar und anregend bezeichnen. Aber will ich selbst wie eine Räucherwurst riechen? Die Frage kann ich für mich leider nur mit einer mageren 3 für den Duft beantworten.

Biagiotti hat gerufen. Bewundernd sitze ich vor dem Roma-Uomo-Flakon. Der hat ja schon irgendwie was mystisches. Fehlt nur noch so ein kleiner Zenturio, der in einer Wolke aus Glitzerschnee verschwindet, wenn man das Teil schüttelt. Aber jetzt ein erster kurzer Sprüher, und - wusch - Zeitsprung in längst vergangene Kindertage. Zugucken wie Mama den Teig für ihren berühmten Zitronenkuchen in der großen Schüssel anrührt. Mmmh, vanillig-süß und lecker, immer wieder rein mit dem Finger und genüsslich abschlecken. Dann öffnet Mama eins dieser kleinen Backaroma-Fläschchen, die in Größe und Aussehen den Parfümpröbchen aus der Drogerie ähneln. Ein paar Tröpfchen, und plötzlich - wusch - zurück in der Gegenwart vor dem Roma-Uomo-Flakon - ist da diese leicht stechende, unangenehm metallische Note, die mir die Freude an diesem sonst so schönen Duft vergällt und dezente Kopfschmerzen verursacht (mein Verdacht fällt auf die Rosengeranie). Ich habe Rosa, äh Roma Uomo mehrere Chancen gegeben, aber es bleibt dabei, wir werden wohl getrennte Wege gehen. Arrivederci Roma. Schade, der Flakon ist sooo schön.

Hab den Tester vorhin bei Linde- äh Rossmann nach einigem Suchen bei den Damendüften neben Pussy und Rosenrot entdeckt. Etwas befremdlich, da ich ihn eher als maskulin bezeichnen würde. Beim ersten Sprühen Déja-vu: das ist doch der alte grün-krautig-kauzige Waidmann. Aber Hui! In der nächsten Sekunde feuert Ylang-Ylang einen Schuss geballte Erotik ab und gibt dem ganzen eine deutlich aggressivere Note. Aus der Pulverwolke weht dann tatsächlich auch ein Hauch von Egoïste, Antaeus & Co aus vergangenen Zeiten herüber, wobei erfreulicherweise die ausgeprägte Seifennote fehlt. Tannenwald kann ich trotz aller Nasenakrobatik nicht wahrnehmen. Sillage und Haltbarkeit sind, wie bei den anderen Rammsteindüften, auch beim Waidmann Intense nicht dessen Paradedisziplin. Ein raffinierter Verlauf ist ebenfalls nicht vorhanden, er wird mit der Zeit einfach nur schwächer. Alles in allem aber in der gesamten Reihe ein eigenständiger und selbstbewusster Vertreter. Gefällt mir sehr gut. Testen!
Nachtrag 8.1.24: Muss meine Bewertung in punkto H&S nochmal deutlich nach oben korrigieren. Hab ihn heute nach längerem wieder getragen, und das Zeug hält und hält. Keine Ahnung, ob das an meiner Nase liegt, oder ob der noch nachgereift ist.